18.01.15 Hooligan - Großdemo von HogeSa in Essen verhindern!

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Gemeinsam seid Ihr kacke! Gegen Rassismus und Islamismus!

Bis zu 4.000 TeilnehmerInnen werden erwartet, wenn am 18. Januar die »Hooligans gegen Salafisten« (HoGeSa) in Essen aufmarschieren. Mit dieser Aktion wollen die rechten Hools und ihre AnhängerInnen an die beachtlichen Mobilisierungserfolge des vergangenen Jahres anknüpfen. In Köln und Hannover waren im Herbst jeweils mehrere tausend TeilnehmerInnen aus dem gesamten Bundesgebiet zu den Aufmärschen angereist, bei denen es teilweise zu heftigen Auseinandersetzungen mit der Polizei und GegendemonstrantInnen kam.

Der Aufmarschort Essen hat für die HoGeSa-Bewegung eine gewisse symbolische Bedeutung. Hier fand im September eine Art Gründungsveranstaltung statt – auch wenn diese mit rund 80 TeilnehmerInnen nur spärlich besucht war und zudem von der Polizei auch frühzeitig wieder aufgelöst wurde. Auch in den folgenden Monaten war die Ruhrgebietsstadt mehrmals Schauplatz konspirativ organisierter Zusammenkünfte der Hooligans.

Während sich der Herner HoGeSa-Anführer Andreas Kraul in seinen öffentlichen Stellungnahmen immer wieder von der extremen Rechten distanziert und betont, dass er sich nicht gegen Muslime im Allgemeinen, sondern lediglich gegen SalafistInnen wende, zeichnen die Äußerungen seiner AnhängerInnen im Internet und auf der Straße ein anderes Bild. Unterschiedslos hetzen sie gegen IslamistInnen, Muslime, Geflüchtete, MigrantInnen, Linke, PolitikerInnen und PressevertreterInnen, die im Weltbild vieler Hooligans eine homogene Einheit zu bilden scheinen. Organisierte Neonazis wie beispielsweise die AnhängerInnen von NPD und »Die Rechte« nehmen offen an den Aufmärschen teil und werden als BündnispartnerInnen offenbar gerne akzeptiert.

Während die Aktionen der HoGeSa-Bewegung nach den Gewaltexzessen in Köln von Medien und etablierten Parteien einhellig verurteilt wurden, werden die Forderungen einer anderen Bewegung mit ähnlich konfus-rassistischen Inhalten mittlerweile in jeder Talkshow der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten diskutiert. Die »Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlands«, kurz Pegida, mobilisieren in Dresden regelmäßig mehrere tausend TeilnehmerInnen zu ihren allwöchentlichen Demonstrationen. Was beide Bewegungen verbindet, ist eine diffuse Angst vor einer »Islamisierung« und »Überfremdung« der Gesellschaft. Sie knüpfen damit an Ressentiments gegen Muslime, Geflüchtete und andere Minderheiten an, die in der deutschen Gesellschaft weit verbreitet sind. Dabei geht es ihnen nur vordergründig um eine Kritik am (politischen) Islam. Vielmehr treibt sie die Sehnsucht nach einer harmonischen, ethnisch und kulturell homogenen Gemeinschaft. »Diese Leute gehören hier nicht hin«, ist das wohl am häufigsten vorgebrachte Argument der RassistInnen, denen der islamistische Alltagsterror offenbar herzlich egal ist, solange er nur in Afghanistan, in Syrien oder im Iran stattfindet. Gemein ist beiden Bewegungen damit sowohl ihre ideologische Schnittmenge, als auch ihr nah beieinander liegender Entstehungszeitraum. Insofern kann das eine nicht ohne das andere kritisiert werden – sie sind beide als neue Entwicklungstypen rassistischer Mobilmachungen zu identifizieren. Während Pegida sich jedoch – von einigen Ausfällen in der jüngeren Vergangenheit einmal abgesehen – mit der handfesten Gewalt (noch) zurückgehalten hat, spielen die HoGeSa-AnhängerInnen ganz offen mit ihren Gewaltfantasien und geben sich enthemmt militant. Die Klammer, die aber alle zusammenhält, ist das Phantasma der »Überfremdung« oder des sich »abschaffenden Deutschlands«.

Diese Bewegungen sind allerdings nicht im luftleeren Raum über die Gesellschaft hereingebrochen. Das politische Establishment, allen voran die Unionsparteien, heizten die öffentliche Debatte um sogenannte Wirtschaftsflüchtlinge an und missbrauchten jede neue Schreckensmeldung aus den Krisengebieten der Welt, um Ängste zu schüren. Der zunehmende Rechtsdrift des gesellschaftlichen Diskurses hat nun zur Folge, dass die meist am Stammtisch und im privaten Kreis verbleibenden Ressentiments und kruden Ideologien anschlussfähig erscheinen und ihren Weg auf die Straße finden. Diese neuen Typen rassistischer Mobilisierungen sind damit nicht zuletzt auch eine Konsequenz des menschenunwürdigen Umgangs der Europäischen Union mit geflüchteten Menschen. Dieser Logik folgend, signalisierten sie in den letzten Wochen immer häufiger Gesprächsbereitschaft und Verständnis für die rechten HetzerInnen, statt sich mit denjenigen zu solidarisieren, die zur Zielscheibe des Hasses werden oder die sich konsequent gegen die rassistischen Bewegungen stellen. Das Stimmenpotenzial der RassistInnen ist schließlich größer als das der Geflüchteten und MigrantInnen, die ja meist ohnehin nicht wahlberechtigt sind.

Doch auch Zivilgesellschaft und die politische Linke haben den AusländerhasserInnen oft wenig anderes entgegenzusetzen als die immer gleichen Phrasen vom »friedlichen Miteinander der Religionsgruppen«, der »bunten und weltoffenen Stadt« und die immer gleichen Statistiken, die belegen sollen, dass Deutschland nicht überfremdet ist und EinwandererInnen der deutschen Wirtschaft nutzen. Wer allerdings nur Zahlenkolonnen und Durchhalteparolen ins Feld zu führen vermag, lässt sich unbeabsichtigt auf die Logik der RassistInnen ein, die Fremde in ihrem Land nur akzeptieren wollen, wenn diese sich anpassen und nützlich machen. Der Versuch, Menschen mit Verweis auf unlautere Argumentationsmuster von der Fehlerhaftigkeit eben dieser zu überzeugen verkennt den projektiven Charakter rassistischer Weltanschauung und meint, jeder »antisalafistische Hooligan« oder jede »besorgte Europäerin« sei in Wahrheit nur schlecht informiert und würde bei ausreichender Kenntnis der neuesten Daten aus dem statistischen Bundesamt sogleich den eigenen Irrtum einsehen und von einer Welle empathischen Mitgefühls erfasst werden. Mit dem Gang solcher inhärenter Argumentationen stolpert man zudem spätestens dann, wenn Geflüchtete und MigrantInnen sich nicht den Integrationsanforderungen und Normalisierungspraktiken der deutschen Gesellschaft unterwerfen wollen und eigene Lebenspraktiken entwickeln oder wenn sie es sich in der »sozialen Hängematte« gemütlich machen, anstatt für den Standort Deutschland schuften zu gehen. Derlei Argumente sind daher (potenzielle) Legitimationen für Rassismus – sie stabilisieren ihn anstatt ihn abzubauen.

Indes sucht man eine antirassistische Kritik am politischen Islam, gegen den HoGeSa und Co. ja vorgeblich demonstrieren, auch in linken Kreisen meist vergeblich. Auch wenn die von den RassistInnen herbei halluzinierte Islamisierung Deutschlands nicht mehr als ein Hirngespinst ist: Die Gefahr, die auch hierzulande von SalafistInnen und anderen IslamistInnen ausgeht, ist durchaus real. Und sie ist vor allem eine Bedrohung für Geflüchtete und MigrantInnen, die selbst aus islamisch dominierten Regionen stammen. Denn die Missionierungs- und Einschüchterungsversuche der IslamistInnen richten sich in den meisten Fällen an Menschen aus der »eigenen« Community. Und so sind es vor allem nicht- und andersgläubige MigrantInnen sowie gemäßigte Muslime, die dem Alltagsterror der islamischen FundamentalistInnen in Flüchtlingsheimen, Jugendzentren, Moscheen, Fußgängerzonen oder auch innerhalb der eigenen Familie ausgesetzt sind. Sich den islamistischen Missionierungsbestrebungen entgegenzustellen, ist somit ein Gebot antirassistischer Solidarität mit denen, die nicht nur von der deutschen Mehrheitsgesellschaft immer wieder Diskriminierung und Ausgrenzung erfahren, sondern zunehmend auch mit Gewalt und Einschüchterungen durch radikale IslamistInnen zu kämpfen haben. Gleichzeitig bedeutet eine antirassistische Kritik am Islamismus immer auch, Schutz und offene Grenzen für all diejenigen zu fordern, die vor dem islamischen Terror aus ihren Heimatländern fliehen mussten.

Die politische Linke, die mit ihrem Projekt, eine Welt der Freiheit und der sozialen Gleichheit zu erkämpfen, vorerst gescheitert ist, hat auch ihre Rolle als Interessenvertreterin gesellschaftlich benachteiligter Gruppen längst verloren. Diese Rolle wird sie nur in der offensiven Auseinandersetzung mit rechten und religiös-fundamentalistischen Gruppen zurückgewinnen können. Wenn der deutsche »Stammtisch« als Pegida und HoGeSa auf die Straße drängt, wird zudem auch deutlich, dass die klassischen Neonazis der (ehemals) »Freien Kameradschaften« zwar nach wie vor eine relevante Kraft sind, die es aus Antifa-Perspektive zu bekämpfen gilt. Angesichts der Massenmobilisierungen, die Pegida mit samt seinen Ablegern in Bewegung setzt, scheint eine Fokussierung auf jene verhältnismäßig trostlos und zahnlos wirkenden Nazi-Grüppchen jedoch mehr als fragwürdig. Denn offenbar lässt sich das Potenzial an reaktionärer Ideologie, was Jahr für Jahr in zahlreichen Studien den schwarz-rot-goldenen BundesbürgerInnen nachgewiesen werden kann, aktuell nicht mehr nur in leitfadengestützten Interviews messen, sondern nun auch ganz real auf der Straße. Der obligatorische Verweis auf die reaktionäre »Mitte der Gesellschaft«, der in keinem guten Antifa-Aufruf fehlen darf, ist damit eine aktuelle Entwicklung, deren Ausgang und Bewertung auch maßgeblich für das Selbstverständnis von (post-)autonomen Antifa-Gruppen hierzulande sein sollte.

Wir rufen dazu auf, sich an den Protesten gegen den HoGeSa-Aufmarsch zu beteiligen!

 

http://wordpress.antifa-essen.de/hogesa/#aufruf

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