[H] Immobiliengesellschaften angegriffen

Es hat die Richtigen getroffen!

 

Am Montag, den 03.04., haben wir den Hausverwaltungen Haack und WohnWert (Teil von Kindler & Fries) einen nächtlichen Besuch abgestattet. Wir haben von Haack ein Fahrzeug unbrauchbar gemacht (saure Milch in der Lüftung, Bitumen an den Scheiben) und bei WohnWert die Glasfront im Eingangsbereich zerstört.

 

Diese Taten sind Ausdruck der Auseinandersetzung um Wohnraum und die brennende Frage „Wem gehört die Stadt?“

WohnWert kauft immer wieder ganze Häuser auf und übt dabei regelmäßig Druck auf die Bewohnenden aus. 2012 wurde ein Mieter, der seit über 60 Jahren in seiner Wohnung in Linden-Nord lebte durch eine geplante Entmietung in den Selbstmord getrieben und dann dessen Witwe gedrängt, schnell auszuziehen. 2014 wurde von dem Unternehmen in der Nordstadt ein ganzes Haus voller Wohnungen mit den üblichen unerfreulichen Methoden entmietet. Erfreulicherweise gab es deswegen Scheinbesetzungen und eine kleine Straßenschlacht mit der Polizei, diese wurde aber mit Repression – in einem Fall sogar mit einer Bewährungsstrafe – beantwortet.

 

Haack ist insgesamt dafür bekannt, Mieter_innen auszutricksen und dabei deren juristische Unwissenheit auszunutzen.

 

Die Hausverwaltung ist verantwortlich dafür, dass im Juli 2015 ein Mieter in Linden-Mitte zwangsgeräumt wurde: Diesem wurde unter falschen Vorwänden angeboten, in eine neue Wohnung umzuziehen. Dabei wurde er dazu gebracht, einen Vertrag für eine neue Wohnung und einen Aufhebungsvertrag für die alte Wohnung zu unterschreiben. Doch Haack hat den Vertrag für die neue Wohnung vernichtet, ein Jahr gewartet, bis juristische Fristen abgelaufen sind und trotz Härtefall-Anträgen an der Räumung festgehalten. Bei der Räumung wurde er unter Pfefferspray-Einsatz aus seiner Wohnung vertrieben und einige der 50 Demonstrant_innen standen vor Gericht, nachdem die Polizei sie aus dem Weg geprügelt hat.

 

 

 

Ziel dieser Erklärung ist jedoch nicht nur auszuführen, warum wir die Entscheidung getroffen haben, genau diese Ziele zu attackieren, sondern die Frage zu erörtern, wie aus einer emanzipatorischen Perspektive in Verdrängungsprozesse interveniert werden kann. Vorangegangene Aktionen, begonnen mit der Besetzung der L98, haben Gentrifizierung in Hannover überhaupt erst zum Gegenstand der öffentlichen Debatte gemacht. Geradezu reflexartig wird jedoch nach jeder Aktion lamentiert, es habe „die Falschen“ getroffen. In unseren Augen steht hinter diesen Reflexen mehr als eine Delegitimierung militanter Politik. Vielmehr sind sie in der Vorstellung gefangen, Gentrifizierung ließe sich auf intentionale Entscheidungen bestimmter Akteur_innen reduzieren. Die Phrase, dass es die Falschen getroffen habe impliziert, dass es die Richtigen gäbe, dass es Kriterien gäbe, nach denen das bestimmt werden könne. Die Schablonen, die dafür angeboten werden, sind simpel. Soziale Verdrängung wird, wie sich an der Diskussion um den Besitzer der L98 und die Eisverkäuferin in der Stephanusstraße1 gezeigt hat, als etwas imaginiert, das von außen kommt. Die öffentliche Erregung hat sich vor allem darin entladen, dass beide „Lindener“ seien. Individuelle Motive für ihr Handeln wurden zu ihrer Entlastung herangezogen. Alle haben nachvollziehbare Gründe für ihr Handeln. Auch Haack und WohnWert haben nachvollziehbare Gründe für ihr Handeln. Sie machen letztendlich einen „ganz normalen Job“ als Hausverwaltungen. Unsere Kritik ist jedoch keine moralische, die auf skrupellose, am besten amerikanische, Großinvestoren abzielt. Unsere Kritik und damit die Basis unseres Widerstandes entzündet sich an der viel banaleren Tatsache, dass es Einigen möglich ist, Wohnraum zu Geld zu machen, während andere von diesem Wohnraum abhängig sind. Die Grundstruktur, die dazu führt, dass Wohnraum zur Ware wird, ist abstrakt. Konkret sind jedoch die Folgen dieser Verhältnisse: Steigende Mieten dort wo es sich lohnt und damit eine Durchdringung sozialer Prozesse von der Logik des Marktes. Sprich Leute ziehen nicht weg, weil es ihnen woanders besser gefällt, sondern ihnen wird ihr Recht auf Wohnraum abgesprochen. Finanzielle Interessen der Eigentümer_innen spielen eine Rolle, aber auch Rassismus, Klassismus und persönliche Motive können die Art, wie sie ihre Macht ausüben, beeinflussen.

 

Diesen Grundwiderspruch machen wir zum Ausgangspunkt unserer Politik. Das bedeutet, dass wir nicht moralisch urteilen wer rücksichtsloser oder ausbeuterischer handelt und daran unsere Aktionen anpassen, sondern entlang dieses Verhältnisses unsere Interventionen taktisch bestimmen. Unsere Aktionen zielen darauf ab, Reibungen und Widerständigkeiten, die aus diesem Grundwiderspruch erwachsen, zu verstärken und damit Felder der Auseinandersetzung zu schaffen, auf denen abstrakte Strukturen sichtbar und Akteur_innen konkret angreifbar werden. Felder, auf denen es im besten Fall partiell etwas zu gewinnen gibt. Sei es die Verhinderung einer Zwangsräumung, die Verhinderung der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen oder das Einschränken des Handlungsspielraums derjenigen, denen es möglich ist vom Wohnen zu profitieren. Mit unseren nächtlichen Attacken bewegen wir uns innerhalb eines solchen Feldes.

 

 

 

Wir verweigern uns der Vorstellung, Widerstand strafrechtlich zu betrachten. Juristische Kategorien interessieren uns nicht. Vielmehr sollen diejenigen, die davon profitieren, dass Wohnraum eine Ware ist, wissen, dass ihre Handlungen zwar legal sein mögen und innerhalb kapitalistischer Logik nachvollziehbar sind, dass diese Logik aber unserer Idee widerspricht, dass die Organisierung des Lebens an den Bedürfnissen Aller ausgerichtet sein soll. Jenseits von Verwertungs- und Konkurrenzlogik. Diese Vorstellung ist einfach. Sie ist weniger naiv als der Gedanke, dass die kapitalistische Organisation unserer Gesellschaft funktioniert. Denn diese funktioniert zwar als kapitalistisches Prinzip, aber wenn es darum geht, dass Menschen unter guten Bedingungen leben, dann funktioniert sie nicht. Genau das jedoch bleibt unser Ziel: Das gute Leben für Alle!

 

1Die Limmerstraße 98 war 2011 fünf Tage lang besetzt. Medial inszenierte sich der Eigentümer als „Lindener“, der für sich und seine Familie neu bauen wollte. Dass damals schon Luxuswohnungen geplant waren, interessierte nur wenige.

Als 2013 die Scheiben in der Stephanusstraße eingeworfen wurden, war von der hippen Eismanufaktur Frioli noch nichts zu erkennen. Der Protest richtete sich also nicht gegen Eisherstellung, sondern gegen die vorausgegangene Entmietung und Luxussanierung des Gebäudes.

 

webadresse: 
Lizenz des Artikels und aller eingebetteten Medien: 
Creative Commons by-sa: Weitergabe unter gleichen Bedingungen