„Kaufmich“ lässt nicht mehr verkaufen

Zusammenfassung und Ergänzung zweier (*) Berichte bei labournet.de:

Die Seite kaufmich.com ist eines der größten deutschsprachigen Portale für sexuelle Dienstleistungen. Dort bieten Sexarbeiterinnen, die in der Bundesrepublik, Österreich und/oder der Schweiz arbeiten, ihre Dienste an.

Die Seite erweckt in ihrer Selbstbeschreibung fast den Eindruck, sie sei nicht eingerichtet worden, um an der Sexarbeit mitzuverdienen, sondern aus mildtätigen Beweggründen gegenüber den Sexarbeiterinnen. Seit einigen Tagen herrscht aber schlechte Stimmung in der „Gemeinschaft“. Viele der Sexarbeiterinnen, die dort Profile haben, sind über den Seitenbetreiber empört.

Die Seite erweckt in ihrer Selbstbeschreibung fast den Eindruck, sie sei nicht eingerichtet worden, um an der Sexarbeit mitzuverdienen, sondern aus mildtätigen Beweggründen gegenüber den Sexarbeiterinnen: „Unser Credo ist es, das Image dieser besonderen Profession zu verbessern, indem wir deutlich machen, dass selbstbestimmte Entscheidungen die Grundlage dieser persönlichen Dienstleistung sind, genauso wie gegenseitiger Respekt und Wertschätzung.“ (1) Die ganze Seite wird als „Community“ dargestellt: „Verständnis ist für uns die Basis einer funktionierenden Community, mit zufriedenen Dienstleistern und eben solchen Kunden. Dazu gehören einerseits fundierte Branchenkenntnisse, aber vor allem ein enger Draht zur Community selbst mit einem offenen Ohr für die Belange aller Mitglieder.“ (2)

Seit einigen Tagen herrscht aber schlechte Stimmung in der „Gemeinschaft“. Viele der Sexarbeiterinnen, die dort Profile haben, sind über den Seitenbetreiber empört.

Hilflos gegenüber einer Spam-Flut mit Werbung für unsafem Sex

Grund ist zum einen, dass sich der Seitenbetreiber schon seit längerer Zeit als hilflos gegenüber Spamattacken erweist. Das Portal zeichnet sich unter anderem dadurch aus, dass dort so genannte „Erfahrungsberichte“ gepostet werden können. Die Sexarbeiterinnen können die Kunden bewerten und umgekehrt – sowohl im Hinblick darauf, dass vereinbarte Termine nicht eingehalten wurden (was kundenseitig oft vorkommt) als auch im Hinblick auf Zahlungsmoral/Honorar-Prellung als auch bezüglich Ablauf der Treffen (Qualität der Dienstleistung und Verhalten der Kunden).

Die Möglichkeit, diese Erfahrungsberichte zu posten, wird nun schon seit Wochen genutzt, um immer wieder Spam zu posten, mit dem insbesondere für so genannte „AO“-Seiten geworben wird. „AO“-Seiten (AO = alles ohne [Kondom/Schutz]) sind Internet-Seiten, auf denen unsafer heterosexueller Penetrationssex angeboten wird. Kaufmich selbst hat offiziell folgende Policy: „Kaufmich propagiert Safer Sex und untersagt das Angebot und die Nachfrage nach ungeschütztem Verkehr. Dies umfasst GV und AV, Profile, die dies anbieten werden gesperrt. Escorts, die das 100% Safer Sex-Abzeichen auf ihrem Profil haben, bieten auch OV ausschließlich geschützt an. Mitglieder, die diese dennoch nach ungeschütztem Verkehr fragen, werden verwarnt.“ (3)

Trotzdem ist Kaufmich seit Wochen nicht in der Lage, den sog. AO-Spam wirksam zu unterbinden. Insbesondere um Wochenende herum kann es vorkommen, dass die tatsächlichen Erfahrungsberichte unter Unmengen von AO-Werbung untergehen. Entsprechend empört sind einige der von den Spamattacken betroffenen Sexarbeiterinnen.

Eine Sexarbeiterin, die das „100 % Safer Sex“-Logo in ihrem Profil hat, schreibt: „Ist ja widerlich und unverschämt zugleich, ausgerechnet auf meinem Profil, Werbung für AO zu machen! […]. Was geht denn hier ab bitte? Jetzt bin ich tatsächlich wütend! So eine ekelerregende Masche! Kotz! :-( :-( :-(“ (4)

Eine andere Sexdienstleisterin schreibt: „Ich bin hier nur noch am SPERREN der AO Werbung und 50 Euro Sex Flates, die unsere Erfahrungsberichte verschandeln. Am Wochenende ist es ganz besonders heftig!! Land unter sozusagen!! Alleine gestern und heute habe ich sage und schreibe weit über 140 von diesen widerlichen Anzeigen geblockt. Das artet mittlerweile richtig in Arbeit aus, wenn Frau ihr Profil schützen möchte, weil KM mit dem löschen überhaupt nicht mehr hinterherkommt! DER BLÖDSINN MUSS AUFHÖREN!!“ (5)

Konflikt zwischen Portalbetreiber und Sexarbeiterinnen eskaliert

War die Stimmung wegen des AO-Spams also ohnehin schon gespannt, eskalierte der Konflikt zwischen Sexarbeiterinnen und dem Seitenbetreiber, als dieser kürzlich den Umgang mit den Telefonnummern der Sexarbeiterinnen änderte.

Hintergrund des Konfliktes ist, dass die Sexarbeiterinnen in ihren Profilen Telefonnummern angeben können (aber es nicht müssen). Diese Telefonnummern waren bisher für alle Interessenten / potentiellen Kunden sichtbar. Seit ein paar Tagen müssen Interessenten nun erst auf einen Button „Nummer anzeigen“ klicken. Und sie bekommen auch nur noch eine begrenzte Anzahl von Nummern angezeigt (nicht angemeldete Besucher der Seite: 1 pro Tag; angemeldete Umsonst-Mitglieder des Portals: 3 pro Tag; und zahlende Premium-Mitglieder 15 pro Tag).

Die Neuregelung wird von den Sexarbeiterinnen durchaus unterschiedlich gesehen. Einige vermeiden es ohnehin mit den Kunden vorher zu telefonieren und kommunizieren lieber per Mail oder sog. „Nachricht“ innerhalb des Portals. Andere argumentieren: Ein technischer oder finanzieller Anreiz, dass die Interessenten nicht – mehr oder minder wahllos – mit zahlreichen Dienstleistungs-Anbieterinnen parallel verhandeln, sei durchaus auch im Interesse der Sexarbeiterinnen. Denn auch die Kommunikations-/Akquise-Zeit sei Arbeitszeit. Daher sei es auch im Interesse der Sexarbeiterinnen, für die Kunden einen Zwang zu schaffen, zielgerichtet die Anbieterinnen anzusprechen, die in ihre engere Wahl kommen – und nicht die Anbahnungsgespräche ewig auszuweiten.

Sex sells…

Dem Portalbetreiber geht es freilich nicht um das Sexarbeiterinnen-Interesse, sondern um sein eigenes Interesse, die Kunden zu veranlassen, zahlende Premium-Mitglieder zu werden, damit sie mehr Nummern pro Tag angezeigt bekommen. Das Eigeninteresse des Portalbetreibers wird auch daran deutlich, dass er die neue Telefonnummern-Regelung nicht im Vorfeld an die Sexarbeiterinnen kommunizierte.

Entsprechend gereizt ist die Stimmung insbesondere unter den Sexarbeiterinnen, die viel und gerne per Telefon akquirieren: Bei Kaufmich.com haben die Sexarbeiterinnen die Möglichkeit, Blog-Artikel zu schreiben.

Bis jetzt sind neun Blog-Artikel von unterschiedlichen Sexarbeiterinnen erschienen, die sich kritisch mit der neuen Telefonnummern-Regelung auseinandersetzen. Hinzukommen mehrere hundert Kommentare unter den Artikeln.

…nicht mehr

„so wie es jetzt läuft gehts absolut gar nicht.“ (6)

„Es geht natürlich darum, euch Kunden (aber auch uns Escorts) das Geld mit Plusmitgliedschaften aus der Tasche zu ziehen. Nun ja, KM folgt nur vielen anderen Seite und ist ja auch deren gutes Recht, doch seien wir ehrlich, es wird so lange weiter beschnitten bis man keine andere Wahl mehr hat, wenn man eine vernünftige Seite will, als da mitzumachen, oder sich eben zu verabschieden.“ (7)

„Ich krieg die KRISE!!!! (…) DAS GEHT SO NICHT!!!! Mein Telefon steht still und ich bekomme keine Aufträge mehr herein.“ (8)

„Ich PROTESTIERE!!!! dagegen das ich hier bei KM auf meinem Profil nicht mehr frei und für alle sichtbar meine Telefonnummer reinschreiben darf und das den potenziellen Gästen nur noch stark eingeschränkt zugriff auf die Telefonnummern gewährt wird. Mein Telefon steht seit der einführung des Telefonbuttons still. DAS GEHT SO NICHT!!!!“ (9)

„Uns Escorts bleiben die Gäste weg. Bei SDL [Sexdienstleisterinnen], die das hauptberuflich machen, schlägt das schon anständig ins Kontor. Für Escorts jedoch, die das nebenbei machen, reißt das richtige Lücken ins Budget.“ (10)

„Wie gesagt viele Frauen klagen, dass sie keine Kunden mehr haben. Ich selber bin zum Teil auch betroffen (…). Ich finde es sollte eine andre Idee her. Vor Fakes ist man nirgendwo geschützt auch auf normalen Sexseiten nicht. Bitte überlegt euch etwas andres.... was allen zusagt Escort Kunden und euch.“ (11)

„DAS IST DAS AUS FÜR SPONTANE DATES, wo Mann einfach anruft und ein spontanes Date möchte, weil ihm JETZT gerade der Sinn danach steht. (Ich gehe ja auch ins Restaurant, wenn ich Hunger und Appetit habe und nicht wenn ich gerade gegessen habe, aber die armen Männer hier sollen schon für das Betreten des Restaurants und die Speisekarte Geld bezahlen. KEIN FEINER ZUG!!)“ (12)

So verständlich die Empörung über die Einschränkung ihrer Akquise-Möglichkeiten ist, so sehr fällt allerdings auch auf, wieweit nicht nur das letzte Statement in seiner Identifizierung mit den „armen Männer“ bzw. den Kunden, denen „das Geld ... aus der Tasche“ gezogen werden solle, geht. Bis zu einer Stärkung der Verhandlungsmacht der Sexarbeiterinnen sowohl gegenüber dem Seitenbetreiber als auch gegenüber den Kunden, gegenüber denen die Sexarbeiterinnen ihr Einkommensinteresse durchsetzen müssen, scheint noch ein ziemlich weiter Weg zu sein. Aber ein Anfang ist gemacht – und die Auseinandersetzung scheint noch nicht zu Ende zu sein.

Profile von protestierenden Sexarbeiterinnen gesperrt

Denn mittlerweile haben sich mehrere solidarische Sexarbeiterinnen, die vorzuziehen, per Mail oder „Nachricht“ zu akquirieren, dem Protest angeschlossen. Aus Solidarität mit den Kolleginnen, die vor allem per Telefon akquirieren, haben sie ihre Telefonnummern nicht in dem durch den neuen ‚Telefon-Button’ geschützten Profil-Feld, sondern an frei zugänglichen Stellen ihres Profil veröffentlicht, was freilich gegen die – vom Portal-Betreiber gesetzten – Regeln verstößt.

Im Profilstatus einer Sexarbeiterin heißt es nun: „SOLIDARITÄT MIT DEN KOLLEGINNEN, DESSEN ARBEITSBEDINGUNGEN [wegen] DER ENTSCHEIDUNG DES KM-SUPPORTS, TELEFONNUMMERN NICHT MEHR SICHTBAR ZU LASSEN, PLÖTZLICH SCHLIMMER WURDEN! MEINE HANDYNUMMER LAUTET ### [Telefonnummer für die hiesige Veröffentlichung durch Doppelkreuze ersetzt]. Nur bitte nicht anrufen, das möchte ich nicht“ (13).

Das Profil dieser Sexarbeiterin und das Profil mindestens einer weiteren Sexarbeiterin (14) wurde nun vom Seitenbetreiber wegen „Verstoßes gegen die Community-Regeln“ versteckt (15) und das einer Dritten sogar vollständig gesperrt.

Dies löste freilich nur Protest-Blog-Artikel Nr. 8 und 9 (15) aus… – der Konflikt scheint noch lange nicht zu Ende zu sein.

Stand: 7.8.14 – Fortsetzung folgt.

(*) http://www.labournet.de/branchen/dienstleistungen/sex/protestierende-sex...
und
http://www.labournet.de/branchen/dienstleistungen/sex/gesundheitsschutz-...

(1) www.kaufmich.com/about/mission

(2) Ebenda.

(3) http://servicecenter.de/index.php?kaufmich/Knowledgebase/Article/View/60.... – GV = vaginaler Geschlechtsverkehr; AV = analer Geschlechtsverkehr; OV = Oralverkehr (was aber nur Oralsex mit aktiven Kunden, aber nicht Lecken bei den Sexarbeiterinnen meint; Sexarbeiterinnen, die sich von ihren Kunden lecken lassen, dürfen diesen Service also anbieten, ohne dass Dental Dams benutzt werden müssen. – Unter diesen Umständen von „100 % Safer Sex“ zu sprechen, ist auch etwas zweifelhaft).

(4) http://www.kaufmich.com/Tesoro69/blog/Was_ist_DAS_denn_fuer_eine_FRECHHEIT_

(5) http://www.kaufmich.com/DieKurtisane/blog/DAS_KANN_ES_NICHT_MEHR_SEIN___... Siehe auch: http://www.kaufmich.com/HoneyBenz/blog/ACHTUNG_ACHTUNG_FAKER_UND_SPAMVER....

(6) http://www.kaufmich.com/Dicke70/blog/Telefonnummern-1

(7) http://www.kaufmich.com/Morticia/blog/und_wieder_werden_wir_abgezockt

(8) http://www.kaufmich.com/baerbelbusch/blog/Ich_PROTESTIERE________

(9) http://www.kaufmich.com/NymphomaninNINA/blog/Ich_PROTESTIERE_____

(10) http://www.kaufmich.com/InvisibleTouch/blog/Liebes_KM_Team___

(11) http://www.kaufmich.com/geilerubensfraudo/blog/Protest_auf_die_Gefahr_hi...

(12) http://www.kaufmich.com/DieKurtisane/blog/DAS_KANN_ES_NICHT_MEHR_SEIN___...

(13) http://www.kaufmich.com/Wednesday.

(14) Versteckt wurden die Profile der Sexarbeiterinnen „Wednesday“ und „ChrissyPrivat“: http://sexarbeiterinnenprotest.blogsport.eu/2014/07/30/konfliktchronik-6...

(15) „Versteckt“ bedeutet, dass die Profile zwar noch – bei Kenntnis der URL direkt angesteuert und gelesen werden können. Aber bei den Ergebnissen von Suchanfragen der Kunden und an verschiedenen anderen Stellen in dem Portal werden die versteckten Profile nicht mehr angezeigt. –
„Gesperrt“ bedeutet dagegen, dass die Profile gar nicht mehr aufgerufen werden können. – Ob „gesperrte“ Profil unter bestimmten Bedingungen vom Seitenbetreiber reaktiviert werden oder ob den betroffenen Sexarbeiterinnen nur übrig bleibt, einen neues Profil einzurichten und einen neuen Kundenstamm aufzubauen, ist ungeklärt.

(16) http://www.kaufmich.com/Aussergewoehnliche/blog/Eine_kuriose_Sperrung (gesperrt) = http://lustaufaussergewoehnliches.wordpress.com/2014/07/31/eine-uberrasc...
und http://www.kaufmich.com/Nylon_encasement/blog/Protestierende_Sexarbeiter... überarbeitet bei:
http://www.labournet.de/branchen/dienstleistungen/sex/protestierende-sex...

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Ergänzungen

danke für den guten artikel.

hat lust gemacht zu lesen und war mal n völlig anderes thema. bin auf die fortsetzung gespannt.

Huren protestieren gegen Onlineabzocke

Portal »Kaufmich.com« erschwert Sexarbeiterinnen Kontaktaufnahme mit Kunden

http://www.jungewelt.de/2014/08-15/007.php

und

Sexarbeit in Medien und Kunst

http://www.jungewelt.de/2014/08-15/008.php