"Antifaschistische Kaffeefahrt", 29.10.2022, Zwickau

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Der zweite Stopp der antifaschistischen Kaffeeefahrt ist Zwickau. Hier wurden zwei Redebeiträge verlesen. Der erste beschäftigt sich mit antifaschistischen Aktivismus in Zwickau.

Hier in Zwickau zu wohnen als jemand, der bzw. die sich als linke Person oder als Teil der LGBTQIA+ Community versteht oder selbst wenn du ein Teil von FfF bist – häufig wird man blöd angeschaut. Alle genannten Zielgruppen und noch unzählige weiter sind betroffen von Anfeindungen, Drohungen und sogar körperlicher Gefahr. Die Anfeindungen in diese Richtung häufen sich, besonders in letzter Zeit. Corona war ein Katalysator dafür. So wurden Jugendliche aus Zwickau und auch Jugendliche aus der Stadtumgebung, wie Wilkau-Haßlau, in rechte Kreise gebracht. Was das für Folgen hatte, zeigen Ereignisse, die sich während der Pandemie ereigneten. Beispiel 1: eine FfF Demo im September 2020 bei welcher ca. 10 Junge Neonazis u.a. mit Sturmhaube und Hund die Demo verfolgten und offensichtlich provozierten. Die Polizei war nicht vorhanden und so hatten die Faschos relativ leichtes Spiel die Demonstration zu stören, Menschen zu bespucken und den Hitlergruß zu zeigen. Beispiel 2: eine AfD Gegendemo kurz vor der Bundestagswahl. Nach der Demo wurden junge Antifaschist*innen gezielt abgefangen. Zunächst beleidigt wurden junge Linke daraufhin geschubst, bespuckt und sogar die Plakate die sie dabei hatten in den nahe gelegenen Fluss geworfen. Klingt schon erschreckend? Das folgende Ereignis hat mich persönlich am meisten geschockt. 2021,Anfang September auf dem ersten CSD in Zwickau. Hunderte Menschen feiern ein buntes Fest bei bestem Wetter. Minderjährige Personen, die auf dem CSD waren, waren auf dem Weg nach Hause, auf dem Weg begegneten sie mehreren Faschos. Zuerst wurden sie auf das übelste beleidigt. Im Anschluss wurden die Faschos, welche laut Zeug:innen auch ein Hakenkreuz tätowiert hatten, handgreiflich und verprügelten die Personen, die eigentlich eine friedlichen Tag wollten. Obwohl die Polizei vor Ort am Hbf war, kam sie trotz lauter Schreie erst später zum Tatort geschlendert. Solche und viele weitere Ereignisse häufen sich, so war es zeitweise an der Tagesordnung, das neue Hakenkreuze auftauchen oder der Hitlergruß gezeigt wird. Viele dieser Personen die in Coronazeiten in diese Kreise geraten sind, mögen zwar „nur“ Mitläufer*innen sein - dennoch ist die Gefahr da, dass genau diese weiter in neonazistische Strukturen hineingeraten könnten. Rechte Akteure wie Sanny Kujath, Gründer der Jungen Revolution, und ehemals Kader des Dritten Wegs, wissen wie sie neue Leute für sich gewinnen können. Strukturell unterstützt werden sie dabei von alteingesessenen Kadern aus dem 3. Weg und neonazistischen Strukturen aus der Region. Nach wie vor präsent sind auch die Montagsspaziergänge der lokalen Querdenkenbewegung die sich mittlerweile „Volksstimme" schimpft. Unter ihnen Torsten G., der in der Vergangenheit schon des öfteren Antifaschist:innen z. B. Abgefilmt und im Netz denunziert hat. Er besitzt außerdem Kontakte zu "ProChemnitz", zeigte sich in der Vergangenheit gerne mit Neonazi Alexander Kurth. Die Zwickauer Faschos setzen gezielt auf Einschüchterung durch Graffiti an Hauswänden von Aktivist:innen, Klingelaktionen bei Nacht mit der Drohung die Wohnung zu stürmen, Präsenz in der Innenstadt und eben verbalen und körperlichen Angriffen. Antifaschistische Arbeit wird den Menschen in Zwickau, in der die linke Szene ohnehin schon eher schwach strukturiert ist, schwer gemacht. So brachten wir unsere Forderungen schon oft der Oberbürgermeisterin Constance Arndt vor. Dort angekommen scheint aber nix, der bitteren Realität des braunen Images der Stadt wird nicht ins Auge geblickt. Wir fordern hier schon lang ein NSU Gedenkzentrum - denn Bäume sind zwar ein erstes Zeichen, reichen jedoch nicht. Abgeneigt ist die Oberbürgermeisterin davon nicht, dennoch dauert es schlicht zu lang, wenn die Forderung seit Jahren besteht. Zwar passiert etwas, aber das zu langsam. Man hört uns zu, werden aber nicht ernst genommen. Die Folge: wir als Aktivist*innen ermüden. Es macht unfassbar wütend und müde, über Jahre hinweg für ein echtes Gedenken und gegen rechte Strukturen anzukämpfen, wenn das Endergebnis ist, dass Aktivist:innen die Scheiben eingeschlagen werden , Autoreifen zerstochen werden und Buttersäure in die Motorhaube geschüttet wird. Es zeigt, dass auf Bullen auch hier kein Verlass ist, wenn Sorgen nicht ernst genommen werden und in Notfällen Beamt:innen schließlich eine Stunde nach Notruf bei einer Fahrzeit von 2 Minuten erscheinen. Es macht uns müde. Es macht uns wütend. Deswegen fällt uns das Gedenkem an die Opfer des NSU-Terrors schwer. Der 1. Baum, der dem 1. Opfer, Enver Şimşek, gewidmet war, wurde vor einigen Jahren abgesägt. Die dazugehörigen Gedenkbänke mit allen Namen der Opfer werden kurz und klein geschlagen. Bei einer Kundgebung von FFF steht ein paar Meter weiter ein Stand von Gegendemonstrant:innen mit einem Tisch voller NSU beschrifteter Kekse. Gemeint seien die NSU Motorenwerke, an die sich erinnert wird. So wird neonazistischer Terror verharmlost und relativiert. Beim Verteilen von Flyer für die Gedenkkundgebung der Opfer des NSU letzten Jahres muss man sich anhören, dass die Zitat "Ausländer mal nicht so nen Wind machen und sich mal wieder beruhigen sollen“. Aufklärung ist wichtig und muss so schnell wie möglich umgesetzt werden, den viele Personen die hier wohnen wissen immer noch nicht was der NSU war, geschweige denn was er für ein breites Netzwerk war und welche Teile dieses Netzwerkes nach wie vor bestehen. Der NSU muss als Teil einer jahrelangen neonazistischen Tradition in Zwickau verstanden werden. Genauso muss aber auch über rechtsextreme Kleinstpartein wie der „dritte Weg“ und andere Strukturen, die in Zwickau und der Region etabliert sind, informiert werden um ein Bewusstsein gerade bei Jugendlichen zu schaffen. Deswegen fordere ich euch hier, aber besonders die Stadtgesellschaft die hier vor Ort lebt, auf: Bleiben wir laut, denn das braune Menschenverachtende Gedankengut muss im Keim erstickt werden. Wir müssen fordern, aufwachen und vor allem wachsam bleiben. Bieten wir Nazis hier die Stirn, geben wir ihnen keinen Platz. Für eine offene Gesellschaft und gegen den faschistischen Normalzustand. Alerta!

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