Corona und linke Kritik(un)fähigkeit

 Onlinediskussion mit Elisabeth Voss und Gerhard Hanloser und Peter Nowak 

Corona und die Folgen bestimmen wieder den Lebensalltag. Handelt es sich um die zweite Welle oder ist Corona längst zur Dauerwelle geworden, zu einer Krise, die das Leben in vielerlei Hinsicht entscheidend verändern wird? 

Was bedeutet diese Krise für Einzelne und welche gesellschaftlichen Auswirkungen lassen sich beobachten?

Tausende Kritiker*innen der Coronamaßnahmen gehen gemeinsam mit Rechten jeglicher Couleur auf die Straße, bei sogenannten Hygiene- und Querdenkerdemonstrationen. Wie reagieren Linke darauf? Und was wird aus einer linken Kritik an Staat, Konzernen und bürgerlicher Gesellschaft, wenn plötzlich staatlich approbierte Virolog*innen als unhinterfragte Wahrheitsinstanz auftreten und alle Hoffnungen auf der Pharmaindustrie zu ruhen scheinen?

Was bedeutet diese Krise für Einzelne und welche gesellschaftlichen Auswirkungen lassen sich beobachten?

Tausende Kritiker*innen der Coronamaßnahmen gehen gemeinsam mit Rechten jeglicher Couleur auf die Straße, bei sogenannten Hygiene- und Querdenkerdemonstrationen. Wie reagieren Linke darauf? Und was wird aus einer linken Kritik an Staat, Konzernen und bürgerlicher Gesellschaft, wenn plötzlich staatlich approbierte Virolog*innen als unhinterfragte Wahrheitsinstanz auftreten und alle Hoffnungen auf der Pharmaindustrie zu ruhen scheinen?

Ist die Kritik an autoritärer Staatlichkeit suspendiert, wenn ein scheinbar naturwissenschaftliches Ereignis keine Diskussion zulässt? Ist nicht spätestens seit den Schriften von Michel Foucault bekannt, dass Biopolitik auch ein Teil von Staatlichkeit ist? Muss da eine Antifa die Einhaltung der Hygieneregeln anmahnen oder gibt es auch in Zeiten von Corona Raum für linke Kritik und Zweifel an vermeintlichen Alternativlosigkeiten?

Die Onlineveranstaltung war mit 100 Teilnehmenden so überlastet, dass Anne Seeck leider aus technischen Gründen nicht dabei war. Das Video dokumentiert – neben den Inhalten – auch die technischen Probleme, die bei großen Versammlungen im digitalen Raum vorkommen können. Es ist nicht perfekt, aber aussagekräftig. Es gab noch eine mehr als einstündige Debatate mit den Zuhörer*innen, das vereinbarungsgemäß nicht aufgezeichnet wurde. Es war sehr erfreulich, dass hier Menschen miteinander, die wahrscheinlich bisher nicht miteinander diskutiert haben. Antifaschist*innen, die in Dortmund auf einer Querdenken-Demonstration kritische Flyer verteilen wollten und von Neonazis, die dort als Ordner*innen fungierten, verjagt wurden. Eine Frau, die an einer Querdenken-Demo in Leipzig teilgenommen hatte und die Reaktion in Teilen der linken Bewegung kritisierte. Genoss*innen aus Frankreich, die über die dortigen Aktionen einer sozialen und antirassistischen Bewegung berichteten. Die Diskussion soll unter besseren technischen Voraussetzungen fortgesetzt werden. Wir werden über den nächsten Termin informieren.

https://vimeo.com/488541572

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

„Corona und linke Kritik(un)fähigkeit – Onlinediskussion mit Elisabeth Voss und Gerhard Hanloser“

 

 

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Ergänzungen

"Tausende Kritiker*innen der Coronamaßnahmen gehen gemeinsam mit Rechten jeglicher Couleur auf die Straße, bei sogenannten Hygiene- und Querdenkerdemonstrationen. " Dies schreibt leider die Selbstbezeichnung dieser neuen rechten Bewegung als spektrenübergreifende Querfront fort. Zu denken hier müsste eine Nähe aufgebaut werden um "echten" Rechten das Wasser abzugraben oder kritische Leute abgeholt werden um deren abdriften zu verhindern, ist ein gefährlicher -weil strukturell rechtsoffener- Irrweg in der Debatte.

Es handelt sich nicht um tausende "Kritikere*innen" deren einziges Problem ist, dass sie auch mit Rechten auf die Straße gehen, sondern um eine im Kern und Wesen rechte Sammlungsbewegung aus verschiedenen neurechten Millieus (Esotheriker*innen. Lebensschützer, Homophobie, Antifeminismus, Antisemitismus, Rassismus, etc.). Dies zu erkennen ist eine wesentliche Vorraussetzung der Kritikfähigkeit.

Wer Kapitalismus oder den autoritären Staat kritisieren will, braucht keine spezielle Kritik an Infektionsschutz oder ein politisches Verhältnis zu Corona-Skeptiker*innen. Es ist möglich Klassenwidersprüche und Polizeiverhalten zu kritisieren ohne zu schwurbeln und über Sinn und Unsinn von Flacherdetheorien oder Weltmachtbestrebungen von Bill Gates zu philosophieren. Es wäre z.B. eher notwendig Begriffe der bürgerlichen Mitte und deren Hegemonien zu kritisieren. Vergesellschaftung und offene Grenzen sind keine irrlichternden Utopien, sondern gesellschafliche Notwendigkeiten.

Richtig ist das Naturwissenschaft nicht herrschaftsfrei ist. Wie wir alle ist Wissenschaft geprägt von bestehenden Normen und Deutungen. Dies erkennen übrigens auch viele von deren eher progressiven Vertreter*innen an, weshalb die Frage der Umsetzung wissenschaftlicher Annahmen als gesellschaftliche Frage betrachtet wird und keine der Forschung (wie übrigens auch der Anerkannte und von der Rechten vielgehasste Drosten zum Beispiel immer wieder anmerkt). Hier kann auch unsere Kritik ansetzen. Eine offene Flanke nach Rechts und abdriften ins Reich der Esotherik ist aber Erkenntnisse der Aufkläung als "Diktatur" oder Instanz einer etablierten, nebulösen Macht zu verdammen.

Wissenschaft ist komplex, widersprüchlich und heterogon. In einigen Grundannahmen aber universell (und Teil der menschlichen Selbstermächtigung und von Revolutionsidealen). Ebenso wie die Vorstellung von Freiheit. Es lässt sich darüber streiten, wie Freiheit aussehen soll, ebenso wie sinnvolle Maßnahmen zur Virenbekämpfung und die Rettung von Menschenleben durch Hygienemaßnahmen gestaltet sein sollten, aber nicht über die Existenz von Viren oder der Idee von Freiheit an sich.

Wer sagt es ist Bier im Kühlschrank und nicht nachschaut betreibt Theologie. Wer sagt es ist Bier im Kühlschrank, nachschaut und dieses öffnet, Prost, betreibt Wissenschaft. Wer nachschaut, keines findet und behauptet es wäre doch eines da, betreibt Esotherik und strukturell antisemitische Verschwörungstheorien.