Bericht zum Wahlboykott in Berlin

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34 % - also ein gutes Drittel der wahlberechtigten Berliner – ist nicht zur Wahl gegangen. Dazu kommen noch die „Ausländer“ und „Minderjährigen“, die gar nicht erst wählen durften. Damit sind – wie zu erwarten – prozentual wieder diejenigen die stärkste Kraft geworden, die dem bourgeoisen Wahlspektakel ferngeblieben sind. Und das trotz der in diesem Jahr besonders intensiven und massiven Wahlpropaganda der Herrschenden auf allen Kanälen – inklusive des Versuchs, neue Pseudoprotestparteien wie die AfD zu züchten, so chauvinistische Hetze zu fördern und damit auch ihre Gegner wieder verstärkt zur Wahl zu mobilisieren.

Der aktive Boykott in den Vierteln

Unsere Kieze befanden sich insgesamt de facto im Belagerungszustand. Die ganzen bürgerlichen Parteien und ihre erbärmlichen Jünger, die sich sonst 3,5 Jahre nicht um das Volk scheren bombardierten plötzlich Hauseingänge und Briefkästen mit ihren leeren Versprechungen und Lügen, belästigten einträchtig an jeder zweiten Ecke Leute auf dem Weg zur Arbeit oder zum Einkaufen.

Die Belegschaften der Wahlstände der verschiedenen Parteien glichen dabei je nach Partei Hipster-, Spießer-, Opfer-, Nerd- und Schnöselansammlungen, insofern es ihnen überhaupt gelang junge Karrieristen dorthin zu mobilisieren und nicht nur ihre alten kadavergehorsamen Säcke. Normale Jugendliche unserer Klasse sind zu Recht absolut nicht präsent bei den verschiedenen Systemparteien.

Revolutionäre Jugendliche, die in den Straßen gezielt Wahlplakate abrissen oder in anderer Weise gegen die Wahlpropaganda vorgingen, bekamen derweil Lob und offensiven Zuspruch von anderen Jugendlichen aus dem Kiez. Allgemein war auch bei den Verteilaktionen auffällig, dass es eher die angestammte Kiezbevölkerung, Arme, Arbeiter und Migranten waren, die uns zustimmten und positives Feedback gaben, während Yuppies und Hipster in absoluter Mehrheit zu Ablehnung tendierten.

Insgesamt waren laut diversen Presseberichten Pöbeleien, Zerstörungen von Wahlmaterialen bis hin zu direkten Angriffen in diesem Jahr besonders weit verbreitet, was den großen Unmut der Massen und die Bereitschaft zum Widerstand gegen die herrschende Politik verdeutlicht.

Unter den zentralen Parolen „Geht nicht wählen – Keine Stimme dem Ausbeutersystem“, „Boykottiert die Wahlen der Bonzen“ und „Organisiert euch und kämpft“ eröffneten wir basierend auf diesen Erfahrungen unsere Kampagne gegen das Schmierentheater der Berliner Abgeordnetenhauswahlen. Mit einer politischen Erklärung denunzierten wir die Wahlen als nichts verändernden Legitimationszirkus der Herrschenden, mit dem Ziel die Massen zu betäuben und ans Parlament zu fesseln, riefen dazu auf sich mit den ärmsten und am meisten ausgebeuteten Teilen des Volkes, speziell der Jugend, in ihrem Hass auf diese Propagandashow zu vereinen und der Wahl einen aktiven Boykott entgegenzusetzen.

In der politisch-ideologischen Auseinandersetzung mit dem aktiven Wahlboykott als korrekter Taktik für Kommunisten und Revolutionäre in der heutigen Zeit, konnten wir in unseren eigenen Reihen mehr Klarheit in dieser wichtigen Frage schaffen und einige revisionistische Standpunkte zerschlagen.

Aktionistische Schwerpunkte der Kampagne waren vor allem Neukölln, daneben Wedding und Kreuzberg, aber auch darüber hinaus gab es (Gegen-)Propaganda im Osten und Westen der Stadt. Viele tausende Plakate und Aufkleber schmückten die Straßen und die Wahlpropaganda der Bonzen und verhalfen damit in Ansätzen den bedeutenden Teilen des Volkes, die keine Illusionen in ihre Wahlen, keinen Glauben auf Veränderung durch sie, kein Bock mehr auf ihre Lügen haben, zu ihrem demokratischen Recht, diese Positionen zum Ausdruck zu bringen. Das fand einiges an Zuspruch. Durch die Verteilung der Materialien an Freunde, Sympathisanten und Genossen anderer Organisationen, konnte die Breite der Kampagne noch einmal erweitert werden.

Als kulturellen Beitrag haben wir auch einen kurzen Raptrack mit Musikvideo, der unsere Positionen komprimiert wiedergibt und zum Wahlboykott aufrief, veröffentlicht. Daneben tauchten Stencils, Grafitti und Taggs gegen die Wahlen auf und es gab die oben erwähnten Verteilaktionen unseres Massenflugblatts auf den Straßen.

Außerdem wurden am Hermannplatz und am S-Bahnhof Neukölln Blitzkundgebungen mit Transparent, Megaphon, kurzer Rede und Flugblattverteilung durchgeführt.

Im Rahmen des reaktionären „Wahlkampfes“ kam auch die aus Faschisten, Staatsschutzagenten und Lumpen bestehende NPD zur Provokation zum Einsatz. Durch die Gegenmobilisierung kapitulierten die Faschisten allerdings ein weiteres Mal vor der Neuköllner Bevölkerung und versuchten erst gar nicht, ihre Kundgebung am Hermannplatz wirklich durchzuführen. Und auch an der Lipschitzallee im Süden des Bezirkes Neukölln schallte ihnen „Rote Armee und Stalins Partisanen haben die Naziwehrmacht zerschlagen!“ entgegen.

Gerade von Seiten der antifaschistischen Szene gab es gute, kämpferische und kreative Aktionen gegen verschiedene ultrareaktionäre und offen faschistische Wahlwerbung, allerdings wurden die Propaganda der herrschenden Lügner, Mörder und Volksfeinde meist unbeschadet gelassen, was der Sache einen äußerst faden Beigeschmack gibt und von einem grundlegend falschen Verständnis der liberal-demokratischen Herrschaftsmaske der Bourgeoisie zeugt.

Von Seiten genuiner anarchistischer Kräfte gab es einiges an militanten Aktionen und auch auf einigen Demonstrationen aus diesem Spektrum wurde offensiv gegen das Wahlspektakel vorgegangen, so auch gegen die halbantideutsche Sekte „ÖkolinX“, die sich dreist als „Wahlplattform der Bewegung“ zu inszenieren versuchte.

Der Trennungsstrich – Hater, Gegner, Feinde

„Wenn wir vom Feind bekämpft werden; dann ist das gut; denn es ist ein Beweis, daß wir zwischen uns und dem Feind einen klaren Trennungsstrich gezogen haben. Wenn uns der Feind energisch entgegentritt, uns in den schwärzesten Farben malt und gar nichts bei uns gelten läßt, dann ist das noch besser; denn es zeugt davon, daß wir nicht nur zwischen uns und dem Feind eine klare Trennungslinie gezogen haben, sondern daß unsere Arbeit auch glänzende Erfolge gezeitigt hat.“ sagte der Vorsitzende Mao.

Es ist uns mit dem aktiven Wahlboykott gut gelungen, diesen klaren Trennungsstrich zwischen uns und dem Feind zu ziehen – zwischen der klassenbewussten, proletarischen Jugend und ihren Organisationen, allen wirklichen Gegnern des Imperialismus, sowie den Teilen des Volkes ohne parlamentarische Illusionen auf der einen, und allen bürgerlichen Parteien, allen Verteidigern des imperialistischen Ausbeutersystems, einschließlich des Revisionismus, auf der anderen Seite.

Die Vertreter der Parteien des Ausbeutersystems reagierten auf den Wahlboykott sehr aggressiv. Es gab wüste Beschimpfungen, Gewalt- und Todesdrohungen durch übermotivierte Liberale und zugekokste SPD-Mitglieder (laut Eigenaussage „mit Nahkampfausbildung“) bis hin zu Angriffskriegsdrohungen durch Grünenanhänger gegen die USA im Falle eines Trump-Sieges, und auf den Vorwurf, für „Armut und Kriegseinsätze“ zu stehen, konterten Sozialdemokratinnen schlagfertig: „Wir machen wenigstens etwas!“. Auf der anderen Seite bekamen die Anhänger der Systemparteien, gerade ihrer Jugendorganisationen, die sonst noch jeden Angriff auf die Lebensverhältnisse unserer Klasse, jede imperialistische Gewaltaktion zu verteidigen und mit „realpolitischen Notwendigkeiten“ zu rechtfertigen wissen, es hin, sich als bemitleidenswerte, völlig harmlose, pazifistische Daueropfer zu präsentieren, ganz so als hätten ihre Parteien nicht Afghanistan und Jugoslawien verbrochen, als wäre das System, welches sie repräsentieren, nicht der größte Massenmörder aller Zeiten.

So zwitscherten junge Grüne in sozialen Medien: „Diese Jugendwiderstandsleute […] drohten gerade mich abzustechen. […]´Wenn du d. Aufkleber abmachst steche ich Dir mit d. Messer ins Gesicht.´ […] Widerliche Rechte“ und JuSos erwiderten „Wurden von denen bedroht. Polizei weiß über die Gruppierung Bescheid. Auch viele SPD-Plakate betroffen.“ JuSos, die sonst gerne „gegen Deutschland raven“ waren plötzlich mit der deutschen Polizei auf der Suche nach bösen roten Plakatklebern, die damit ihren bürgerlichen Wahlzirkus kommentierten. Lokale Spitzenkandidaten der Grünen wie Georg Kössler beschwerten sich online über den Wahlboykott und bettelten um Mitleid und Aufmerksamkeit, während das Linkspartei-Abgeordnetenhausmitglied Höffinghof betonte, wie viele Jugendwiderstand-Aufkleber er so abreiße und zu Anzeigen riet.

Zum Schluss

In unserem imperialistischen Staat BRD regiert das Monopolkapital, egal mit welcher Partei an der Spitze – sie sind nur Instrumente der Klassenherrschaft der Bourgeoisie: austausch- und ersetzbar.

Das moralische Dauermantra unbedingt „wegen der AfD!“ wählen gehen zu müssen, ist demensprechend Blödsinn. Es soll die Massen vom wirklichen antifaschistischen Kampf abbringen, sie ans System fesseln, ihre Passivität fördern und verharmlost nebenbei, all die bluttriefenden Parteien, die mit ihrer imperialistischen Politik der Ausbeutung, Unterdrückung, Hetze, Kriegstreiberei und Völkermord die Basis für Faschismus legen.

Auch wenn es den Herrschenden mit immensem Aufwand – speziell durch die AfD – wie zu erwarten gelang, die Wahlbeteiligung leicht nach oben zu drücken, sank sie im Umfeld bestimmter Wahllokale in Arbeitervierteln Berlins auch weiter, teilweise bis in den 20er % Bereich.

Die allgemeinen Bedingungen für revolutionäre Politik gegen dieses System sind da. Die Revolutionäre müssen ihre Aufgaben erfüllen, mit den ärmsten Teilen der Massen leben, arbeiten und kämpfen und den Hass auf dieses System organisieren. Der aktive Wahlboykott gegen alle bürgerlichen Parteien ist dabei ein effektives und korrektes Agitationsmittel. Es wäre ein Verbrechen gegen das internationale Proletariat und die Völker der Welt, zu versuchen, die Leute die ihren Glauben in dieses kaputte System verloren haben, in irgendeiner Form wieder zu den bürgerlichen Wahlen zu mobilisieren.

Auf den jetzt gesammelten Erfahrungen werden wir als Jugendwiderstand zusammen mit anderen Kräften in Zukunft – gerade auch überregional im Hinblick auf die anstehenden Bundestagswahlen 2017 – aufbauen, den aktiven Wahlboykott massiv stärken und ausbauen, offensiver werden und mehr Massen einbeziehen. Es gibt nur eine Perspektive, der Blick auf die revolutionäre Geschichte und Gegenwart unserer internationalen Klasse lohnt sich.

„Welche Maske auch regiert, es bleibt im Grunde doch gleich
warte nicht auf Wunder, jetzt ist unsere Zeit – wir sind bereit!
denn die Geschichte unserer Klasse zeigt, dass kämpfen sich lohnt
wir haben nur eine Wahl: Revolution!“
Taktikka

Geht nicht wählen – wehrt euch und kämpft!
Die Jugend ist die Zukunft. Die Zukunft ist der Sozialismus!

Jugendwiderstand
September 2016

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Ergänzungen

es ist problematisch die nichtwähler irgendwem zuzuordnen.da man die gründe der nicht wahl nicht kennt.dadurch können gefahren unterschätzt und potentialle nicht genutzt werden.man sollte die nichtwähler respektieren in ihrer entscheidung nicht teil zu nehmen

man kann aber die nicht wähler mitzählen und dann kann man zu beispiel die afd fragen warum sie von 90,6% nicht gewählt wurden in berlin wenn sie das volk sind.denn die 14,? % in berlin sind ohne die nicht wähler.

also der umgedrehte ansatz die parteien zu fragen warum so viele sie nicht wählen ist besser als die nichtwähler für sich in anspruch zu nehmen,was eine offensichtliche lüge ist und kein vertrauen schafft.damit wollte ich diesen artikel hier nicht angreifen der zum teil wohl begründet ist sondern nur eine allgemeine richtung für den umgang mit den nichtwählern vorschlagen die bei mir bei der kommunalwahl 50% waren