Squatting Freiburg Actiondays: 18.-29. Oktober 2019 – Do-it-Together: squatters convention, festival and other resistances

squattingdays freiburg

Wir rufen dazu auf den Sommer in Freiburg zu verlängern und euch im Oktober an den Squatting-Days zu beteiligen, die Infoladen und KTS-Geburtstage gebührend zu feiern und miteinander für libertäre Perspektiven in Bewegung zu kommen.

Freiburg ist eine kleine Stadt im Südschwarzwald, dort, wo auf offiziellen Landkarten Grenzen zur Schweiz und Frankreich gezogen werden. Die reizvolle Gegend zwischen rheinischen AKW, logistischen Angelpunkten und schwarzwälder Rüstungsindustrie eignet sich gut für die verschiedensten subversiven Aktivitäten – und auch der Winter bricht hier nicht ganz so schnell ein wie im Rest der Republik. Unsere Squatting-Days sollen auf die Problematik von explodierenden Wohnraumpreisen, Gentrifizierung und Leerstand fokussiert sein – doch wir befinden uns in Zeiten, wo Widerstand nur intersektional wirksam ist und Besetzungen nur ein Teil der Felder von notwendiger antifaschistischer, feministischer und antikapitalistischer Kämpfe darstellen können.

Platz da!

Seit längerem zeichnen sich hier die gleichen hässlichen Entwicklungen wie auch sonst überall ab: Überwachung und Bullenpräsenz nehmen zu, Freiräume schrumpfen oder werden geräumt. In den vergangenen Monaten hat die "Wohnraum-Gestalten (WG-)Kampagne" Freiburg ordentlich aufgerüttelt und die verfehlte Wohnraumpolitik und Verdrängung in der neoliberalen Green-City auf's Tablett gebracht. Diese Kampagne soll in den Aktionstagen fortgeführt werden.

Die KTS, das lokale AZ, ist das letzte größere selbstverwaltete Kulturprojekt in Süddeutschland. Neue Räume zu schaffen gestaltet sich auch angesichts der politischen Großwetterlage als zunehmend schwierig. Die seit Frühjahr 2010 besetzten beiden Häuschen in der Gartenstraße 19 sind ab sofort von Räumung bedroht, sieben neue Besetzungen seit Dezember 2018 wurden konsequent geräumt. Noch immer gibt es nicht genug Wagenplätze, nachdem Kommando Rhino zerstört und Sand-im -Getriebe verdrängt wurden. Außerdem läuft der Vertrag der Schattenparker im September aus, so dass nun eine deutlich unsichere Lage erreicht ist. Für uns ist der Kampf um mehr autonome Räume in der Stadt noch lange nicht vorbei. Wir wollen während der Squatting Days Akzente gegen die Verdrängung setzen und uns neue Räume aneignen!

Hier und anderswo spannt sich die Lage an, wir wollen auch solidarisch in Aktion treten, um die vielen Besetzungsinitiativen der letzten Monate zu ermutigen. Nur die wechselseitige Bezugnahme und mutige Schirtte gegen die Vereinzelung wird unserer Kämpfe stärken. Die bedrohten Projekte Liebig 34, Rozbrat und viele weitere brauchen Unterstützung und zwar praktische. In den letzten Jahren wurden europaweit dutzende selbstbestimmte Projekte wie Squats, Wagenplätze, autonome Zentren geräumt. Der Widerstand blieb bei der langen Liste, über Villa Amalias über die Klinika bis zum ADM enttäuschend lokal und viel zu oft viel zu leise. Höchste Zeit wieder die Organisierungsfrage zu stellen!

Vom Protest zum Widerstand

Wir wollen diesem Zustand der wachsenden Verdrängungen nicht tatenlos zusehen. Neben einer Vernetzung anarchistischer Räume und Strukturen wollen wir praktisch werden, denn wir müssen Konzepte für einen kreativen und effektiven Widerstand gegen die Zerstörung unserer Freiräume entwickeln. Wir laden dazu ein die Aktivitäten so vielfältig wie möglich zu gestalten. In Zeiten immer deutlicherer Angriffe von Rechts und aus dem kapitalistischen Mainstream wollen wir eine Debatte um die Selbstverteidigung und gesellschaftliche Relevanz unserer Zentren und Plätze stärken.

Unsere Aktionen nehmen somit zwangsläufig auch die Repression ins Visier, denn die vergangenen Jahre haben gezeigt, dass der gesellschaftliche- und Sicherheits-politische Trend eine immer existenzellere Bedrohung für alle widerständigen Strukturen und Personen darstellt. Die ungesehenen Schläge nach G20 mit Hausdurchsuchungen und Verurteilungen, die Zensur des linksradikalen Portals Indymedia Linksunten – all diese Angriffe haben auch Freiburg hart getroffen. Der Ausbau der (Polizei-)Behörden und ihrer Befugnisse, die offen rechte Politik vermeintlich gemäßigter Parteien und die offenschtliche Zusammenarbeit mit und Förderung von Faschist*innen durch staatliche Institutionen – all dies kann nur unsere antiautoritären und antifaschistischen Überzeugungen verstärken.

Wir wollen auch diesen Aspekt des Widerstandes zum Gegenstand unseres Protests machen und Solidarität hinter die Mauern der Knäste schicken, immer weiter, für eine Gesellschaft die keine Gefängnisse mehr braucht.

Unkommerzielle Kultur von Linksunten

Seit Jahrzehnten sind Autonome Zentren, besetzten Häusern und AJZs relevante Plattformen für die Entwicklung einzigartiger Kulturszenen. Durch die Abwesenheit staatlicher Kontrolle ergeben sich relativ große Freiheiten und oftmals auch der Nährboden für subversive Politik. Ihr Ausdruck sind die Musiker*innen, Theater, Radschrauben, Grafiker*innen, Siebdruck, Umsonstläden, Filme, Graffiti, Lesungen und Partys – All dies wird dieser Tage in Freiburg greifbar.

Im Rahmen der autonomen Kulturtage, die vom 16.-26. Oktober statt finden, wird es im Autonomen Zentrum zahlreiche Konzerte, Performances, Workshops und Treffen geben und auch an weiteren Orten wird die Kulturwoche sichtbar werden. Jedenfalls gibt es: jede Menge Rock'n'Roll, Hip-Hop, Street-Art, Direct Action, Vorträge, Gigs, eine Nachttanzdemo vieles mehr – Meldet euch rechtzeitig, wenn ihr plant etwas zu dem kuluturellen Feuerwerk beizutragen.

Freiräume für linksradikale Kultur und Politik sind für uns Orte, an denen sich alle Lebewesen frei von Diskriminierung aufgrund von Geschlecht, Hautfarbe, Sexualität, Geld oder anderen von der Gesellschaft konstruierten Ungleichheiten bewegen können. Weil Formen der Unterdrückung in unserer Gesellschaft alltäglich vorkommen, ist es wichtig, Räume zu schaffen und zu erhalten, in denen diese nicht akzeptiert, sondern diskutiert und reflektiert werden. Sie sollten das Ausleben der eigenen Identität und die freie Entfaltung von Lebensentwürfen ermöglichen. Wir versuchen eine Loslösung davon zu praktizieren, Bewusstsein zu schaffen und zu sensibilisieren.

Das streben nach solch einem "freien Raum" inmitten der kapitalistischen Realität bleibt eine Utopie; es hängt an Allen wie positiv wir die Tage verleben können und wollen. Es soll jedenfalls Strukturen für Awareness und Out-of-Action geben und ein möglichst Beteiligungsfreundliches setting. Wir wollen miteinander einen selbstbestimmten Freiraum und eine Plattform für die Auseinandersetzung mit verschiedenen Vorstellungen schaffen, Begegnungen initiieren, uns vernetzen und gemeinsam Perspektiven entwickeln.

Los, los: do it together!

Das Prinzip soll so funktionieren, dass in Freiburg die Infrastruktur für Aktivitäten wie Workshops, Konzerte, Filmvorführungen und Straßenkunst, Vorträge und Parties so wie direkten Aktionen zur Verfügung gestellt wird und Ihr diese für eure Ideen benutzen könnt. Besetzungen und die Verteidigung unserer Räume sind für uns mehr als nur Spaß. Es handelt sich um notwendige Widerstandspraxis, die ihre gesellschaftliche Relevanz durch die Qualität unserer Organisierung entfaltet.

In der Geschichte, aber auch aktuell, sind die Stellung der Eigentumsfrage und die Besetzung von Räumen immer wieder zu wichtigen Kristallisationspunkten geworden, bei denen unnütze Großprojekte verhindert, Nachbarschaftsnetzwerke gestärkt oder aufgebaut, Politik angeeignet und die kapitalistische Wohnraumlogik durchbrochen wurden. Wir wollen Strukturen aufbauen, die auf Solidarität basieren und durch die die Stadt erst ihren politischen Sinn entwickelt, nähmlich durch diejenigen bestimmt zu werden, die in ihr Leben wollen und nicht durch die Interessen des Marktes. Gemeinsam sind wir stark – holen wir uns die Stadt zurück!

Die Squatting-Days sind kein Konsumspektakel sondern ein D.I.Y.-Festival und leben somit von eurer und unser aller Initiative! Alle sind aufgerufen sich an der Organisation zu beteiligen und dazu beizutragen, dass es konstruktive Tage werden. Dies ist also die Aufforderung an alle chaotischen und autonomen Kräfte, sich an der Convention zu beteiligen. Teilt uns eure Pläne und Ideen unter squattingfreiburg@riseup.net mit, damit wir das Programm koordinieren können.

Leitet die Einladung bitte weiter und kommt mit euren Leuten vorbei. Feiert mit uns ein paar libertäre, kreative, subversive und solidarische Tage in Freiburg!

Wohnraum Gestalten.

Lizenz des Artikels und aller eingebetteten Medien: 
Creative Commons by-sa: Weitergabe unter gleichen Bedingungen

Ergänzungen

Polizisten können verpflichtet werden, im Dienst ein Namensschild zu tragen. Dies entschied jetzt das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig. Erforderlich ist aber eine gesetzliche Regelung im jeweiligen Bundesland. Die meisten Länder mit Kennzeichnungspflicht müssen deshalb nachbessern.

In Brandenburg besteht die Kennzeichnungspflicht seit 2013. Wenn ein Polizist Uniform trägt, muss er dabei ein Namensschild anstecken. Bei Einsätzen in geschlossenen Einheiten der Bereitschaftspolizei ist nur eine Kennzeichnung durch Buchstaben und Zahlen erforderlich, die eine nachträgliche Identifizierung erlaubt. Keine Kennzeichnung wird von Personenschützern und den Mitgliedern von Sondereinsatzkommandos verlangt.

Die Polizei-Kennzeichnung verfolgt zwei Ziele. Zum einen soll die Polizei transparent und bürgernah wirken. Der einzelne Beamte soll in der Regel mit Namen ansprechbar sein. Zum anderen sollen Ermittlungen erleichtert werden, wenn Polizisten rechtswidriges Verhalten, zum Beispiel unnötiger Gewalteinsatz bei Demonstrationen, vorgeworfen wird.

Geklagt hatten eine Polizeihauptkommissarin und ein Polizeihauptmeister aus Brandenburg, die beide von der Gewerkschaft der Polizei (GdP) unterstützt werden. Sie wenden sich vor allem gegen die Pflicht zum Namensschild. „Wir haben beide Namen, die es in Brandenburg nur selten gibt“, sagten sie. Über eine einfache Google-Recherche lasse sich so herausfinden, in welchem Ort sie wohnen und in welchen Vereinen sie aktiv seien. Sie haben vor allem Sorge vor Nachstellungen von so genannten Reichsbürgern und den Mitgliedern krimineller Großfamilien. Die Kennzeichnungspflicht halten sie für einen unverhältnismäßigen Eingriff in ihr Recht auf informationelle Selbstbestimmung.

Kennzeichnungspflicht legitim und verhältnismäßig

Das Bundesverwaltungsgericht lehnte nun die Klage der beiden PolizistInnen ab. Die Kennzeichnungspflicht verfolge legitime Ziele und sei verhältnismäßig. Allerdings stufte das Gericht die Kennzeichnungspflicht als Grundrechtseingriff ein, für den eine gesetzliche Regelung erforderlich ist. Dies gelte nicht nur für das Namensschild, sondern auch für die Nummern bei geschlossenen Einheiten.

Die Kennzeichnungspflicht sei auch verhältnismäßig, so das Gericht. In der Verhandlung sprach der Vorsitzende Richter Ulf Domgörgen zwei Mechanismen an, die die Kennzeichnungspflicht abmildern. Wenn Einsätze mit Namensschild brenzlig werden, dürfen Brandenburger Polizisten selbständig (also ohne Rücksprache mit Vorgesetzten) das Namensschild entfernen. Und bei Einsätzen in geschlossenen Einheiten können Polizisten zum Selbstschutz immer wieder eine neue Nummer beantragen. „Dass die Polizisten hiervon bisher keinen Gebrauch machen, kann nicht dem Gesetz angelastet werden“, sagte Richter Domgörgen.

Das Leipziger Urteil hat bundesweite Bedeutung. Es stellt fest, dass Polizisten per Gesetz zur Transparenz verpflichtet werden können, dass dies also keine Verletzung der Grundrechte der Polizisten darstellt. Allerdings haben von neun Bundesländern, die bisher eine Kennzeichnung vorsehen, nur Brandenburg und Sachsen-Anhalt eine entsprechende gesetzliche Regelung. Die anderen sieben Bundesländer (Berlin, Bremen, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und Thüringen) haben die Polizisten nur durch Verwaltungsvorschriften ohne Parlamentsbeschluss verpflichtet. Das genügt offensichtlich nicht.

Die Länder, die bisher keine obligatorische Kennzeichnung haben, etwa Bayern, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg, sind nun zwar nicht zur Einführung gezwungen. Allerdings wies Richter Domgörgen auf Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte hin, die eine Einführung zumindest nahelegen.