Von wegen „Nazis plattmachen“ oder: Warum der 14.04. in Dortmund eine Enttäuschung war…

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...einige wütende Gedanken zu den erfolglosen Blockade-Versuchen und militanteren Protesten gegen den Naziaufmarsch am 14.04.

Ich kann nicht verstehen warum sich anscheinend alle Bündnisse und Gruppen nach den Protesten gegen den Nazi-Aufmarsch so freuen und feiern.

Je nach Perspektive und Anspruch mag es ein „gelungener Tag“ gewesen sein, es waren viele Gegendemonstrant_innen unterwegs, die Nazi-Route wurde von „lautem und sichtbaren Protest“ begleitet.

Allerdings kein spürbarer Protest. Kein für die Nazis spürbarer Protest.

Die Route wurde nicht blockiert, an keiner einzigen Stelle, die Nazis konnten ihre Demonstration mitten durch die Innenstadt durchführen, es musste keine Umleitungen geben, die Demo musste nicht unterbrochen werden, das, wofür sie gekommen sind, konnten sie machen.

Ich finde dieses Gefühl scheiße und frustrierend und langsam frag ich mich, ob ich damit alleine bin?

Die ganzen „bekennenden Antifaschist*innen“ denen ich so begegnet bin, erzählen mir noch ganz atemlos und mit glänzenden Augen ihre heroischen Geschichten - wie sie vor den Cops weggerannt, gerade so erwischt sind.

Klar, in der Lieblings-Bezugsgruppe durch die Stadt zu flitzen und die Cops zu ärgern macht Spaß, es ist gut, zu versuchen, an verschiedenen Punkten an die Route zu kommen, dynamisch und in Bewegung zu bleiben.

Aber verdammt, die Route wurde nicht blockiert, seht der Sache ins Gesicht, es hat nicht geklappt und das ist enttäuschend und hier fehlt es entweder an Strategie oder Menge von entschlossenen Menschen oder keine Ahnung, aber wieso setzen wir uns nicht hin (oder springen auf!) und suchen nach Ursachen, anstatt es so hinzudrehen, als wären diese missglückten Versuche „Erfolge“ und als hätten wir es ihnen „so richtig gezeigt“.

Nein haben wir nicht. Die jenigen Antifaschist_innen, die mit dem Ziel angereist sind, die scheiß Nazis am demonstrieren zu hindern, haben es ihnen definitiv nicht gezeigt.

Und dann gibts da immer wieder das Laufen in den Kleingruppen und Demos und die Leute schreien: „Nazis gibts in jeder Stadt – bildet Banden macht sie platt!“ Und die Nazis sind so weit entfernt, so weit abgeschirmt durch Cops und Wasserwerfer und Wannen und Absperrung, dass sie wohl nicht einen dieser Sprüche gehört haben (außer vielleicht die Cop-Nazis hinter den Absperrungen, aber ihr wisst sicher, wie ich es meine).

Und dann steig ich nach diesem frustrierenden Tag in den Zug und fahre in einem Zug, in dem das komplette Abteil voll mit Nazis ist, mindestens 30 Leute, die sich ein ganzes Abteil gekrallt haben, ihre widerliche Mukke hören, sich betrinken, grölen, pöbeln. Die sich mit Hitler-Gruß verabschieden und sich connecten, „bis bald!“ und ihre Telefonnummern austauschen.

Und ich hab echt Angst.
Ich hab Angst um uns, um mich und um all die Leute um mich herum, die vielleicht gar nicht mitbekommen haben, was das für ein Tag ist und wer diese Leute sind, die vielleicht nicht wissen, was die Tattoos und die T-Shirt-Aufschriften bedeuten, oder die es wissen, und auch Angst haben.

Glaubt ihr etwa, das würde in diesem Schland passieren? Dass sich ein Zugabteil verbündet und die Nazis rausschmeißt? Die Leute gucken betreten zu Boden und schweigen, das passiert.

Und ich weiß nicht, ob ihr zu den Leuten gehört, die das Privileg habn, ihr „Demo-Outfit“ abzulegen und schon nicht mehr zur direkten Zielscheibe für die Nazis zu werden, aber es gibt genug Leute, die das einfach nicht können und das wisst ihr genauso wie ich.

Und am Ende frage ich mich, wer alles so mit anarchistischen Flaggen herumwedelt und „macht sie platt!“ schreit und über „friedlichen Protest“ lästert dabei insgeheim doch ganz erleichtert ist, dass die Cops den ganzen Tag die Nazis fernhalten.

Und falls ihr Nazis wirklich platt machen wollt, an so einem „symbolischen“ Tag wie dem 14.04., wie wäre es, ganz klassisch, hiermit: Bildet Banden!

15-30 Leute vielleicht. Zieht euch um, packt eure Sonnenbrillen und Schlauchtücher ein, eure Fahnen, eure schwarzen Jacken und Kapuzenpullis. Versteckt „eindeutige“ Frisuren mit Mützen oder Kappen. Seht so aus, wie Menschen aussehen, die an einem normalen Samstagnachmittag normal in der Innenstadt shoppen. Bewaffnet euch.
Seid in Gruppen von zwei bis drei Personen unterwegs, oder allein. Steigt in die Züge, in die die Nazis steigen. Sobald ihr Dortmund verlassen habt, gibts auf einmal keine Cops mehr, die euch gegenseitig auf Abstand halten. Sammelt euch wieder.
Und jetzt: Macht sie platt!

Sorgt dafür, dass sie sich nicht mehr trauen, stolz ihre „Europa erwache“ Shirts zu tragen, wenn sie auf ihren Rückwegen sind. Dass sie sich nicht mehr trauen, überhaupt in Zügen zu fahren. Dass sie sich nicht mehr trauen, überhaupt noch zu solchen Demos anzureisen. Wenn es zu viele in einem Abteil sind: Steigt dort aus, wo Kleingruppen aussteigen, folgt ihnen, schlagt zu….

Ihr begeht an den Demotagen vor den Cops in den denkbar ungünstigsten Situationen die ganze Zeit über kleinere und größere Straftaten: Wieso nicht dort, wo keine Cops sind, keine Wasserwerfer und Wannen?

Dort, wo ihr die Nazis wirklich treffen könnt?

Anmerkung:

ihr wisst nix über mich und meine Situation also spart euch Kommentare warum ich das denn bitte nicht alles alleine erledige und die ganzen Nazis nicht selbst zusammengeschlagen hab sondern versucht einmal euch selbst zu fragen, was ihr den antifaschistischen Kämpfen geben könnt und wollt…

...und nicht alle Leute können und wollen das gleiche und es gibt verschiedenen Gründe, warum Leute nicht in Banden Nazis plattmachen können/wollen und diese Gründe sind zu respektieren und es geht um keine Hierarchisierung von Protest, sondern darum, dass bestimmte Leute, die bestimmte Ziele haben, sich mit bestimmten Taten schmücken und bestimmte Sachen schreien, einfach mal ernst machen und konsequent zu Ende denken und handeln...

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Ergänzungen

Hallo "anonym".

 

Dein unbehagen ist durchaus Nachvollziehbar, und auch die von dir getroffenen Schlussfolgerungen plausibel.

Indymedia ist jedoch der falsche Ort soetwas zu diskutieren.

 

Derartig strategische Ausrichtungen der politischen Praxis sollten in den eigenen Stukturen kritisiert und diskutiert werden.

Führe diese Diskussion lieber in deiner eigenen Bande oder befreundeten Kleingruppen.

 

solidarische Grüße

Man kann solche Gedanken ruhig hier auf Indmedia teilen und so weitere Diskussionen anregen. Wie sollen Menschen die nicht in organisierten Gruppen sind, ihre Kritik an Organisationen, festen Gruppen etc sonst formulieren können? Ich würde mich dem/der Artikelverfasser*in anschließen, was fehlt ist Entschloßenheit, die Überzeugung selber etwas zu starten und durchzuziehen und das Vertrauen auf sich selbst. Eine passende Floskel wäre: es gibt nichts gutes, außer man tut es!