Kassel: Antimilitaristische Plakataktion auf dem "Ehrenmal" in der Karlsaue

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Letzte Nacht kleisterten Kasseler Antimilitarist*innen das "Ehrenmal" in der Karlsaue, das vor allem die deutschen Soldaten des ersten und zweiten Weltkriegs ehren soll, mit antimilitaristischen und antifaschistischen Botschaften voll. "Dass heute noch so ein riesiges Nazidenkmal in Kassel steht, zeigt, wie die NS-Ideologie noch heute im Weltbild der Deutschen Platz findet. Wir wenden uns gegen das Gedenken an Mörder*innen und Kriegsverbrecher*innen", erklärt Wolfgang Kleisteran, Sprecher*in der Aktionsgruppe.

Ehrenmal für Kriegsverbrecher

Das Kasseler "Ehrenmal" ist ein Bauwerk mit vier Stockwerken, auf denen mit Plaketten diversen Divisionen und Regimenten des Deutschen Heeres und der Wehrmacht gedenkt wird. "Dabei fehlt es wahrhaftig nicht an Nazikitsch", sagt Wolfang Kleisteran: "An einer Stelle ist ein großer Panzer der Wehrmacht in die Mauer gemeißelt. Hier wird der Panzerkorps Großdeutschland geehrt, der im zweiten Weltkrieg Teil der Division Großdeutschland war, die für diverse Kriegsverbrechen bekannt ist." Die Division Großdeutschland ermordete im Juni 1940 in mehreren Massakern hunderte Tirailleurs (Schwarze Soldat*innen aus den ehemaligen französischen Kolonien). In Jugoslawien sorgte die Division dafür, dass nach der Tötung eines SS-Soldaten 36 Zivilist*innen zum Tode verurteilt wurden und kümmerte sich um die Vollstreckung. Richter war SS-Sturmbannführer Rudolf Hoffmann.

Verschwörungstheorien aus der Nachkriegszeit

Neben den Plaketten für diverse Wehrmachtseinheiten finden sich auch viele Tafeln zum ersten Weltkrieg. Einige davon glauben an die Dolchstoßlegende: Eine antisemitische Verschwörungstheorie, laut der das Deutsche Heer im Felde unbesiegt gewesen und die Niederlage Deutschlands durch Sozialdemokrat*innen und das "bolschewistische Judentum" zu verantworten gewesen sein soll. So ist auf einer Plakette beispielsweise die Rede von "unbesiegten Toten".

Soldat*innen sind Mörder*innen

Eine Einordnung dieses ideologischen Mülls gibt es auf dem "Ehrenmal" erst jetzt durch die Plakataktion. Auf 40 Warnhinweisen steht nun überall auf dem Denkmal "Soldat*innen sind Mörder*innen" und "Nationalismus gefährdet Ihre Gesundheit". Die Plakette "1940-1945: Die Toten verpflichten die Lebenden" ergänzten die Aktivist*innen mit: "zu Antimilitarismus und Antifaschismus". Soldat*innen sind nicht mehr "furchtlos und treu", sondern "furchtlos und treudoof". Offiziell gab es bisher nur Erklärungsschilder unten und oben am "Ehrenmal", in denen es unter anderem heißt: "Dieses Denkmal war und ist ein Ort der Trauer um die Toten. [...] Zum Gedenken an die Gefallenen des Zweiten Weltkrieges wurden in den 1950er und 1960er Jahren zahlreiche Tafeln militärischer Einheiten der Wehrmacht angebracht. Heute ist die Erinnerung an die Wehrmacht umstritten, weil sie dem nationalsozialistischen Unrechtsregime diente und in dessen Verbrechen verstrickt war."

Revisionistische Erklärungstafel

"Das ist der Wahnsinn", findet Wolfgang Kleisteran: "Die Wehrmacht war die Armee der Nazis und diente allein dazu, die nationalsozialistischen Interessen militärisch durchzusetzen. Von einer 'Verstrickung' kann hier kaum die Rede sein. Die Wehrmacht hat am nationalsozialistischen Ankriffs- und Vernichtungskrieg aktiv teilgenommen und ihn mitgeplant".

Die Bundeswehr ist mit dabei

All das schien die Bundeswehr nicht zu stören, als sie beschloss, ihre eigene Plakette im Denkmal aufzuhängen, um ihren zwischen 1956 und 1994 "für Recht und Freiheit des deutschen Volkes im Dienst verstorbenen Soldaten der 2. Panzergrenadierdivision" zu gedenken. "Die Bundeswehr sieht sich ganz offensichtlich in der Tradition des Deutschen Heeres und der Wehrmacht", erklärt Wolfgang Kleisteran: "Deswegen haben wir hier für diese Plakette auch eine extra Sprechblase gebastelt. Auf der Stand: 'Nazidenkmal? Hier pass ich hin!' Noch in den frühen Morgenstunden wurde sie von fleißigen Deutschen in mühsamer Fummelarbeit bis zur Unlesbarkeit abgerissen."

Plakette für Kriegsdienstverweigerer

Auf dem "Ehrenmal" gedenkt nur eine einzige Plakette tatsächlichen Kriegsopfern: 1985 wurde eine Tafel zur "Erinnerung an die Kasseler Soldaten, die sich dem Kriegsdienst für die nationalsozialistische Gewaltherrschaft verweigerten und dafür verfolgt und getötet wurden" errichtet. Zu dieser Tafel gab es damls eine hitzige Debatte und die Bundeswehr war bei ihrer Aufhängung explizit nicht dabei. "Naziverbrecher findet man in diesem Verein ehrwürdiger als Leute, die sich den deutschen Verbrechen widersetzt haben", schimpft Wolfgang Kleisteran. Den Kriegsdienstverweigerern aus anderen Kriegen wird nicht gedenkt. Auch von einer Tafel, die den 6 Millionen ermordeten Jüd*innen oder anderen Opfern des Nationalsozialismus gedenkt, ist keine Spur. "Eigentlich gehört das Ding abgerissen", sagt Wolfgang Kleisteran: "Solange es steht, sehen wir uns in der Verpflichtung, es zumindest nicht einfach so stehen zu lassen."

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