Wähle Niemand! Selbstorganisation statt Wahlspektakel

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Niemand vertritt deine Interessen! Wählen Niemand!

Wieder werden unsere Straßen mit hässlichen Plakaten verschandelt. Diesmal wollen sie uns keinen neuen Handyvertrag oder Fernseher andrehen. Nein, all diese aufdringlich grinsenden Gesichter werben dafür, unsere Stimme bei der Kommunalwahl an sie zu verlieren. Wir haben nur eine Antwort für sie: Wir brauchen euch nicht!

  • Herrschaft des Kapitals

 "Lass dich niemals täuschen, dass die Reichen dir erlauben werden ihren Reichtum abzuwählen."
 - Lucy Parsons (1851 - 1942), Anarchafeministin

Der Hauptzweck des staatlichen Handelns ist es, die Gewinnaussichten der Unternehmen zu verbessern.
Um ihrem Herrschaftsprojekt höhere Weihen zu verleihen, betonen Politiker*innen und Journalist*innen jedoch gern, dass es bei dem staatlichen Handeln nicht nur um schnöde Profitinteressen gehe, sondern um „gemeinsame demokratische Werte“. Diese „Werte“ haben aber für die meisten im Hamsterrad von Lohnarbeit und Konsum gefangenen Bevölkerung im Alltag kaum Bedeutung. Endgültig als Lüge entlarvt werden sie angesichts der unzähligen Toten, die das Grenzregime der „Festung Europa“ alljährlich verursacht, und die auch hier in NRW Konzerne wie RWE oder Thyssen Krupp unterstützen.
Weil der konzern-zentrierte Charakter des Staates allzu offensichtlich ist, hat die Beliebtheit in letzter Zeit stark abgenommen. Dies gibt sogenannten „populistischen“ Kräften Auftrieb, die behaupten – anders als die „etablierten Parteien" – wirklich die Interessen des Volkes (populus) zu vertreten.

  • Der Staat als universeller Heilsbringer

Sehr weit verbreitet - bis in die Tiefen des Linksradikalen Milieus - ist der Irrglaube, dass der Staat angeführt von einer linken Regierung uns befreien könnte. Und wir nur "die Richtigen" zu wählen bräuchten, um endlich das gute Leben für alle zu erreichen. Außer Acht gelassen werden dabei die systematischen Zwänge, die Regierungen dazu bringen so zu handeln und zu regieren.
Wenn wir eine Bewegung aufbauen wollen, die sich wirklich in Richtung Freiheit bewegt, ist es notwendig, dass wir genau dieses System, das die Zwänge erst herstellt, überwinden. Wir sollten aufhören, daran zu glauben und zu propagieren, dass uns Wählen zu gehen irgendwie weiterbringt und anfangen neue Alternativen aufzubauen. 
Der Staat und jede Form der Regierung wird uns nicht befreien, sondern uns und andere immer in Knechtschaft leben lassen.

  •  Wählen fürs Vaterland

Rechte Populist*innen wollen die alten Nationalstaaten stärken und so den Bürger*innen ihr Mitbestimmungsrecht zurückgeben. Die Rechten träumen von einem Idyll, das es nie gab: Glauben sie im Ernst daran, dass die Geschicke der europäischen Staaten früher von einfachen Angestellten und Fabrikarbeiter*innen bestimmt wurden und nicht von den Interessen von Thyssen, RWE oder der Deutschen Bank? Die parlamentarische Demokratie und ihre Nationalstaaten waren nie etwas anderes als die Herrschaft der besitzenden Klasse, deren verschiedene Fraktionen um die Wählergunst konkurrieren.
Hauptthema der Rechten ist nach wie vor die Migration: Sie versprechen, der einheimischen Bevölkerung ihrer Länder zu  helfen, indem sie die Grenzen für Geflüchtete schließen und Migrant*innen weitere Rechte entziehen. Dieses Programm wird den zum Abschuss freigegebenen Minderheiten real schaden, den einheimischen Lohnabhängigen oder Arbeitslosen jedoch nichts nützen. Es freut nur die Besitzenden, wenn wir uns in der Konkurrenz um Jobs oder Wohnungen gegeneinander aufhetzen lassen. So können sie sich sicher sein, dass kein gemeinsamer Widerstand gegen die Verhältnisse aufkommt, die uns erst in diese verfluchte Konkurrenzsituation bringen. Das ist eine besonders hässliche Variante der weltweit herrschenden kapitalistischen Verhältnisse.

  • Wählen für einen sozialen Staat

Die linkspopulistischen Parteien wollen uns mithilfe des Staates vor den negativen Auswirkungen des globalen Kapitalismus schützen. Sie träumen von einem „sozialen Staat“ in dem „große Unternehmen und Reiche“ sich nicht mehr "vor der Finanzierung des Gemeinwohls drücken können“. Die Kapitalist*innen müssen also keine Angst haben. Die Linken wollen sie nicht enteignen – es reicht schon, wenn sie uns ein paar Krümel von dem Reichtum zurückgeben, den wir für ihre Profite erwirtschaftet haben!
Und in der Praxis ist es mit diesen Krümeln auch meist nicht weit her: Wer die Reichen melken will, muss dafür sorgen, dass sie auch weiterhin reich bleiben, also unsere Arbeit profitabel ausbeuten können. Nichts zeigt dies besser als das Beispiel des griechischen Linkspolitikers Alexis Tsipras, der 2015 großspurig angekündigt hatte, die Spardiktate der EU zu beenden, unter denen die griechische Bevölkerung litt. Nach seiner Wahl setzte er eben jene Sparprogramme wirksamer durch als die konservative Regierung zuvor. Auch der linke Populismus ist keine Alternative. Er sorgt dafür, dass aufkommende Unzufriedenheit mit den Verhältnissen in für die Herrschenden ungefährliche Bahnen gelenkt wird. So bleiben die Interessen der Unternehmen auch in Krisenzeiten gewahrt.

  • Für eine weltweite Bewegung gegen Staat und Kapital!

Wir brauchen keine „bürgernahen Politiker*innen" oder „echte Volksvertreter*innen". Niemand kann unsere Interessen besser vertreten als wir selbst! Unsere Perspektive ist die Selbstorganisation: Ob es um miserable Arbeitsbedingungen, steigende Mieten oder die Bedrohung durch Faschist*innen geht – wir dürfen uns nicht auf irgendwelche Stellvertreter*innen verlassen, sondern müssen uns mit anderen Betroffenen zusammenschließen und gemeinsam für unsere Interessen kämpfen. Unsere Perspektive ist die Selbstorganisation: Welche Partei wir wählen spielt letztendlich keine Rolle, sondern Kollektivierung von Wohnraum, Erkämpfung von Räumen für Kultur und Soziales, Besetzungen wie im Hambacher Forst oder Streiks wie zum internationalen feministischen Kampftag am 8. März machen den Unterschied.
Unser letztendliches Ziel ist die Abschaffung des Eigentums, des Staates und jeglicher Herrschaft. Wir setzen uns für eine Gesellschaft ein, die auf freien Vereinigungen von Gleichen beruht und die Produktion gründlich umgestaltet, sodass sie den Bedürfnissen der Menschen dient und die Natur nicht länger zerstört. Eine diesen Ideen verpflichtete Bewegung ist zwar noch klein und scheinbar unbedeutend, nimmt aber zur Zeit an Fahrt auf. Das ist ein Grund, um jetzt richtig loszulegen. Die bestehende Ordnung ist unverkennbar in der Krise; immer mehr Menschen wenden sich angewidert vom Spektakel der parlamentarischen Demokratie ab und suchen nach Auswegen. Wenn sie keine freiheitlichen Antworten finden, so werden es Faschist*innen und andere Autoritäre sein, denen sie zuhören und die von der Situation profitieren. Es steht viel auf dem Spiel – nehmen wir die Herausforderung an!

"Wenn Wahlen irgendetwas verändern würden, wären sie illegal."
- Emma Goldman (1869 - 1940), Anarchafeministin

Wähle Niemand, im September, 2020

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