Wir bleiben im Buntstifthaus!

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Von unterschiedlichen Seiten werden wir, die Initiative für Freiräume in Hildesheim, aufgefordert, das vor zwei Wochen besetzte Buntstifthaus zu räumen. Wir werden dieser Forderung nicht nachkommen und haben beschlossen zu bleiben. In kurzer Zeit haben wir enorm viel auf die Beine gestellt und unsere Forderungen konkretisiert. Bis jetzt wurde allerdings keine unserer Forderungen erfüllt.

Heute ist der Tag, der von allen Seiten als der, an dem sich alles ändern wird in Hildesheims besetztem Haus, forciert wurde. Die Presse hat sich in ihren Fragen darauf konzentriert, die Uni hat versucht, uns mit dem Verweis auf das Auslaufen des Mietvertrags zum Gehen zu bewegen und auch einige politischen Vertreter*innen des Stadtrats haben uns empfohlen, das Haus freiwillig zu verlassen. Das finden wir absurd.

Wir haben es zwar geschafft, eine große mediale und politische Aufmerksamkeit für das Thema Freiräume zu generieren, allerdings wurde bis jetzt keine unserer Forderungen erfüllt und von leeren Versprechungen können wir uns kein Haus kaufen. Auch kreative Aktionen zum Thema Freiräume, wie ein öffentliches Wohnzimmer in der Innenstadt, konnten nicht die Öffentlichkeit schaffen, die wir mit unserer Hausbesetzung erreicht haben. Anscheinend sind radikale Mittel nötig, um eine angemessene Aufmerksamkeit für unsere Anliegen zu bekommen.Wir hoffen, das Bewusstsein der Öffentlichkeit für das Thema Freiräume nachhaltig geschärft zu haben, was eines unserer Ziele war. Das was wir in den vergangenen zwei Wochen erarbeitet und erschaffen haben, wollen wir nicht einfach aufgeben, unser Freiraum ist viel zu wertvoll geworden um als bloße Verhandlungsmasse betrachtet zu werden.

Nicht nur wir haben in der Zeit im Haus viel bewegt, auch in uns und zwischen uns ist einiges passiert. Menschen passen aufeinander auf, begegnen einander mit Respekt und stecken sich gegenseitig mit Ideen an. Der schnelle Prozess, in dem dieser Freiraum sich entwickelt, lässt zu, dass wir uns immer wieder selbst hinterfragen und dabei weiterentwickeln. Durch die gemeinsamen Grundsätze von Offenheit, Hierarchiearmut, Transparenz sowie gegenseitiger Akzeptanz und Rücksichtnahme, die wir entwickelt haben, gelingt es uns, diesen Raum so zugänglich zu lassen. Menschen haben hier gelernt, selbstständig und autonom zu handeln, ohne sich dabei die Frage stellen zu müssen „Darf ich das?“. Auch die Frage nach der Möglichkeit oder Ummöglichkeit bleibt erst mal außen vor, es ist Raum zum Experimentieren da. Die Einschränkungen durch Autoritäten oder durch finanzielle Mittel, welche für die Nutzung von vielen Räumen notwendig sind, fallen weg. Das Wegfallen von Einschränkungen schafft Freiraum im Kopf für Ideen.

Wir finden die Versuche von OB und FDP, uns zu kriminalisieren, unberechtigt. Bis jetzt liegen keine Anzeigen gegen uns vor. Weder wir noch die Polizei sehen daher Handlungsbedarf, irgendetwas am weiteren Vorgehen zu ändern. Der Tag beginnt für uns wie gewohnt mit einem reichhaltigen Frühstück, diesmal um 7 Uhr, damit die Staatsschützer, die sich seit gestern gegenüber vom Haus herumdrücken, morgens nicht vor Langeweile einschlafen.

Falls die Polizei uns doch zwingen sollte zu gehen, weil die Uni oder der Eigentümer das wünschen, werden wir in die Stadt gehen. Wir sagen: „Müssen wir das Haus verlassen, dann tragen wir unser Anliegen in die Innenstadt.“ Darüber hoffen wir, auch Bürger*innen zu erreichen, die sich wegen des Drohszenarios der Illegalität, trotz unserer bunten und offenen Besetzung, nicht getraut haben uns zu besuchen. Wir werden unsere Anliegen weiterhin öffentlich machen. Es wird zu einer Ausweitung von Aktionen unsererseits kommen, wir lassen uns nicht wieder stumm machen.

Überall in der Stadt fehlen Freiräume, der Raum wird größtenteils von Verwertungslogik bestimmt, immer mehr öffentliche Plätze werden privatisiert oder Zwecken zugeführt, die der Wertschöpfung dienen. So gibt es z.B. immer mehr gastronomische Außenbestuhlung und immer weniger gemütliche Ecken, an denen Menschen sitzen können, ohne etwas kaufen zu müssen.

Wenn wir Eines gelernt haben in den vergangenen zwei Wochen, dann das, dass die Bedürfnisse nach Freiraum so unterschiedlich sind, wie die Menschen selbst. Keiner von uns hätte vorher absehen können, wie sich das Buntstifthaus entwickelt. Wir wissen jetzt, dass der Raum für Ideen da sein muss, damit sich diese entwickeln können, damit sie konkret werden können.

Deshalb muss möglich sein an einem „besseren Leben“, an „anderen Städten“ praktisch zu experimentieren und dabei Fehler zu machen. Für uns sind Städte Orte des Zusammenkommens und der Auseinandersetzung. Wir sehen unsere Forderung nach Raum, nach einem alternativen Zentrum und Treffpunkt, als Beitrag zu einem Kampf um eine Stadt für die Menschen.

Wir wollen die Frage stellen: „Wem gehört die Stadt?“

Die Stadt muss menschengerechter Raum sein und nicht Raum für Wirtschaftsinteressen, denn schließlich ist sie in erster Linie Lebensraum.

Wir fordern konkrete Räume in der Stadt, Freiräume für unsere Ideen, aber ebenso den Zugang zu den politischen Debatten über die künftige Stadtentwicklung und zwar für alle Stadtbewohner*innen.

Wir fordern einen Raum in der Stadt an dem alle partizipieren können, der Ort sein kann zur Entwicklung von Ideen und Sprungbrett für die Teilhabe an der Gesellschaft.

Eine unserer Stärken liegt in unserer Vielfalt, die sich auch in der Vielfalt der Aktionen ausdrückt, die gewählt werden um auf unsere Anliegen aufmerksam zu machen. Dabei haben wir festgestellt, dass gerade die Unterschiedlichkeit der Menschen und Aktionen uns kräftigt, das verschiedene Aktionsformen nebeneinander stehen können und sich gegenseitig befruchten, ergänzen und unterstützen.

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