B: Adbusting “Was jetzt wirklich hilft”

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Am Morgen des 15.01.2021 sind in der Nähe der Krankenhäuser Charité Mitte und Vivantes am Friedrichshain veränderte Plakate des Gesundheitsministeriums aufgetaucht. Die ursprünglichen Poster des Ministeriums mit Anweisungen zur Eindämmung der Corona-Pandemie wurden um eigene Forderungen ergänzt. So wird nun auf einem Plakat eine „Gesundheitsversorgung für alle“ sowie eine „geschlechtergerechte Verteilung von Pflegearbeit“ gefordert. Ein weiteres Plakat fordert die „Kommunalisierung von Gesundheitseinrichtungen“ und „Gesundheit statt Profite“. Aber auch an Kapitalismuskritik fehlt es nicht. Die Forderung „Kapitalismus klatschen“ kritisiert das bloße Klatschen der Bevölkerung für das Pflegepersonal ohne eine solidarische Haltung in deren Arbeitskämpfen zu zeigen.

Gesundheit statt Profite

Nachdem die Tarifverhandlungen Ende Oktober um die Verträge von Beschäftigten im öffentlichen Dienst zu Ende gegangen sind, könnte der Eindruck entstehen, dass nun das gesamte Pflegepersonal entsprechend des neuen Tarifvertrages besser bezahlt wird. Dass dies nicht der Fall ist wird klar, wenn wir berücksichtigen, dass nur ca. 200.000 der insgesamt 1,7 Millionen Beschäftigten in Pflegeberufen in Deutschland über den neuen Tarifvertrag abgesichert sind und von den Verhandlungen profitieren.1 Die restlichen Beschäftigten sind über kirchliche und private Träger und Unternehmen angestellt, für die die Verhandlungen nichts verbessert haben.

Diese Zahlen spiegeln aber auch ein anderes Problem wider: Den hohen und deutlich steigenden Anteil privater Unternehmen, die Krankenhäuser betreiben, die fortschreitende Privatisierung und Ökonomisierung des Gesundheitswesens. Dass Privatkrankenhäuser ohne Allgemeinversorgungsauftrag sich die rentabelsten medizinischen Fachbereiche als Schwerpunkte rauspicken können, stellt neben dem Fallpauschalensystem auch öffentliche Krankenhäuser unter enormen Ökonomisierungsdruck. Die Gesundheit von Patient*innen und Profitinteressen im Gesundheitswesen stehen sich allerdings gegenüber. Die Pandemie zeigt, wie krisenanfällig dieses kaputtgesparte Gesundheitssystem ist. Die Folgen der Pandemie lassen sich nicht weiter mit Prinzipien der Marktlogik bewältigen. Während einige wenige von diesem Krankenfabrik-System profitieren, arbeitet das medizinische Personal in schlechtem Personalschlüssel, unter unvorstellbarem Arbeitsdruck und in 12-Stunden Schichten. Diesen Missständen, die maßgeblich dem Vordringen kapitalistischer Prinzipien in die Organisation des Gesundheitswesens geschuldet sind, können nur mit einer Rekommunalisierung der Betriebe und Abschaffung des DRG-Systems begegnet werden.2

 

Geschlechtergerechte Verteilung von Pflegearbeit

Der Anteil an weiblichen* Krankenpflegerinnen im Jahr 2019 lag bei etwa 80%.3 Für viele Frauen* stellt eine Lohnarbeit in der Pflege eine Doppelbelastung aus sowohl beruflicher und privater Pflegearbeit dar. Zu Reproduktionsarbeit gehören nicht nur Kinder- und Altenbetreuung, sondern auch emotionale Pflege-Arbeit in Freundschaften, Partnerschaften und allen anderen sozialen Kontexten. Gestützt wird die patriarchale Arbeitsverteilung durch klassische Geschlechter-basierte Zuschreibungen. Mit diesen Verhältnissen muss gebrochen werden, Sorgearbeit muss gendergerecht verteilt werden und Pflegearbeit muss besser vergütet und mehr gewertschätzt werden! Wir brauchen grundlegende Veränderungen, auf ökonomischer und gesellschaftlicher Ebene, nicht nur um akut Menschen vor körperlicher und geistiger Überlastung zu schützen, sondern auch um Lebensentwürfe- und vorstellungen jenseits von Gendernormen denken und leben zu können.

 

Gesundheitsversorgung für alle

Während die Herstellung des Corona-Impfstoffes von Pfizer und BioNtech anläuft und über Impfstrategien in Deutschland berichtet wird, ist es mindestens genauso wichtig darzustellen, wie wohltäterisch die EU sich im Rahmen der globalen Initiative Covax darstellt. Covax soll einer „gerechten“ globalen Verteilung des Corona-Impfstoffes zu Gute kommen.4 Diese Selbstdarstellung funktioniert nur in kompletter Ignoranz gegenüber globaler, kolonial geprägter Machtverhältnisse, die Pharmaindustrie und Patentrechte prägen. Die EU hat schon zum jetzigen Zeitpunkt über zwei Milliarden Impdosen bestellt wurden und eine zentrale Abgabe koordiniert.5 Das Wort Pandemie scheint im öffentlichen Diskurs zu bedeuten, dass Europa betroffen ist und gerettet zu werden hat. Stattdessen sollte es darum gehen, dass Patentrechte auf den Impfstoff aufgehoben werden, um die dezentrale Herstellung und ausreichende Versorgung sicherzustellen. Der Zugang zu einer angemessenen Gesundheitsversorgung darf weder vom sozialen Status, noch vom Besitz eines deutschen Passes und einer Krankenversicherungsnummer abhängig sein.

Der Zugang zu Gesundheitsversorgung ist ein Menschenrecht und doch keine Realität für viele. Infolge kapitalistischer, patriarchaler und rassistischer Logik, die Gesellschaft und Gesundheit bestimmen, tun sich riesige Versorgungslücken und unmenschliche Arbeitsbedingungen auf. Die Corona-Krise macht einige gesellschaftliche Machtverhältnisse drastischer, aber auch sichtbarer. Kämpfen wir gegen die Ökonomisierung des Gesundheitssystems und für gleiche Zugänge zu Gesundheitsversorgung für alle - feministisch, antirassistisch und antikapitalistisch.

 AAA statt AHA!

 

Quellen und weiterführende Links:

1 https://taz.de/Pflegekraefte-in-der-Coronakrise/!5727967&s=pflege+gewerk...

2 https://www.krankenhaus-statt-fabrik.de/53194

3 https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1029877/umfrage/verteilun...

4 https://www.tagesschau.de/ausland/corona-impfstoff-verteilung-101.html

5 https://www.fr.de/panorama/corona-virus-impfstoff-who-patent-eigentum-ve...

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