Über rote Linien und Dammbrüche: Ein Beitrag zur Debatten-Kultur in der Nürnberger Linken

Rund um die Veranstaltung „Gegen die Eskalation der Gender-Debatte“, für die der Stadtteilladen Schwarze Katze von Externen angemietet wurde, gibt es bereits im Vorfeld auf diversen social media Kanälen massive Vorwürfe und Drohungen. Wir als organisierte autonomie sehen daher die Notwendigkeit, uns zu diesem Dammbruch im gemeinsamen Umgang zu äußern.

„Die Linke“ gibt es nicht und gab es auch noch nie. Schon immer gab es verschiedene Strömungen, Spektren und Haltungen innerhalb des großen Ganzen, was sich als „links“ versteht. Das reicht von reformistischen zu revolutionären Kräften, von Menschen, die sich nur auf ein Thema spezialisieren zu gesamtpolitischen Ansätzen, von verschiedenen Imperialismus-Verständnissen, unterschiedlichsten ideologischen Ansätzen und Ideen, wie die ideale Organisation strukturiert sein muss. Um nur ein paar Beispiele zu nennen.

Damit man gesellschaftlich nicht noch mehr marginalisiert als man es eh schon ist, ist eine produktive und offene Debatten-Kultur notwendig. Den eigenen Ansatz, die eigene Haltung und Ideologie als die einzige Wahre zu begreifen, mag nachvollziehbar sein, macht die Sache aber nicht richtiger. Und selbst wenn man noch so davon überzeugt ist, bleibt die Frage nach dem Umgang mit anderen Herangehensweisen, Meinungen und Haltungen. Die wahrscheinlich destruktivste aller möglichen Herangehensweisen, ist die Diffamierung der vermeintlichen Gegenseite als reaktionär, konservativ, x-feindlich, Querfront etc. Stets sollte man dabei im Kopf haben, dass das eigene Vorgehen von anderen durchaus auch mit allen möglichen Schlagwörtern belegt werden könnte – wenn sie es den wollten. Dass man allerlei Zusammenarbeiten mit staatlichen oder anderen ideologisch eher schwierigen Institutionen, kleinbürgerliche, individualisierte Ideologie etc. auch durchaus rauf und runter kritisieren und mit diversen Schlagwörtern versehen könnte, Veranstaltungen dagegen machen könnte, Schlammschlachten und Diffamierungs-Feldzüge starten, all das könnten andere auch. Der Unterschied ist nur: sie wollen es scheinbar nicht. Der Teil der Linken, der nach wie vor davon überzeugt ist, dass verschiedene Ansätze ok sind, weil man sie ja nicht teilen muss, der Debatte und Streit als notwendig erachtet, weil wir sonst nicht weiterkommen, dieser Teil will nach vorne arbeiten und sich nicht mit der Selbstzerfleischung aufhalten. Dieser kann auch mal schwierige Meinungen stehen lassen oder streitet eben darum – mit Leidenschaft aber auch mit Respekt und vor allem mit der Prämisse des besseren Arguments

Wenn sich Menschen vermehrt nicht mal mehr einer Diskussion stellen wollen, ist ein Punkt erreicht, an dem wenig Optionen bleiben. Wenn Menschen damit argumentieren, Dinge seien so versteckt in der Sprache, dass sie nur noch die Eingeweihten erkennen können, kann man keine Menschen außerhalb der eigenen Blase mehr ansprechen. Wenn ein „safe space“ (gibt es unseres Erachtens nach eh nicht in dieser Gesellschaft) heißt, dass da nur noch Menschen mit der 100% gleichen Auffassung sitzen, gibt es keine kollektiven Räume mehr und wenn die Benennung, dass eine Debatte am Eskalieren ist, mit dazu führt, dass sie eskaliert wird, scheint die Sache ziemlich verfahren.

Ja, vielleicht ist das der „cut“, den einige nun schon herbeireden und vielleicht gibt es mit manchen Teilen der Linken momentan keine gemeinsame Grundlage für politische Debatten und Zusammenarbeit, wenn das obige wahr und unumkehrbar ist. Das ist schade aber vielleicht muss man dann eine gewisse Zeit „nebeneinander existieren“. Für keine Seite kann es der Weg sein, die jeweils andere wie politische Feinde zu behandeln. Aufkleber, Plakate etc. fetzen, Sachen übermalen, Propaganda (egal in welcher Form) gegen andere Ansätze zu betreiben, bleibt für uns ein Tabu – auch wenn es andere gerade brechen.

Wir hoffen sehr, dass dieser Schritt zurückgegangen wird und sich wieder auf das besonnen wird, was Nürnberg lange stark gemacht hatte: sich nicht auf gegenseitige Schwächungen einzulassen, den Feind erkennen, wo er wirklich steht und diesen Umgang nicht in die eigenen Reihen tragen. Nur so ist es in Nürnberg seit langer Zeit möglich, dass die verschiedensten Spektren, Gruppen und Organisationen an einem Tisch sitzen und den 1. Mai oder den 8. März vorbereiten. Eine Zusammenarbeit von anarchistischen und kommunistischen Gruppen z.B. wäre in anderen Städten undenkbar, hier wurden diese Formen des Sektierertums stets zurückgewiesen. Untereinander muss solidarische Kritik und ein konstruktiver nach vorne gewandter Umgang herrschen. Und ja, es darf auch mal hoch hergehen, laut werden, vielleicht auch mal beleidigend im Eifer des Gefechts, aber dann bitte direkt und unverblümt! Instagram und Co sind nicht das Medium um sich gegenseitig rund zu machen. Das ist zum einen schlichtweg feige und ermöglicht zum anderen Einfallstore für Nazis und Staat.

In diesem Sinne: Für eine Gesellschaft ohne Ausbeutung und Unterdrückung, in der sich alle Menschen als Freie und Gleiche begegnen können!

 

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Ergänzungen

Die organisierte Autonomie ist für Linksliberale die sich aus mir unbekannten Gründen aber als Anarchist*innen sehen, also stalinistisch? In der OA sind wahrscheinlich mehr Anarchisten als in so manchen "anarcho"-Gruppen.

Sie sagen z.B. sie sind

"für eine eine Gesellschaft ohne Staat. Von der Basis her, den Betrieben, Stadtteilen, Bildungseinrichtungen etc. organisiert über delegierte Räte miteinander verbunden, werden die Menschen sich selbst direkt verwalten. Werden ihre ökonomische, soziale, kulturelle Gegenwart und Zukunft im kollektiven Interesse gestalten. In einer klassenlosen, so von unten nach oben aufgebauten, vom Bewußtsein aller getragenen freien kommunistischen Ordnung, wird die Macht in Händen aller und somit abgeschafft sein."

Beleg, Selbstdarstellung der OA:

https://www.redside.tk/organisierte-autonomie/was-ist-die-organisierte-autonomie/