[HH] Hamburger Morgenpost glorifiziert rechte Totschläger

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Am Samstag den 02.09.2017 fand das dritte Treffen der sogenannten "Gangs United" auf der Reeperbahn in Hamburg statt.
Initiiert wurde die Zusammenkunft von Michel Ruge, der in den 80er Jahren Mitglied einer Hamburger Straßengang war.Ziel dabei war es, damals verfeindete Gangs wieder zu vereinen. Seine Idee ist es alle damals verfeindeten Gangs zu vereinen.
 
Die Hamburger Tageszeitung "Mopo" war dabei,titelt "Früher hätten sie sich die Köpfe eingeschlagen-Hier posieren die Jugendgangs der 80er" und berichtet gänzlich unkritisch über das Treffen und die damalige, politisch  höchst brisante Zeit. Ebenso glorifizieren die verantwortlichen Journalist*innen durch die Wahl des Titelbildes die ehemaligen Gangmitglieder als vermeintliche Helden der 80er. Gänzlich unerwähnt bleibt die Tatsache, dass in jener Zeit mindestens vier Menschen aus rassistischen Motiven von militanten Rechten in Hamburg totgeschlagen wurden und die Täter, sowie deren Umfeld auch an diesem Treffen teilnahmen.

Die militanten Rechten sammelten sich in den 80ern unter anderem um den Hamburger Fußballverein HSV, wo es im Rahmen von Fußballspielen regelmäßig zu heftigen Schlägereien kam. Nach dem Vorbild Michael Kühnens versuchte die Kameradschaftsszene strategisch im Stadion das rassistisch motivierte Schlägerpotential anzuwerben und in ihren Straßenterror zu integrieren. Neben zahlreichen solcher Gruppierungen machte vor allem die damals bekannteste rechte Schlägergruppe „Savage Army“ auf sich aufmerksam. Gemeinsam mit organisierten Neonazis und politisch Gleichgesinnten aus der HSV Fan-Gruppe „Hamburger Löwen“ machten sie die Straßen Hamburgs für viele Menschen äußerst gefährlich.
 
Bernd B. ein Mitglied der "Hamburger Löwen" gab damals Thorsten Bärthel, dem Kopf der militanten Kameradschaft "Bramfelder Sturm" ein Interview für sein Projekt "Titelseitenterror Hamburg 1982-1996", indem u.a. rassistische Übergriffe dokumentiert wurden. Dort erzählte Bernd B. unverblümt was sie im gemeinsamen Kampf verbunden hat: "Savage Army, Skinheads und Löwen waren alle rechts orientiert. Die meisten unter diesen drei Gruppen, kannten sich aber auch schon von der Schule, aus den gleichen Stadtteilen oder von Feiern. Wir hatten alle das gleiche Thema: Adolf Hitler, Fußball und fast auch den gleichen Musikgeschmack."
 
 
Viele Menschen wurden in dieses Zeit aus rassistischen Motiven angegriffen und schwerst verletzt. Ein Betroffener des rechten Straßenterrors, Asir Ö., sagte 1985 im Interview mit dem Spiegel:
   
"Bei uns wird fast jedes Wochenende ein Türke zusammengeschlagen. Die fahren mit Auto rum, Nummernschild weiß die Polizei, jeder von uns kennt die Autos. Dann wird angehalten, auf einen los, zusammengeprügelt und weggefahren. Und Anzeige wird gemacht, aber es kommt nichts dabei raus" (1).
 
Traurige Höhepunkte waren die brutalen Tötungen von Mehmet Kaymakcı und Ramazan Avcı im Jahre 1985 (2). Avcı wurde u.a. von Mitgliedern der Neonazigang "Lohbrügge Army" ermordet. Im Spiegel heisst es dazu weiter: "Der Schüler Asir Ö. und seine Freunde beispielsweise kennen die Mordverdächtigen schon seit Jahren - 'weil jeder von uns schon mit Autos von denen überfallen wurde'. Türken, erzählt Ö., hätten gegen einen Täter schon mehr als 30 Anzeigen erstattet, unter anderem wegen Körperverletzung und Vergewaltigung."
Neben Avcı und Kaymakcı wurden in den 80ern noch Tevfik Gürel und Adrian Maleika von rechten Skinheads totgeschlagen.
 
Einer der damaligen Täter, jener, der Ramazan Avcı erschlug, war am Samstag anwesend: der rechte Skinhead Volker Kummrow. Er hat nach wie vor gute Kontakte in die Neonaziszene und wird von dieser für seine Tat immer noch glorifiziert. So bezeugt der szeneintern verwendete Satz „Nie mehr Ramadan für Ramazan“ den Zuspruch aus der rechten Szene zu der Ermordung  Avcıs. Diesen Satz verwendet Andreas Witt heute noch um seine Zustimmung für die Tat auszudrücken. Auch Witt nahm an dem Treffen am Samstag teil. Heute ist er Betreiber des "Hells Angels"-nahen Tattoo Ladens "Stichwerk" in Hamburg und fiel zuletzt am "Tag der Patrioten" als Anti-Antifa Fotograf auf, als er am Hamburger Hauptbahnhof versuchte Antifaschist_innen zu fotografieren. Früher nahm Witt auch an NPD Veranstaltungen in Hamburg teil und beteiligte sich an den Schlägerein und Hetzjagden. Auch Witt gehörte mutmaßlich zu der Gruppe der 30 Skinheads, die sich 1985 vor der „Gaststätte Landwehr“ versammelten und Avcı und seine Begleiter angriffen.
Ein weiterer Freund von Volker Kummrow ist der Gitarrist Christian Oest der Hamburger Rechtsrock-Band "Abtrimo" (3). Kummrow folgte im Juni 2016 der Einladung von Oest zu dessen Geburtstagsparty, zu der neben Bockwurst und Bier auch der Hitlergruß gehörte. Obwohl Oest erst 1985 geboren ist, nahm er ebenfalls an dem "Gangs United"-Treffen am Samstag teil, da er sich der damaligen Zeit verbunden fühlt. In den Songs seiner Band, wie "Sound der 80er" wird jener Zeit gehuldigt, in der rechte Schläger auf Hamburgs Straßen Menschen totprügelten.
 
Weitere Beteiligte waren die rechten Schläger Holger Becker ("Hamburger Löwen") und Heiner Grasshoff ("Savage Army"). Beide waren ebenso am Samstag Teil der "Gangs United". Grasshoff galt damals als führender rechter Schläger und pflegt auch heute noch enge Verbindungen zur aktiven Neonaziszene.
In einem aktuellen Interview mit der "Zeit" sagte Holger Becker, dass auch er ein Hakenkreuz tätowiert hatte, aber natürlich kein Nazi gewesen sei(4). Im Gleichen Interview verharmlost auch Michel Ruge die damalige Zeit und äußert sich zu dem Totschlag von Avcı: "Ja, aber das hat alles keinen politischen Hintergrund [...]". Ruge relativierte weiter, dass der Hass "kreiert wurde durch Bauernfänger wie Michael Kühnen".
 
 
Auf der Titelseite der "Mopo "war neben Oliver Borth (Geschäftsführer des "Albers Eck"), der 2015 gemeinsam mit Thorsten de Vries und Holger Buchta ("Rot-Front Kaiserslautern") nach Köln zu der Hooligan Demonstration von "HoGeSa" reiste, unter anderem Thomas "Togger" Gardlo zu sehen. Gardlo trainiert mittlerweile die neofaschistische Gruppierung "Identitäre Bewegung" in Kampfsport. Bekannt wurde er in Hamburg aber bereits 2002, als aufgedeckt wurde, dass er und sein Bruder Personenschützer von Ronald Schill und zudem bekannte Neonazis sind. Gardlo und sein Bruder sind im Umfeld der „Aktionsfront Nationaler Sozialisten“ (ANS) und später der „Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei“ (FAP) aktiv gewesen. Beide Organisationen wurden später verboten. Auch sind die Brüder mit Wehrsport und paramilitärischen Übungen in Deutschland und dem Ausland in Verbindung zu bringen. Gardlo ist wegen gefährlicher Körperverletzung und Verstoß gegen das Waffengesetz vorbestraft. Bei einem Boxkampf 2007 wurde Gardlo bei einer öffentlichen Massenschlägerei außerhalb des Rings erneut auffällig. Als Sicherheitsangestellter hat er mit seinen Kollegen den Boxpromoter Ahmet Ö. rassistisch beleidigt und provoziert (5).
 
Dass sich Neonazis, rechte Rocker und verurteilte Totschläger bei einer Veranstaltung wie "Gangs United" sichtlich wohl fühlen, verwundert nicht. Selten bietet sich die Möglichkeit für die Täter von damals, sich derart im öffentlichen Raum zu profilieren, gedeckt, verharmlost und von den Veranstaltern und der Hamburger "Mopo" unkritisch begleitet, wenn nicht sogar gefeiert zu werden. Die alten Strukturen und Protagonisten sind nach wie vor verbunden, in ihrer Geschichte, in ihrer Ideologie, in ihrer Eigenwahrnehmung als "harte Jungs" und "Outlaws" und in weiten Strecken eben auch in ihrem Rassismus.

In Erinnerung an Tevfik Gürel, Ramazan Avcı, Adrian Maleika, Mehmet Kaymakcı und allen anderen betroffenen rechter Gewalt

Interview mit Gülistan Avcı :http://www.taz.de/!5076949/

(1) http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-13517484.html
(2)http://www.ndr.de/nachrichten/dossiers/der_norden_schaut_hin/1985-Skins-... und https://www.hamburg-global.de/v1.0/placemarks/87
(3)https://www.antifainfoblatt.de/artikel/abtrimo-%C3%BCber-das-rechte-netz...
(4)http://www.zeit.de/2017/10/strassengangs-hamburg-michel-ruge-st-pauli/ko...
(5)(https://luebeck.systemausfall.org/die-identitaere-bewegung-in-norddeutsc...)

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Ergänzungen

@mods Bitte den überflüssigen Satz hier löschen:"Seine Idee ist es alle damals verfeindeten Gangs zu vereinen."

Danke

Warum hat der Macker denn seine Ruhe im Stichwerk? Andreas W arbeitet übrigens auch im Gleisbau!

Großen Dank für den Recherchetext, vieles davon hatte ich noch nicht gewußt. Ich denke es sollte klar geworden sein, daß dieses Gangs-United treffen nie wieder über die Reeperbahn laufen darf.