Neues aus der JVA

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In der in Südbaden gelegenen JVA Freiburg soll im Mai die Erstimpfung gegen den Corona-Virus erfolgen (1.), zudem hat das Landgericht Freiburg das Urteil im sogenannten „Rattengift-Prozess“ gesprochen (2.).

 

1. Impfungen

 

Nachdem lang unklar blieb wann hier in Freiburgs Haftanstalt die Impfungen beginnen würden, ließ der Anstaltsleiter Völkel per Aushang mitteilen, dass am 12.Mai 2021 die Erstimpfung erfolge, sowie am 23.Juni 2021 die Zweitimpfung, voraussichtlich mit dem Impfstoff Biontech.

Bis zum 27.April mussten alle Insassen, immerhin über 500, den Anamnesebogen ausfüllen und konnten Kenntnis nehmen von den obligatorischen Aufklärungsblättern. Auf konkrete Anfrage, so ließ sich einem Aushang entnehmen, würde über den Sozialdienst auch fremdsprachige Information bereitgestellt.

Ob dieses Vorgehen den Grundsätzen der „informierten Zustimmung“ entspricht, ist aus Insassensicht noch ungeklärt, denn zum einen muss man bis zum 27.April im Aufklärungsbogen angeben ob man gegenwärtig an einer fiebrigen Erkältung leidet, was eigentlich wenig Sinn macht, wenn erst am 12.Mai die Impfung erfolgen soll. Zum anderen enthalten die bereitgestellten Informationsblätter teilweise ellenlange Sätze, in einem Fall zählte ich 63 Wörter in einem einzigen Satz. Eine „informative Zustimmung“ setzt jedoch eine umfassende, vollständige (ärztliche) Aufklärung voraus, welche die Betroffenen auch in der Lage sind zu erfassen.

Aus Sicht des Leiters der Abt. Sicherheitsverwahrung, Thomas G., sei jedoch alles völlig unproblematisch, denn es handele sich um die millionenfach im Einsatz befindlichen Aufklärungsunterlagen, juristisch geprüft und völlig in Ordnung.

Berücksichtigt man jedoch den Umstand, dass der Anteil funktionaler Analphabeten im Strafvollzug überdurchschnittlich ist (in der Allgemeinbevölkerung gelten rund 6 Millionen Menschen als solche, also mehr als 7%), kann mit guten Gründen bezweifelt werden, dass die Mehrzahl der zu impfenden Insassen den Inhalt des Aufklärungsbogens vollumfänglich zu erfassen in der Lage ist.

Da man zudem schon bis zum 27.April 2021 per Unterschrift bescheinigen musste Gelegenheit zu einem impfärztlichen Aufklärungsgespräch bekommen zu haben, obwohl ein solches nicht stattfand, werden die Zweifel an der „informierten Zustimmung“ nicht geringer.

 

2. Urteil im Rattengift-Prozess

Wie vor einem Jahr berichtet, kam es in der Abteilung Sicherheitsverwahrung der JVA Freiburg zu einem körperlichen Angriff auf zwei Untergebrachte. Zwei 36- und 37-jährige Insassen stürmten erst die Zelle von H. und schlugen auf ihn ein. Als dann schon die Vollzugsbediensteten vor Ort waren, gelang es einem der beiden Angreifer in die Zelle eines weiteren Insassen einzudringen und diesen niederzuschlagen. Beide Angreifer landeten sofort in strenger Einzelhaft (auch Isolationshaft genannt).

Einige Tage später behauptete das erste Opfer, Herr H., in seinem Tiefkühlgemüse hätten sich blaue Brocken befunden, die dort nicht hingehörten. Das Gemüse hatte er im Gemeinschaftseisschrank der Station verwahrt. Die eingeschaltete Kriminalpolizei stellte im Verlauf der Folgewochen fest, dass es sich bei diesen Brocken um Rattengift gehandelt habe, welches mutmaßlich aus den im Gefängnishof aufgestellten Rattenfallen stamme. Das angebliche Anschlagopfer behauptete sodann mehrfach, auch gegenüber der Polizei, es habe niemals mit solch einem Angriff mittels Rattengift auf sich gerechnet. Diese Aussagen von ihm sollten später noch eine wichtige Rolle spielen.

In den Verdacht des versuchten Mordes, vermittels Vergiftung des Tiefkühlgemüses von Herrn H. gerieten nämlich die beiden Insassen, die zuvor den körperlichen Übergriff begangen hatten. Sie kamen sogar wegen dieses Verdachts für mehrere Monate in Untersuchungshaft, da der Ermittlungsrichter auf Antrag der Staatsanwaltschaft Haftbefehl erlassen hatte. Ihr nachdrückliches Bestreiten half beiden nichts. Recht schnell legte sich die Staatsanwaltschaft Freiburg auf den Vorwurf des versuchten Mordes fest und klagte die beiden entsprechend an, sowie wegen des Vorwurfs der Körperverletzung.

Am 27.April 2021 verurteilte nunmehr das Landgericht Freiburg die beiden Angeklagten wegen der unstreitigen Übergriffe zu einem Jahr und 10 Monaten Freiheitsstrafe. Wegen des angeblich versuchten Mordes erfolgte allerdings ein Freispruch! Denn in dem mehrtägigem Prozess, unter Vorsitz von Richterin Dr. Kleine-Cosack, kam es am 3. Tag zur spektakulären Wende. Es tauchte eine E-Mail der JVA-Psychologin W. Auf, in welcher sie dokumentiert hatte, dass das angebliche Opfer H. schon längere Zeit vor dem angeblichen Attentat auf sich, eine Vergiftung speziell mit Rattengift befürchtet habe. Dies stand in eklatantem Widerspruch zu seinen vorherigen Aussagen und rückte jetzt ihn in den Fokus, d.h. es kam der Verdacht auf, er habe das Attentat auch sich lediglich inszeniert. Konsequenterweise belehrte ihn der Vorsitzende in einer weiteren Vernehmung dahingehend, dass er nichts sagen brauche, was ihn belasten könne.

In der mündlichen Urteilsverkündung führte die Vorsitzende aus, das angebliche Opfer habe ein mögliches Motiv, beispielsweise sich an den beiden Angeklagten zu rächen. Jedenfalls genügten die Indizien nicht, die beiden zu verurteilen! Gegen das Urteil ist das Rechtsmittel der Revision möglich.

 

Thomas Meyer-Falk, c/o JVA (SV)

Hermann-Herder-Str.8, 79104 Freiburg

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