Schreiben von Andreas Krebs / Missstände über die Teil-Anstalt II der JVA Tegel
Wir veröffentlichen hier ein Schreiben von Andreas Krebs, welches am 27.12 postalisch an die Senatsverwaltung für Justiz gesendet wurde. Darin beschreibt er sachlich und im Detail über einige katastrophalen Zustände in der JVA Tegel Berlin. Unter anderem wird das Essen rationiert, eine Behandlung (lebens)gefährlicher Krankheiten von Gefagenen findet nicht statt und auch der Kontakt zu Außenwelt wird oft erschwert. Dabei schreibt Andreas Krebs im Namen aller Inhaftierten. [...]
[...] Betreff: Missstände über die Teil-Anstalt II der Justizvollzugsanstalt Tegel
Sehr geehrte Senatsverwaltung,
Sehr geehrte Justizsenatorin Frau Badenberg,
als Vertrauensperson der Inhaftierten der Teil-Anstalt II in der Justizvollzugsanstalt Berlin Tegel und als Ansprechpartner, möchte ich im Namen aller, einige Missstände vortragen, Problematiken welche auch den Vollzugsablauf betrifft und leider von Seiten der höheren Ebene der Anstaltsleitung ignoriert werden.
In Punkten möchte ich hier die einzelnen Problematiken aufzählen und möchte Sie bitten, sich der Angelegenheit anzunehmen und gegebenenfalls auch eine Besichtigung in der Teil-Anstalt II der Justizvollzugsanstalt Tegel durchzuführen, um sich hier persönlich ein Bild zu machen.
Wir veröffentlichen hier ein Schreiben von Andreas Krebs, welches am 27.12 postalisch an die Senatsverwaltung für Justiz gesendet wurde. Darin beschreibt er sachlich und im Detail über einige katastrophalen Zustände in der JVA Tegel Berlin. Unter anderem wird das Essen rationiert, eine Behandlung (lebens)gefährlicher Krankheiten von Gefagenen findet nicht statt und auch der Kontakt zu Außenwelt wird oft erschwert. Dabei schreibt Andreas Krebs im Namen aller Inhaftierten. Es ist wichtig, die Inhaftierten mit ihren Forderungen nicht alleine zu lassen. Zeigt euch solidarisch, macht öffentlichen Druck, beteiligt euch an Protesten, macht eigene Aktionen und schreibt den Gefangenen hintern den Mauern.
Krebs Andreas
Gef. Buchnummer 407/23/2
Teil-Anstalt II
Justizvollzugsanstalt Tegel
Seidelstraße 39
13507 Berlin
An die Senatsverwaltung für Justiz
z.Hd. Justizsenatorin Frau Badenberg
Salzburger Straße 21 - 25
10825 Berlin
Berlin, den 20. Dezember 2024
Betreff: Missstände über die Teil-Anstalt II der Justizvollzugsanstalt Tegel
Sehr geehrte Senatsverwaltung,
Sehr geehrte Justizsenatorin Frau Badenberg,
als Vertrauensperson der Inhaftierten der Teil-Anstalt II in der Justizvollzugsanstalt Berlin Tegel und als Ansprechpartner, möchte ich im Namen aller, einige Missstände vortragen, Problematiken welche auch den Vollzugsablauf betrifft und leider von Seiten der höheren Ebene der Anstaltsleitung ignoriert werden.
In Punkten möchte ich hier die einzelnen Problematiken aufzählen und möchte Sie bitten, sich der Angelegenheit anzunehmen und gegebenenfalls auch eine Besichtigung in der Teil-Anstalt II der Justizvollzugsanstalt Tegel durchzuführen, um sich hier persönlich ein Bild zu machen.
Wir würden es auch begrüßen, wenn Sie in der Teil-Anstalt II Inhaftierte persönlich anhören würden.
Missstände:
1; Wahrend des täglichen Hofgangs ist es dem Inhaftierten nicht gestattet auf die Toilette zu gehen, wenn es notwendig ist.
Im Hofgang selbst befindet sich keine Toilette und der Betroffene muss sich daher gedulden, bis dreißig Minuten verstrichen sind und der jeweilige zuständige Beamte für den Hofgang einen Wechsel mit einer Kollegin oder einem Kollege macht. Das heißt, erst nach dreißig Minuten kann der Gefangene in das Haus zurück, um auf die Toilette zu gehen, hat aber dann nicht mehr die Möglichkeit wieder zurück zu kommen.
Gerade zur kalten Jahreszeit ist bei dem ein oder anderen das Bedürfnis größer. Einem Gefangenen sollte der Zugang zu einer Toilette jederzeit gewährt werden, ohne aus reiner Bequemlichkeit der Bediensteten warten zu müssen, bis dreißig Minuten vergangen sind.
2; Die Duschen auf den jeweiligen Stationen, gerade im B Flügel, sind extrem unhygienisch und werden nicht regelmäßig sauber gemacht.
So machen Inhaftierte die jeweiligen Stationsbeamten darauf aufmerksam, worauf dann aber teilweise eine weitere Woche vergeht, bis der Missstand behoben ist. Auch die Fenster in den Duschen, deren Rahmen aus Holz sind, sind verschimmelt und werden nur mit weißer Farbe
überstrichen.
3; Alle Inhaftierte haben seit Monaten sehr große Schwierigkeiten mit der Zahlstelle in der Justizvollzugsanstalt Tegel.
So werden aus- und eingehende Zahlungen sehr spät gebucht, beziehungsweise, wenn ein Gefangener von seinem Eigengeld eine Buchung auf sein Teliokonto1 veranlassen möchte, dauert es über einen Monat bis es veranlasst und auf seinem Teliokonto gutgeschrieben wurde.
Ein Gefangener musste mehrfach Anträge mit Anfragen stellen, aus welchen Gründen dies solange dauert. Und selbst auf diese Anträge bekam der Betroffene keinerlei Antwort.
Auch Einzahlungen von Angehörigen, etc. auf das Haftkonto kann über Wochen dauern.
Daueraufträge werden ebenfalls nicht mehr eingehalten, sodass der Betroffene in Schwierigkeiten mit u.a. Gläubigern, kommt.
4; In letzter Zeit und gerade vor Weihnachten, kommt es vermehrt zu Auseinandersetzungen unter den Inhaftierten, da bis auf die Station B 8 in der Teil-Anstalt II jeweils nur ein Telefon auf der Station ist und dies einfach unzureichend ist bei ca. dreißig Gefangenen.
Jeder Inhaftierte möchte gerne mit seinen Angehörigen telefonieren, oder Dringlichkeiten mit Behörden oder Rechtsanwälten oder Rechtsanwältinnen klären.
Auf der Station B 8 sind zwei Telefone, worauf verständlicherweise Inhaftierte von Fremdstationen zurück greifen.
Gerade Gefangene mit Migrationshintergrund, deren Familien im Ausland wohnen, stellt dies noch ein viel größeres Problem dar, da die meisten keinen Besuch erhalten und auf ein Telefon angewiesen sind. Zur Not leider auch gezwungen sind, sich illegal ein Handy zu kaufen, was ein sehr großer Verstoß ist gegen die Hausordnung und disziplinarisch geahndet wird.
Hier wäre dringend Abhilfe zu schaffen, da der Handyhandel immer größer wird und die Konsequenzen durch eine disziplinarische Bestrafung, die betroffenen Gefangenen kaum noch abschreckt.
Auf diese Weise wird die Justizvollzugsanstalt Tegel den Handyhandel auch nie in den Griff bekommen und ein schwunghafter Handel wird weiter betrieben. Und natürlich nicht zu vergessen die Personen, welche die Handys mit Zubehör in die Haftanstalt schmuggeln und sich damit eine goldene Nase verdienen.
5; Ein sehr großes Problem stellt der Personalmangel bei den Vollzugsbeamtinnen und Beamten dar. So ist nur sehr selten jede Station mit jeweils einer bzw. einen Bediensteten besetzt und fast täglich ist zu beobachten, dass ein Beamter für zwei oder sogar drei Stationen zuständig ist.
Beamte im Haus II sind komplett überfordert und aus verständlichen Gründen kaum noch motiviert ihren Dienst zu machen.
Dieser extreme Personalmangel ist in den anderen Häusern nicht so zu spüren wie hier in der Teil-Anstalt II, welche man als Pulverfass bezeichnen kann und die Anstaltsleitung nur noch bemüht ist, dass die Lunte kein Feuer fängt.
Feste Stationsbeamte können sich kaum noch um die Belange und Anliegen von Insassen kümmern, so gerne sie es machen möchten. Der Fokus in der Teil-Anstalt II liegt längst nicht mehr auf Resozialisierung, sondern darauf, Sicherheit im Knast selbst und für die Bevölkerung sicherzustellen.
Bedienstete die ernsthaft ihren Dienst und den Umgang mit den Gefangenen verrichten möchten, sogar zum Teil einen guten Kontakt zu den Inhaftierten haben, können nur noch ohnmächtig zusehen, wie die Insassen sich selbst überlassen sind.
Dies ist für beide Seiten, von Vollzugsbeamten als auch den Gefangenen, ein unzumutbarer Zustand und es kann hier lange nicht mehr von Resozialisierung gesprochen werden.
6; Jeder Inhaftierte dem es nicht gut geht, muss sich per Antrag in der Arztgeschäftsstelle krank melden. Das heißt, der Gefangene stellt einen Antrag mit der Bitte um eine Krankmeldung und einer Begründung. Diesen Antrag wirft der Gefangene am frühen Morgen, sobald seine Abteilung
zur medizinischen Versorgung aufgerufen wird in den Postkasten, welcher sich in unmittelbarer Nähe befindet. Macht der Gefangene dies nicht, so ist er ohne Entschuldigung von seiner
Arbeitsstelle fern geblieben.
Ein Inhaftierter kann über Wochen hinweg so auf seinen Haftraum bleiben, ohne das nur irgend ein medizinisches Personal hellhörig wird, sich um den Gefangenen sorgt und zur Arztvisite vorgeladen wird. Die Arztgeschäftsstelle interessiert es nicht ob der Gefangene wirklich krank ist, oder nicht arbeiten möchte.
In speziell meinen Fall meldete ich mich drei Monate krank, ohne das mich ein Arzt holte, obwohl ich auf mehrere Antrage vermerkte, dass ich um eine Arztvisite bitte.
Erst nach Drohung mit einem Rechtsanwalt und einer Strafanzeige wurde ich in die Arztgeschäftsstelle gerufen.
Dem Anstaltsbeirat sind diese Probleme mittlerweile bekannt und diese haben bereits eine Anfrage bei der Arztgeschäftsstelle gestellt.
Weiter werfe ich der Arztgeschäftsstelle vor, mir eine falsche Medikation über Monate hinweg verordnet zu haben. Erst im Haftkrankenhaus wunderte man sich, warum ich über Monate täglich Herztabletten bekam, welche starke Wasseransammlungen in Beinen und Armen verursachten. Erst nach absetzen dieser Medikamente wurde mein Zustand sofort besser. Bestätigt wurde mir die Ursache der Wasseransammlungen durch die falschen Medikamente von verschiedenen Ärzten.
Warum ich über längere Zeit Herztabletten bekam, obwohl ich nichts mit dem Herzen habe, ist mir bis heute Schleierhaft und ich erhielt auch NIE eine Entschuldigung von meinen zuständigen Arzt bzw. medizinischen Personal.
Über einen weiteren Vorfall möchte ich hier Berichten, welcher mich persönlich betrifft, aber als Beispiel dienen soll, wie hier gearbeitet wird.
Am 15. November lag ich in meinem Haftraum im Bett und war nicht mehr ansprechbar gewesen, sodass sich der zuständige Stationsbeamte große Sorgen machte und Arzthelferinnen und Arzthelfer aus einem anderen Haus zur Hilfe rief. Ich befand mich bewusstlos im Bett und lies mir das Geschehene vom Stationsbeamten und von Mitgefangenen berichten, welche auch als Zeuge aussagen würden.
Die Sanis machten eine Blutdruckmessung, entnahmen den Zuckerwert und sagten nur zu dem Beamten, der wird das schon überleben. Der Stationsbeamte schüttelte nur mehrfach den Kopf, da man mich einfach in diesen Zustand und nicht mehr ansprechbar in meinem Haftraum lies.
Erst Tage später ging es mir etwas besser, allerdings dauerte es eine Woche bis ich zu einer Arztvisite kam. Seit diesem besagten Tag höre ich auf dem linken Ohr nichts mehr und meine linke Hand ist taub, sodass ich täglich eine Krankmeldung abgebe und in den Postkasten bei der Arztgeschäftsstelle einwerfe.
Als ich am 11. Dezember erneut zur Arztvisite kam, meinte der Arzt das er mir nicht erklären könnte warum ich dies habe, aber eine Einweisung in das Haftkrankenhaus auf die Neurologische Station ein riesen Aufwand wäre. Er meinte, dass das vielleicht auch eine Psychosomatische Ursache haben könnte (heißt also auch meine über Stunden hinweg Bewusstlosigkeit und das ich tags darauf sogar meinen Besuchstermine vergessen hatte und orientierungslos gewesen bin).
Weiter möchte ich nun nicht ins Detail gehen, lediglich offen zeigen, wie mit Inhaftierten verfahren wird, was nicht nur bei mir so ist. Dies soll nur als Beispiel dienen für diese katastrophalen Zustände in der Justizvollzugsanstalt Tegel.
7; Ein weiteres Problem stellt das Anstaltsessen dar, was sogar seit dem 02. Dezember 2024 rationiert ist und oft für einen normalen Gefangenen nicht mehr ausreichend ist.
Aber auch die Zubereitung von Soßen ist meist ungenießbar. So etwa die berüchtigten Fischsuppen, etc. und auch wird oft das Gemüse, welches sich in Soßen befindet, nicht richtig durchgekocht, wie etwa Lauch und Zwiebeln. Viele Gefangene nehmen sich zum Beispiel bei Nudelgerichten
nur die Nudeln, und man versucht es zum Abend selbst durch eigene gekochte Soßen zu ergänzen. Es gibt auch viel zu wenig Gemüse oder Obst.
Gleiches gilt fürs Trinken. Ein Inhaftierter bekommt in der Justizvollzugsanstalt Tegel nichts zum Trinken, sondern nur einmal im Monat 20 Teebeutel. In anderen Haftanstalten hat der Inhaftierte täglich die Möglichkeit von der Anstalt Trinken zu bekommen, wie etwa der Anstaltstee.
In der JVA Tegel hat der Gefangene selbst dafür zu sorgen. Auf jeder Station gibt es eine Stationsküche, wo sich ein oder zwei Boiler befinden um heißes Wasser zu kochen. Leider werden diese nicht wirklich entkalkt, so dass sich in der Tasse der Kalk am Tassenboden absetzt.
Die Frage stellt sich für viele Inhaftierte warum niemand täglich etwas zum Trinken bekommt. Lediglich zwei Liter Milch in der Woche und im Monat 20 Teebeutel. Auch hier ist dringend Abhilfe zu schaffen, aber auch in Sachen Hygiene was die Wasserboiler betrifft.
Und gerade das Essen ist die Moral der Inhaftierten und ein wichtiger Bestandteil in jeder Justizvollzugsanstalt, egal wo auf dieser Welt.
Die Einsparungen sind hier sehr stark zu bemerken.
8; In der Justizvollzugsanstalt Tegel gibt es kein vernünftiges Sportangebot und nur die Möglichkeit für Ausdauerübungen. Gerade Kraftsport, wie es eigentlich in jeder Haftanstalt in der Bundesrepublik möglich ist, ist in der Justizvollzugsanstalt Tegel nicht gegeben. Kraftsport, also Sport mit Gewichten, ist für die meisten Gefangenen sehr wichtig, um zum Beispiel Aggressionen abzubauen und sich körperlich anders fit zu halten, als nur mit einem Ergometer etc.
Warum wird dies in der JVA Tegel nicht gewünscht? Ist es nicht sinnvoller, Gefangene betreiben ihren Kraftsport, verlagern ihre Energie darauf, anstelle sich täglich den Drogen hinzugeben?
Anscheinend ist dies bewusst von der Anstalt nicht gewollt, anders ist dies nicht zu erklären.
Auch dies sollte man überdenken, gerade was das Haus II betrifft, wo die Zustände am katastrophalsten sind und es auch ständig zum Alarm kommt. In diesen Haus muss dringend in jeder Form Abhilfe geschaffen werden, um dann auch wirklich von Resozialisierung sprechen zu können.
Wir bitten daher den Senat und die Justizsenatorin, dieses Haus und diese groben Missstände zu besichtigen und Inhaftierte anzuhören.
Wir bitte um Hilfe und dass Sie sich der Angelegenheit annehmen. Weiter bitte ich darauf zu achten, das aufgrund dieses Schreibens an Sie, die Anstaltsleitung mir keine Schwierigkeiten in Form von Schikanen bereitet.
Wir Inhaftierte bedanken uns bei Ihnen für Ihre Zeit dieses Schreiben zu bearbeiten und um eventuelle Rückmeldung.
Im Auftrag aller Inhaftierter der Teil-Anstalt II der JVA Tegel
Krebs Andreas