Guter Soldat, Böser Soldat – Über das paradoxe Verhältnis der politischen Linken zum Militär

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Die Militanzdebatte ist eine der ältesten und wohl durchgekautesten Debatten innerhalb der linken Bewegung. Neues gibt es nur wenig zu berichten, da seit ungefähr 150 Jahren die immer gleichen Argumente auf beiden Seiten ausgetauscht werden. „Ermüdend“ ist da noch eine der diplomatischeren Bezeichnungen für den Zustand des Diskurses.

Dabei wird von Friedensbewegten wie auch Militanten oft ein wichtiger Punkt völlig außer acht gelassen: das paradoxe Verhältnis beider Seiten zum Militär. Da kann es schon mal vorkommen, dass ein pazifistischer Friedensbewegter, der hierzulande gut und gerne Bundeswehr-Veranstaltungen stört, im nächsten Moment von den Internationalen Brigarden während des spanischen Bürgerkriegs schwärmt, und der Militante sich plötzlich nicht mehr sicher ist, ob er den Kampf der revolutionären Kurden in Nordsyrien gut finden soll, schließlich seien da auch „komische Leute“ dabei. Da wird dem einen Tag noch für „Waffen für Rojava“ gesammelt und am nächsten demonstriert man gegen die Bundeswehr, weil man das Töten aus moralischen Gründen ablehnt.

Irritiert? Wir auch. Fragt man nun beide was denn nun der Unterschied zwischen einer staatlichen Armee und einer Armee unter einer staatsähnlichen Administration ist wird man von beiden nur einen Satz zu hören bekommen: „Aber das kann man nun wirklich nicht vergleichen!“

Viele Linke glorifizieren die Rote Armee, die Spanienkämpfer oder eben die kurdische YPG, lehnen gleichzeitig jedoch organisirte, nationale Armeen als „imperialistisch“ ab. Der theoretische Unterbau des Ganzen geht beim Friedensbewegten wie Militanten in der Regel so: „Staatliche Armeen sind immer von wirtschaftlichen Interessen geleitet und verteidigen kein Ideal oder einen Aufstand.“

So, so. Das reine Ideal für das es zu kämpfen lohnt, zur Not mit der Waffe in der Hand. Im Grunde ist das nicht anders als in anderen Armeen auch. Westliche Streitkräfte führen seit Jahrzehnten im Nahen und Mittleren Osten Krieg unter der Flagge der Demokratie, der Freiheit und der Gleichberechtigung.

„Aber das ist doch was völlig anderes als im anarchistischen Spanien gegen Frankisten zu kämpfen!“, werden jetzt einige einwerfen.

Oberflächlich betrachtet ja. Schaut man genauer hin sind die wenigsten wegen höherer Ideale beim Militär. Die meisten wegen des Geldes, andere weil sie sich an der Waffe ausbilden lassen wollen und manche einfach nur, weil sie in der kapitalistischen Gesellschaft keinen Fuß auf die Erde bekommen, bei der Armee jedoch mit offenen Armen empfangen werden. Zu glauben das sei bei Rebellengruppen oder autonomen Militäreinheiten großartig anders ist schlicht und einfach naiv.

Die Unterteilung in den „guten, gerechten Soldaten“ und den „bösen, raffsüchtigen Soldaten“ ist Humbug. Und Krieg ist auch für Revolutionäre nicht mehr als ein Geschäft.

Die paradoxe Auffassung von Militär in der Linken fußt auf einem theoretischen, überidealisierten Oberbau, der mit der Realität nur wenig zutun hat. Der Idealismus ist lediglich ein PR-Konzept um eine bewaffnete Truppe gut zu verkaufen. An die Bevölkerung vor Ort und natürlich an die fleißigen Spender und Unterstützer im Ausland.

Daraus resultiert in großen Teilen der Linken regelrechte Unkenntnis gegenüber militärischer Vorgehensweisen. Dagegen treten dann Idealisierung, Bürgerkriegs-Romantik und natürlich das gute, alte Konzept „Mag ich nicht, muss ich mich nicht mit beschäftigen!“ auf den Plan. Der gute und der böse Soldat – allgegenwärtig.

Was in der gegensätzlichen Militanz-Debatte so fehlt sind vor allem Faktenkenntnisse. Die Debatten über Miliz und Militär sind oft so ideologiegeladen, dass ein offenes Nachdenken über sinnvolle Militanz kaum möglich ist.

Das hindert, insbesondere in Zeiten in denen überall in Europa rechte Gruppen an Macht gewinnen, die hochmilitarisiert und terroristisch aktiv auftreten. Dem hat die linke Bewegung nichts entgegen zu setzen außer der ewigen Frage, ob man militant sein darf oder nicht. An der Militanzfrage offenbart sich nur zu oft die Spaltung und Handlungsunfähigkeit der Linken, die lieber 100 Jahre alte, ideologische Kamellen aufwärmt als sich ernsthaft mit dem Thema auseinander zu setzen. Und eine ernsthafte Auseinandersetzung braucht es, wenn das Feld nicht den reaktionären, rückwertsgewandten Kräften überlassen werden soll.

 

 

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