Berliner Gefängnispsychologin gibt in Einblicke in ihre Gedankenwelt

Seit einigen Wochen sendet die ARD eine Podcastreihe aus der Berliner JVA Tegel. In der aktuellen Folge kommt ausführlich Pia Andrée zu Wort, die Leiterin von Haus 5, der Therapieabteilung der JVA Tegel.

„Unter Mördern – Leben im Gefängnis“

Der reißerische Titel der Podcastreihe wird durchaus eingelöst. Zu Wort kommen nicht jene Insass*innen, die die Mehrzahl hinter Mauern stellen: jene die in Geschäften geklaut, betrogen, gedealt, zugeschlagen haben oder ohne Ticket Bus oder Bahn gefahren sind. Die Autor*innen der ARD schauen auf jene, die lange, sehr lange Strafen absitzen, die wegen schwerster sexualisierter Gewalttaten oder Tötungsdelikte für viele Jahre oder Jahrzehnte im Gefängnis eingesperrt werden.

Gefängnispsychologin Pia Andrée- eine „Menschenfreundin“?

In der Folge 5 darf sich Pia Andrée, seit einigen Jahren Leiterin der Therapeutischen Abteilung in der JVA Berlin-Tegel, als Menschenfreundin präsentieren, die offen, unbefangen mit den Inhaftierten umgeht, mit ihnen bei der Fußball-EM gemeinsam bei Knabberzeug feiert, wenn ein Insasse ins Krankenhaus muss, diesen besucht und Schokolade mitbringt. Es gebe, so Pia Andrée, keine bösen Menschen, nur böse Taten.

Gefängnispsycholog*innen in den Medien

Immerhin gehen vorliegend die Autor*innen nicht völlig unkritisch mit der Psychologin und der JVA Berlin Tegel um. So werden Graffitis vor der JVA, die die dortigen Zustände anprangern ebenso thematisiert, wie Aufrufe, Bedienstete die Gefangene misshandeln, namentlich und mit Foto bekannt zu machen, und brennende Autos von Beschäftigten.

Allerdings zeichnet sich diese Folge durch weitestgehend unreflektierte Übernahme der Position der Anstaltspsychologin aus. So lobt diese den Umgang mit einem Gefangenen, der zu Aggressionsdurchbrüchen neigte: wohlmeinende Bedienstete seien mit diesem, anstatt ihn einfach wegzuschließen, in den Gefängnishof gegangen. Dort habe er joggen und sich so abreagieren können. Es dürfte ihr allerdings bekannt sein, dass sich gerade die JVA Berlin-Tegel dadurch auszeichnet, Gefangene über lange Zeit in Isolation zu sperren.

Zuletzt zog die ehemalige Anstaltspsychologin Gilda Giebel durch Talkshows, um Werbung für ihr Buch zu machen, welches sie über ihre Arbeit in einer Abteilung für Sicherungsverwahrung geschrieben hat. Zu denken wäre auch noch an die zwischenzeitlich verstorbene Gefängnispsychologin Susanne Preusker, die vor 13 Jahren mit der Forderung „Lass sie niemals frei“ in den politischen Diskurs einzugreifen versuchte. Oder an Diplompsychologin W. aus der JVA Freiburg, die einem Insassen schonmal als fachlichen Rat mit auf den Weg gab, er könne sich, wenn ihm was nicht passe, immer noch „weghängen“- 2023 erhängte er sich dann.

Den massenmedialen Diskurs bestimmt aber nicht die letztgenannte Vollzugspraxis, sondern die mit der Autorität ehemaliger oder gegenwärtiger beruflicher Tätigkeit ausgestatten Interviews und Publikationen, wie jene von Frau Andrée, Frau Giebel oder Frau Preusker.

 

 

 

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