Stonewall was a riot (by Trans*-POCs from the working class) – ein paar Bemerkungen zum Stuttgarter CSD

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+++Bunt, schrill, laut, vielfältig, weltoffen, tolerant – so sieht sich der CSD Stuttgart gerne. Und natürlich nicht nur dieser. Der Stuttgarter CSD steht in diesem Punkt, unserer Wahrnehmung nach, stellvertretend für viele CSDs deutschlandweit.+++

 

Siemens, Daimler, Deutsche Bank – der Hauptfeind steht im eignen Land!“

Am Samstag fand beim Stuttgarter CSD die „Polit-Parade“ statt. Politisch? - wohl nur in Teilen und häufig einfach nicht ehrlich. Was ist mit unserer Gesellschaft los, wenn die FDP mit „The first gaypride was a riot“ wirbt und die EnBW (sowas wie RWE nur im Südwesten) Traubenzucker mit der Aufschrift  „Revolution“ verteilt, bei welcher das Wort „Love“ in Spiegelschrift zu finden ist. Nicht nur, dass Stonewall ein riot von Trans*-POCs der Arbeiter*innenklasse war, der Scheiß der FDP somit nicht mal inhaltlich richtig ist, sondern mensch vor allem mal Lust hätte, zu fragen was sie denn für ein „Riot“ oder eine „Revolution“ gerne hätten. Neben diesem Thema, was wohl sehr zum sich aufzuregen geeignet ist, wurden die wenigen politischen Ausdrücke die es gab, übertönt durch laute Party-Musik der großen Firmen-Trucks. Daimler, EnBW, Bosch, Vodafon, Bavaria und andere Konsorten. Politsch war die Parade, von Ausnahmen mal abgesehen, sicher nicht.

 

Freiheit?

Auch fand sich überall das Wort „Freiheit“, welche Freiheit denn? Die Freiheit von Arbeit im Kapitalistischen System erstickt zu werden? Nun auch für queers? Die Freiheit die ganze Welt zu erkunden, vorausgesetzt mensch hat einen Pass eines westlichen Staates? Dies nun auch für Queers? Auf dem Mittelmeer sterben jedes Jahr tausende Menschen, unter ihnen viele Queers die vor Verfolgung und Repression in ihrer Heimat fliehen. Sie werden von Grenzzäunen in Schach gehalten, von libyschen Banden verschleppt, vergewaltigt, ermordet. Geht es bei der Parade auch um ihre Freiheit?

 

Die Probleme heißen Kapitalismus und Staaten – no nation, no border!

Die größte Bedrohung der Freiheit sind, wie eben schon beschrieben, Staaten und ihre Grenzen. Ihre Gesetze schränken uns ein. Sie zwingen uns Identitäten auf, welche nicht zu uns gehören. An dieser Stelle sei an das unsägliche „Transsexuellengesetz“ erinnert, welches uns die Freiheit nimmt, über uns selbst zu bestimmen. Und nicht zuletzt sollen sie uns Sicherheit geben. Welche Sicherheit? Jedes Jahr werden in Deutschland hunderte Queers psychisch und physisch angegriffen. So auch Samstag Nacht, nach dem CSD in Stuttgart.

Der Kapitalismus profitiert enorm, davon, dass unsere Gesellschaft nun angeblich so queer-offen ist. Er kann neue Produkte designen und verkaufen, neue Geschäftsfelder erschließen und queere Kund*innen mit kleinem Geldbeutel von der Partizipation weiterhin ausschließen. Ebenso kann er nun mit Schwulen, Lesben und neuerdings auch mit Trans*gendern werben um seine Produkte noch besser verkaufen zu können. Wir sagen ganz klar nein zu dieser Art des Queerbrandings. Queerer Protest, queere Riots, sind und waren immer links. Die Mitbegründer*innen des CSDs, so z.B. Marsha P. Johnson und Silva Rivera, kämpften für die Freiheit aller Menschen, und nicht nur die Freiheit weißer, privilegierter Schwuler aus dem Westen, die in Stuttgart jetzt auch Kehrwoche machen dürfen.

 

Psychische und physische Gewalt ist alltäglich

Wie tief Hass und queerfeindliche Gewalt in unserer Gesellschaft steckt und durch Stereotype und Vorurteile befeuert wird, zeigte sich leider direkt am Abend in Stuttgart nach dem CSD. Eine junger Schwuler wurde auf dem Heimweg vom CSD, von Fremden schwulenfeindlich beleidigt und anschließend körperlich angegriffen. Unsere Mitgefühl ist bei dem Opfer und wir hoffen auf eine baldige Genesung.

Es zeigt sich also, dass wir noch einen langen Weg vor uns haben, bis wir wirklich in einer toleranten, friedlichen und befreiten Gesellschaft leben. Egal ob FDP, CDU oder irgendwelche Firmen, sie alle helfen uns dabei nicht und haben deshalb auf einer Polit-Parade nichts verloren!

 

 

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