Gewerbesteuerparadies Zossen? Wir kommen!

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Ein Besuch bei dem Briefkasten des Eigentümers der Meuterei Am 31.05.2019 war es soweit. Der Countdown der Uhr über dem Tresen der Meuterei stand auf 0. Fast 10 Jahre Kiezkneipe, Kollektivarbeit, sozialer Treffpunkt, Feierabendbier, Sozialberatung und Veranstaltungsraum, beendet durch einen auslaufenden Mietvertrag und einen Eigentümer, der schnelles Geld mit dem Verkauf machen will. Doch nicht mit uns! Wir meutern!, dachte sich das Kneipenkollektiv und hat die Schlüsselübergabe abgesagt. Seit dem 1. Juni zählt die Uhr über dem Tresen nun, wieviele Tage bereits gemeutert wird.

Ein wichtiger Schritt ist damit gemacht und es wird deutlich: Die Meuterei wird nicht kampflos aufgegeben. Dass für die Menschen im Kiez die Meuterei ein wichtiger Bestandteil dessen ist, haben die große Kiezdemo im Januar diesen Jahres mit knapp tausend Demonstant*innen und fast doppelt so vielen Unterstützer*innenunterschriften und Teilnehmer*innen beim Reichenbergerstraßenfest gezeigt. Doch Verhandlungen mit dem Eigentümer Goran Nenadic laufen ins Leere und ein bezahlbares Entgegenkommen den Kaufpreis betreffend, ist nicht in Sicht. Der taz sagt er: „Ich stehe zu meinem Kaufangebot an die bisherigen Betreiber, aber zu einem marktgerechten Preis.“ Dem Vernehmen nach immer noch 650.000 Euro. (taz 30.05.2019)1. Wie die taz weiter richtig recherchiert: “Dem „marktgerechten“ Preis wollen sich die Linken nicht fügen. Damit haben sie etwas mit ihrem Noch-Vermieter gemein. Denn auch Zelos Properties mag nicht zahlen, was üblich ist. Ihren Geschäftssitz hat die in Berlin tätige Firma deshalb im brandenburgischen Zossen.“ (ebd.)

Als Unterstützer*innen-Gruppe „Leute für die Meute“ haben wir bereits im März 2019 die Firma des Eigentümers Goran Nenadic, die Zelos Properties GmbH, in Zossen besucht. Wir wollten ihm einen Kiezbrief, einen von Anwohner*innen und Initiativen verfassten Brief für den Erhalt der Meuterei, überreichen. Angetroffen haben wir lediglich ein kleines Gemeinschaftsbüro diverser Immobilienfirmen und einen Briefkasten. „Wir haben uns zunächst auch gewundert, warum Berliner Immobilienfirmen ihren Sitz in Zossen haben und herausgefunden, dass es hier in Zossen eine geringere Gewerbesteuer gibt.“, so eine der Aktivist*innen damals. Mittlerweile hat das auch die Presse recherchiert. „Dass in der märkischen 17.000-Einwohner-Kleinstadt unzählige Immobilien- und andere Unternehmen registriert sind, ist kein Zufall. Denn in Zossen gibt es eine Besonderheit: Die Stadt erhebt den niedrigstmöglichen Gewerbesteuersatz. Gerade einmal die gesetzlich vorgeschriebenen 200 Prozent beträgt der Hebesatz, mit dem der Steuermessbetrag multipliziert wird. In Berlin sind es 410 Prozent. Eine Maßnahme, die die Stadt auf ihrer Internetseite explizit bewirbt: So sollen Unternehmen angelockt und der Gemeinde ein wirtschaftlicher Vorteil verschafft werden. […] Rund um das Zossener Modell hat sich eine dubiose Geschäftspraxis entwickelt: Auf Ebay werden Geschäftsadressen in Zossen angeboten, samt Briefkasten- und Telefonservice. An manchen dieser Adressen sind so viele Firmen registriert, dass schwer vorstellbar ist, dass alle dort auch tatsächlich ein reguläres Büro besitzen.“ (taz 30.05.2019)

Die Meuterei betreffend, wirft das neue Fragen auf. Dass wir keine Freund*innen von „marktgerechten“ Preisen sind, hinter denen sich Goran Nenadic versteckt, wird niemanden verwundern. Dass sich der gerne als seriös-freundlich erscheinende Eigentümer jedoch darauf beruft, während er mit einem Briefkasten in Zossen Steuern einspart, verwundert dann doch.

Um diese Verwunderung kund zu tun und Zossen, im Vergleich zum Besuch der Eigentümer*innen der ebenfalls bedrohten Kiezkneipe Syndikat, sehr nah ist, statten wir dem Briefkasten der Zelos Properties GmbH einen weiteren Besuch ab. Diesesmal ohne Kiezbrief und mit mehr Menschen. Mit einer Kundgebung wollen wir den Zossener*innen, dem Briefkasten und der Öffentlichkeit am 6. Juli lautstark zeigen, dass wir mit einem Ende der Meuterei nicht einverstanden sind und Goran Nenadic die Kneipenräumlichkeiten unter dem Widerstand des Kiezes nicht verkauft bekommt. Und was kann man sich Schöneres vorstellen, als das Berliner Umland an einem Samstagmittag mit anderen Kneipenunterstützer*innen aufzusuchen und in einer Brandenburgischen Kleinstadt einen Briefkasten anzubrüllen? … realtiv wenig. Finden wir auch. Und damit sind wir nicht allein. Denn in dem Haus in Zossen, wo die Zelos Properties GmbH ihren Sitz hat (Baruther Str. 23, D-15806 Zossen), finden sich noch weitere interessante Namen an den Briefkästen. „Unter den hier registrierten Unternehmen sind mehrere, die sich in Berlin ebenfalls bereits einen zweifelhaften Ruf erworben haben: Der Investor, der den Kreuzberger Gemüsehändler Bizim Bakkal herausdrängen wollte, ist ebenso dabei wie die Fortis Group, die insbesondere in Friedrichshain für Verdrängung durch Luxusmodernisierung bekannt ist.“ (taz, 30.05.2019).

Gemeinsam mit dem Bündnis Zwangsräumung verhindern machen wir uns also am 6. Juli auf nach Zossen und freuen uns über Begleitung.

Kiezerhalt bleibt Handarbeit und sowieso: keine Beute mit der Meute!

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