GESCHICHTE DES ANTIFASCHISMUS (BUCH)
Gemeinsam mit dem baskischen antifaschistischen Netzwerk Sare Antifaxista hat der Kulturverein Baskale aus Bilbo ein Buch herausgegeben zum Thema Antifaschismus. Es handelt sich um die Übersetzung eines Werks des deutschen Antifaschisten Bernd Langer und trägt im deutschen Original den Titel “Antifaschistische Aktion. Geschichte einer linksradikalen Bewegung“. Vor vier Jahren kam der Autor für Vorträge nach Euskal Herria, jetzt folgt die Publikation seines Standardwerks in spanischer Sprache.
Das von Sare Antifaxista und Baskale herausgegebene Buch zur Geschichte des Antifaschismus hat einen historischen und einen aktuellen Teil. Es beginnt mit dem Faschismus in Italien und führt über den Nationalsozialismus bis zur Covid-Pandemie. Baskultur-Interview mit Klaus Armbruster vom Kulturverein Baskale.
(Das Interview mit Klaus Armbruster von Baskale führte Amaia Urrutikoetxea für Baskultur.info).
Baskultur: Glückwunsch zu eurem Buch! Wenn ich recht informiert bin, hat der Herausgabe-Prozess vier Jahre gedauert, die Publikation trägt somit den unsichtbaren Untertitel “endlich“, nicht wahr?
Klaus Armbruster: Völlig richtig, wir alle hätten uns ein früheres Erscheinen gewünscht, aber verschiedene Umstände haben dazu geführt, dass es so lange gedauert hat. Momentan ist das Buch im Druck, bei der Txokoto Mikro-Buchmesse im navarrischen Elizondo wird es zum ersten Mal auf dem Büchertisch liegen.
Baskultur: Dieses Buch ist das Ergebnis einer Zusammenarbeit zwischen Baskale und Sare Antifaxista. Wie ist die Idee zu diesem Projekt entstanden?
KA: Das Konzept des Antifaschismus ist in den 1930er Jahren in Deutschland entstanden. Die Idee hier im Baskenland war, diese Geschichte kennenzulernen und sie Interessierten zu vermitteln. Es gibt in Euskal Herria zwar viel Literatur über Faschismus und Nazismus, aber wenig über Antifaschismus. Bei der Suche stießen wir auf das Buch von Bernd Langer: “Antifaschistische Aktion. Geschichte einer linksradikalen Bewegung“ und im Februar 2020, also kurz vor Beginn der Pandemie, luden wir ihn zu einer kleinen Veranstaltungs-Tournee ins Baskenland ein. Danach haben Sare und Baskale beschlossen, sein Buch zu übersetzen. Bernd Langer ist weder Soziologe noch Historiker, er ist ein Antifa-Aktivist und ist seit den 1980er Jahren aktiv. Daher ist sein Buch keine historisch-soziologische Abhandlung, es ist vielmehr eine Mischung aus der konkreten und subjektiven Beschreibung der Jahre des Antifa-Kampfes seit den 1980er Jahren und einer Analyse der verschiedenen Facetten des Faschismus, die seither zu beobachten waren.
Baskultur: Wie sah der Prozess aus, um das Werk auf den Büchertisch zu bringen?
KA: Es war nicht einfach. Die Pandemie, mit allem, was dazu gehörte, kam uns etwas in die Quere. Mit der Übersetzung beauftragt wurde ein Spanisch-Muttersprachler. Als er fertig war, hatte der Autor bereits neue Kapitel für eine erweiterte deutsche Ausgabe. Nun mussten wir von Baskale uns selbst an die Übersetzung der zusätzlichen Kapitel machen. Mit Hilfe einiger freiwilliger Korrektur-Leserinnen haben wir das in Angriff genommen. Aber als wir mit den Ergänzungen fertig waren, etwas hundert Seiten, hatte Bernd Langer bereits weitere Kapitel geschrieben, dabei ging es um neuere Entwicklungen und die Vorgänge während der Pandemie. Es Machte den Eindruck, als würde der Schreibprozess nie enden. Die neue deutsche Ausgabe, die ebenfalls gerade in der Mache ist, musste in drei Bände aufgeteilt werden. Das war für uns völlig undenkbar, wir sind kein Verlag: der Inhalt musste in ein Buch passen. An Weihnachten 2023 mussten wir weinenden Auges die Übersetzung beenden und die letzten Kapitel draußen lassen. Sonst hätte es womöglich noch ein weiteres Jahr gedauert. Auch so ist es fast 600 Seiten lang geworden, die deutsche Version deutlich länger.
Baskultur: Wer sind die beiden Herausgeber, Sare Antifaxista und der Kulturverein Baskale?
KA: Sare Antifaxista ist ein Netzwerk von Personen und kleinen Gruppen im Großraum Bilbao, das hier im Baskenland seit 19 Jahren Informations- und Mobilisierungs-Arbeit macht. Dieses Netzwerk hat Pionier-Charakter, denn vor 20 Jahren war Antifaschismus hier kaum ein Thema. In Navarra schon eher, weil es dort neofaschistische Umtriebe gab. Seit 10 Jahren gibt Sare auch Bücher und Comics heraus, darunter viele Übersetzungen. Mit seinem Material ist Sare bei alternativen Märkten und Buchmessen vertreten, in Portugalete organisiert Sare seit 4 Jahren selbst eine solche “Messe des politischen Buchs“.
Baskultur: Und Baskale? Was ist das Ziel des Kulturvereins und welche Aktivitäten führt er durch?
KA: Der vollständige Name von Baskale ist “ baskisch-deutscher sozio-kultureller Verein“. Wir sind eine Gruppe von Bask*innen, Migrant*innen aus verschiedenen afrikanischen und europäischen Ländern und ein paar Deutschen, die in Bizkaia leben. Unsere Themen sind, kurz gesagt, die historische Erinnerung, mit dem Schwerpunkt Einmischung der Nazis im Spanienkrieg. Wir haben unter anderem eine Ausstellung und einen Dokumentarfilm zum Thema Legion Condor gemacht, und Forschungs-Projekte über franquistische Repression gegen Frauen. Zudem arbeiten wir im Bereich Migration, baskische Sprache und formulieren eine deutliche Kritik am Massentourismus, unter dem wir in Bilbo leiden. Dafür haben wir einen historisch-antifaschistischen Stadtrundgang entwickelt, den wir Interessierten anbieten. Baskale ist Teil verschiedener sozialer Bewegungen: internationalistische, antifaschistische und Nachbarschafts-Bewegungen.
Baskultur: “Antifaschistische Aktion“ ist das erste Buch, das Baskale herausgibt?
KA: Es ist das zweite. Vor Jahren haben wir ein alternatives Reisebuch Bilbao-Bizkaia produziert. Es konnte allerdings nicht in Buchform erscheinen, wir vertreiben es als PDF, weil es unmöglich wäre, Bücher per Post in den deutsch-sprachigen Raum zu schicken. (1)
Baskultur: Kurz zusammengefasst, was finden die Leser*innen in diesem Antifaschismus-Buch?
BK: Das Buch schildert den Aufstieg des Faschismus Anfang des 19. Jahrhunderts, in Italien und Nazi-Deutschland, verbunden mit der Geschichte der Antifaschistischen Aktion in den 1930er Jahren. Das Buch ist in zwei Teile gegliedert, der erste Teil ist historisch und beschreibt das Entstehen des Faschismus in Italien, von dort kommt ja der Begriff. Diese italienischen Kapitel waren übrigens nicht enthalten in der Buchversion, die wir anfangs übersetzt haben. Sie sind ein Teil der Ergänzungen, die Bernd Langer später hinzugefügt hat – für meine Begriffe eine überaus positive Entscheidung, das Buch gewinnt an Substanz.
Weitere Schritte im Buch sind die Machtergreifung und der Weltkrieg, immer verbunden mit den jeweiligen antifaschistischen Widerstands-Formen und -Aktivitäten. Es folgen die Nachkriegszeit und die Autonome Antifa-Bewegung ab den 1980er Jahren. In jener Zeit setzt der Autor einen Schwerpunkt, ab hier wird er vom objektiven Beschreiber zum Subjekt. Er bietet einen Überblick über die neuen faschistischen Bewegungen – und den antifaschistischen Widerstand in jeder historischen Epoche.
Der zweite Teil des Buches ist aktueller, mit Hinweisen auf die jüngsten Entwicklungen, die ultrarechten und negationistischen Bewegungen während der Pandemie und den Aufstieg der AfD. Beschrieben wird der Kontext mit der die Aufnahme von 1,5 Millionen Flüchtlingen in Deutschland – viele Details der einzelnen Prozesse, ich hoffe, nicht zu viele.
Baskultur: Und was ist an Inhalten “draußen geblieben“?
KA: Um keinen Enzyklopädie-Band zu machen mussten wir verzichten auf die Schilderung von internationalen Ereignissen, sowie weitere aktuelle Geschichten in Deutschland nach der Pandemie. Zudem hat der Autor dem Islamismus, den Kämpfen in Kurdistan und der Palästina-Frage einen breiten Raum zugestanden. Das ist bei uns auf der Strecke geblieben. Wir haben ein vorwiegend jugendliches Publikum, da schrecken Bücher mit 750 Seiten eher ab!
Baskultur: Könnte es mit diesen Inhalten einen Nachtrags-Band geben?
KA: Jetzt schauen wir erst einmal, wie sich das aktuelle Buch verkauft. Momentan rühren wir die Trommel in alternativen Medien, um die Publikation bekannt zu machen.
Baskultur: Hat die deutsche antifaschistische Bewegung andere Länder und insbesondere das Baskenland beeinflusst?
KA: Abgesehen von dem Symbol mit den beiden Flaggen des antifaschistischen Logos sehe ich keine inhaltlichen Zusammenhänge. Es wäre problematisch, die Situation in Deutschland und im Baskenland zu vergleichen. Als der Nationalsozialismus in Deutschland sein Ende fand, begann im spanischen Staat die franquistische Diktatur. Bis Mitte der 1970er Jahre gab es keine Parteien, keine Wahlen, keine freie Meinungsäußerung und natürlich auch keine antifaschistische Bewegung. Am ehesten noch die bewaffneten antifranquistischen Gruppen wie ETA, CCAA oder GRAPO.
Was im Baskenland folgte, war der Versuch einer Aufarbeitung des spanischen Faschismus, Gernika als bekanntestes Beispiel. Diese Arbeit wurde von Volksbewegungen geleistet, im spanischen Staat blieben die franquistischen Machtverhältnisse praktisch unangetastet. Darüber täuscht auch die Einsetzung einer formalen Demokratie nicht hinweg. Bemerkenswert ist auch, dass die Aufarbeitung Memoria-Bewegung genannt wird und nicht antifaschistisch, obwohl sie de facto eine solche darstellt. Das sind jeweilige Besonderheiten, die Vergleiche nicht ratsam erscheinen lassen.
Zum Thema Einfluss … Wir sollten uns immer wieder vor Augen halten, dass der deutsche Faschismus hat einen großen Einfluss auf den spanischen Faschismus hatte. Ohne die Legion Condor der Nazis hätte der Krieg von 1936 einen anderen Verlauf genommen, oder besser gesagt: es wäre gar nicht zum Krieg gekommen. Das heißt, die Nazis hatten einen entscheidenden Einfluss auf das historische Schicksal von Euskal Herria, nicht nur in Gernika, hier wurden 1.200 Luftangriffe durchgeführt, fast kein Ort in Bizkaia blieb verschont.
Baskultur: Wie ist die aktuelle Situation der antifaschistischen Bewegung angesichts des Aufstiegs des Faschismus?
BK: Die Antwort ist nicht einfach, es kommt darauf an, wohin wir schauen. Generell ist die Situation bedrückend. Doch nicht alle sehen den Aufstieg des Faschismus. Viele sind in ihren Vorstellungen von Faschismus in den 1930er oder 1940er Jahren hängen geblieben: blaue oder braune Uniform, Stechschritt und Führergruß. Doch der Faschismus ist nicht stehen geblieben, heute hat er andere Formen und Erscheinungen. Der neue Faschismus kommt unter anderem in Anzug und Krawatte daher, das macht ihn gefährlicher, weil er nicht so leicht zu erkennen ist. Zudem gibt es eine Verwirrung der Begriffe, die Rede ist von Populismus, von der extremen Rechten oder der radikalen Rechten. Offenbleibt, ob das alles dasselbe ist, der Begriff Faschismus hingegen wird selten benutzt. Nur wenn es um Anti-Faschismus geht und seine Diffamierung.
Wir müssen lernen, faschistische oder faschistoide Diskurse zu erkennen, auch wenn sie von Christdemokraten und Sozialdemokraten kommen. Rassismus und Fremdenfeindlichkeit sind nicht das Privileg der Faschisten, sie kommen auch über die Lippen vieler sogenannter “Demokraten“. Die Diskurse dieser “Demokraten“ ebnen letztendlich den Weg für den offenen und direkten Faschismus. Immer häufiger sind die Diskurse der westlichen “Verteidiger der Demokratie“ nicht mehr von denen der Faschisten zu unterscheiden. Zwischen der PP und Vox, oder zwischen Macron und Le Pen. Wir müssen unseren eigenen Diskurs an diese Realität anpassen. Genau sein, nicht übertreiben. Aber die Dinge mit Namen nennen. Nicht alle Politiker im spanischen Staat sind Faschisten, aber Faschisten sind auch nicht nur die von Vox.
Baskultur: Ein Aufruf sich zu organisieren?!
KA: Organisierung ist wesentlich, Kneipengespräche reichen nicht aus. Ich sage nicht, dass alle nun eine Antifa-Gruppe gründen müssen. Auch in feministischen Gruppen oder in der Schwulen-Bewegung kann antifaschistische Arbeit gemacht werden. Sich in der Palästina-Solidarität zu engagieren ist ebenfalls antifaschistische Arbeit.
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