(H) Protest mit Abstand – Gegen Rassismus, Protestverbot, Corona-Repression und mehr

 

Am 11.04 haben sich ab 14.00 Uhr auf der Limmerstraße in Hannover-Linden (Höhe Straßenbahnstation Leinaustraße) Menschen zum Protest eingefunden.

++++++++++++ etwa 70 Personen +++++++ unangemeldet ++++++++ Transparente, Schilder ++++++ Verkehr blockiert ++++++++ Atemmasken, Sonnenbrillen, alle halten Abstand außer die Bullen ++++++++Fyler und zu leiser Redebeitrag aus der Box +++++++ viel Aufmerksamkeit durch Passant*innen ++++++ agressive Bullen mit Hund ++++++++ 13 Identitätsfeststellungen +++++++++++++ die meisten konnten einfach abhauen ++++++++++

 

 

 

Nachdem erste Zweiergrüppchen mit Schildern, Masken und Abstand durch die Fußgängerzone liefen, kamen schnell aus den Seitenstraßen weitere dazu. Auch neugierige Passant*innen blieben stehen. Schnell waren es über 70 Menschen, die in der Mitte der Fußgängerzone, allein oder zu zweit, mit Abstand untereinander Schilder und Transparente zeigten und Parolen wie „say it loud, say it clear, trotz Corona sind wir hier“ riefen. Die meisten trugen kreativ gestaltete Schutzmasken.

Aus einer kleinen Box war ein Redebeitrag; „Rassistischer Mord in Celle? Rassismus tötet!“ zu hören, der auch auf Flyern an Passant*innen verteilt wurde.Am Dienstag, den 07. April, wurde der 15-jährige Arkan Hussein Khalaf in Celle erstochen. Der 29jährige weiß deutsche Täter wird als verwirrt dargestellt. Laut Medienberichten steht er rechten Verschwörungstheorien nahe. Von einem rassistischen Motiv ist daher auszugehen. [https://de.indymedia.org/node/76746] 

Es gab auch noch weitere Flyer.. Einer zur Corona-Situation, der in den letzten Wochen auch als Wanzeitung an verschiedenen Orten der Stadt auftauchte, hängt hier als pdf an.

Auf den Transparenten und Schildern wurden Rassismus und die Situation von Geflüchteten in Lagern thematisiert: z.B. „Rassismus tötet – auch jetzt“, „Hier ist Platz – Lager sofort evakuieren“ und „Für echte Solidarität – Grenzen auf“.

 Darüber hinaus waren Parolen zu weiteren Themen zu lesen: „Profite, Grenzen, Armut tötet“, „Die Häuser denen, die drin wohnen“, oder „Alles für Alle“. Weitere gingen direkt auf die aktuelle Corona-Situation ein: „Totale Überwachung verhindern – Gegen Bullenstaat und Denunziantentum – Für die soziale Revolte“, „Viren töten, Grenzen töten, Bullen töten“ und „Was hilft gegen ein Virus? - Hände waschen? – Bundeswehr? – Gesetze verschärfen? – Überwachung? – Grundrechte aussetzen?“. Einige sangen „Say it loud, say it clear, refugees are welcome here“.

Wegen der verstreut stehenden Menschen konnten Busse und Bahnen nicht weiterfahren. Nach etwa 10 Minuten tauchte der erste Streifenwagen auf. Die zwei Polizist*innen fragten zuerst etwas verwirrt nach einer Versammlungsleitung, bevor sie sich auf eine Person stürzten, die sich von den Protestierenden entfernte. Auch wenn fast alle Protestierenden mit Schutzmasken und Schlauchschals „vermummt“, bzw. geschützt waren, schien es so, als ob sie nach ihren gelernten Mustern auf die Person stürzten, die eher „klassisch“ mit schwarzem Tuch, Sonnenbrille und Kapuzenpullover gekleidet war.

Die festgenommene Person wurde mehrfach gewaltvoll zu Boden gebracht und mit schmerzhaften Griffen fixiert. Um die schnell in einer Seitenstraße isolierte Person bildete sich eine kleine Traube von Protestierenden und aufgebrachten Passant*innen. Die Bullen holten einen nervösen, dauerkläffenden Polizeihund dazu. Nach längerem Hin und Her und der Aufnahme der Personalien wurde die festgesetzte Person später wieder freigelassen.

Die meisten Protestierenden blieben in der Mitte der Fußgängerzone. In den folgenden fünf Minuten, bis 14:15, wurden es schnell mehr Streifenwagen, Wannen der Bereitschaftspolizei (BFE) und ein Lautsprecherwagen der Bullen. Eine Gruppe der Protestierenden, sowie zwei solidarische Einkäufer*innen, wurden auf den Straßenbahnschienen gekesselt und von den Bullen eng zusammengeschoben. Ein Großteil der weiteren Protestierenden verstreute sich, oder blieb mit sicherem Abstand in der Nähe, um die Situation zu beobachten.

Gegen 14:30 verließen die 13 Personen im Kessel nach mehreren Ansagen aus dem Bullen-Lauti die Straßenbahnschienen. Manche bewegten sich selbstbestimmt, andere wurden von den Bullen geschubst und geschoben. Einige fielen dabei zu Boden. Innerhalb des Kessels standen die 13 Personen von den Bullen dicht zusammengedrängt. Auf die Aufforderung der Gekesselten an die Bullen, die Sicherheitsabstände einzuhalten, reagierten diese mit Drohungen und Schubsen. Keiner der eng zusammenstehenden Bullen trug eine Gesichtsmaske – die wenigsten Handschuhe.

Viele Passant*innen blieben stehen und schauten sich den Bullenaufmarsch und das von ihnen provozierte Gedränge an - zum Teil mit verächtlichen Blicken und Kommentaren.

Mit weiteren Lautsprecherdurchsagen der Bullen wurden auch die umstehenden Passant*innen und solidarischen Menschen aufgefordert, sich zu entfernen und es wurde damit gedroht, sonst auch bei ihnen die Personalien wegen Verstößen gegen das Infektionsschutzgesetz aufzunehmen. Die Einzigen, die zu diesem Zeitpunkt die Sicherheitsabstände nicht einhielten, waren die kesselnden Bullen und die von ihnen umstellten Menschen. Die Personen im Kessel wurden einzeln an die Seite geführt, ihre Personalien wurden festgestellt und die Meisten mussten „zur Identifikation“ die Schutzmasken abnehmen. Nachdem ihnen wegen Verstoß gegen das Infektionsschutzgesetz ein Platzverweis bis 22:00 Uhr ausgesprochen wurde, konnten die Personen den Kessel verlassen. Kurz vor 15:00 Uhr war die letzte Person wieder frei. Während sich die dicht gedrängte Horde Bullen langsam lichtete, mussten sie sich verächtliche Kommentare und Pöbeleien von einigen Passant*innen gefallen lassen. Kurz nach 15:00 hatte sich auch die Bullenmeute, bis auf zwei Streifenwagen und einen Laustprecherwagen, wieder aufgelöst.

Dieser Bericht soll euch einen Einblick geben, wie Protest unter Sonderverfügungen und Kontaktverbot ablaufen kann. Auch für uns war das ein Versuch mit ungewissem Ausgang. Wir rufen euch dazu auf, selbst zu experimentieren und eure Erfahrungen zu teilen. Möglicherweise können in Zukunft mobilere und weniger statische Protestformen das schnelle Kesseln und damit verbundene Identitätsfeststellungen umgehen.

 

 

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Ergänzungen

fette props, leute!

aber der link zu dem beitrag zum rassistischen mord in celle funktioniert nicht.. vielleicht klappts hiermit:

https://de.indymedia.org/node/76746

Wir haben die letzten Nächte und die Menschenleere der Stadt genutzt um dieses Thema und unsere Solidarität mit geflüchteten Menschen per Farbe in die Öffentlichkeit zu tranportieren. 

Wir grüßen Euch aus dem Süden unserer Republik mit solidarischen Grüßen