Gegen jeden Antisemitismus!

Abstract: 
Stellungnahme zu den aktuellen antisemitischen Vorkommnissen Trigger-Warnung: In diesem Text wird antisemitische Gewalt geschildert. Seit etwa zwei Wochen finden in Berlin, Essen, Wien, Paris und anderen Städten Demonstrationen in »Solidarität mit Palästina« statt. Dabei kommt es nicht selten zu antisemitischen Äußerungen sowie Angriffen auf Jüdinnen_Juden, Synagogen und pro-israelische Demonstrant_innen.
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Bei einer pro-palästinensischen Demonstration in Berlin am 17.7. riefen Demonstrant_innen: »Jude Jude, feiges Schwein, komm heraus und kämpf allein«. [1] Nachdem das American Jewish Committee daraufhin eine Anzeige wegen Volksverhetzung erstattete, wurde diese Äußerung von der Staatsanwaltschaft lediglich als Beleidigung eingestuft. [2] Ein israelisches Paar wurde am 19.7. von Teilnehmer_innen einer pro-palästinensischen Demonstration angegriffen. Als die Angreifer_innen den Kippa tragenden Mann erblickten, wurden das Paar in antisemitischer Weise beschimpft und mit den Worten »Wir bringen Euch um!« attackiert. [3] In Essen wurde am 18.7. eine pro-israelische Demonstration von Gegendemonstrant_innen eingekesselt, antisemitisch beschimpft und mit Gegenständen beworfen. [4] In Paris wurde eine Synagoge durch eine Brandbombe beschädigt und ein jüdisches Geschäft niedergebrannt. [5] Die Liste antisemitischer Übergriffe und Anschläge könnte hier noch sehr lange fortgeführt werden. Diese pogromartigen Zustände machen uns Angst und zeigen uns, dass offener Antisemitismus kein Relikt der Vergangenheit ist! Mit der Verschärfung der Situation in Israel und Gaza kommen jahrhundertealte antisemitische Ressentiments und antijüdischer Hass wieder ans Tageslicht. Die beliebte Parole »Kindermörder Israel« geht zum Beispiel auf den christlichen Mythos aus dem Mittelalter zurück, der »den Juden« zuschrieb, sie würden Kinder für religiöse Zwecke entführen und töten. [6] Auch die oft aufkommende Argumentation, Israel sei »selbst Schuld« an der antisemitischen Bedrohung und dem Raketenbeschuss der Hamas, zeigt Angst erregende Parallelen zu der antisemitischen Einstellung, Jüdinnen_Juden seien »selbst Schuld« an der Shoah, also der Vernichtung durch die Nazis und ihre Kollaborateur_innen gewesen (zum Beispiel, weil sie sich angeblich nicht gewehrt hätten).

Als antifaschistische Gruppe positionieren wir uns eindeutig gegen solche antisemitischen Traditionen und gegen Antisemitismus in all seinen Erscheinungsformen! Es kann nicht sein, dass die (deutsche) Linke sich bisher kaum zu den antisemitischen Angriffen positioniert hat. Unabhängig von der Situation in Israel und Gaza ist es unserer Meinung nach nicht okay, wenn pro-israelische Demonstrationen angriffen werden, wie es beispielsweise am 18.7. in Essen geschehen ist! Es geht uns hier nicht um eine Analyse des Nahostkonfliktes oder darum, uns »für Israel« zu positionieren. Es geht uns darum, den aktuellen Antisemitismus zu kritisieren, der im Zusammenhang mit dem Krieg zwischen Israel und der Hamas aufkommt. Eine antifaschistische Linke, die es ernst damit meint, »dass Auschwitz nicht sich wiederhole, nichts Ähnliches geschehe«, muss sich entschieden gegen jede Form des Antisemitismus positionieren. Und zwar nicht nur dann, wenn Nazis jüdische Friedhöfe schänden oder die Shoah leugnen, sondern auch dann, wenn in Bezug auf den jüdischen Staat antisemitische Stereotype verwendet werden und unter dem Deckmantel der »Kritik an Israel« der Hass auf Jüdinnen_Juden geäußert wird. Das hat nichts mit einer Parteinahme für die israelische Regierung, den Siedlungsbau oder die militärischen Interventionen der israelischen Armee zu tun. Es ist die Konsequenz aus einer Analyse, die Antisemitismus nicht auf den unmittelbaren Hass gegenüber Jüdinnen_Juden reduziert, sondern ebenso den Hass auf den jüdischen Staat einbezieht.

Eine antirassistische Linke darf dabei aber nicht den Fehler machen, Antisemitismus pauschal »den Muslimen« oder »den Araber_innen« zuzuschreiben, wie es derzeit häufig in zahlreichen Berichten zu dem Thema passiert. [7] Auch wenn offen anti-jüdische Parolen und Angriffe momentan verstärkt von islamistischen Kräften ausgehen, wäre es falsch, Antisemitismus als »islamistisches Phänomen« zu beschreiben. Denn Antisemitismus findet sich in allen Teilen der Gesellschaft. Ein emanzipatorischer Kampf gegen Antisemitismus kann und darf nicht mit rassistischen und antimuslimischen Ressentiments geführt werden.

Solidarität mit allen Jüdinnen_Juden, die von Antisemitismus betroffen sind!

[1] https://www.youtube.com/watch?v=TbYTUUZLGus#t=1m13
[2] Tagesspiegel: „Jude, Jude, feiges Schwein“ soll auf Demonstrationen verboten werden
[3] Jüdische Allgemeine: Eskalation bei Anti-Israel-Demos
[4] Bündnis gegen Antisemitismus Duisburg: Solid-Demo endet in antisemitischer Gewalt – und der Polizeieinsatz in einem Desaster
[5] Aargauer Zeitung: In Sarcelle herrscht plötzlich nur noch Gewalt, Hass und Angst
[6] Wikipedia: Ritualmordlegende
[7] MiGAZIN: Islamfeindlichkeit und antimuslimischer Rassismus in der aktuellen Antisemitismus-Debatte

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