SALF: NEUE SPANISCHE ULTRARECHTE

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Die rechtspopulistische Wähler-Vereinigung mit dem seltsamen Namen “Das Fest ist vorbei“ (Se acabó la Fiesta) ist ohne viel Vorgeschichte und Wahlkampf mit drei Abgeordneten triumphal ins Europa-Parlament eingezogen. Trotz fehlendem Wahlprogramm machten 800.000 Spanier*innen das Kreuz für den ultrarechten Medien-Agitatoren und SALF-Gründer Alvise Perez. Dessen Kampagne besteht aus Falschmeldungen, juristischer Straffreiheit und einem Telegram-Chat mit 1.800.000 Followern, Verdummung und Verschwörungstheorien.

"Alvise Pérez stützt seinen Diskurs auf eine verschwörerische Logik, die sich im Schein der extremistischen Behauptungen von PP und Vox verbreitet hat", meinen Experten über den Erfolg der Partei “Die Fiesta ist vorbei“.

 

"Sie werden uns als Radikale brandmarken, sie werden sagen, dass wir Ultras sind, aber ihr (Alvises Anhänger) wisst, dass das nicht stimmt. Wir sind Patrioten voller Illusionen und wir werden die Spaltung dieser Nation mit fester Hand gegen Verbrechen und Korruption überwinden". Dies waren die ersten Worte des Agitators Alvise Pérez (bürgerlicher Name Luis Pérez Fernandez), nachdem er die Ergebnisse der Europa-Wahlen erfahren hatte. Die Liste “Se Acabó La Fiesta“ hat fast 800.000 Stimmen erhalten und ist in Brüssel vertreten. Der Rechtsextremist intervenierte kaum in den Mainstream-Medien und stützte seine Strategie auf die Verbreitung von Fake News über Telegram.

Wie konnte Alvise Pérez drei Sitze gewinnen?

“Se Acabó La Fiesta“ (SALF) wurde in 30 der 52 spanischen Provinzen zur viertstärksten Kraft, meist vor den ehemaligen “Protest-Parteien“ Sumar und Podemos. Aufgeschlüsselt nach Regionen erreichte Alvise Pérez den vierten Platz in Andalusien, Aragón, Illes Balears, Kantabrien, Kastilien-La Mancha, Kastilien und León, Extremadura, Murcia, La Rioja, Ceuta und Melilla. In Madrid erhielt die Liste 140.499 Stimmen, was 17,6% der Gesamt-Stimmen entspricht. Nach Angaben des Soziologischen Forschungs-Zentrums CIS (Centro de Investigaciones Sociológicas) ist das Profil des Wählers, der mit den extremistischen Diskursen des künftigen Europa-Abgeordneten sympathisiert, das eines Mannes um die 40 Jahre.

"Die Beziehung der extremen Rechten zu den sozialen Netzwerken geht weit über einen einfachen Generationenkonflikt hinaus. Es ist wahrscheinlich, dass sich mehr Menschen mit Alvise auf Telegram verbunden haben als auf YouTube oder Twitch", sagt Iago Moreno, Soziologe und Experte für digitale Politik. “Se Acabó La Fiesta“ konzentrierte einen Großteil der Kampagne darauf, die Behauptung zu untermauern, dass die Straßen nicht sicher seien, und kriminalisierte die angeblichen Subventionen, die Migrant*innen erhalten. Der wichtigste Vorschlag seines “Programms“ war der Bau des "größten Gefängnisses in Europa", in dem der Regierungspräsident Pedro Sánchez eingesperrt werden sollte.

Die spanische Rechte und Ultrarechte (PP, VOX, SALF) hat bei den Europawahlen mit 52% der Stimmen einen neuen Rekord aufgestellt, während die sozialdemokratische Linke Federn gelassen hat.

Alvise Pérez bezeichnet “Se Acabó La Fiesta als "antipolitische" Wählerschaft, doch sein Lebenslauf zeigt das genaue Gegenteil. Der Ultrakandidat begann seine Karriere in der UPyD bei Rosa Díez, baskische PSOE-Dissidentin, die sich ultrarechte Positionen zu eigen machte. Später arbeitete er als Berater des Ciudadanos-Führers Toni Cantó in der Region Valencià. Zuletzt widmete er sich der Aufgabe, die Netzwerke der VOX-nahen Kreise aufzumischen. "Alvise durchlief alle rechten Parteien, bis er merkte, dass er auf sie verzichten und seine eigene Marke schaffen konnte. Die populistische Botschaft, die er uns verkauft, ist ein Widerspruch in sich. Er war Teil der Kaste, wie er sie jetzt bekämpft, und trat erst zur Seite, als er berühmt wurde. Was am EU-Wahl-Sonntag passiert ist: er hat viele Menschen aus ihrer Apathie geholt ", sagt David Bou, Journalist und Drehbuchautor des Dokumentarfilms “La Xarxa Ultra“ (Das Ultra-Netz).

"Wahrscheinlich haben sich mehr Menschen mit Alvise auf Telegram verbunden haben als auf YouTube“

Bei der Veranstaltung zum Abschluss seiner Kampagne versammelte der Agitator fast 1.000 Menschen. Alvise erschien auf dem Madrider Plaza de Colón mit Hunderten von Stimmzetteln, einem Megaphon und einem T-Shirt mit einem QR-Code, der die Öffentlichkeit direkt zu seinem Telegram-Kanal führte. "Er ist ein Typ, der verstanden hat, dass es einen alternativen politischen Raum in der extremen Rechten gibt, der sich ausweiten und zu einer Wahlnische werden könnte. Alvise stützt seinen Diskurs auf eine verschwörerische Logik, die im Windschatten der extremistischen Behauptungen von PP und Vox ihren Platz gefunden hat", fährt der Soziologe Moreno fort. Desinformation war der Schlüssel, um seine Botschaften auf die Mobiltelefone von 4,59% der Wählerschaft zu bringen.

"Tomaten vom Feld brauchen mehr Papiere, um den Gemüsegarten zu verlassen, als ein illegaler Einwanderer, um ins Land zu kommen". Dies war eine der am häufigsten wiederholten Aussagen des Kandidaten von “Se Acabó La Fiesta“ während der zwei Wochen Wahlkampf. Der ehemalige Ciudadanos-Berater befürwortet die "sofortige Abschiebung" von Menschen, die sich im Legalisierungs-Prozess befinden, und fordert eine "Neuverhandlung" der Beziehungen zu Europa. Alvise hat sich auch bemüht, das Gespenst des Wahlbetrugs zu schüren. Der rechtsextreme Führer prangerte "Zwischenfälle" in den Wahllokalen an und zweifelte an der Briefwahl, alles ohne Beweise oder Argumente.

"Die Strategie von Alvise basiert auf Behauptungen, die nicht bestätigt werden (können). Er ist ein Mensch, der keine Botschaften sendet, um jemanden zu überzeugen, sondern um die Gedanken seines Publikums zu bestätigen. Das Programm Se Acabó La Fiesta macht keine positiven Vorschläge, ganz im Gegenteil. Die Linke versucht, die Wähler mit positiven Vorschlägen auf ihre Seite zu ziehen, die oft schwer zu erklären und zu argumentieren sind. Alvise und SALF lancieren falsche und oppositionelle Botschaften, weil sie damit eine schnellere und effektivere Mobilisierung erreichen. Fake News appellieren an die Emotionen und deshalb funktionieren sie hier“, bestätigt David Bou.

Falsch-Nachrichten als politische Waffe

Der Erfolg von Alvise Pérez begann während der Pandemie. Der Hetzer veröffentlichte einen Tweet, in dem er behauptete, Manuela Carmena, die ehemalige Podemos-Bürgermeisterin von Madrid, habe zu Hause ein Beatmungsgerät erhalten, damit sie nicht im Krankenhaus Schlange stehen müsse. Eine Lüge. Ein Madrider Gericht verurteilte den künftigen Europa-Abgeordneten zur Zahlung von 5.000 Euro Schadensersatz an die ehemalige Politikerin wegen "Veröffentlichung falscher Nachrichten" über ihr Privatleben. Alvises Twitter-Konto wurde gesperrt – noch vor dem Kauf der Plattform durch Elon Musk. Doch der Ultra-Referent hat andere Netzwerke gefunden, in denen er Fake News und Hassreden verbreitet.

"Der juristische Status von Funktionsträgern erschwert rechtliche Schritte, verhindert sie aber nicht"

Die Profile des Extremisten belaufen sich auf 1.800.000 Follower in sozialen Netzwerken: Instagram, Facebook, TikTok, Telegram – mehr als jede der im Plenarsaal vertretenen politischen Parteien. "Alvise hat Medien-Plattformen bis zum Rauswurf benutzt. Das passiert, wenn eine Person ihre Netzwerke nutzt, um durch die Verbreitung von Fake News und Hassreden an Relevanz zu gewinnen, dies aber am Ende so offensichtlich ist, dass die Plattformen beschließen, solche Aktivitäten auszusetzen. Genau das ist Alvise auf Twitter passiert. An diesem Punkt gingen ihm die Lautsprecher aus und er beschloss, zu Telegram zu wechseln", erinnert sich der Journalist David Bou. Die Chats der Tageszeitungen Público, El País und elDiario.es auf dieser Anwendung bringen es nicht einmal auf ein Fünftel der Follower, die Alvise folgen.

"Telegram lässt ihm freie Hand bei der Verbreitung von Falschmeldungen, da es keinerlei Zensur oder Regulierung gibt. Alvise lässt im Chat Kommentare seiner Anhänger zu. Auf diese Weise schafft er sich Loyalität bei seinem Publikum. Was er will, ist Lärm, damit wir über seine Heldentaten sprechen", so der Journalist weiter. Der spanische Verkehrsminister Óscar Puente prangerte den Hetzer an, weil er persönliche und "beleidigende" Informationen über ihn in den sozialen Netzwerken verbreite. Der PSOE-Minister José Luis Ábalos warf ihm außerdem vor, sein Ehrenrecht verletzt zu haben, weil Alvise Bilder aus seinem Privatleben veröffentlicht hatte. Das Verfahren muss aufgrund eines "Verwaltungsfehlers" wiederholt werden. Die Justiz ermittelt weiterhin gegen ihn, weil er während der Pandemie eine falsche Positiv-Diagnose des ehemaligen Gesundheits-Ministers Salvador Illa verbreitet hat.

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