Kronstadt Journal XVIII

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Hier unser letzter Text zu der Reihe zum Aufstand von Kronstadt

Kronstadt Journal XVIII

Als die Sowjetunion ihre eigene Pariser Kommune niederschoss und Lenin Thiers Rolle kulminierte, vollendete und jeden Revolutionären auf der Welt eine Warnung schickte...

„Hegel bemerkte irgendwo, daß alle großen weltgeschichtlichen Tatsachen und Personen sich sozusagen zweimal ereignen. Er hat vergessen, hinzuzufügen: das eine Mal als Tragödie, das andere Mal als Farce.“ Karl Marx, 18 Brumaire

Wir haben dieses Zitat von Marx schon in vielen unserer Texten verwendet, nicht nur weil wir dieses Zitat als zutreffend finden, sondern als eine Erinnerung. Diese Erinnerung jährt sich heute doppelt, dreifach, ja sogar vierfach, alles als Tragödie und als Farce zugleich, sei es durch den Zufall der Geschichte oder durch bewusste Handlungen.

Heute feiern wir den Anfang der Pariser Kommune, von der Bakunin sagte, „(...) ich bin ihr Anhänger hauptsächlich deshalb, weil sie eine mutige, entschiedene Verneinung des Staates war.“ Wir feiern diesen Tag als Erinnerung, als Bekundung unserer historischen Intention, den Staat-Kapital zu vernichten. Diese sollte am 28. Mai von den Truppen der III. Französischen Republik niedergewalzt werden, eben jener Regierung die die Herrschaft des Napoleons des III nicht beendete, sondern nur übernahm. Angeführt und befehligt durch ihren Präsidenten Thiers. Thiers war ein großer Staatsmann, er verstand was auf dem Spiel stand und warum die Pariser Kommune niedergeschossen werden musste, auch wenn er ganz Paris hätte niederbrennen müssen. Für den Erhalt ihrer Macht ist der herrschenden Klasse kein Preis zu groß.

Wir feiern heute den Beginn eines wichtigen revolutionären Moments in der modernen Geschichte. Doch genau 50 Jahre später fand ein Ereignis statt, das der Pariser Kommune nicht fern stand.

Heute vor hundert Jahre beendete die Rote Armee unter der Anführung von Trotzki und Tuchatschewski1 den Aufstand der Kronstädter Matrosen. Die Sowjetunion sollte eine Rätebewegung ohne Kommunisten sein, die nur durch die Herrschaft der einzigen Partei gelenkt werden sollte. Am 17. März würde die Rote Armee die Insel einnehmen und ein erbitterter Kampf würde über Stunden lang andauern. Offiziell gibt es verschiedene Meinungen, wann wirklich der Aufstand von Kronstadt niedergestreckt worden sei, einige meinen er sei durch den militärischen Sieg am 17. März beendet worden. Da die Tscheka bis in den 18. März – und dies den ganzen Tag lang – sich mit der Erschießung der Aufständischen beschäftigen würde, ist für uns dieser Tag und nur dieser, sprich der 18. März, der Tag welcher das Siegel der Besiegten mit Blei besiegelte.

Ohne Revolutionäre auf die die Sowjetunion noch schießen konnte, vorerst zunächst, stand Lenin und seinen Lakaien nichts mehr im Weg und sie konnten den Kapitalismus so gestalten, wie sie wollten, sie nannten es nur Sozialismus.

Wir beenden hiermit unsere Reihe zu Kronstadt, dieses schmerzvolle Kapitel der revolutionären Geschichte, eine Niederlage, bei der heute die Sieger und nicht die Besiegten gefeiert werden, welche heute bewusst oder unbewusst von den meisten radikalen Linken des Kapitals gefeiert wird. Darüber trauern wir natürlich nicht, sondern lachen entweder über deren reaktionären Charakter oder deren stupide Haltung, auf die wir sowohl als auch spucken.

In den Zitaten, die wir für diese Reihe ausgesucht haben, finden sich heute genügend Hinweise und Bezüge auf die Feiern die heute vor hundert Jahren in Petrograd während des X. Parteitages der Bolschewiki gehalten wurden. Zwei Jahre später verkündete die Internationale Rote Hilfe, diesen Tag als den Tag der politischen Gefangenen. Genaueres dazu berichteten wir schon vor einiger Zeit in diesem Artikel, hier oder hier zu lesen. Wir wollen nun keine Sachen wiederholen.

Nur vielleicht auf die Tatsache hinweisen, dass 31 Jahre nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion viele Menschen deren Ideologie immer noch reproduzieren und sie nicht mal den Marxismus-Leninismus verteidigen, aber heute spucken sie auf die Aufständischen Matrosen von Kronstadt, heute spucken sie auf die Idee der sozialen Revolution, ohne Anführer und ohne Avantgarde.

Wie beim Zitat mit dem wir diesen Text beginnen, alles wiederholt sich zwei Mal, als Tragödie und als Farce. Nun, die jetzige Farce ist nicht nur eine Farce, sondern der erbärmliche Sieg der Konterrevolution, der uns nur mahnt dass die Feinde der Revolution überall zu finden sind.

Für die sozialen Revolution!

Es lebe die Anarchie!

Aufstand und noch mehr Aufstand!

Nieder mit dem Leninismus, seinen Anhängern und allen Trotteln die heute denken, es gäbe wirklich was zu feiern!

PS: die Überraschung die wir versprochen haben, ist die Transkription des Textes von Ida Mett´s, Kommune von Kronstadt und die vollständige Übersetzung von Emma Goldman´s Text Trotzki protestiert zu viel.


„In den frühen Morgenstunden des 18. März besetzten Detachements von Kursanty die beiden Schlachtschiffe. In der Zwischenzeit ergaben sich auch die restlichen Aufständischen, abgesehen von einigen wenigen Unverbesserlichen, so dass am Mittag des 18. März die Festungen und Schiffe sowie fast die gesamte Stadt in der Hand der Regierung waren. Es blieb nur noch, die vereinzelten Gruppen von Verteidigern aufzusammeln, die noch aushielten. Im Laufe des Nachmittags wurde der letzte Widerstand überwunden, und die Geschütze von Kronstadt verstummten.“ Paul Avrich, 1921 Kronstadt

„Am nächsten Morgen, dem 18. März, trugen die Petrograder Zeitungen Schlagzeilen, die an den fünfzigsten Jahrestag der Pariser Kommune erinnerten. Bands spielten militärische Melodien und Kommunisten paradierten in den Straßen und sangen die "Internationale". "Ihre Töne", notierte Goldman, "einst jubelnd in meinen Ohren, klangen jetzt wie ein Trauerspiel für die flammende Hoffnung der Menschheit." Berkman machte einen bitteren Eintrag in sein Tagebuch: "Die Sieger feiern den Jahrestag der Kommune von 1871. Trotzki und Sinowjew prangern Thiers und Gallifet für das Abschlachten der Pariser Rebellen an.“ Paul Avrich, 1921 Kronstadt

„Schließlich bleibt noch, das Schicksal der Kronstädter Überlebenden zu beschreiben. Keiner der gefangenen Aufständischen erhielt eine öffentliche Anhörung. Von mehr als 2.000 Gefangenen, die während des Kampfes gemacht wurden, wurden 13 ausgewählt, um unter Ausschluss der Öffentlichkeit als Rädelsführer der Meuterei verurteilt zu werden. Um den Fall einer konterrevolutionären Verschwörung zu untermauern, gab sich die sowjetische Presse Mühe, ihre soziale Herkunft zu betonen: 5 waren ehemalige Marineoffiziere von adliger Geburt, 1 ein ehemaliger Priester und 7 von bäuerlicher Herkunft. Ihre Namen sind unbekannt: Keiner gehörte dem Revolutionskomitee an, von dessen vier Mitgliedern - Walk, Pawlow, Perepelkin und Vershinin - bekannt ist, dass sie in Regierungshaft waren, und keiner gehörte zu den "Militärspezialisten", die eine beratende Rolle im Aufstand spielten. Immerhin wurden die 13 "Rädelsführer" am 20. März vor Gericht gestellt und zur Hinrichtung verurteilt. Von den übrigen Gefangenen sollen mehrere hundert sofort in Kronstadt erschossen worden sein. Der Rest wurde von der Tscheka in ihre Gefängnisse auf dem Festland gebracht. In Petrograd waren die Gefängnisse überfüllt, und über einen Zeitraum von mehreren Monaten wurden Hunderte von Rebellen in kleinen Gruppen herausgeholt und erschossen. Darunter befand sich auch Perepelkin, den Fjodor Dan beim Exerzieren in seinem Gefängnishof kennengelernt hatte. Vor seiner Hinrichtung verfasste er einen detaillierten Bericht über den Aufstand, aber was daraus wurde, wusste Dan nicht. 53 Andere wurden in Konzentrationslager geschickt, wie das berüchtigte Solovki-Gefängnis am Weißen Meer, und zu Zwangsarbeit verurteilt, was für viele einen langsamen Tod durch Hunger, Erschöpfung und Krankheit bedeutete. In einigen Fällen erlitten die Familien der Aufständischen ein ähnliches Schicksal. Koslowskis Frau und seine beiden Söhne, die Anfang März als Geiseln genommen worden waren, kamen in ein Konzentrationslager; nur seine zweijährige Tochter blieb verschont.“ Paul Avrich, 1921 Kronstadt

„Am 17. März verkündete die kommunistische Regierung ihren „Sieg“ über das Kronstädter Proletariat und am 18. März gedachte sie den Märtyrer der Pariser Kommune. Allen, die stumme Zeugen der von den Bolschewiki begangenen Gräueltaten geworden waren, war klar, dass das Verbrechen gegen Kronstadt viel schlimmer als das Massaker der Kommunarden 1871 gewesen war, da es im Namen der Sozialen Revolution, im Namen der Sozialistischen Republik verübt worden war. Die Geschichte kann nicht getäuscht werden. In den Annalen der Russischen Revolution werden die Namen Trotzkis, Sinowjews und Dybenkos denen von Thiers und Gallifet hinzugefügt werden.“ Emma Goldman, Meine zwei Jahre in Russland

„Am 18. März feierten die Bolschewiki das Andenken der Pariser Kommune und in derselben Zeit – O Ironie der Hölle – ihren Sieg über Kronstadt. Über 14.000 Leichen waren das Ergebnis dieses „Sieges“. Und die Geschichte schrieb quer über den Namen der Kommunistischen Partei Rußlands die Worte: Der Judas der Revolution.“ Alexander Berkman, der bolschewistische Mythos

„Am 18. März feierten die Bolschewikenregierung und die Russische Kommunistische Partei öffentlich die Erinnerung an die Pariser Kommune von 1871, die von Gallifet und Thiers im Blut der französischen Arbeiter ertränkt wurde. Zur gleichen Zeit feierten sie den „Sieg“ über Kronstadt.

Einige Wochen hindurch waren die Petrograder Gefängnisse mit Hunderten Gefangenen aus Kronstadt angefüllt. Jede Nacht wurden kleine Gruppen derselben auf Befehl der Tscheka herausgenommen und verschwanden, – um nie mehr lebend gesehen zu werden. Unter den letzten der Erschossenen war Perepelkin, Mitglied des Provisorischen Revolutionären Komitees von Kronstadt.

Die Gefängnisse und Konzentrationslager in dem eisigen Distrikt von Archangelsk und Kerker im fernen Turkestan töten langsam die Männer von Kronstadt, die sich gegen die Bolschewikenbürokratie erhoben und im März 1921 das Wort der Revolution vom Oktober 1917 proklamiert hatten: „Alle Macht den Sowjets!““ Alexander Berkman, Die Kronstadt Rebellion

 

1Der 1937 auch unter den Säuberungen von Stalin vor einem Erschießungskommando stehen würde.

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