Fragmente aus dem Steinbruch revolutionärer Auseinandersetzung - Fragen an uns, statt Warten auf die nächste militaristische Guerilla?

Millionen Menschen werden zum Abschuss freigegeben. Freiheit wird umgedeutet und bedeutet die Verachtung und Auslöschung Aller, die der eigenen „Freiheit“ im Wege stehen. Moral war gestern, Macht ist alles. Das Motto: Make Patriarchat Great Again. Das ist unsere Ausgangslage. Wir tasten uns nach vorne.

Die Stadtguerilla ist nicht da draußen irgendwo.
Die Stadtguerilla existiert durch uns – und in Beziehung zu bereits existierenden militanten Kerne. Es ist unsere Entscheidung, das Projekt Stadtguerilla neu zu vermessen und gemessen an den Erfordernissen kommender Auseinandersetzungen, neu zu gestalten und zu prägen.

In diesem Sinne ist dieser Text ein Anschlag auf unser Hirn.

 

 7. Februar 2025 Aus knack.news und emrawi.org 

1. Intro

Die Lüge gerinnt zur Wahrheit. Die Algorithmen verstetigen sie. Und sie muss nur lauter sein als die alten Gewissheiten darüber, was Wirklichkeit ist. Oder besser gesagt; war.
Die alte Welt, je nach Blickwinkel der Beherrschten, war schon immer eine Hölle für sich. Für manche anstrengend, für andere existenziell und für wieder andere tödlich.
Die neue Welt hat eine weitere neue Hölle zu bieten.
Nun wird die zur Wahrheit generierte Lüge an neuen Börsen gehandelt. Alles wird neu in Wert und Unwert gesetzt. Bezahlt wird in Lebenszeit, verbrannten Hirnen und manipulierten Gefühlen. Der Volksempfänger, er heißt heute X. Die kleinste Lebensäußerung wird gehandelt, verkauft, verraten, kontrolliert. Sie kann als disfunktional gelesen werden, als wertlos und den Tod mit sich bringen.
Zum Glück gibt es keine Klimazerstörung durch Menschenhand mehr, es gibt nur schlechtes Wetter. „Die Revolution des gesunden Menschenverstandes“ vermeldet per Dekret: Es gibt nur zwei Geschlechter: Frau und Mann. Grönland gehört den USA. Hitler war ein Kommunist. Gegen Hungerkatastrophen helfen Verhungern lassen. Und gegen Menschen auf der Flucht hilft der kriegerische Zustand der Festung. Gegen Krieg hilft noch mehr Krieg. Gegen noch mehr Armut hilft noch mehr Krieg. Die neue Hölle ist mit neuen Antworten zur Hand.
Der Faschismus, so denn dieser Name noch passend umschreibt, was derzeit passiert, er hat ein neues Gewand. Seine Akteure sind bereit für den Sprung in eine totalitäre Formierung einer neuer Gesellschaft. Wo genau sie hinspringen, wissen sie zwar selbst noch nicht, aber die Richtung ist klar. Macht, Macht und nochmals Macht. Nach uns die Sintflut. Und der Spaß an der Zerstörung einer Moral, die manchmal noch auf soziale Kriterien beruhte, freut sie, wie der Junge im Sandkasten, der mit seinem Schippchen anderen Kindern die Burgen zerhaut und lacht wenn sie weinen, schreien, verzweifeln. Je größer der Schmerz, je größer die Freude. Zerstörung ist wie eine Sucht bei der neuen Elite, die die alte Elite ablösen will und ablösen wird. „Schöpferische Zerstörung“ nennen das einige und werten damit die Brutalität des Vorgangs auf.
Die inneroppositionellen Kräfte des totalitären Aufbruchs haben noch einige Probleme mit ungelösten Detailfragen. Echte Opposition, eine Kritik am Fundament wird je nach Ort lebensgefährlich. Russland oder China ist die Blaupause der Möglichkeiten. Eine Frage der Zeit, wann Folter systemisch in den USA oder Europa zur Normalität wird.

Wem ist schon richtig klar, wohin die Reise genau geht. Kommen wir überhaupt hinterher mit den Ereignissen und Auswirkungen dieses Umbruchs, dieser Transformation der Herrschaft, um uns darin orientieren zu können und Widerstandsformen als erfolgversprechend in die Diskussion werfen zu können? Die Bestandsaufnahme ist eine tägliche – für jene, die die Kapazitäten dazu überhaupt noch haben.
Aber erkennbar ist: staatliche Apparate werden gerade übernommen von Anhängern der zukünftigen Diktaturen. Das Denken wird übernommen von Maschinen, von Männern in mächtigen Positionen, die sich der Maschinen bedienen können und die Ressourcen haben, eine Manipulation der Menschen vorzunehmen, die an Reichweite beispiellos ist. Die wiedergekäuten Lügen, die alles zersetzten, was ein menschliches Miteinander ausmachen könnte, ist schwer auszuhalten, weil die Mittel dagegen zu halten, minimal scheinen. Die Wirklichkeit wird unter Lügen gebogen, zerschmettert und begraben, um sie neu zusammen zusetzen. Und Viele fangen an, die Lügen nachzuplappern, sich neu auszurichten und alte Gewissheiten über Bord zu werfen. Das Leben steht unter der Kontrolle von Konzernen und Monstern aus einem patriarchalen Gruselkabinett.
Die Tech-Konzerne verschmelzen mit dem Chauvinismus und den faschistischen Bewegungen und werden zu einer vorwärtstreibenden destruktiven Kraft, die viele Menschen mitreißt. Ein Chauvinismus, der einige Menschen dazu verleitet, dem Sterben genüsslich zuschauen, solange die Sicherheitsversprechen noch glaubwürdig ihnen gelten. Zuschauen in Echtzeit.
Die konservativen, liberalen und „linken“ bürgerlichen Kräfte bieten sich als Steigbügelhalter an und singen jetzt schon das Lied aktueller und künftiger Herren. Millionen Menschen werden zum Abschuss freigegeben. Freiheit wird umgedeutet und bedeutet die Verachtung und Auslöschung Aller, die der eigenen „Freiheit“ im Wege stehen. Moral war gestern, Macht ist alles. Das Motto: Make Patriarchat Great Again.

Und irgendwo zwischen einer wüsten Beschreibung einer Zukunft die keine ist, sind wir. Wir, die wir erst einmal die Gewissheit aufbringen müssen, in diesem neuen Zyklus der Menschheitsgeschichte dem Unvorstellbaren eine militante, eine bewaffnete Praxis gegenüber stellen zu wollen, zu können.
Und irgendwo die Gewissheit, überall wird sich entgegen gestemmt. Überall wird es Menschen geben, die begreifen, welche ungeheuerliche Gefahr auf uns zukommt. Dass die sozialen Beziehungen der Menschen zueinander und zu der Welt als Lebensraum in Gefahr sind. Das unser Planet in Gefahr ist, mit den Lebensbedingungen, die wir brauchen, um sein zu können.

So düster der Ausblick einerseits, so klarer werden jene erkennbar, die die Menschlichkeit über alles stellen. Die die Erde und alle Lebewesen darauf umarmen und tun, was sie schon seit Jahrhunderten tun: Kämpfen, sich wehren, sich und andere schützen, Wissen bewahren und weitergeben. Kampferfahrungen sammeln und mit den Herausforderungen wachsen. So wie andere Kämpfe uns Hoffnung machen, sind wir ein kleiner Teil des Aufbruchs und geben denen Hoffnung, die mit dem Rücken zur Wand stehen und gar nicht anders können, als nach vorne zu gehen. Wir können es zumindest versuchen.
Das ist unsere Ausgangslage. Wir tasten uns nach vorne.

Fragmente aus dem Steinbruch revolutionärer Auseinandersetzung

Fragen an uns, statt Warten auf die nächste militaristische Guerilla!

2) Was nun?

Wir haben eine sehr grobe und verkürzte Analyse als Intro vorangestellt, weil sie vielleicht hilfreich ist, um die Perspektive der Fragen zu framen, die wir bruchstückhaft im weiteren Text aus dem Steinbruch revolutionärer Praxis herausstellen und bearbeiten wollen. Die Gewalttätigkeit des auf uns zukommenden Umbruchs, der Transformation der bisher bekannten Herrschaftsformen wird dank der technologischen Möglichkeiten jede Erfahrung in den Schatten stellen. Wir haben keine Zeit zu verlieren.

Das Alte ist Vergangen. Stellen wir uns dem Umbruch.

Die neue Stadtguerilla stellt sich der Wirklichkeit und greift ein.

Die Guerilla braucht uns.

Das Wort Guerilla ist groß. Es kommt aus einer anderen Zeit. Verstaubt. Es ist besetzt und dem Wort haftet viel Zweifelhaftes an.

Einerseits: Den alten ideologischen Konzepten zufolge waren viele Guerillagruppen Machtkonzeptionen, die in der Regel mit dem Modell einer „Gegenmacht“ verbunden waren. Es waren letztendlich patriarchale Konzepte, in welchen die Guerillaarmee, hervorgegangen aus zum Beispiel Stadtguerillagruppen, als das Moment gesehen wurde, welche die Macht übernehmen sollte, wenn sie gewonnen hatten. Militärisch gewonnen. Und die Macht verblieb in der Regel in den Händen männlicher Kader. Nicht das sie Männer waren, war das Problem, sondern ihre Männlichkeit, ihr patriarchaler Impetus. Und die von ihnen entwickelte Ideologie, die niemals gewohnt war Patriarchat zu hinterfragen.
Wenn Mao zitiert wurde: „Die Macht kommt aus den Gewehrläufen“, dann ist das pure patriarchale, militaristische Ideologie.
Die „Macht“, also der Wille zum Widerstand würden wir sagen, kam aus dem sozialen Bewusstsein über die eigene Lage. Die Organisierung entsprach den sozialen Beziehungen, dem Austausch der Beherrschten und führte zu kollektiven Kämpfen der Menschen. Die Autoritären, allen voran die Kommunisten, haben in der Regel die sozialen Konflikte als Motor genommen, sich draufgesetzt und für sich nutzbar gemacht, um diese in Partei-, in Befehlsstrukturen zu pressen. Zentralisierung, Führerkult und Führung, Kadavergehorsam und Parteisoldat_innen waren das freudlose Ergebnis. Es ging immer um Macht und die Eroberung der Macht, nicht um Demontage der Macht. Viele Guerillagruppen in unterschiedlichen Kontexten der Welt verfolgten die Militarisierung der sozialen Auseinandersetzungen hin zur Eroberung der Macht und gaben dem Bürgerkrieg den Vorzug vor der sozialen Revolution, wenn sie bedroht waren. Mit dem Scheitern der sozialen Revolution konnte vielleicht noch die Macht erobert werden, aber dann war auch Schluss mit der Befreiung des Menschen von der Knechtschaft durch den Menschen. Differenzen und Kritik innerhalb revolutionärer Bewegung hatten im Kontext einer Gegenmacht, einer bewaffneten Avantgarde, einer militarisierten Praxis, eines Plans zur Eroberung der Macht wenig Spielraum und wurde eliminiert. Renegaten, Linksabweichler, Rechtsabweichler, Verräter an der Sache, Päng, Bumm, Tot.
Guerilla ist eben auch bluttriefende Geschichte, die Hinrichtung der Abweichler war die Regel, nicht die Ausnahme.

Die Wiederholung der Geschichte muss durch eine andere Form, eine andere Organisierung sowie einer anderen Zielsetzung der Guerilla durchbrochen werden. Die alten Guerillagruppen, abgesehen einiger Ausnahmen, waren oft betrogene Hoffnung und Projektionsfläche zugleich. Eine kritischen Rückbetrachtung ehemaliger Militanter aus der Guerilla auf den Militarismus innerhalb bewaffneter Gruppen hat es bis zum heutigen Tag aus unserer Sicht nicht gegeben. Eine Wiederholung fragwürdiger Ausrichtung einer zukünftigen Guerilla schenken wir keine weitere Aufmerksamkeit, weder dem Wunsch nach einer „Stadtguerilla-Kriegsführung“, noch dessen Umsetzung einer „asymmetrischen Kriegsführung“ solcher Gruppen. Auch der Wunsch einen „sozialen Krieg“ zu entfesseln, liebäugelt mit der Lust am Krieg. Patriarchale Männerphantasien würden wir den Beitrag u.a. im Autonomen Blättchen „Warten auf die anarchistische Guerilla …“ umschreiben. Auf der Basis dieser Denkstruktur wartet vielleicht der Geheimdienst freudig darauf, die nächste Guerilla abzuholen, wir nicht. Das Fazit des Beitrags korrespondiert nicht mit dem Inhalt. Der Text hat unsere vollste Ablehnung. In einer Erwiderung „Über anarchistische Handlungsfähigkeit“ (Antisistema Ausgabe 3) erkennen wir uns mit unseren Auseinandersetzungen wieder.
Der „soziale Krieg“ wird gegen die Beherrschten geführt, die soziale Revolution bricht diesen sozialen Krieg von „Oben“. Militarismus und Verherrlichung patriarchaler Kampfvorstellungen führen zum Scheitern der sozialen Revolution.

Kommen wir zum Andererseits: Das Wort „Guerilla“ ist weit weg. Nicht mehr im Fenster unseres eigenen Erlebens. So kann man mit dem Begriff spielen und ihn benutzen, wie es gerade gefällt. Niemand wird widersprechen, schon gar nicht die nichtexistente Guerilla selbst.
Es wird sich gerne mit einem Rebellentum geschmückt, wie mit fremden Federn. Weil es den Geruch von Subversion, von Illegalem, von Revolution hat, kann Revolution konsumiert werden. Es ist praktisch, Kommunikationsguerilla zu spielen, Guerillagardening zu betreiben, plötzlich die russische Revolution samt Lenin wieder aufleben zu lassen oder andere Spielereien, die die eigenen Projekte aufwerten. Auf dem Shirt, dem Beitrag auf social media – überall beworben, eine Radikalität, die niemandem wehtut, Klicks generiert und sich vermarket. Guerilla wird seines Kontexts beraubt um als Hype, als Marketinggag Reichweite zu erzielen oder als Gruselfaktor zu funktionieren, wenn die Klimabewegung plötzlich in die Nähe eines „RAF-Terrorismus“ gerückt wird.
Und dann gibt es noch einige ehemalige Militante, die sich in Szene setzen. Und ein rotes, meist der bürgerlichen Kinderstube gerade entronnenes Umfeld, was an deren Lippen hängt, welches in ein paar Jahren selbstverständlich wieder verschwunden ist und das verhasste System verteidigt, das kurzzeitig mal bekämpft wurde. Oder schlimmer noch; unkritisch einen Abklatsch alter Guerillagruppen zelebriert und vor allem den verbalen Radikalismus, Machismo und Militarismus stark macht. Wir vertiefen das nicht.

Der Hinweis in der Antisistema, dass der Begriff „Guerilla“ aus einer Verkleinerungsform von dem spanischen „Guerra“ (Krieg) herrührt, weist auf das grundsätzlich Problem. Denken wir Widerstand als Krieg? Oder als Zerstörung der Macht und seiner kriegerischen Erscheinungsformen und folgen Prinzipien sozialer Revolution. Ob wir dem Begriff, als Beschreibung einer Organisationsform, als Perspektive, eine Zukunft geben wollen, entscheidet nicht dieser oder andere Texte, sondern die Diskussion darum. Entscheidend ist die Praxis, nicht die ideologische Schublade, die wir der Praxis überstülpen. Und um nochmal die Antisistema zu bemühen: „Eine anonyme, unsichtbare, informelle Bewegung mit Verbindlichkeit, Entschlossenheit und längerfristiger Perspektive zu entwickeln, die sogenannte Guerillataktiken anwendet, ist in gewisser Weise auf minimaler Ebene Praxis internationaler anarchistischer Bewegung“.

Eingedenk dieser Einschränkung über die Tauglichkeit des Begriffs, eingedenk unserer zurückgehaltenen Analyse zur Transformation von Herrschaft tun wir einfach mal so als gäbe es eine Stadtguerilla in diesem Land. Auch weil wir es richtig finden, diesen Begriff nicht dem Militarismus zu überlassen und eine neue Form einer Stadtguerilla denkbar zu machen, die vielleicht schon längst unterwegs ist.

Vielleicht weiß sie es selber nicht. Vielleicht ahnt sie es und will nicht in eine Kategorisierung geraten, die sie trennen könnte von den Pfützen, Tümpeln, Bächen, Seen und Meeren, wo sie sich wie ein Fisch im trüben oder klaren Wasser bewegt und schweigt deshalb zu ihrer Existenz. Vielleicht will sie den Ermittlern keine unnötigen Informationen geben. Vielleicht liest sie diesen Text noch nicht einmal. Vielleicht ist die Guerilla nicht auf Marketing bedacht. Vielleicht will sie sich aus politisch nachvollziehbaren Gründen nicht labeln. Vielleicht ist sie schon lange unter uns und wir haben es nicht bemerkt? Vielleicht wird sie sogar schon als Guerilla verfolgt, und weiß nichts davon. Vielleicht ist dem Gegner ihre Existenz bewusster, als ihr selbst? Vielleicht teilt die Guerilla uns diese Verfolgung, aus Gründen die wir nicht kennen, nicht mit? Vielleicht hat die Verfolgung ihr zu dem Bewusstsein verholfen, dass sie eigentlich Guerilla ist. Ist ihr Schweigen ein Beleg ihrer Nichtexistenz? Wir sagen, Nein, das ist es nicht. Ist ihr Schweigen ein Beweis ihrer Existenz? Nein, auch das ist es nicht.
Aber warten wir ab, was wir schreiben werden und lassen wir den Dingen ihren Lauf.

Bleiben wir bei einer These; die Stadtguerilla existiert bereits.
Wir hören keinen Schuss. Ist das ein Beweis für ihre Inexistenz? Ist die Abwesenheit der bewaffneten Praxis nicht der Beleg dafür, das es keine Guerilla in diesem Land gibt? Oder folgt die Entscheidung einer Stadtguerilla der Erkenntnis, dass die Macht eben nicht aus den Gewehrläufen kommt und darum keine „Rote Armee Fraktion“ aufgebaut werden muss und politisch nur die Wiederholung eines Fehlers wäre, der in eine politische Sackgasse führte.
Was ist maßgeblich entscheidend für die Form ihres Wirkens als Stadtguerilla in unsichtbaren militanten Kernen?
Wenn die militanten Kerne von dem Gedanken geleitet sind, dass die soziale Revolution von der Macht der Gewehrläufe eher zerfetzt wird oder dass bei einem Sieg der Revolution patriarchale Strukturen das Vakuum ausfüllen und die ganze Scheiße wieder von vorne beginnt – und wenn es nicht um eine Militarisieren der sozialen Konflikte mit der Herrschaft geht, in der eine bewaffnete Kraft die Macht übernimmt, was könnte dann eine unsichtbare Guerilla daraus folgern?
Was, wenn die militanten Kerne sich klandestine Strukturen schaffen oder schon erschaffen haben, um als subversive militante Kerne dort die Feuer zu entfachen, wo sie sich gebraucht fühlen, dort wo der Hunger nach Freiheit in den Herzen brennt, aber manchmal auch einer Unterstützung durch die unsichtbare Stadtguerilla bedarf? Was, wenn dieser Typus einer Stadtguerilla schon seit längerem soziale Auseinandersetzung begleitet, ohne diese dominieren zu wollen, ohne als Avantgarde voranzuschreiten, der die Massen dann folgen, zu folgen haben.
Und wie steht die neue Stadtguerilla zur Bewaffnung?
Denn die Massen haben nur den Besen, die Sense, das Messer, das Jagdgewehr, das Nudelholz, die Stöcke, Pflastersteine, Mollys und dergleichen – die mit den Waffen, die gerade verfügbar sind, kein Militär besiegen könnten. Nicht auf diesem Weg. Die Waffen, die in der Commune verfügbar waren, während der russischen Revolution oder während der Revolution in Deutschland, kamen aus dem Militär. Sie kamen mehrheitlich von Soldaten, die sich als Subjekte auf die Seite der Aufständischen stellten oder selber Aufständische waren. Die Waffen in der Hochphase des spanischen Bürgerkriegs kamen größtenteils aus der Sowjetunion und man versorgte nur die Kräfte, die politisch bereit waren, sich dem Stalinismus zu unterwerfen. Aus Not, Opportunismus oder aus Überzeugung. Die anderen ließ man im wahrsten Sinne des Wortes ausbluten. Entweder eine Machteroberung im Sinne des autoritären Kommunismus oder des Faschismus – eine soziale Revolution war nicht vorgesehen. Eine soziale Revolution der Anarchist_innen durfte keinen Erfolg haben, sonst wäre der Alleinvertretungsanspruch auf Befreiung der Sowjetunion in Frage gestellt.
Die Waffen der Vietcong und sonst wo in den meisten Revolutionen kamen in der Regel aus dem Machtbereich der UDSSR. Die USA belieferten die andere Seite.
Und die Waffen heute kommen von Iran und anderen Diktaturen, sie kommen immer noch aus den USA und Russland oder China und haben mit Emanzipation nichts am Hut. Die Lieferung der Waffen waren seit Bestehen der UDSSR keine selbstlose Unterstützung von revolutionären Bewegungen, sondern Stellvertreterkriegen und machtpolitischen Ambitionen geschuldet.
Die Herkunft der Waffen, zum Beispiel auch durch Drogenhandel, hat Einfluss auf die inhaltliche Ausrichtung von Guerillagruppen gehabt, deren Ergebnisse wir heute als brutales Scheitern emanzipatorischer Ansätze beschreiben würden.

Vielleicht ist längst ein neuer Typus von Guerilla herangereift, der die Waffenauseinandersetzung gar nicht sucht, weil die Herrschaft nicht primär durch Waffen niedergerungen wird, nicht niedergerungen werden kann. Im Gegenteil stellt sich die Guerilla vielleicht die Frage, wie sie unabhängig bleibt – von den Waffen und den Bedingungen, zu denen sie diese bekäme.

Reden wir kurz über die „Waffe“. Wir sind uns sicher einig, es kann nicht darum gehen, die Waffe zum Dogma, zum Fetisch zu machen. Trotzdem verschwindet die Anziehung zu dieser aber nicht. Aus unserer Sicht entscheidet sich unreflektierte, toxische Männlichkeit dazu, sich mit der Waffe noch männlicher zu fühlen. Militarisierung und Männlichkeit – bzw. genauer definiert; patriarchale Identität eingeschrieben in die Sozialisation von Männern – sind der Feind revolutionären Widerstandes. Zwar können auch Frauen die Waffe zum Fetisch erheben, doch in der Regel ist die bei Männer bzw. männlich gelesenen Menschen antrainierte Militarisierung der Psyche geeigneter, diese Fetischierung auch mental dauerhaft zu verankern. Diese Reflexion hat die Guerilla, die sich uns nicht zu erkennen gibt, vielleicht bereits geleistet.
Den bewaffneten Kampf aussprech- und denkbar zu machen, umfasst eine genaue Analyse der Mittel. Diese sind nicht wertneutral sondern eine Waffe ist ein patriarchales Werkzeug. Wenn die neue Stadtguerilla sich eines solchen Mittels bedient, muss sie seine gefährliche subtile Bedeutung in Betracht ziehen und sich dieser Wirkung bewusst entziehen. Indem sie Patriarchat thematisiert und Mechanismen der Überprüfung hat, schafft sie vielleicht Voraussetzungen, damit die Waffe nicht Besitz von ihrem Denken nimmt. Vielleicht hören wir darum keinen Schuss, weil die Auseinandersetzung darüber andere Schwerpunkte gesetzt hat.
Diese Reflexion hat unseres Wissens bisher keine bewaffnete Bewegung unternommen, bzw. auch nur rudimentär geführt. Zumindest uns sind wenige historische Versuche in dieser Richtung bekannt. Denn wenn das Mittel zum Zweck wurde, also die Waffe das Werkzeug zur Erlangung der Macht, führte dies zum Scheitern aller Revolutionen, die ursprünglich keine neue Herrschaft etablieren wollten.
Waffen sind zum Morden gebaut. Wer eine Waffe trägt, hat ein Werkzeug zum Morden bei sich, kann durch die Waffe sterben und kann zum Mörder werden. Märtyrerbilder, die wie Ikonenbilder auf dem Altar stehen, zeugen für uns für ein unreflektiertes Verhältnis zum bewaffneten Kampf.

Die Praxis der aktuellen Stadtguerilla orientiert sich nur an sozialen Kriterien zur Veränderung der Verhältnisse, also die Waffe wäre demnach nur ein Mittel, ein Werkzeug mit dem ein Ziel anvisiert wird. Sie ist nicht das Ziel. Und der Zweck würde auch nicht die Mittel, also die Waffe heiligen. Jede Handlung die zum Ziel führt, ohne eine Waffe einzusetzen zu müssen, wäre vorzuziehen. Waffen militarisieren immer. Das Primat der sozialen Revolution bestimmt die Praxis, selbst die einer bewaffneten Aktion. Die „Soziale Revolution“, so bringt das unsere unsichtbare Stadtguerilla für sich auf den Punkt, ist immer auch auf die Demontage des Patriarchats und auf die Demobilisierung von Herrschaft ausgerichtet. Die Zerstörung des Patriarchats läuft über den Weg der Demilitarisierung von Herrschaftsstrukturen und der sozialer Beziehungen und nicht über die Militarisierung des Widerstandes.

Somit hätte sich die aktuelle Guerilla längst von den historischen Annahmen verabschiedet, dass viele militante, bewaffnete Kerne die Basis für eine Guerilla bilden, die dann mit dem Volk zusammen eine Armee bildet und die Regierungsmacht ergreift? Und was ist „Volk“? Diese Guerilla neuen Typs hat gar kein Interesse an der Macht, sondern an ihrem kompletten Verschwinden. Vielleicht will sie gar keinen „Volkskrieg“, von dem immer wieder einige träumen, sondern eine militante sozialrevolutionäre Demontage nationaler Identität und eine Absage an irgendeine Idee der Erhebung des Volkes. Aktionen, welche die nationalen Identitäten überwinden und sich auf andere Kämpfe in anderen Ländern beziehen und mit den Kämpfen vor Ort verknüpfen, haben das Potential, einer nationalen Identität und dem Begriff von einem „Volk“ die Kraft zu nehmen.

Wenn eine Guerilla nicht aus den sozialen Bewegungen Menschen abzieht (und diese Bewegungen damit eventuell schwächt) und auch nicht bewaffnen will, sondern im Wechselspiel zwischen militanter Aktion und permanenter sozialer Revolte gleichzeitig den Einsatz der Waffen nicht kategorisch ausschließt, was hieße das dann für die Spektralfarben der Optionen auf Widerstand? Wer kann solche Fragen diskutieren, wenn nicht vor allem die Guerilla, die sich aktuell uns nicht zu erkennen gibt? Was, verdammt nochmal, macht eine Guerilla in Zeiten wie diesen aus? Wie können Diskussionen um ihre Perspektive geführt werden?

Lassen wir uns provozieren und aufwühlen und folgen nochmal dem Gedanken – die Guerilla ist bereits existent!

Zwei Anmerkungen zu der Behauptung:
Erstens: Du siehst sie nicht, und das ist gut so.
Zweitens: Du siehst sie nicht, weil DU DICH im Spiegel nicht erkennst. Das ist wiederum weniger gut.
Ersteres mag gut sein; was Du nicht erkennst, erkennen vielleicht auch die Menschenjäger nicht.
Zweiteres ist ein Problem, weil die Menschenjäger Dich vielleicht erkannt haben, aber Deine Analyse hinter der Bedeutung zurückfällt, die Dir, bzw. Deiner Gruppe, Deinem Umfeld längst gegeben wurde. Nun könnte dieses Problem ein zu vernachlässigendes sein, weil wir uns nicht über unsere Gegner sondern über unsere Absichten und Handlungen im Wechselspiel mit sozialen Bewegungen und Konflikten definieren. Allerdings ist die Bewusstheit über das eigene Handeln, das Erkennen der eigenen Möglichkeiten auch eine Chance weiter zu springen, als man sich bisher zugetraut hat. Wenn Du Dich, bzw. Ihr als Gruppe, die Möglichkeit in Betracht zieht, das Eure Fähigkeiten weiter reichen, dann seid Ihr auf dem Weg von einer Kleingruppe, die mal hier und da interveniert, hin zu einer Stadtguerillagruppe. Wenn Ihr Euch in einem großen Kontext verortet, der den „Train Maya“ stoppen will, die Massaker im Regenwald und die Kämpfe der Indigenen gegen die Zerstörung von Lebensgrundlagen, dann seid ihr vielleicht weniger von einer internationalistischen Stadtguerillagruppe entfernt als Euch bewusst ist. Denn in diesem Schritt steckt bereits eine politische Strategie, die auch in eine Kontinuität gehen kann, weil ein klares Ziel vor Augen liegt. Wenn Ihr in dem vielbeschworenen „Herzen der Bestie“ weltweite Bezüge zu anderen Kämpfen herstellt oder konkret überlegt, wie Ihr laufenden Kämpfe zum Beispiel gegen die Zerstörung des Klimas unterstützt und gleichzeitig den „Green Deal“ sabotiert, dann ist hier keine Eintagsfliege mehr am Werk. Weil Ihr mit Analysen arbeitet, mit politischen Interventionsfeldern und im Zusammenwirken mit z.B. anderen, Euch unbekannten Gruppen Kontinuität herstellt – ob mit verschiedenen Namensbekenntnissen, oder einem Namen oder mit einem Label.
Wenn Ihr Euch technische Fertigkeiten angeeignet habt, die tief in die sozialen Strukturen der Nazis eintauchen und wenn diese Informationen bei Menschen landen, die gezielte Hausbesuche veranstalten, um die Nazis zu demobilisieren, ihnen die Waffen zu klauen, ihre Festplatten auszuwerten, ihre Konten leer zu räumen, ihren Besitz zu zerstören, etc.(!), dann vielleicht ist es nur ein Frage des Blicks auf das eigene Wirken, wie ihr Euch einordnet.
Wie immer Eure Organisationsform angelegt ist, wir sehen die Stadtguerilla bereits. Wenn Ihr in die Kontinuität geht, Erfahrungen sammelt, Niederlagen kassiert und trotzdem weitermacht, dann liegt hier das Potential einer sich bewusst werdenden Stadtguerillagruppe. Wenn ihr Eure Alltagsreproduktion (Arbeit, Wohnen, Beziehungen, politische Diskussionen) und Strukturen absichert für die Handlungsfähigkeit des militanten Kerns, dann schafft Ihr die Voraussetzung einer Stadtguerillagruppe, wie klein sie auch sein mag. Wenn Ihr nach einer gewissen Anzahl von militanten Aktionen feststellt, dass das zwar alles schön und richtig ist, aber irgendwie der Tropfen auf dem heißen Stein ist, oder wenig bis nichts gebracht hat und Euch dann nicht auflöst oder ins Private zurückzieht, sondern analysiert, was zu tun wäre, um die Stagnation zu durchbrechen und die Mittel der militanten Intervention neu auszuloten, dann seid Ihr nah an der Stadtguerilla. Wenn Ihr nicht das „Spektakel“ sucht, das die Medienpräsenz als alleiniges Ziel hat oder eine Effektivierung der Angriffe, um den „Mangel an politischer Perspektive“ auszugleichen, seid Ihr nah dran an der Stadtguerilla. Wenn Ihr keine Militarisierung (die ihr mit Radikalität verwechselt ) als Antwort auf Eure Fragen betreibt – sondern die Sabotage, die etwas verhindert, unterbricht, blockiert um einen stärkenden Einfluss auf soziale Kämpfe vor Ort und/oder global zu erreichen, dann seit ihr vielleicht nah dran, an einer Voraussetzung, die es für Stadtguerillagruppen braucht. Und geschieht dies im Wechselspiel mit anderen Gruppen, die sich ähnlich fokussieren, sind plötzlich sozialrevolutionäre Erfolge im gesellschaftlichen Kontext möglich, die eine Kleingruppe nicht bewirken kann. In diesem Sinne sind zwar Verabredungen und Absprachen verschiedener Gruppen sinnvoll und gut, und auch ein qualitativer Sprung gegenüber einer diffusen und zum Teil unverbindlichen Praxis. Aber die Menge richtiger Aktionen bleibt zwar richtig aber wenn sie sich nicht (vorher) um Vermittlung und Verankerung innerhalb sozialer Bewegungen, in Milieus oder in gesellschaftlichen Sektoren Gedanken gemacht hat, verpufft die Wirkung schnell. Ziel jeder Aktion der Stadtguerilla ist es, Mut zu machen, Spielräume zu erweitern, soziale Kämpfe zu stärken oder abzusichern, Wissen weiterzureichen und dergleichen mehr. Da ist bei einigen Gruppen, deren Fähigkeiten wir als die einer Stadtguerilla nah kommenden Kerne in den Erklärungen und Aktionsdurchführungen erahnen können, Luft nach oben. Es geht immer noch und immer wieder um den Kampf um die Köpfe und Herzen der Menschen. Diese zu berühren ist Aufgabe militanter Kerne. Das nehmen die Medien den militanten Kernen nicht ab. Unterstützend können allerdings auch Gruppen wirken, die nicht in militante Aktionen involviert sind und erfolgreiche Interventionen verbreiten helfen und diese gegebenenfalls offensiv zur Diskussion stellen (Wandzeitungen, Flyeraktionen, Transparente, Demobeiträge, Weiterverbreiten von Erklärungen über die Blase hinaus). Denn ein militanter Kern ist schon mit der Durchführung einer Aktion derart beschäftigt, dass dieser unmöglich alles bespielen kann, was zu tun sinnvoll wäre.
Das ist nicht ein Spiel mit Worten oder reine Wortklauberei. Sondern das Bewusstsein bestimmt auch die eigene Verortung und die daraus resultierenden Optionen. Nicht nur die Optionen der militanten Kerne entscheiden über die Wirkung einer Aktion, sondern auch die Strukturen, die diese Perspektive befürworten, ohne sie selbst praktisch zu verfolgen, sind gefordert.

Wir teilen die Behauptung in der Broschüre „Disruption“ nicht, dass es heute nicht mehr so leicht sei wie früher, zum Einsatz klandestiner Aktionen aufzurufen. Die technischen Möglichkeiten der Repressionsorgane hätten sich bis zu einem Grad weiterentwickelt, wo nur noch sehr disziplinierte und spezialisierte Gruppen Sachbeschädigungen durchführen können, ohne aufzufliegen. Wir würden genau den umgekehrten Schluss ziehen; bestehende militante Gruppen haben einen Erfahrungshintergrund, der selbst den technischen Möglichkeiten der Repressionsorgane trotzt, wofür die vielen militanten Attacken für uns als Beleg gelten. Diese Gruppen sind vielleicht an dem Punkt, sich als eine Stadtguerillagruppe neu denken zu können, wenn sie dies wollen würden. Und neue Gruppen sollten sich auf diesem Erfahrungshintergrund aufbauend organisieren. Und vermutlich tun sie dies auch, denn es gehört heute zum „1×1“, dass DNA-Spuren vermieden werden müssen und nur das Vermeiden von Fingerabdrücken nicht mehr ausreichend ist. Solch eine defensive Position in der Broschüre führt nur zur unnötigen Verunsicherung neuer, jüngerer Gruppen, nicht zur ihrer Ermutigung. Dass jede Zeit auch ihre Organisationsformen hervorbringt, die in der Lage ist, dem aktuellen Grad der Möglichkeiten der Repressionsorgane auszuweichen, beweist die Geschichte. Es wird immer Widerstand geben. Und er wird sich immer wieder die Mittel aneignen, die es braucht, um sich wirkungsvoll wehren zu können. Und der Mensch in seinem Willen nach Freiheit kann kreatives Potential entwickeln.
Wenn man den Bedingungen für militante Aktionen von vor zehn oder mehr Jahren hinterhertrauert, mag das zwar verständlich sein, aber wenig hilfreich, wenn dies dann in eine politisch demobilisierende Allgemeinsicht auf die Perspektive militanter Praxis mündet. Widerstand wächst immer mit den Bedingungen mit. Heute schreibt niemand mehr mit analogen Werkzeugen, wie einer Schreibmaschinen, eine Erklärung, sondern mit dem Rechner. Verschlüsselung und Verschickung von Bekenner_innen schreiben läuft digital. Hat der Briefumschlag auch Spuren hinterlassen, hinterlässt die digitale Verschickung im Netz auch Spuren, die nach Möglichkeit minimiert werden. Nach Ansicht der Autoren in der Broschüre können „nur noch sehr diziplinierte Gruppen Sachbeschädigungen durchführen“. Das schafft eher Mythen. Es ist immer gut, sich als militante Gruppe, die sich eine feste Struktur gibt oder zukünftig geben will, diszipliniert zu verhalten. Wer militante Aktionen als Lebensgefühl feiert, wird bei einer Festnahme vielleicht erkennen, dass man den Nervenkitzel auch risikoloser anderswo hätte abholen können. Und die oben erwähnte „Spezialisierung“ hört sich auch abschreckend an. Wenn eine Gruppe etwas abgefackelt oder auf andere Weise folgenreich lahmgelegt hat, dann hat sich die Gruppe in der Regel das nötige Wissen dazu vorab angeeignet, damit der Einsatz der Kräfte im Verhältnis zum politischen Erfolg steht. Damit die Sabotage zum Erfolg führt und dadurch ein politisches Ziel erreicht wird. So what? Wo ist das Problem?

Manche wünschen sich eine Guerilla. Die meisten unter uns denken die Guerilla in der Regel außerhalb vom eigenen Zusammenhang. Vielleicht wird die Guerilla im Rahmen ihrer historischen oft fragwürdigen Erscheinungsformen reflektiert. Nicht aber aktualisiert und bezogen auf den eigenen Haufen.
Damit blockiert Ihr Eure eigenen Möglichkeiten. Nur einen Hauch der Erkenntnis trennt Eure Gruppe vielleicht von der Entscheidung, Euch als Stadtguerillagruppe neu zu verorten. Das Ermittlungsverfahren, das auf Euch niederprasselt, das Profiling, welches Euch lokalisiert hat und die Methoden, derer sich der Staat bedient hat, um Euch zu zerschlagen, sollte nicht den Schreck der Erkenntnis erst reifen lassen, bevor Ihr überhaupt den Gedanken an die Stadtguerilla zugelassen habt. Die heftige Repression, die gerade die z.T. Antifa und andere Gruppen ins Visier nimmt, hat unter anderem dies zum Ziel: Die Fähigkeit und Entwicklung hin zu einer handlungsfähigen sozialrevolutionären Stadtguerillagruppenperspektive zu unterbrechen. Der kommende Umbruch und die Transformation von Herrschaft braucht einen möglichst störungsfreien, sprich widerspruchslosen Übergang. Eher sollen die Faschisten die Möglichkeit erhalten, diesen Übergang mitzugestalten, da sie immer den Fortbestand von Herrschaft garantieren, anders als eine anarchistische Perspektive, die keinen Kompromiss in Sachen Herrschaft eingeht. Im Gegenteil werden sogar faschistische Kräfte für den Übergang gebraucht um ihn abzusichern. Das Beklagen darüber, wie hart der Staat die eigene Praxis z.B. der Antifa verfolgt und nicht die Faschisten beispielsweise, zeigt nur, wie wenig sich einige Militante als Faktor ernst nehmen. Nicht die Faschisten sind eine Gefahr für die Herrschaft, sondern anarchistische Gruppen, die die sozialen Widersprüche aufgreifen und sich an die Seite sozialer Unruhen stellen und gleichzeitig die Faschisten angreifen. Denn die im Intro angerissenen Umbrüche werden zu sozialen Widersprüchen und Verwerfungen führen und Kräfte freisetzen, die nach Orientierung suchen. Eine Stadtguerilla, eine massenmilitante und soziale anarchistische Bewegung (die an den Brennpunkten kämpferisch sichtbar und ansprechbar ist), kann schnell zu einem Faktor und somit zu einem Problem für die Legitimation des gewaltigen Transformationsprozesses von Herrschaft werden.
In diesem Sinne ist dieser Text ein Anschlag auf unser Hirn.

Die Erkenntnis sollte mit der Reflexion auf die eigenen Praxis einhergehen und der Blick sollte auf die Wirkung dieser Erkenntnis ruhen, um sich einer Analyse zu stellen, wo die eigene Gruppe steht. Und wo sie stehen kann. Und was für Potential sich aus dieser Erkenntnis ergibt.

Die Stadtguerilla braucht uns.

Sie braucht Strukturen und ein Umfeld, auf die sie sich verlassen kann. Sie braucht Verabredungen, die eingehalten werden. Sie braucht Verbindlichkeiten und keine Sprunghaftigkeiten. Sie braucht Kontinuität und Handlungsfähigkeit. Selbst wenn der Widerstand am Boden liegt, kann sie noch angreifen, Hoffnung schaffen, Wege aufzeigen, Menschen konkret schützen etc. Die Stadtguerilla ist selbst in einer gesellschaftlich aussichtslos erscheinenden Situation noch in der Lage, offensive Abwehrkämpfe zu führen. Denn in jedem Abwehrkampf steckt das Potential des Gegenangriffs. Je größer die Zerstörung der Erde und der Lebensgrundlagen aller Lebewesen, desto größer die Notwendigkeit zur sozialen Revolution.

Die Guerilla braucht sichere Kommunikations- und Mitteilungswege, die klandestin sind und sicher funktionieren.
Die Guerilla braucht neben anderen tollen Zeitungen mindestens eine analoge Zeitung, die klandestin entsteht und einen guten und sicheren Vertrieb hat. Der Staat hat keine Kenntnis über die Macher_innen des Mediums. Die Guerilla braucht ein solches Medium, das sich der Kontrolle der digitale Medien entzieht, damit in einer zugespitzten Situation die Auseinandersetzungen aufrecht erhalten werden können.
Eine Zeitung (kennen wir noch gerade so, sowas mit Papier, raschelt in den Händen, ist analog wie das Toilettenpapier), die sie nicht selber machen muss, sondern von anderen militanten Kernen betrieben wird, damit Tipps und Anleitungen den Weg in die sozialen Bewegungen finden, die nicht über das Netz verbreitet werden sollen. Dies ist weniger ein Festhalten an alten überkommenen Strukturen sondern die Anpassungen der Strukturen an kommende Herausforderungen. Militante Debatten, die nicht eins zu eins bei den Nazis landen, Anleitungen und Sicherheitshinweise, die für militante Kerne von überlebenswichtigem Wert sein können, begründen ein solches analoges Projekt. Die Gefahr, dass unsere digitalen Projekte einfach ausgeknipst werden können, wie „Linksunten“, oder dass im Kriegsfall das Netz gedrosselt wird wie bei einigen Aufständen der jüngeren Zeit in anderen Ländern, oder dass unsere digitalen Projekte mit Müll geflutet werden oder mit schwer erkennbarer Desinformation oder dass das Netz gleich ganz abgeschaltet wird, machen Alternativen notwendig. Diese müssen eingeübt und vorhanden sein, dann, wenn sie wirklich gebraucht werden. Ein solches Projekt müsste Anliegen einer militanten Bewegung im weitesten Sinne bis in die Klimabewegung hinein sein.
Nebenbei; schalten sie unsere Medien aus, dürfen wir nicht mehr zuschauen wie vor einigen Jahren bei „Linksunten“, dann sollte die Erreichbarkeit von X, Meta, etc. auch auf Null gebracht werden. Der Preis für einen Angriff auf unkontrollierte herrschaftsfreie Medien sollte teuer werden. Ein Plan B sollte in der Schublade sein, mit der die Verbote von Plattformen und analogen Medien erfolgreich unterlaufen werden. Es ist mehr möglich als Mensch denkt.

Die Guerilla braucht unkontrollierte Spielräume im Alltag.

Jede Onlinebuchung, jeder Bezahlvorgang mit Karte im Supermarkt gräbt dem Widerstand das Wasser ab. Die Guerilla braucht unkontrollierte Bezahlvorgänge. Wer sich selbst bereitwillig tracken lässt, schafft die Voraussetzung der Einkreisung und Zerschlagung subversiver Strukturen. Wer mit Karte bezahlt, der_die öffnet einem Faschismus die Türen, der sich nur unserer Daten bedienen muss, um uns per Algorithmus aufzuspüren und auszumerzen. Kartenzahlung ist manchmal unumgänglich geworden – aber die Umgehung nicht aussichtslos. Ein Druck, eine massive Verweigerung, ob beim Gesundheitschip, beim Buchen von Reisen, beim banalsten Einkauf, ist nicht wirkungslos. Läden, die uns zwingen, nur mit Karte zu bezahlen, müssen boykottiert werden.
Kameras und Überwachunssysteme zu stören oder ganz auszuknipsen, Fahrzeuge im Wächtermodus abzufackeln und Störsender für Handys, Wanzenspürgeräte etc. einzusetzen, sollte selbstverständliche, eingeübte Praxis werden. Das Unbehagen über die Überwachung reicht bis tief in die bürgerliche Gesellschaft, dort sind potentielle Bündnisse machbar.

Die Stadtguerilla braucht Rückzugsorte und eine Kultur der Solidarität. Jedes Handy auf einem Treffen untergräbt diese Solidarität und gefährdet Strukturen. Jede Begegnung mit einem Handy verhindert bzw. erschwert Mitgliedern der Stadtguerilla Themen und Fragen zu erörtern, die nicht in einem überwachten Rahmen gestellt werden können. Die Abhängigkeit von den Smartphones, die Mitnahme in jeden Winkel Deiner Stadt und zu jeder Freund_in erschwert und zerstört auch das Gewässer, in dem sich die Stadtguerilla bewegt. In überwachten sozialen Beziehungen, und das Smartphone ist der Garant der Überwachung, unterläuft die technische Möglichkeit der Überwachung vertrauliche Gespräche. Das Smartphone zerstört Vertrauensverhältnisse. Niemand käme auf die Idee im physischen Beisein einer BKA-Beamtin oder eines Spitzels persönliche Empfindlichkeiten, Banalitäten oder politische Statements auszutauschen. Im Beisein der Spitzels „Smartphone“ gilt diese Kultur oft nicht mehr. Die Mitglieder_innen militanter Kerne aber werden sich bei bestimmten Fragen (die können Dir belanglos erscheinen, sie sind es aber nicht für die fragende Person) auf die Zunge beißen müssen, wenn sie wissen, dass ihr gegenüber eine Wanze bei sich trägt. Wer in dem Irrtum lebt, er_sie hätte nichts zu verbergen, plappert munter drauf los. Wer aber um die Repression weiß und ein Projekt wie einen militanten Kern zu schützen hat, wird sich hüten sich zu öffnen oder Fragen nach Unterstützung in Gespräche organisch einfließen zu lassen. Die Guerilla braucht einen anderen Umgang mit technologiebasierter Bespitzelung, die sich schon breit in vielen Teilen der Gesellschaft verankert hat. Diese Arbeit muss von vielen Gruppen geleistet werden. Es ist nicht das „private“ Problem einer Stadtguerillagruppe.

Die Stadtguerilla, sie wundert sich über Menschen, die eher nach Kurdistan gehen und dort zum bewaffneten Kampf streben, anstatt hier eine Perspektive einer Stadtguerilla stark zu machen, die auf der Höhe der Zeit vor Ort ist.
Der Feind scheint klar in den Regionen des Krieges, in denen das türkische Militär den Kampf der Kurd_innen unterdrückt und zerbombt. Wer will, schaut nicht so genau hinter die Widersprüche, die für uns mehr Fragen als Antworten aufwerfen. Wir glauben zwar, kein Mensch macht es sich einfach, wenn Mensch weg geht und woanders kämpft. Obwohl die Kritik an einem„Revolutionstourismus“, zum Beispiel Richtung Lateinamerika, auch ältere Bewegungen schon betraf. Der Widerspruch liegt für uns nicht alleine im Weggehen, sondern auch in der Organisierung in einer hierarchischen Struktur.

Ist es uns Revolutionär_innen zu mühsam, uns in die Niederungen einer klandestinen Organisierung hierzulande zu begeben, die keine Anerkennung bringt? In der die eigene Identität, Selbstverortung und Identifikation nicht über den Rahmen einer bestehenden Guerilla/Armee hergestellt wird, sondern in der wir selber ständig arbeiten und täglich darum ringen müssen, als Revolutionär_in Subjekt zu bleiben? Ständig werden wir bestochen und korrumpiert und ein Teil der sogenannten Linken verteidigt bei jeder sich bietenden Gelegenheit die Demokratie und die „Werte der Freiheit“ und damit insgeheim den eigenen Wohlstand und die Privilegien, die nicht ohne Ausbeutung in anderen Ländern zu haben sind. Da kann eine_r schon mal die Wut packen und das „Weite suchen wollen“.
Doch ist es etwa auch eine Haltung wohlerzogener Consumer, die nach Rojova drängt, um einem Widerspruch auszuweichen, der hierzulande viel Kraft und Reflexion braucht? Und was hat für einige, vor allem männlich sozialisierte Menschen der eigene unhinterfragte Militarismus und der Fetisch der Waffe mit der Anziehungskraft auf diese Kriegsschauplätze miteinander zu tun? Wodurch wird die Projektion auf eine PKK-dominierte, hierarchische, autoritäre Struktur angetrieben? Die „Frauenbefreiung“ kommt uns in Argumentationen wie ein Feigenblatt vor, um sich in die Nähe der Waffen bringen zu können. Was bringt das wirklich konkret vor Ort in Rojava oder hier im Lande voran, außer die Guerilla vor Ort, also hier, zu schwächen?
Da die militärischen Taktiken, Strategien und zum Teil politisch fürchterlichen Bündnisse zum Beispiel mit den USA von der Herausforderungen und Zielsetzungen grundverschieden andere sind wie die politischen Maßstäbe und inhaltlichen Zielsetzungen der Stadtguerilla hierzulande, ist es vom Ergebnis her gesehen nicht erstaunlich, dass es ein Nebenher dieser Kämpfe gibt, die sich nicht in Aktionen der Stadtguerillagruppen spiegeln. Und die sich noch nicht mal nennenswert aufeinander beziehen.

Die Stadtguerilla braucht einen anderen Umgang mit Konflikten, als den, der sich in den letzten Jahrzehnten in einer Politik des Identitären herausgeschält hat.
Innerhalb der Stadtguerilla spiegeln sich auch die gesellschaftlichen Konfliktlinien selbstverständlich wieder, wenn sie keine befriedigende Auseinandersetzung im gesellschaftlichen Rahmen erfahren, von der die Guerilla profitieren könnte. Die militanten Kerne wünschen sich, von den Auseinandersetzungen des Umfeldes profitieren zu können, die ernsthaft, gewissenhaft und ohne identitären Fallstricke gelöst werden. Oder denen sogar die Stärke beiwohnt, politische Differenzen miteinander zu vereinen, ohne zu Lasten einer anarchistischen Perspektive zu gehen. Die Stadtguerillagruppen können nicht jede Frage lösen, die über die gesellschaftlichen Konflikte auch innerhalb der militanten Kerne zum Tragen kommen können. Wenn sich eine Stadtguerilla unter dem Primat einer anarchistischen Motivationslage aufgestellt hat, dann können klare Positionen trotzdem schnell ins Wanken geraten. Denn die Wirklichkeit ist komplex und in Veränderung und bedarf einer ständigen Reflexion und Selbstvergewisserung. Immerhin muss die Stadtguerilla je nach Land und dessen Situation eine innere Stärke aufbringen, die sich Knast, und vielleicht zukünftig auch Folter oder Tod stellt. (Die Möglichkeit einer Vernichtung durch Knast und folterähnlichen Zuständen stellte sich als Problem für die gesuchten Antifas aus dem sogenannten Budapest-Komplex, die mit ihrem Auftauchen versuchen, einer Auslieferung nach Ungarn zuvorzukommen). Zwar hat die Stadtguerilla den „Vorteil“ als militanter Kern immer wieder auch innere Widersprüche verhandeln zu müssen, um die Aktionsfähigkeit und dafür erforderliche Vertrauensverhältnisse herzustellen. Aber wenn zum Beispiel innerhalb sogenannter linker Strukturen Kontroversen aufbrechen, die existenziell sind, dann kann das auch die Aktionsfähigkeit der Stadtguerilla blockieren. Wer sich darunter nichts vorstellen kann, vergegenwärtige sich nur kurz die Differenzen in Bezug zu dem Nahost-Krieg. Oder die Dekolonialismus-Diskurse innerhalb des antirassistischen Spektrums mit seinen Auswirkungen bis in die antirassistischen Camps. Oder die bis heute nicht aufgearbeiteten Differenzen und Verletzungen entlang des Umgangs mit der Pandemie und den staatlichen Maßnahmen.
Außerhalb von festen verbindlichen Gruppen, wird schneller schwierigen Konflikten ausgewichen und es werden schneller Brüche vollzogen, als es für die Entwicklung revolutionärer Perspektiven sinnvoll erscheint. Man stellt sich einfach neu auf oder verhakt sich in qualvoller Lust in identitären Kämpfen gegen den jeweiligen Gegner innerhalb sogenannter linker Strukturen. Brüche werden auch schnell als Möglichkeit zur Entpolitisierung ergriffen, weil sie als Beleg herhalten, wie weit Anspruch und Realität auseinander klaffen. Dort wo Brüche inhaltlich unvermeidbar sind, gibt es keinen Weg drum herum aber viele Konflikte unterliegen einer identitären Kultur, die keine Differenzen aushält, geschweige denn, in der Lage ist, sich darüber auszutauschen und zu gemeinsamen Lösungen zu kommen.

Die Stadtguerilla ist darauf angewiesen, dass wir Konflikte unterscheiden. Wo liegen die Hintergründe der Konflikte; in Egoismen, Dominanzen, Machtkämpfen, Hahnenkämpfen und Konkurrenzen? Wo sind sie in verletzte Eitelkeiten und Psychos auszumachen? Und wo liegen ihnen tatsächlich auch inhaltlich begründete Differenzen zu Grunde. Dass es manchmal auch Mischungen sind, ist uns allen klar. Aber eine politische Differenz in Bezug zu einer anderen Position ist diskutierbar. Wenn die Grundkoordinaten politischer Ausrichtung übereinstimmen, z.B. für eine Gesellschaft ohne Hierarchie, sind diese der Ausgangspunkt.
Bei gegenseitigem Verständnis können wir zur Überwindung der Differenz kommen, die zu einer politischen Bereicherung werden kann. Diese Fähigkeit zur Diskussion und einem gegenseitigen Wohlwollen ist vielen von uns in der sogenannten Linken abhanden gekommen, da wir uns oft selbst lieber in einer identitär überlegenen Position sehen, anstatt viele Realitäten anzuerkennen. Eine von Egos getragene Differenz trägt oft des Kaisers neue Kleider. Menschen wagen nicht den inhaltlichen Setzungen zu widersprechen, die von egoistischen und machtversessenen Charakteren getragen werden, um nicht selbst in einen Shitstorm zu geraten. Eine solche Struktur, eine solche Szene bietet keine Basis für eine Stadtguerilla, muss sich diese doch auf dauerhafte, solidarische, menschliche und würdevolle Beziehungen und Bezüge stützen können.
Es ist an uns, diese Strukturen zu schaffen und die Differenzen beim Namen zu nennen, auszusprechen und gemeinsam daran zu wachsen, oder auch dort Konsequenzen zu ziehen, wo Machtpolitik und Herrschaftsstrukturen keine Veränderungen erfahren. So wie einige Menschen aus einer identitären Politik Kraft für sich schöpfen und Widerspruch kultivieren, Konkurrenz als Inhalt pflegen und Missgunst und Hass gegenüber andere ausleben, oder sogar manipulativ handeln, kann ein Verständnis für andere Menschen, die es für anarchistische Ideen zu gewinnen gilt, nicht heranreifen.

Die Stadtguerilla braucht ein waches Umfeld, welches in der Lage ist, Spitzel und nicht vertrauenswürdige Personen, Macker und Selbstdarsteller zu erkennen und aus dem Umfeld fernzuhalten. Bzw. sie aus allen Strukturen rauszuhalten und seien diese vordergründig noch so irrelevant. Die Strukturen sozialer Kämpfe sind natürlich offen und zugänglich organisiert und ungezielte Paranoia zerstört notwendige Vertrauensverhältnisse. Vertrauensverhältnisse entstehen durch gegenseitiges Kennenlernen und soziale Interaktion. Einige staatlichen Spitzel halten diese Nähe nicht aus, fraternisieren entweder oder müssen durch ihre „Führungsoffiziere“ zurückgezogen werden. Es gibt natürlich die ausgebildeten und gezielt eingeschleusten, widerwärtigen Ekelbrocken wie Marc Kennedy, die sogar Beziehungen eingingen. Staatliche Spitzel, die enttarnt werden, müssen einen hohen Preis für ihre Arbeit fürchten. Angeworbene Spitzel, die innerhalb einer Bewegung agieren, die für Geld oder andere „Vorteilen“, durch Erpressung oder durch das Ausnutzen politischer Differenzen, Strukturen und somit ganz konkret Menschen ans Messer liefern, lassen sich nie ganz ausschließen. Wir glauben aber, dass ein Domhöfer über eine soziale, menschliche Kultur einer non-patriarchal aufgestellten Antifa niemals in der Tiefe eingebunden worden wäre, die ihn in vielerlei Hinsicht zu einem Sicherheitsrisiko hat werden lassen. Je menschlicher und sozial glaubwürdiger unsere Strukturen aufgestellt sind, je stärker die Vertrauensverhältnisse sind und auch die eigenen Widersprüche Platz haben, um so eher zeigt eine angeworbenen Person dem Geheimdienst den Vogel und informiert seine_ihre Freud_innen.
Eine anarchistische soziale Bewegung kann sogar in die verschiedenen Apparate hineinwirken und innerhalb von Militär, Polizei und Geheimdiensten Menschen aus diesen Strukturen herauslösen. Jeder Mensch, der einem staatlichen Repressionsorgane den Rücken kehrt und von dem Innenleben berichtet, hilft bei der Einschätzung des Gegners. Jeder Mensch, der mit einer sozialrevolutionären Bewegung sympathisiert und dieser Informationen zukommen lässt, wird dies aufgrund von inneren Widersprüchen zu der Arbeit tun, die er hat und aufgrund der Überzeugungskraft der revolutionären Bewegung. Schon Wegschauen ist eine Unterstützung, die nicht zu unterschätzen ist. Gewöhnlich sind die Strukturen der staatlichen Repression mit Menschen besetzt, die eher zu rechten, zu autoritären Lösungen neigen. Doch in allen Apparaten gibt es Menschen mit Widersprüchen, die gespalten sind, in dem, was sie tun. Oder deren Denken durch unsere Worte angeregt werden kann. Es ist richtig, in einer direkten Konfrontation mit den Staatsorganen, diesen als monolithischen Block für den Moment zu sehen. Es ist falsch, diesen monolithischen Block als absolut zu setzen und nicht die Spielräume zu sehen, die wir haben. In Konfliktsituationen einer großen Demo zum Beispiel kann die massenhaft vorgetragene Aufforderung, z.B. Einheiten zum Rückzug oder zum Meutern zu bewegen, sinnvoll sein. Jenseits polarisierter Konfliktsituationen sind direkte inhaltliche Konfrontationen auszuloten, aber nur dann, wenn Dein Handeln in einer Gruppe eingebunden ist und Dein Gegenüber nicht ein taktisches Interesse an dem Gespräch hat.

Wir fassen nochmal zusammen.
Die Stadtguerilla legitimiert sich, wie bereits angedeutet, nicht über den Besitz oder den Zugang zu Waffen. Die Stadtguerilla definiert sich auch nicht über den Gebrauch solcher Waffen, bspw. zum Zweck der Selbstverteidigung und des Selbstschutzes. Die Stadtguerilla hat ihre Berechtigung durch den Aufbau einer für den Gegner unsichtbaren Struktur, aus der heraus kontinuierliche Praxis möglich ist. Diese Praxis definiert sich danach, was unterstützend ist für eine soziale Bewegung. Wo revolutionäre Brüche aufgespürt und sichtbar gemacht werden können und wo revolutionäre Tendenzen durch die revolutionäre Aktion gestärkt werden können oder sogar nach vorne treiben. Die Stadtguerilla legitimiert sich nicht unbedingt durch die sichtbare Tat, sie operiert vielleicht unsichtbar und stellt für andere Kämpfe Struktur auf hohem Niveau (Geldbeschaffung, Unterkünfte, Schutzmaßnahmen von militanten Kernen, Versorgung abgetauchter Militanter etc.). Über das Niveau entscheidet die Gruppe nach ihren Möglichkeiten und den politischen Notwendigkeiten. Die Existenz einer Stadtguerillagruppe ist schon ein Erfolg. Die Existenz ist kein Selbstzweck. Sie kokettiert nicht mit ihrer Existenz, sie handelt – gemäß ihren Zielen und Notwendigkeiten versucht sie sogar im Rückzug offensiv zu handeln. Und in der Offensive besonnen zu bleiben und so viele Menschen wie möglich politisch mitzunehmen, da die Perspektive einer Revolution auf der Grundlage einer sozialen Auseinandersetzung zu führen ist. Eine Revolution, die sich nicht in der Mitte sozialer Prozesse verortet und/oder verankert wird, wird nur ein weiteres militaristisches Projekt sein, das ohne Wert für soziale Kämpfe ist. Der Gegner hat ein großes Interesse daran, soziale Konflikte, wenn sie ein revolutionäres Potential annehmen, zu militarisieren. Die Geschichte ist voll davon. Auf dem militärischen Terrain ist jede Stadtguerillagruppe und sozialrevolutionäre Bewegung zerschlagbar. Der Gegner forciert in Gegenpropaganda und Desinformation, in konterrevolutionären Aktionen und militärischen Angriffen. Die politische und materielle Infiltration und Unterwanderung durch militaristische Gruppen und Ansätze, die eine Militarisierung innerhalb Guerillagruppen, massenmilitanter Gruppen und sozialer Bewegungen zum Ziel hat, ist eine Voraussetzung zur Zerschlagung sozialer Aufstände. Über militarisierte Gruppen in soziale, revolutionären Bewegungen hat der Staat immer einen Fuß in der Tür, deshalb ist schon zu Beginn ein Augenmerk auf entsprechende Gruppen beim Entstehen sozialer Konflikte zu setzen. Sie zerstören Bewegung oder sind im Bedarfsfall bereit die „Führung“ innerhalb der sozialen Bewegung zu übernehmen, wenn Herrschaft ernsthaft in Frage steht. In diesen Gruppen überwintert der Griff zur Macht. Sie haben meist auch kein umfassendes antimilitaristisches Verständnis und fokussieren sich auf einen Gegner, gegen den militärisch Gewalt angewendet werden muss. Ein universelles antimilitaristisches Grundverständnis geht diesen Gruppen ab. Ihnen ist ein Bürgerkrieg allemal lieber als eine soziale Revolution. Denn die soziale Revolution impliziert ihre eigene Entmachtung.
Die Antwort auf eine Militarisierung sozialer Konflikte, Bewegungen und massenmilitanten Revolten und Aufstände kann nur durch ein verankertes Bewusstsein einer grundsätzlichen politischen Gegner_innenschaft zum Militärischen in den sozialen Bewegungen gegeben werden. Soziale Bewegungen kontern die Militarisierung eines Konfliktes durch die Ausweitung der sozialrevolutionären Praxis, die die Macht der Straße in einer Breite anstrebt, die alles Funktionieren eines Staates blockiert und den Gegner bestenfalls zu Kompromissen oder taktischen Rückzügen zwingt. Ein revolutionärer Prozess, einmal angestoßen und in Bewegung geraten, sollte konsequent weiterverfolgt werden. Dies ist die Lehre aus vielen sozialen Kämpfen und sozialen Revolutionen, die sich mit Kompromissen abspeisen ließen oder die Ausweitung der revolutionären Prozesse nicht wagten und diese abbrachen. Die bedrängte Herrschaft wird diesen Moment nutzen und sich als gnadenloser Gegner zeigen. um die Bewegung zu vernichten. Damit sich einmal mehr die Niederlage tief in uns einschreibt. Es ist die Angst, die ihnen die Macht verleiht. Nichts anderes. Gelingt es sozialen Bewegungen sich auszuweiten, sich bis in die bürgerliche Mitte hinein zu verankern, über die Macht der Straße durch gleichberechtigtes Zusammenspiel von Blockaden, Verweigerungen, Streiks, Massenmilitanz und Guerillaaktionen gesellschaftlich breite Schichten zu mobilisieren, bekommt eine Militarisierung ein Legitimationsproblem. Die Wirtschaft muss zum Erliegen kommen, um Bedingungen diktieren zu können und den militärischen Einsatz einen hohen Preis zahlen zu lassen. In Diktaturen sind diese Bedingungen ungleich schwieriger, wenn das Militär nicht wenigstens in Teilen zusammenbricht, sich neutral verhält oder sich durch hohe Fluchtraten selbst zerlegt.

Generell aber, der Gegner denkt und handelt gewohnheitsmäßig und systemisch immer in militärischen Lösungen, wir aber müssen in sozialen Antworten denken. Auf das Feld der militärischen Lösungen versucht uns der Feind immer dann zu ziehen, wenn ihm unsere sozialen Antworten zu gefährlich werden, wenn „Runde Tische“, das Management der Bewegung, die Organizer_innen und Bewegungschef_innen versagen oder sogar Zugeständnisse nicht mehr greifen. In der militärischen, patriarchalen Weise des Denkens ist er zuhause. Denken wir in militärischen Kategorien, werden wir Herrschaft restrukturieren, nicht zum Verschwinden bringen. Die Stadtguerilla kann zwar mit Waffen flankierend Kämpfe absichern oder einzelne Protagonist_innen des Gegners in die punktuelle Defensive zwingen – sie kann die soziale Revolution nicht alleinig betreiben. Sie ist darin ein sehr wichtiger Faktor aber niemals der alles entscheidende und alleinige Faktor.

Die Stadtguerilla, von der wir reden betreibt kein Konzept der Eroberung der Macht, sondern ihr Verschwinden. Die Stadtguerilla sucht die Auseinandersetzung mit sozialer Bewegung und entwickelt ihre Angriffe in einem politischen Wechselverhältnis mit anderen Kämpfen und deren Resonanz auf militante, bzw. bewaffnete Angriffe. Die Resonanz ist nicht alleine ausschlaggebend für die revolutionäre Aktion einer Stadtguerillagruppe. Die Aktion kann und muss manchmal sogar eigenständig von sozialer Bewegung handeln, wenn diese in Teilen ihren Fokus verengt, sich auf appellative Forderungen, auf Minimalzugeständnisse oder auf den Wunsch nach Beteiligung an der Macht einrichtet.

Wichtig ist für die Stadtguerilla immer, den sozialen Fokus zu behalten.

Die Stadtguerilla braucht eine Bewegung, die ihre Gefangenen nicht vergisst, sondern als Teil der Bewegung in ihrer Mitte hat, auch wenn sie räumlich getrennt wurden. Die Gefangenen sind Teil eines Kampfes, der außerhalb anders geführt werden muss als innerhalb der Mauern. In jeder Aktion, auf jeder Demonstration sollten die Gefangenen sichtbar gemacht werden. Wenn in Riesa die AfD blockiert wird, sollten die Gefangenen in Form von Namensschildern oder im Aufruf sichtbar sein. Als eine Selbstverständlichkeit.
Gerade haben sich einige Antifas gestellt, um nicht nach Ungarn ausgeliefert zu werden, wo Maja zum Beispiel unter folterähnlichen Bedingungen einsitzt. Der Druck des Staates auf die Antifa, die verbrecherische Auslieferung der deutschen Justiz von Maja nach Ungarn und ein faschistischer Ruck, der auch vor staatlichen Institutionen nicht halten wird, verlangt Antworten. Kein_e Gefangene, Kein_e Untergetauchte darf vergessen werden. Nehmen wir sie in unsere Mitte. Verstärken wir ihre Stimme, in dem wir helfen, sie nach außen zu transportieren.
Und die Stadtguerilla braucht eine Bewegung, die den Kampf im Knast unterstützt und nach außen hin sichtbar macht. Ein_e jede_r Gefangene_r ist eine Geisel des Staates und hat auch die Funktion eine Bewegung zu spalten und zu brechen. Schweigen wir aber zu unseren Gefangenen, amputieren wir jede Perspektive auf Befreiung von Herrschaft. Eine Gesellschaft, die ihre Widersprüche in den Knast einmauern muss, ist keine freie Gesellschaft. Eine Bewegung, die zu ihren Gefangenen schweigt, befindet sich bereits in einem einseitigen Burgfrieden mit den Verhältnissen. Die Stadtguerilla braucht eine breite Auseinandersetzung mit Knast und zukünftig auch eine Auseinandersetzung über die Möglichkeit der Folter und einen Umgang damit ! Organsationsstrukturen der Stadtguerilla müssen auf diese Möglichkeit hin handlungsfähig bleiben.

Die Stadtguerilla ist nicht da draußen irgendwo.

Sondern wir sind ein Teil davon durch das Revolutionieren einer einschließenden Alltagskultur, durch eine Ernsthaftigkeit und Verbindlichkeit in Diskussion und Entscheidungsfindungen. Wir bilden den Nährboden einer Stadtguerilla und ermöglichen bestehenden Gruppen, diese für sie anstehende Entwicklung im Klima einer breiteren sozialen Widerstandskultur anzugehen und vollziehen zu können. Wir sind Stadtguerilla, wenn wir die Richtigkeit und Notwendigkeit dazu sehen, unabhängig davon, ob uns aufgrund persönlicher Entscheidung oder unserer Lebensumstände eine unmittelbare Beteiligung in einem der militanten Kerne nicht möglich ist.

Die Stadtguerilla existiert durch uns – und in Beziehung zu bereits existierenden militanten Kerne. Es ist unsere Entscheidung, das Projekt Stadtguerilla neu zu vermessen und gemessen an den Erfordernissen kommender Auseinandersetzungen, neu zu gestalten und zu prägen.

Projektgruppe Friede den Hütten – Zerstören wir die Paläste, Tech-Konzerne und demontieren wir chauvinistische, faschistische Strukturen

 

 

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