(Vielleicht ein) Aufruf zur Teilnahme an der Kundgebung gegen Islamismus am 19.12.2017 am Breitscheidplatz

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Kein Gott - Kein Staat

Vor ungefähr einem Jahr, am 19ten Dezember 2016, ermordete der Dschihadist Anis Amri in Berlin-Charlottenburg 12 Menschen und verletzte fast 70, zum Teil schwer. Der gesellschaftliche Umgang mit dieser Tat folgte einem erwartbaren Schema. Er war geprägt von rassistischen Instrumentalisierungsversuchen auf der einen Seite und dem verleugnen des religiösen Tatmotivs auf der anderen.

So erklärten AfD und Ähnliche ein vermeintlich homogenes Kollektiv von MuslimInnen zum Schuldigen. Ihre "Islamkritik" blieb dabei Vorwand für rassistische Kampagnen gegen Geflüchtete und weit entfernt von einer tatsächlichen Kritik an der spezifischen religiösen Ideologie. Dabei ist eine kritische Auseinandersetzung mit real existierenden Ausprägungen des Islams dringend geboten, denn muslimische FundamentalistInnen sind nicht nur dann gefährlich, wenn sie zu terroristischer Gewalt greifen. Ihr Agieren auf die Angriffe weniger DschihadistInnen zu reduzieren, verharmlost die Probleme. In fundamentalistischen Moscheen wird Homosexualität verurteilt, Hass auf Juden*Jüdinnen und Israel verbreitet und ein reaktionäres Frauen- und Männerbild propagiert.
Doch für Rechte sind die Interessen von Homosexuellen, Frauen und Juden*Jüdinnen nur dann von eigenem Interesse, wenn sie gegen „Volksfremde“ in Stellung gebracht werden können. Die vom Berliner AfD-Chef Pazderski in einem Interview geäußerte Bewunderung für die patriarchalen Familienstrukturen konservativer MuslimInnen ist dann auch nur die Spitze der geistigen Verwandtschaft zwischen IslamistInnen und Rechtsextremen. Neben den sich ähnelnden AdressatInnen ihres Hasses verbindet sie die absolute Ablehnung eines zur Emanzipation fähigen Individuums. Der Mensch ist für sie nur in Volksgemeinschaft respektive Umma denkbar. Ein von Rechtsextremen wie IslamistInnen gleichsam angestrebter Kulturkampf ist daher auch lediglich als Konkurrenzkampf um die autoritäre Ausgestaltung des angestrebten schlechteren Morgen zu betrachten.

Nicht nur von Linken wurde seit dem Anschlag viel gegen die AfD und vergleichbare Akteure unternommen. Auch aus der vermeintlichen Mitte der Gesellschaft wurde sich der Muslimfeindschaft entgegengestellt. Eine für den Jahrestag des Anschlags angekündigte NPD-Kundgebung wird bestimmt nicht unwidersprochen bleiben. Die Konfrontation mit fundamentalistisch-islamischen Strukturen wurde und wird jedoch kaum gesucht. Eine breite gesellschaftliche Reflexion, wie die Religion als ideologisches Rüstzeug für Mord (und Selbstmord) fungiert, konnte nicht angestoßen werden. Ganz so, als sei eine Verbindung zwischen entsprechenden Taten und einer Ideologie, die ihr Heilversprechen mit dem Tod aufs Engste verwoben hat, nicht einmal denkbar.
Schon am ersten Abend nach dem Attentat trafen sich VertreterInnen verschiedener Glaubensrichtungen in der Gedächtniskirche zur gemeinsamen Andacht. Im März diesen Jahres teilte sich der SPD-Bürgermeister Michael Müller dann bei der Kundgebung „Religionen für ein weltoffenes Berlin" gleich direkt die Bühne mit IslamistInnen. Auch die von der Interventionistischen Linken (IL) im Kontext des Anschlags initiierte Kundgebung „Liebe statt Hass“ ist in kritisch-solidarischer Zurückhaltung bestenfalls als post-politische Wohlfühlaktion zu bezeichnen, aber nicht als Auseinandersetzung mit menschenfeindlichen Positionen.

Am 19.12.2017, das heißt dem ersten Jahrestag des Anschlags, findet nun eine Kundgebung des Bündnisses „Berlin gegen Islamismus“ statt (berlingegenislamismus.net). Es ist dies glücklicherweise keine weitere Zusammenrottung von Rechten, wie der Name leider unwillkürlich vermuten lässt. Unterstützt wird der Aufruf von Grigat, Kraushaar und Anderen, gegenüber welchen kein Verdacht besteht, dass sie die Nähe zu Rechten suchen. Als genuin linke Veranstaltung ist die Kundgebung jedoch auch nicht zu werten. So findet sich im Aufruf die unkritische Apologie des modernen Staates in Form einer „säkularen Demokratie“ und der Apell zu einer „konsequenten Sicherheitspolitik“.
Wir lehnen es ab, uns in Angst vor einem drohenden Schlimmeren einer solch leidvergessenen Umarmung des Bestehenden hinzugeben. Im Besonderen das Betteln um härtere Strafverfolgung schreckt uns, weil wir genau wissen, gegen wen sich "konsequente" Sicherheitspolitik letzlich ebenfalls richten wird: gegen uns. Auch vermissen wir in dem Aufruf den expliziten Ausdruck einer antifaschistischen Grundhaltung. Dieser hätte erwartbare rechte Vereinnahmungsversuche gegebenenfalls direkt vereiteln können.
Es wird sich in den Tagen vor der Kundgebung zeigen, wie die OrganisatorInnen auf entsprechende Versuche reagieren. Falls eine klare Ausladung von rechten Menschenfeinden erfolgt, empfehlen wir die Teilnahme an der Kundgebung. Jedoch auch dann mit klarer Einschränkung: Kommt sichtbar als Linke. Für ein besseres Morgen. Für den Kommunismus.

„Die Kritik der Religion endet mit der Lehre, dass der Mensch das höchste Wesen für den Menschen sei, also mit dem kategorischen Imperativ, alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist“ (Karl Marx)

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