Die ETH plant eine eigene Hauspolizei

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Mit einem «polizeinahen» Sicherheitsdienst will sich die Eidgenössische Technische Hochschule (ETH) Zürich vor demonstrierenden Studenten schützen. Studenten sind ernüchtert und haben Sorge um ihre Meinungsfreiheit.

 

 

Vermummte stürmten 2016 einen Hörsaal der ETH Zürich. Sie versprayten Wände und warfen Kuhmist, faule Eier und Urin in den Saal, um gegen einen Kongress der Europäischen Gesellschaft für Züchtungsforschung zu protestieren. Ein Jahr später sagte die ETH aus Sicherheitsbedenken eine Veranstaltung des Ex-CIA-Direktors David Petraeus ab, weil eine linke Gruppierung mit einem Aufruf zu Aktionen gegen den ehemaligen Befehlshaber im Irak-Krieg mobilgemacht hatte. 2014 stürmten Demonstranten ins Hauptgebäude der ETH, um gegen einen Vortrag des ehemaligen Fifa-Bosses Sepp Blatter zu demonstrieren. Rund 100 Globalisierungsgegner blockierten 2001 die Eingänge zum Vortragssaal. Sie bewarfen Sicherheitsbeamte mit Eiern und Abfallkübeln. Darauf kam es zu Handgreiflichkeiten zwischen dem Sicherheitsdienst und den Demonstranten. Um den Vortrag von WEF-Gründer Klaus Schwab trotz der Proteste durchführen zu können, verlegte die ETH Zürich die Veranstaltung in das für die Öffentlichkeit nicht zugängliche Dozentenfoyer.

Befragen, anhalten und wegweisen

Umstrittene Veranstaltungen haben die ETH immer wieder zu einem Pulverfass gemacht. In der Folge baute die Hochschule einen eigenen Sicherheitsdienst auf. Mit einer Änderung des ETH-Gesetzes soll die ETH-Hauspolizei auch eine gesetzliche Grundlage erhalten. Geplant ist, dass das ETH-Gesetz den Sicherheitsdienst dazu ermächtigt, Personen zu befragen und Ausweiskontrollen vorzunehmen: Personen, die sich vorschriftswidrig verhalten, soll der Sicherheitsdienst anhalten, kontrollieren und wegweisen können. Laut dem erläuternden Bericht des Bundes nehmen die Sicherheitsdienste «polizeinahe Funktionen» wahr.

Matthias Amrhein, Zentralpräsident des Schweizerischen Studentenvereins, ernüchtern die Beweggründe für die gesetzlichen Massnahmen: «Es ist eine tragische Entwicklung, dass die ETH zu solchen Massnahmen greifen muss, um Eskalationen zu verhindern.» Dem Verein sei die freie Meinungsäusserung ein Anliegen. «Deshalb soll die ETH auch in Zukunft umstrittenen Rednern eine Plattform geben dürfen, zu denen sich alle Zuhörer eine eigene Meinung bilden können.» Die Befugnisse des Sicherheitsdienstes dürften aber nicht in übermässigen Kontrollen gipfeln. «Problematisch wäre, wenn Demos gestoppt würden, die in geordnetem Rahmen stattfinden.»

 

«Diese Polizei ist eine Frechheit»

Für Juso-Präsidentin Tamara Funiciello hat eine Hauspolizei an der ETH nichts verloren. «Diese Polizei ist eine völlige Frechheit. Der Staat – und nicht irgendein Securitypersonal – hat das Gewaltmonopol», sagt Funiciello. Dass Sicherheitsdienste immer mehr Befugnisse erhielten, sei gefährlich. «Security kann jeder werden, Polizisten dagegen sind geschult, demokratisch legitimiert und kontrolliert.»

 

Funiciello befürchtet, dass die ETH-Hauspolizei die freie Meinungsäusserung unterdrückt. «Wo genau sind wir gelandet, wenn wir die Studenten mit einer eigenen Polizei kontrollieren müssen?» Viele Studenten würden sich künftig nicht mehr trauen, gegen umstrittene Redner zu protestieren. «Dann können wir einpacken. Auseinandersetzungen sind der Kern einer Demokratie.»

Dienst wirke deeskalierend

Der Sicherheitsdienst habe die Aufgabe, deeskalierend zu wirken, wozu das Personal auch entsprechend geschult werde, heisst es bei der ETH. Eskaliere eine Situation, die ausserhalb des Aufgabengebietes oder der Kompetenzen des Dienstes liege, biete der Dienst die Polizei auf.
Laut ETH ist es in den letzten Jahren anspruchsvoller geworden, die Hausordnung konsequenz durchzusetzen und jederzeit den Schutz der Personen zu gewährleisten. Da die ETH ein offener Ort für gesellschaftlich relevante Diskussionen sein wolle, würden vermehrt bekannte Personen aus Politik und Wirtschaft an Anlässen teilnehmen. Dann sorge der Sicherheitsdienst zusammen mit der Polizei für die Sicherheit «Selbstverständlich ist und bleibt die ETH aber ein Ort, an dem kritisches Denken und Kritik erlaubt und auch erwünscht sind.»

 

 

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