Fotorückblick: Besetzerbewegung in Bochum

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1981 war ein wichtiges Jahr für die frühere Besetzer*innenwegung. Bundesweit gab es rund 595 Hausbesetzungen in 153 Städten. In Bochum gab es mehrere Anläufe, leerstehende Fabriken für ein Autonomes Kulturzentrum zu besetzen.
Ein Fotorückblick: https://umbruch-bildarchiv.org/besetzerbewegung-in-bochum/

In Bochum war es schon im Oktober 1980 zu einer ersten Hausbesetzung gekommen. Im Jahr 1981 erfolgten vier weitere Hausbesetzungen. Vor allem aber kam es zwischen Mai und Dezember zu fünf Besetzungen von leerstehenden Fabriken für ein „Autonomes Zentrum“. Drei der besetzten Häuser wurden legalisiert. Alle anderen Projekte wurden geräumt und abgerissen. Waren es am Anfang des Jahres noch 500 Jugendliche/junge Erwachsene, die für ein „Autonomes Zentrum“ demonstrierten, verfünffachte sich die Zahl innerhalb weniger Monate. Polizeiliche Gewalt und eine von Unnachgiebigkeit und Arroganz geprägte Politik der Stadtführung gegenüber ihren Anliegen auf ein selbstverwaltetes Jugendzentrum motivierten immer mehr Jugendliche zum Protest. Das Thema Besetzungen wurde zum Politikum des Jahres 1981 in Bochum und die Ereignisse und ihre Folgen zogen weite bürgerliche Kreise mit in den Diskurs ein.

Zunächst wurde am 20. Mai 1981 die „Alte Mensa“ in der Nähe des Uni-Campus als „Autonomes Zentrum“ besetzt. Die „Alte Mensa“ war aber vielen zu weit außerhalb der Stadt und sie wurde nicht so stark frequentiert. Nach zahlreichen Behinderungen durch die Universitäts-Verwaltung wurde das Gebäude verlassen und anschließend auf Geheiß der Verwaltung zerstört und abgerissen.

Am 16. Juni wurde die erste leerstehende Fabrik auf der Hermannshöhe in der Bochumer Innenstadt besetzt. Die Stadt gab vor die Halle für ihre Verwaltung zu benötigen, ließ das Gebäude drei Tage später aber räumen, die rund 130 Besetzer*innen inhaftieren und den Komplex umgehend abreißen. Das städtische Vorgehen empörte nicht nur die Besetzer*innen und brachte der „Bewegung“ seitens bürgerlicher Kreise Sympathien ein.

Als am folgenden Wochenende einige hundert Personen versuchten die ehemalige Seifert-Fabrik auf der Universitätsstraße zu besetzen kam es zu Verhaftungen. Um die Freilassung der Inhaftierten aus der Haft zu fordern, zogen einige Hundert Demonstrant*innen vor das Polizeipräsidium und veranstalteten ein Sit-In. Ohne ersichtlichen Anlass wurden sie dabei von der Polizei angegriffen, verprügelt und durch die Bochumer Innenstadt getrieben. Diese, von der Presse dokumentierten Vorgänge führten zu starken Kontroversen in der Öffentlichkeit und Politik. Am folgenden Tag besetzten fast 1.000 Personen das leere Fabrikgelände und am 4. Juli demonstrierten ca. 2.500 Menschen gegen die städtische Repression und für ein „Autonomes Zentrum“. Die „Fabrik Bewegung“ wurde zum lokalen Politikum des Jahres 1981.

In der Folgezeit fanden viele Konzerte und Veranstaltungen auf dem besetzten Gelände an der Universitätsstraße statt. Die Besetzung entwickelte sich zu einem Magneten für unterschiedlichste Szenen. In der beginnenden Urlaubszeit blieben aber nur wenige Besetzer*innen in der Fabrik. Diese sahen sich den sozialen Problemen auf dem Gelände nicht mehr gewachsen und beschlossen auf einer Vollversammlung am 3. August die Aufgabe des Geländes. Sie verließen das Gelände und am 19. August wurden die Reste der Hallen an der Universitätsstraße abgerissen.

In der Folgezeit führten die Besetzer*innen ihre Vollversammlungen an anderen Orten durch und blieben durch öffentliche Picknicks und Feste, Flugblätter und Demonstrationen weiterhin in der Innenstadt sichtbar. Weitere Besetzungsversuche in der Stadt blieben erfolglos. So besetzten z.B. am 15. Oktober Jugendliche den leerstehenden Schultheiss-Verladehof in der Innenstadt. Rund 40 Besetzer*innen wurden fest­genommen und erkennungs­dienstlich behandelt. Die Stadt und die Polizei wollten jede Haus- und Fabrikbesetzung in Bochums Innenstadt verhindern.

Am 11. Dezember 1981 kam es mit der Besetzung der „BO-Fabrik“ zur endgültig letzten Besetzung für ein Autonomes Zentrum. Die Stadt kündigte im Dezember 1981 den Abriss der Halle und ihrer Nebengebäude an der Stühmeyerstraße an, die bis dato vom Bochumer Schauspielhaus genutzt wurden. Am 11. Dezember 1981 blieben im Anschluss an die Theateraufführung „Die Hausbesetzer“ einige hundert Zuschauer*innen in der Aufführungshalle und besetzten so die „BO-Fabrik“.

Die Besetzung dauerte zwei Monate. Trotz zeitweise abgedrehten Strom und Heizung gelang den Besetzer*innen ein reichhaltiges Kulturprogramm. So trat unter anderem die Band „Ton Steine Scherben“ auf.

Demonstrationen und öffentliche Diskussionen begleiteten die Besetzung. Die Stadt Bochum aber lenkte nicht ein und agierte konfrontativ. Am 28. Januar fällte der Stadtrat den Beschluss zum Abriss der BO-Fabrik. Die BO-Fabrik wurde am 10. Februar 1982 unter massiven Polizeieinsatz geräumt, die verbliebenen Besetzer*innen abgeführt und der Gebäude­komplex umgehend abgerissen. Die Demonstration gegen den Abriss mobilisierte ca. 1.000 Besetzer*innen und Sympathisant*innen. Sie wurde von einer gleich großen Anzahl von Polizisten begleitet. Ein Flugblatt der Besetzer*innen beklagte im Anschluss zur Räumung massive Polizeigewalt. Zu weiteren Besetzungen für ein Autonomes Kulturzentrum kam es in Bochum nicht mehr.

Geschichte wird gemacht, es geht voran“

Für die Stadt Bochum hatte sich aber mit der Räumung der BO-Fabrik das Problem mit Hausbesetzungen noch lange nicht gelegt. Im Gegenteil. Im Stadtteil Bochum-Weitmar kam es mit dem so genannten Heusnerviertel zu einem Anschluss an die 81er Bewegung.

Dieser Bereich des Stadtteils Weitmar sollte dem Bau einer Schnellstraße zum Opfer fallen. Nach und nach wurden seit 1981 in diesem zum Abbruch vorgesehenen Areal bis zu 20 Häuser zum Teil oder ganz besetzt. Die Hochphase der Besetzungen war von 1984 bis 1986. Durch Neu-Besetzungen und Zuzüge wandelte sich die Zusammensetzung der Bewohner*innen von eher alternativ-studentisch zu einer mehr subkulturell-autonom geprägten Szene. Im Jahr 1986 lebten dort rund 150 BesetzerInnen und über die Jahre hinweg dürften es einige Hundert Personen gewesen sein.

Ihr Viertel tauften die BesetzerInnen nach der dort größten Straße – der Heusnerstraße – als „Heusnerviertel“ und erklärten es zur „Staatsfreien Zone“. Nur mit massiven Polizeieinsätzen gelang es der Polizei Anfang und Ende 1986 das zum Teil verbarrikadierte Viertel einzunehmen und die städtisch angeordneten Hausabrisse einzuleiten. Abrisse, die unter massiven Rechtsbrüchen der Stadt Bochum angeordnet waren.

Das Heusnerviertel zählte mit der Kiefernstraße in Düsseldorf und der Hafenstraße in Hamburg zu den großen besetzten Projekten in der alten Bundesrepublik, um die Mitte/Ende der 80er Jahre zwischen autonomer und alternativer Szene einerseits und Verwaltung und Polizei andererseits massiv gestritten wurde.

Nach den endgültigen Abrissen im November 1986 kam es noch zu zwei kurzzeitigen Besetzungen durch ehemalige Besetzer*innen des Viertels. Diese wurden aber von der Polizei geräumt.

Damit endeten „die wilden 80er Jahre“ in Bochum.

Erst 1991/92 kam es wieder zu Besetzungen in der Ruhrstadt. Von den fünf Besetzungen bekam aber lediglich eine Mietverträge. Die anderen wurden geräumt. Es dauerte weitere acht Jahre bis es wieder zu Besetzungen in Bochum kam. Im Dezember 2000/Januar 2001 wurden zwei Objekte für ein anti-rassistisches Zentrum besetzt – und von der Polizei geräumt. Die fünf Jahre später – im Mai 2006 – erfolgte Besetzung des „Querforum West“ auf dem Campusgelände der Ruhruniversität für die „Freie Uni Bochum“ dauerte bis Januar 2007 und war eine Besetzung von und für Student*innen. Eine Besetzung in der Hernerstraße im Mai 2017 wurde einige Wochen später kommentarlos von den Besetzer*innen verlassen.

Das einzige zur Zeit besetzte Haus in Bochum dürfte der Holln 3 sein. Die alte baufällige Villa in Bochum-Werne wurde am 27.03.1981 besetzt und beherbergte in ihren 40 Jahren unzählige Menschen aus verschiedensten Szenen und Subkulturen.

– Heiko Koch –

Einen ausführlichen Bericht mit Zeitleisten, Originaltexten, Fotos und Interviews findet ihr hier: Bewegung für ein Autonomes Jugendzentrum

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Ergänzungen

Die Verhältnisse haben sich seit dem sehr verändert . Die Besetzerscene als auch jegliches pol. Bewustsein  von damals,  sind mit dem von Heute nicht mehr zu vergleichen . Die Gründe sind sehr vielfälltig .  Wir können in dem Kontext ruhig von einem  Verrat sprechen der seines gleichen sucht . Ob der Verrat durch die Grünen oder auch der SPD bedarf keiner weiteren Erläuterung . Fischer ,Schröder und auch Biermann sprechen da für sich, um nur einige Beispiele zu nennen .Hartz 4 die totale  Öffnung der Finanzmärkte der Ausverkauf von  Volkseigentum ,kurzgesagt die  Neoliberale geförderte Ausverkauf einer ganzen Gesellschaft , in  jedem Gesellschaftlichen Bereich hinein ,haben zu einer enormen Entsolidarisierung in der Gesellschaft beigetragen . Auch die Globalisierung waren und sind nichts anderes als ein Mittel um uns zu entmachten . Die mediale Macht in wenigen Händen , als auch die Gleichschaltung der Medien, zwischen Öffentlich- Rechtlichen -Fernsehen und z.b. der unverholenen Kooperation mit den  Privatensendern wie RTL und Sat 1 sind mit Schuld an der allgemeinen Verblödung und Gleichschaltung der Gesellschaft.    Wer nicht konform mit der Gesellschaft ist ,wird bis auf Marc bekämpft . Beispiele dafür gibt es genug . Gatzweiler 2 ,Hambacher Forst , G20 Demos  und nicht zuletzt die totale zerschlagung der Hausbsetzerscene , sind  Resultat einer Entwicklung ,die gestützt durch immer neue Polizeigesetze ,einen jeden Glauben daran nehmen sollen ,das ein Leben in Anarchie und sozialer Gerechtigkeit möglich ist . Auffallend ist auch, das egal mit welchem Unrechtsstaaten auch immer, Geschäfte zwecks Machterhalts und Gewinnmaximierung  gemacht werden ,auch diese Entwicklung hat sich jeglicher Bedenken entledigt . Da werden  Menschenrechte und der Unabhängigkeitskampf der Kurden oder der Unabhängigkeitskampf der Katalanen mit Füßen getreten . Kurzgesagt wir Leben in einer zutiefst widerwertigen Zeit . Die Büchse der Pandora wurde geöffnet , nachdem die Grenzen des Ostblocks vielen . Dies war die Initialzündung des totalen Kapitalismus , damit vielen die letzten Hemmungen , der Kapitalismus  entledigte sich seiner letzten Bedenken .  In dem ges. Kontext müssen wir auch die Hausbesetzerscene und ihre Zerschlagung sehen . Eine große Masse von Deppen macht möglich , was nie Möglich hätte werden dürfen.  Eine zutiefst  asoziale entsolidarisierte Gesellschaft, in der die  immer gleichen Mächtigen  die Macht weiter ausbauen . Die  Gefängnisse werden immer voller , die Masnahmen und Gesetze immer repressiver . Die Politiker sind zu  skrupellosen  Speichelleckern der Mächtigen  verkommen, der Verrat der Verräter   ist so exorbitant , das einem der Atem stockt  . Mir fällt dazu nur ein; Kampf den Palästen und Friede den Hütten  vor allem den besetzten .