[BI] Montagsdemo mit Auftritt v. Die Bandbreite

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Am 19. Mai fand erstmals auch in Bielefeld eine sogenannte "neue Montagsdemonstration" statt, die sich als Ableger der von Berlin ausgehenden und inzwischen in der ganzen BRD verbreiteten "Friedensbewegung 2014" versteht. Hauptbestandteil der Veranstaltung war ein Auftritt der für ihre verschwörungstheoretischen, sexistischen und homophoben Inhalte bekannten Band "Die Bandbreite" aus Duisburg. Der Protest gegen dieses Spektakel der verkürzten Kapitalismuskritik fiel sehr überschaubar aus.

Auf ausführliche Informationen zu den Hintergründen der "neuen Montagsdemos ", der "Friedensbewegung 2014" und der Band "Die Bandbreite" soll  in diesem Bericht verzichtet werden. Ganz am Ende gibt es dafür einige Links.

Nachdem bereits seit einigen Wochen im nahegelegenen Herford und Detmold  äußerst fragwürde "Montagsdemonstrationen" stattfinden, formierte sich am 19. Mai erstmals auch in der größten Stadt der Region Ostwestfalen-Lippe eine derartige Veranstaltung. Die Mobilsierung erfolgte überwiegend über Facebook. Es war jedoch auch eine geringe Zahl an Flyern im Postkartenformat im Umlauf.

Pünktlich um 18:00 Uhr wurde die "Montagsdemonstration" auf dem belebten Kesselbrink in der Bielefelder Innenstadt eröffnet. Eine Frau, die sich als Nicole vorstellte, gab sich als Versammlungsleiterin und zu erkennen und kündigte an, die Moderation der Demonstration zu übernehmen (die Bezeichnung "Demonstration" ist allerdings unzutreffend, da es sich nur um eine stationäre Kundgebung handelte). Sie betonte, dass die Veranstaltung "aus der Mitte der Gesellschaft" heraus organisiert sei, dass keine Parteifahnen erwünscht wären und dass jeder der möchte, seine  Meinung sagen dürfe. Dann übergab sie das Wort an Marcel Wojnarowicz ("Künstler"name: Wonja) , Sänger von "Die Bandbreite", der mit seinen abwechselnden Rede- und  Musikbeiträgen die weitere Veranstaltung dominierte. 

Die OrganisatorInnen der "Montagsdemo" hatten ein kleine Bühne, eine Musikanlag, einen Tisch und ein paar Bänke aufgebaut. Alles war mit Luftballons und Stofffetzen bunt geschmückt und sollte scheinbar möglichst "freundlich" aussehen. Transparente trugen die Aufschrift "Du bist nicht allein!", "Der Sch€in trügt!" und "Liebefeld". Verfolgt wurden die Beiträge von einem harten Kern aus schätzungsweise 30 Personen, die vor der Bühne saßen und sich durch regelmäßigen Applaus deutlich als Anhänger*innen der Veranstaltung und des Gesagten zu erkennen gaben. Um die Bühne und die Sitzenden herum standen zeitweise bis zu 100 weitere Menschen. Wie viele davon Sympathiesant*innen waren und wie viele nur neugierige Kesselbrink-Besucher*innen oder sogar Kritiker*innen ließ sich größtenteils nicht klar erkennen. Bekannte Nazis (wie z.B. Sascha Krolzig oder Bernd Stehmann) waren ebensowenig zu sehen, wie Menschen, die eindeutige Nazi-Symbole oder Bekleidungsmarken trugen. Viele Beteiligte entsprachen rein äußerlich eher einem "links-alternativen" Klischee.

Deutlich als Gegner*innen der Veranstaltung war eine Gruppe von Antifaschist*innen zu erkennen, die sich mit selbst gebastelten Hüten aus Alufolie über die Nähe der "Friedensbewegung 2014" zu obskuren Verschwörungstheorien über "Chemtrails" und ähnlichem lustig machen wollten. Da sie aber auch gleichzeitig mit vollem Ernst Israel- und USA-Fahnen schwenkten und mal "lustige" und mal ernste Zwischenrufe abgaben, wirkte der Protest nicht sehr stimmig. Immerhin wurden am Rande der Veranstaltung zwei Verschiedene Flugblätter verteilt, die auf die Nähe der neuen Montagsdemos zur extremen Rechten aufmerksam machten. Vom bürgerlichen Anti-Rechts-Bündnis, das bei vergangenen NPD- und Pro-NRW-Veranstaltungen mehrere Hundert oder sogar Tausend Gegendemonstrant*innen in Bielefeld mobilisieren konnte, war weit und breit nichts zu sehen.

Nachdem "Wonja" gegen 20:00 Uhr sein Musikprogramm für beendet erklärte, wurde das "offene Mikrofon" eröffnet. Davon Gebrauch machten mehrere Redner*innen, die mal mehr, mal weniger verständlich und zum Teil sehr ausschweifend über ihre Sicht der Welt berichteten. Häufig ging es dabei um Krieg, den Einfluss der USA und der CIA, sowie um das Bankensystem und das Thema Zinsen. Einer der Redner berichtete, dass er gelegentlich alleine vor den Fernsehstudios des WDR stehe und dort gegen die Macht und Voreingenommenheit der Medien protestiere. Ein anderer leitete seinen Beitrag damit ein, dass er durch "Blockupy" wieder zur Politik gefunden hätte. Als aktiven Teilnehmer der alten Montagsdemos gegen Hartz IV und als Mitglied der Anti-AKW-Bewegung gab sich ein weiterer Redner zu erkennen. Eine Frau aus Chile berichtet über die Erfahrungen ihrer Familie mit der ehemaligen Militärdiktatur und ein Mann sang ein Lied auf Urdu. Ein Redner mit russischer Fahne sprach(u.a.) über die Faschisten in der ukrainischen Übergangsregierung.
Um 20:30 wurde das Mikrofon abgestellt, wahrscheinlich da die Veranstaltung von der Stadt Bielefeld nur bis dahin genehmigt wurde. Viele Teilnehmer*innen diskutierten dann noch ohne akustische Verstärkung weiter bis ca. 21:00 Uhr.

Auch wenn keine eindeutigen Nazi-Parolen fielen, offenbarten die Beiträge der Redner*innen allesamt ein problematisches Weltbild. Die Kritik am Kapitalismus beschränkte sich lediglich auf "Das Bankensystem" und "die Zinswirtschaft". Alle Redner*innen überhöhten die Bedeutung einzelner Personen ("Obama, Merkel"), Staaten (USA) und Organisationen (Nato, CIA, FED) und bedienten sich so teilweise antisemtischer Stereotype. Auch die Annahme, dass die Medien sich dazu verschworen hätten, bestimmte "Wahrheiten" bewusst zu underdrücken und dass die Kundgebung eine der seltenen Möglichkeiten sei, diese bekannt zu machen, zog sich wie ein roter Faden durch alle Beiträge. Die gemeinsame Erfahrung einer vermeintlichen Verfolgung durch "die da oben", "die Medien" und "die Antifa" erschien als das zentrale identitätsstiftende und verbindende Element der "Montagsdemonstrant*innen". Dabei ist davon auszugehen, dass die Mehrheit der Teilnehmenden sich ernsthaft als "links" und "antifaschistisch" versteht und sich der Problematik ihrer verkürzten Aussagen nicht bewusst ist. Der Glaube daran, dass auch der Protest gegen die "Montagsdemo" Teil der "Verschwörung von oben" ist und dass jede kritische Berichterstattung "gesteuert" sei, erschwert die Zugänglichkeit der meisten Montagsdemonstrant*innen für rationale Argumente erheblich.

Zum Ende der Veranstaltungen wurden weitere "Montagsdemos" in Bielefeld angekündigt. Es bleibt zu hoffen, dass der Protest dann deutlich größer ausfallen wird!

---Hintergrundinformationen---

Zu den "neuen Montagsdemos" der "Friedensbewegung 2014" allgemein:
*Formation einer Bewegung: Vom Netz auf die Straße: http://www.publikative.org/2014/04/22/formation-einer-bewegung-vom-netz-...
*taz: Neurechte Friedensbewegung: http://www.taz.de/Neurechte-Friedensbewegung/!136944/
*3sat (Video): Die neuen Montagsdemos: http://www.3sat.de/mediathek/?mode=play&obj=43783

Zur den "Montagsdemos" in Herford und Detmold:
*PM des AKE Vlotho: http://www.hiergeblieben.de/pages/textanzeige.php?limit=10&order=datum&r...
*Rechte Mahnwache in Herford: http://de.indymedia.org/2014/05/354471.shtml
*Neue Westfälische: Für den Frieden aus den falschen Gründen: http://www.hiergeblieben.de/pages/textanzeige.php?limit=10&order=datum&r...

Zur Band "Die Bandbreite":
*Die Bandbreite - eine ausführliche Kritik: http://www.antifaschismus2.de/rechte-strategien/kultur/452-die-bandbreit...
*Eintrag bei Psiram: http://www.psiram.com/ge/index.php/Die_Bandbreite
*Textsammlung bei reflexionen.blogport.de: http://reflexion.blogsport.de/index.php?s=bandbreite

Zu den erfolgreichen antifaschistischen Protesten der letzten Jahre in Bielefeld:
*26.08.2013: http://www.nw-news.de/owl/bielefeld/mitte/mitte/9094503_Bielefelder_demo...
*18.03.2013: http://www.westfalen-blatt.de/index.php?id=618&tx_ttnews[swords]=Steinha...
*24.12.2011: http://de.indymedia.org/2012/01/322977.shtml
*06.08.2011: http://www.hiergeblieben.de/pages/textanzeige.php?limit=10&order=datum&r...

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Eine Hinweis zum Schluss: Leider stehen den Autor*innen dieses Berichtes keine Bilder der "Montagsdemo" zur Veröffentlichung zur Verfügung. Wir würden uns freuen, wenn eine*r der zahlreichen Fotograf*innen, die vor Ort waren, in den Ergänzungen welche posten oder an die angegeben E-Mailadresse  schicken könnte. Vielen Dank.
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Ergänzungen

zitat :[Auch wenn keine eindeutigen Nazi-Parolen fielen, offenbarten die Beiträge der Redner*innen allesamt ein problematisches Weltbild.]

das bei vielen teilnehmern der veranstaltung ein eher diffuses weltbild zu erkennen war, wird nicht bestritten, eine nähe zu faschisten war (noch) nicht zu erkennen. allerdings ist angesichts der vorkommnisse in herford und anderen städten, erhöhte aufmerksamkeit bei den antifaschisten geboten.

zitat:[Alle Redner*innen überhöhten die Bedeutung einzelner Personen ("Obama, Merkel"), Staaten (USA) und Organisationen (Nato, CIA, FED) und bedienten sich so teilweise antisemtischer Stereotype.]
als jude würde ich mir eher die frage stellen, ob nicht das alberne verhalten der männergruppe mit seinen staatsflaggen antisemitische stereotype bedient.
dem sänger der bandbreite sollte man genauer auf die finger schauen; ihm fehlt in der tat nicht mehr viel, um offen antisemitisch zu sein.

das die band"die bandbreite"soweit links ist das sie bald rechts wieder rauskommt ist ja nicht neues und sollte auch immer offen kritisiert werden,doch wenn diese kritik dazu benutz wird um eigene verworrene politische weltanschauungen als die einzig wahre zu verkaufen und alle antikapitalistinnen pauschal als antisemiten,ergo neonazis,ergo planer des nächten holocaust zu machen und ihre vernichtung als einzigen möglichkeit für ein überleben der jüdischen rasse zu sehen sollte nicht mit steinen werfendenn in dem glashaus sitzen auch echte opfer der shoa und rechter gewalt,nicht nur sympathieopfer

... Glaser,

abgesehen davon dass die zweite Hälfte deines Textes extrem wirr und nahezu unleserlich ist (böswillige Menschen könnten da bestimmt verfängliches rauslesen), zeigst du etwas sehr wichtiges auf. Diese Menschen dort, die über FED und Wall Street und Obama und Zinsknechtschnaft fabulieren - die sind eben keine Antikapitalist*Innen. Wären sie Antikapitalist*Innen, würden sie den Kapitalismus kritisieren und nicht nur winzige Rädchen, die z.T. die logische Konsequenz der Wirkweise dieses Systems sind. Eben dort liegt der Hase im Pfeffer.

Erstmal an ex-hippie: ich hab da schon einige Frauen in der Gruppe wahrgenommen. Albern trifft es meiner Ansicht nach auch nicht ganz. Inkonsequent passt besser, es war (mir) nicht klar ob das Satire oder ernstgemeinte Kritik war.

Kleine Ergänzung zum Text: der althippie sprach nicht von blockupy, sondern von occupy. Meiner Ansicht nach ein wichtiger unterschied, da ersteres ganz okay, letzteres in Deutschland jedoch die gleiche Soße ist wie die wahnmachen.

Schade finde ich, dass der Text die homophobe Reichsbürgerin ausgelassen hat, die gegen sexuelle Aufklärung wetterte, als Lösung(?) in wirrer axel-stoll-manier einen Quanten-Energie-generator anpries und dafür vom hippiepublikum auch noch applaus bekam. Muss man wissen, finde ich. Hat die Veranstaltung, die von einem homophoben song eingeleitet wurde (inhalt: wer schwul ist, wird zum eliminatorischen Antisemiten), ziemlich gut abgerundet.

 

Fände es übrigens super, den spinnern mit eigenen Veranstaltungen das Wasser\publikum abzugraben. Ich würde das Publikum in Bielefeld als größtenteils gefuhlslinks einordnen, die würde ich nur ungern ken Jebsen und den anderen Antisemiten überlassen.