Athen: Über 10.000 auf Anarcho Demo # Gas und Misshandlungen in Exarchia

Hier mal ein kleiner Bericht vom Wochenende aus Athen, wo einiges los war. Dort endete zum einen ein Ultimatum der Regierung, wonach alle ALLE Hausbesetzer bis zum 5.12. die Häuser räumen sollten, außerdem war am 6.12. der Jahrestag zum Tot von Alexis, der 2008 im Alter von 15 Jahren in Exarchia von einem Cop erschossen wurde.

Los ging es also am Donnerstag, dem 5.12. mit einer ca. 3000 Leute starken Demo, alle in schwarz, viele vermummt, Helme, Holzknüppel, Gasmasken, das übliche Programm. Die Demo zog eine Runde durch die nördliche Innenstadt mit sehr lauten Rufen, unter anderem „Ganz Griechenland hasst die Polizei“ oder „Krieg dem Krieg“, als Synonym dafür, dass wir uns längst in einem Kriegszustand befinden, der nur noch militant beantwortet werden kann. Die Demo zog am Parlament vorbei, da standen 63 Riot-Cops mit Gasmasken relativ gelangweilt herum, und es wäre für die Demo ein Leichtes gewesen, für einigen Ärger zu sorgen. Aber die Demo blieb friedlich, zog nach Exarchia weiter und löste sich dort einfach auf. Parallel zur Demo haben einige Leute eine nette Antwort auf das Ultimatum vorbereitet: Anstatt wie gefordert alle Häuser zu räumen (alleine im Großraum Athen wären das mindestens 46) wurden 15 Häuser symbolisch neu besetzt, also für jeden Ultimatumtag eins. Es wurden Transparente angebracht und auf die Situation des Leerstands aufmerksam gemacht, als Hinweis vor allem an Migranten, diese Gebäude zu nutzen, mit Unterstützung durch die Szene. Sowohl die Demonstration als auch die „Hausbefreiung“ wurde von den Mainstream-Medien totgeschwiegen, weshalb von der Bevölkerung kaum jemand etwas mitbekommen hat. (Im Großraum Athen stehen derzeit übrigens unzählige Gebäude leer!)

Am Freitagmittag versammelten sich dann überwiegend Studenten auf der Gedenkdemonstration zum Tot von Alexis, ebenfalls ca. 3000 Leute und alles blieb friedlich und auch die Cops hielten sich deutlich zurück. Es war unverkennbar, dass größere Versammlungen nicht eskaliert werden sollten, vermutlich, weil die Regierung derzeit stark unter Erfolgsdruck steht und sich keinen größeren Ärger erlauben kann.

Am Freitagabend erfolgte dann die große #Alexis#Memorial#ACAB#Anarcho#Demo mit deutlich über 10.000 Teilnehmern, fast alle in schwarz oder dunkel, viele Vermummte, Helme, Stöcke, Gasmasken, Laserpointer usw. Diesmal waren auch auffällig viele Demo-RyanJet-Touristen, u.a. aus Berlin anwesend, sichtlich irritiert von der anderen Demonstrationskultur, eine Diskussion drehte sich z.B. darum, warum es denn hier keinen "Lauti" gibt. Naja. Dafür gab es wohl dann auch den Ruf "Touristen verpisst euch, das hier ist ein Kriegsgebiet!". Die Stadiou-Straße von Omonia bis zum Syntagma, 1km lang und 20m breit, war nahezu komplett gefüllt und die Leute hätten auch gut den Sytagma-Platz ausfüllen können, was ein sehr medienwirksames Bild abgegeben hätte. OK, griechische Anarchisten scheißen auf die Medien, vermutlich deswegen ist der Zug dann auch einfach ca. 40 Minuten lang am Parlament vorbei gezogen, wo sich etwa 300 Cops in Kampfbereitschaft positioniert hatten. Warum es dort nicht zum großen Schlagabtausch gekommen ist, bleibt mir schleierhaft, aber offensichtlich hatten beide Seiten kein Interesse an einer Konfrontation an dieser Stelle. Stattdessen ging es weiter Richtung Exarchia, und einige wenige Leute begannen damit, Bushaltestellen und Werbetafeln zu zerlegen, Farbbeutel auf Banken zu werfen, Müllhaufen anzuzünden, im Großen und Ganzen also nichts Spektakuläres und ziemlich Ziellos. Kurz vor Exarchia löste sich die Demo dann auf und mehrere Hundert zogen weiter in den Kiez, wo sie Minuten später auf die dort wartenden MAT-Cops trafen. Es flogen Steine, sehr wenige Mollies, MAT schoss Tränengas und es gab um die 20 brutale Festnahmen inkl. Misshandlung, alles Unbeteiligte, die Videos dazu sind unten verlinkt. Offensichtlich hatten die MATs null Motivation, sich mit tatsächlichen Kämpfern anzulegen, zu viel Stress und Risiko. Unterstützt wurde die MAT durch 2 Dronen und einen Hubschrauber, die permanent die Lage aus der Luft überwachten, wodurch keine Verteidigung des Viertels von den Dächern möglich war, so wie früher üblich, außerdem wussten die MAT jederzeit den Standpunkt von Kämpfern und Kleingruppen. Nach ca. 2 Stunden war der Spuk vorbei. In der Nacht wurden in anderen Stadtteilen noch mindestens 15 Autos angezündet, Scheiben eingeworfen, Parolen gesprüht.

Fazit: Viele Leute, friedliche Demos, vor allem im Vergleich zu früheren Jahren, merkwürdige Stimmung die auf mich eher ziellos und evtl. sogar apathisch gewirkt hat. Möglicherweise war das so gewollt und sollte eine noch gutgemeinte ultimative Warnung an die Regierung sein, möglicherweise war das aber auch einfach ein Ausdruck von Ziel- und Organisationslosigkeit oder mangelnder Kampfbereitschaft. Oder ein Mix aus allem. Von Genossen habe ich dazu unterschiedliche Meinungen gehört.

Anzumerken ist noch, dass auch in anderen griechischen Städten tausende Menschen auf die Straßen gingen, in Patras und Saloniki gab es ebenfalls Ausschreitungen. Ein kleiner bemerkendwerter Zwischenfall ereignete sich bereits am Dienstag, als in Exarchia eine Polizeidrone abstürzte. Die Medien berichteten von einer angeblichen Panne, daran gibt es aber erhebliche Zweifel. Das Gerücht geht um, dass Aktivisten mit Störsendern experimentiert haben. Anarchistische Lufthoheit über Exarchia wäre in jedem Fall essentiell für die künftige Verteidigung :-)

Fideos von Polizeigewalt in Exarchia:

https://twitter.com/i/status/1203071437780717569

https://twitter.com/i/status/1203290349847924737

https://www.zougla.gr/greece/article/ksilo-ke-silipsis-stous-dromous-ton...

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Ergänzungen

Es gab in der Nacht unter anderem auch noch gezielte Attacken auf 30 Ziele in 15 Stadtteilen, falls jemanden details interssieren auf Griechisch: https://athens.indymedia.org/post/1601751/

Außerdem sind alle Verhafteten aus Exarchia wieder frei.

 

Am Abend des 5.12 wurde ein Genosse aus Belgien festgenommen, der zufällig wegen seines Aussehens kontrolliert wurde und Grillkohleanzünder dabei hatte: https://de.indymedia.org/node/52215

 

Heutzutage sitzt man eben lieber auf der Couch und unterschreibt bestenfalls noch eine Petitiion.

Zu Exarchia gibt es gleich zwei, eine allgemein gegen Polizeigewalt  https://t.co/EeDV0AFRhq

und eine etwas umfassender, sogar auf Deutsch chng.it/xw4kdmfGhg        

 

 

Ich würde ja gerne an Indymedia spenden, aber leider habt ihr im Jahre 2020 noch immer nur einen deutsches Bankkonto ;-/ Gut, da kann ich gleich meinen Namen mit Anschrift unter das nächste Bekennerschreiben setzen. Wie sieht es mit Krypto, Paypal etc. aus??