Grüner Kapitalismus, „nachhaltige“ E-Autos und Individualverkehr als „Mobilität der Zukunft“ - wir haben eure Lügen satt!

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Ein Statement zur IAA in München

Schon seit über 100 Jahren findet die Internationale Automobil-Ausstellung in Deutschland statt. Nachdem die IAA Jahrzehnte lang in Frankfurt am Main stattfand, kommt sie dieses Jahr vom 7.-12. September 2021 nach München (FAZ,03.03.2020). Aber nur weil die IAA umzieht, wird der Protest nicht leiser: Wir brauchen eine klimagerechte und soziale Mobilitätswende. JETZT !!!

Unsere Aktion soll Aufmerksamkeit dafür schaffen, dass unsere momentane Verkehrspolitik die akute Klimakatastrophe befeuert und zudem eine kapitalistische Struktur ist, die wissentlich marginalisierte Personen diskriminiert und Leben bedroht.

Die Veranstalter*innen der IAA werben immer wieder mit dem Schlagwort "Mobilität", dabei geht es hauptsächlich um Individualverkehr. Eine Gesellschaft in der sich alle individuell fortbewegen, verbraucht um ein Vielfaches mehr Ressourcen als ein gut ausgebautes ÖPNV-Netzwerk. Die Schadstoffbelastung allein durch PKW-Verkehr ist mit zirka 60 Prozent der CO2-Emissionen im europäischen Straßenverkehr immens. Zudem führt unsere derzeitige Verkehrspolitik dazu, dass Individualverkehr gefördert wird und der ÖPNV nicht ausreichend ausgebaut wird. Mehr als 233 Kilometer neue Autobahnen und Bundesstraßen wurden alleine 2019 gebaut. Gleichzeitig sind nur neun Kilometer an neuen Schienen entstanden. Das ergab eine Anfrage der Grünen vergangenes Jahr (Abendzeitung München, 27.08.2021). Dadurch sind Personen häufig von Autos abhängig, wobei keine Rücksicht darauf genommen wird, ob dies für die Betroffenen finanziell leistbar ist. Zudem wird kaum bis gar nicht an der Barrierefreiheit im öffentlichen Raum und im ÖPNV gearbeitet, sodass viele Personen stark in ihrer Mobilität eingeschränkt sind und ihnen ihre Menschenrechte verwehrt werden. Das ein sozialverträglicherer ÖPNV keine Illusion sein muss, zeigt sich am Beispiel von Wien. Als eine der größten Städte Europas hat Wien bereits 2012 ein 365-Euro-Jahresticket eingeführt. Auch ein Blick in die Niederlande zeigt, dass die individuelle Freiheit nicht eingeschränkt wird, wenn soziale Mobilität gefördert wird. Zwar fahren auch in den Niederlanden Autos, aber v.a. in Städten wird bspw. Fahrrädern und dem ÖPNV ein viel größerer Stellenwert beigemessen. Durch eine fahrradfreundlichere Infrastruktur wird die Stadt zudem für Personen mit Gehbehinderungen barrierefreier - wobei der Abbau sichtbarer Barrieren nur der erste Schritt hin zu einer wirklichen Barrierefreiheit ist. Die persönliche Freiheit dient den Neoliberalen als ultimatives Argument für den Individualverkehr, dabei wird anderen Personen damit die Freiheit (auf Bewegung) aktiv verwehrt. Autos nehmen Raum ein, der für Menschen gedacht sein sollte. Öffentlicher (Stadt)Raum muss sozialer, umwelt- und menschenfreundlicher gestaltet werden, anstatt Autos immer wieder Vorrang zu gewähren.

Zudem wirbt die IAA in München mit einem "Open-Space"-Konzept und der "Blue Lane", einer angeblich besonders "nachhaltigen" Test- und Transferstrecke. Auf der Internetseite der IAA (www.iaa.de) wird die Blue Lane als erste "Umweltspur" Deutschlands beworben, auf der während der Messe u.a. Elektro-, Hybrid und Wasserstofffahrzeuge vorgeführt werden sollen. Auch Modelle für den ÖPNV werden bei der Werbung für die Blue Lane miteinbezogen, allerdings nur, um die Besucher*innen schneller zwischen den Standorten zu befördern. Außerdem liegt der Fokus auf dem Individualverkehr, der mit Schlagworten wie "Null-Emissionen-Modell" und "emissionsfrei" sauber gewaschen werden soll. Allein bevor das E-Auto überhaupt losfahren kann, werden wertvolle Ressourcen verbraucht, bei deren Abbau eine extreme Schadstoffbelastung entsteht. Eine klimagerechte Alternative zum Verbrennungsmotor ist das E-Auto deswegen auf keinen Fall. Und dass grüner Kapitalismus, wie er derzeit zum Teil auch von der Autoindustrie propagiert wird, nicht funktionieren kann, verdeutlicht sich immer mehr durch die fortschreitende Klimakatastrophe.

In der offiziellen Beschreibung der Blue Lane sprechen sich die Veranstalter*innen dafür aus, dass "das Verkehrsaufkommen auf stark befahrenen Straßen" verringert wird und Fahrgemeinschaften gefördert werden. Mit einem Blick auf die grundlegenden Interessen der IAA und die teilnehmenden Aussteller*innen (Daimler-Benz, BMW, Audi, Hyundai, u.v.m.) ist dieser Versuch, die kritischen Konsument*innen mit "nachhaltiger Mobilität" zu beschwichtigen, als scheinheilig und abgekartet zu betrachten. Denn nachhaltig ist die Blue Lane und die IAA im Gesamten mit Sicherheit nicht - außer für die Interessen der Autoindustrie. Die Blue Lane ist der rote Teppich der Reichen und Autolobbyist*innen.

Wir kritisieren an dieser Stelle kapitalistische (Auto-)Konzerne und eine Industrie, die Menschen ausbeutet. Wir kritisieren dieselbe Industrie dafür, dass sie Greenwashing betreibt und uns Autos als "klimafreundlich" verkaufen will, während sie die Klimakatastrophe befeuert. Wir kritisieren die Politiker*innen dafür, dass sie Individualverkehr fördern und den kostenlosen und barrierefreien ÖPNV für alle verhindern. Wir kritisieren die Politiker*innen auch dafür, dass sie eine tödliche Verkehrspolitik betreiben, die kein Tempolimit vorsieht und rasende Macker nicht (angemessen) bestraft. Wir kritisieren eine Verkehrspolitik, die Menschen mit Auto mehr Platz einräumt als Menschen ohne Auto. Wir kritisieren einen gesellschaftlichen Zustand, in dem Autos und Messen wie die IAA Statussymbole sind und nicht die Menschenwürde, sondern das Eigentum von Konzernen und Reichen unantastbar ist. Und zuletzt kritisieren wir all jene, die sich in diesen Punkten wiederfinden und eine Gesellschaft fördern, die Metall über Menschenleben stellt.

Der Protest gegen die IAA bedeutet einen Protest gegen die klimazerstörende und menschenunwürdige Verkehrspolitik in Deutschland und weltweit. Es ist ein Protest gegen soziale Ungleichheit und Diskriminierung, gegen Kapitalismus und Patriarchat - ein Protest für das Recht auf Leben und die Würde des Menschen, die doch eigentlich unantastbar sein sollte.

Wir protestieren und wir protestieren nicht allein! Li-li-libertad, anarquiá total!

Das Blaue Wunder
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