Entweder sind alle extrem oder niemand

P. Connor / Sciencecrisis 30.08.2011 16:35 Themen: Antirassismus Bildung Blogwire Kultur Medien Repression Soziale Kämpfe
Ein Gespenst geht um – Journalisten und Autoren wie Frank Schirrmacher (1) und Stefan Gärtner (2) beziehen sich plötzlich in der Öffentlichkeit positiv auf linke Kritik und Ideen. Gleichzeitig entstehen Initiativen gegen „Linksextremismus“ und auch in den Nachrichten hört man nichts Gutes von notorischen Weltverbesseren. Die Welt scheint auf den Kopf gestellt oder hat man endlich begriffen, dass man viele Jahre falsch lag? Ein längst überfälliger Beitrag zur Extremismustheorie.
Im Artikel 3 des Grundgesetzes (GG) steht, dass „niemand wegen seiner politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt“ werden darf. Das bayerische Innenministerium hat 2009 die „Informationsstelle gegen Extremismus“ (BIGE) gegründet, welche für eine „streitbare Demokratie“ eintritt, andererseits aber gegen den sogenannten „Linksextremismus“ hetzt, der für diese Chaos, Mangelwirtschaft und Diktatur bedeutet. Was hat das noch mit Demokratie zu tun?

Auf der Webseite www.bayern-gegen-linksextremismus.bayern.de gibt es eine Unterseite auf der die verschiedenen linken Strömungen erklärt werden sollen. Es grenzt fast schon an ein Wunder, dass die Autoren den Stalinismus und Maoismus deutlich von Marxismus, Anarchismus und Trotzkismus abgrenzen und dass letztere überhaupt erwähnt werden.

Der Marxismus ist für die Mitarbeiter des Verfassungsschutzes nichts Objektives, sondern lediglich eine „Annahme“. Dass die politisch-ökonomische Schrift „Das Kapital“ selbst von den bürgerlichsten Ökonomen als Standardwerk zum Verständnis des Kapitalismus – v.a. während Wirtschaftskrisen – dient, interessiert derweil nicht. Wer außerdem behauptet, dass der Kommunismus das Endziel des historischen Prozesses ist, hat marxistische Philosophie nicht verstanden. Aber als würde das nicht reichen, wird die Behauptung aufgestellt, dass im Mittelpunkt des marxistischen Menschenbildes nicht das Individuum und vor allem keine Grundrechte stehen. Sind es nicht die Marxisten, die die Entfremdung der Arbeiter, von den von ihnen selbst hergestellten Produkten kritisieren? Sind es nicht die Marxisten, die die Unmenschlichkeit, Armut, Arbeitslosigkeit, Kriege und Krisen bekämpfen wollen?

Die Forderung der Trotzkisten nach einem demokratischen Rätesystem wird als verwerflich abgetan, weil es in diesem kein Mehrparteiensystem und keine Justiz mehr geben würde. Wenn man aber Räte hat, in denen die jeweiligen Mitglieder jederzeit abwähl- und neuwählbar sind und zudem einem imperativen Mandat ihrer Wähler unterliegen, ist eine Partei da nicht überflüssig? Vor allem, wenn diese dezentral und in Kommunen unterteilt sind? Aber selbst der Anarchismus wird als das Streben nach „Freizeit“ diffamiert.

Die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten (VVN-BdA) wird als am Kommunismus orientiert bezeichnet, in dem ehemalige SEDler aktiv sind und die den Kontakt zu „gewaltbereiten Autonomen“ suchen. Im Allgemeinen hat Anti-Faschismus für „Linksextremisten“ lediglich die Funktion, von „Demokraten“ als Partner akzeptiert zu werden. Dass Nationalisten, Rassisten und Faschisten für linke Kritiker ein Produkt von sozialer Benachteiligung und Ungerechtigkeit sind und ihre Funktion für sie die „Zerschlagung jeder Arbeiterorganisation“ (3) ist, wird nicht erwähnt. Es wird ganz im Gegensatz zur Realität sogar behauptet, dass ein „breiter gesellschaftlicher Konsens gegen den Rechtsextremismus“ existiert. Im nächsten Atemzug wird immer wieder an die Meinungsfreiheit für Intolerante und Gewalttäter appelliert, deren Versammlungen unter allen Umständen von der Polizei geschützt werden müssen – selbst wenn Zehntausende dagegen protestieren und damit ihre Zivilcourage demonstrieren.

Unter der Kategorie „Erste Hilfe“ wird darauf hingewiesen, dass man „klar Position für Demokratie und Toleranz“ beziehen soll, sobald das eigene Kind in die „linksextremistische Szene gerät“. Doch was bringt man für Argumente für Faschismus, das derzeitige Bildungssystem und zuspitzenden Sozialabbau auf? Wie argumentiert man objektiv gegen eine demokratischere, tolerantere und selbstbestimmtere Gesellschaftsordnung als die jetzige? Dem ist wohl nur entgegenzuhalten, was in einem Artikel von ZEIT WISSEN über Links-Rechts-Studien schon zitiert wurde, die u.a. auf den höheren IQ von „Linken“ hinweist: „Veränderungen könnten ja gefährlich sein. Rechte bevorzugen ein einfaches, klares Weltbild.“ (4)

Unter anderem wird linke Musik (sogar Reggae und Ska) als „Hassmusik“ diffamiert. „Linksextremistische Medien wollen nicht möglichst objektiv berichten“, ist der erste Satz eines verlinkten Artikels der Bundeszentrale für politische Bildung (BpB). Hält sich die BpB oder das Innenministerium etwa für unfehlbar und allwissend? Das Links-Rechts-Modell ist völlig veraltet und unpassend für die sozialen Konflikte der heutigen Zeit, insofern Rechte keinen anderen Nutzen haben als der sogenannten „Mitte“ in Krisenzeiten wie 1929 helfen, den Kapitalismus durch Totalitarismus zu schützen. Für die Autoren von BIGE scheinen Armut und Arbeitslosigkeit akzeptabel und zum Leben dazu gehörend, sowie das Kater nach dem Vollrausch zu sein. Dass etliche Sozial- und Politikwissenschaftler gegen die Einteilung Links-Rechts klagen und protestieren, scheint in der deutschen Demokratie unwichtig zu sein.

Die Extremismustheorie hat keine andere Funktion als die bürgerliche Gesellschaft gegen fortschrittliche, emanzipatorische und linke Kräfte abzuwehren und eine solidarische Zukunft unmöglich zu machen. Das Projekt „BIGE“ hat dies einmal mehr bewiesen. Am Ende bleibt einem nur die Empfehlung von dem kritischen Theoretiker Erich Fromm: „Auf leeres Gerede kann man nicht lebendig reagieren und tut besser daran, nicht zuzuhören, sondern sich auf eigene Gedanken zu konzentrieren.“

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Quellen:

(1) „Ich beginne zu glauben, dass die Linke recht hat“ (Frank Schirrmacher, FAZ)  http://www.faz.net/artikel/C30351/buergerliche-werte-ich-beginne-zu-glauben-dass-die-linke-recht-hat-30484461.html

(2) „Links zu sein ist in – die Linkspartei nicht“ (Stefan Gärtner, The European)  http://www.n24.de/news/newsitem_7191826.html

(3) Leo Trotzki, Portrait des Nationalsozialismus

(4) „Links-Rechts-Forschung“  http://www.zeit.de/zeit-wissen/2009/05/Rechts-Links
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Ergänzungen

"Objektive Tatsache"

Dogmenbefreite Linke 30.08.2011 - 17:26
"Der Marxismus ist für die Mitarbeiter des Verfassungsschutzes nichts Objektives, sondern lediglich eine „Annahme“. Dass die politisch-ökonomische Schrift „Das Kapital“ selbst von den bürgerlichsten Ökonomen als Standardwerk zum Verständnis des Kapitalismus – v.a. während Wirtschaftskrisen – dient, interessiert derweil nicht"
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Ich bin nun weit davon entfernt, irgendwelchen Verfassungsschutzbehörden nach dem Wort zu reden. Aber dass die Kritik der politischen Ökonomie auch die bürgerlichen Wirtschaftswissenschaften mitbeeinflusst hat, macht die Schrift doch noch lange nicht zur "objektiven Tatsache". Natürlich ist sie eine widerlegbare/jederzeit falsifizierbare Annahme.
Und gleiches gilt dann auch für den Marxismus: Was ist der denn anderes, als bloß eine Lesart des Kapitals unter vielen?
Die Schriften von Marx (die sich zudem an sehr vielen Stellen selbst widersprechen) wie eine Bibel mit absolutem Wahrheitsanspruch vor sich herzutragen, war schon von Anfang an eine der großen angreifbaren Schwachstellen der Linken.

Viel spannender...

TFK 30.08.2011 - 17:32
...die Seite, wegen der Innenminister Herrmann nur eine so verschwurbelte URL für seine "Die-Welt-ist-ein-Hufeisen"-Website bekommen hat:
 http://www.bayern-gegen-linksextremismus.de

darum

... 31.08.2011 - 16:43
Und nicht vergessen, aus diesem Grund:

TROTZ ALLEDEM: LINKE POLITIK VERTEIDIGEN!
Antirepressions-Block bei der Antifa-Demo am 24. September in Leipzig

Aufruf:
 http://handanlegen.blogsport.de/antirepressions-aufruf/

Fragestellung an den Verfassungsschutz

APPD Franken 09.10.2011 - 19:26
Offene Fragestellung der APPD Franken an die Bayerische Informationsstelle gegen Extremismus vom 05.10.2011

Hallo geehrter Verfassungsschutz,

erst einmal ein großes Lob, dass es Ihnen wieder einmal gelungen ist, dass durch die Gründung des Projektes "Bayern gegen Linksextremisms" über Bayern wieder einmal nicht nur die Sonne lacht.
Zu unser überwältigenden Freude wird die Anarchistische Pogopartei, entgegen der vorherrschenden bürgerlichen Meinung, nicht als linkesextremistisch eingestuft.
Die vergangenen Jahre haben gezeigt, dass Aussteigerprogramme im rechtstextremen Bereich durchaus Wirkung gezeigt haben. Während Franz Josef Strauß in den 80er Jahren seinen CSU Ausstieg noch mit dem Leben bezahlte, konnte Edmund Stoiber sich mit Ihrer Hilfe aus dem Spektrum dieser extremistischen Partei lossagen und seinen Spitzenposten verlassen.
Da wir befürchten, dass einige unserer Parteimitglieder mit der roten Gefahr liebäugeln könnten begrüßen wir eine Umsetzung der bewährten Konzeption bei linksradikalen Vereinigungen und Verbänden, wie z.B. der SPD.

Dennoch werfen sich einige Fragen auf, die durchaus in der Öffentlichkeit diskutiert werden sollten:
1.Ist das Aussteigerprogramm für Linksradikale bereits einsetzbar?
2.Wie können Sie Aussteiger vor Übergriffen und Bedrohungen gewallttätiger SPD-Mitglieder schützen?
3.Verfügen Sie über ausreichend pädagogisch geschultes Personal (Sozialpädagogen, Kinderpfleger, Bierbrauer) um eine sensible Handhabung der mit dem Ausstieg aus der SPD verbundenen Desozialisierung auffangen zu können?
4.Werden die Daten von Kontaktaufnehmenden beim Verfassungsschutz oder einer anderen polizeilichen Ermittlungsbehörde gespeichert?
5.Wenn ja: A) In welchem Umfang?
B) Über welchen Zeitraum?
C) Warum?
6.Sehen Sie Interessenskonflikte zwischen der Ausstiegshilfe durch ein staatliches Repressionsorgan und dem Ermittlungswunsch (sog. Insiderinformationen)?

Bitte beantworten Sie diese wichtigen Fragen damit diese Information von unserer Seite der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden kann.
Eine darüber hinaus gehende Kontaktaufnahme oder Zusammenarbeit ist ausdrücklich nicht erwünscht.

MpaG,
Deine APPD Franken

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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Mehr dazu

sfr 30.08.2011 - 17:31
Einige aktuelle Veröffentlichungen zum Thema:

FKR (Hrsg.): Ordnung. Macht. Extremismus. Effekte und Alternativen des Extremismus-Modells. VS Verlag, 6. Juli 2011. ca. 380 Seiten. -->  http://engagiertewissenschaft.de/ome

Bestimmte Formen politischer Devianz werden regelmäßig für „extremistisch“ erklärt. Was damit gemeint ist, scheint intuitiv einleuchtend und wird in der „Extremismustheorie“ auch wissenschaftlich bestimmt. Verschiedene Kritiken an dieser Konzeption zeigen jedoch, dass das Extremismusmodell erhebliche analytische Schwächen aufweist und zugleich politisch folgenreich ist. Es suggeriert klare Grenzen einer demokratischen „Mitte“, wobei diese Grenzziehungen inhaltlich schwach bestimmt und der politischen Auseinandersetzung entzogen sind. Trotz dieser Mängel ist die Rede vom politischen Extremismus allgegenwärtig und bestimmt wissenschaftliches, wie auch staatliches und zivilgesellschaftliches Handeln.

Der vorliegende Band verhandelt Geschichte, Praxis und Alternativen der politischen Semantik des „Extremismus“ aus einer interdisziplinären Perspektive: Worin liegen die Probleme und Schwächen des Extremismusmodells? Was macht es trotzdem so definitionsmächtig und attraktiv? Welche Wirkungen entfaltet das Denken in Extremismen? Welche alternativen Zugänge und Konzepte gibt es?

Sie können das Buch direkt bei uns bestellen: Schicken Sie einfach eine Email an  forum@engagiertewissenschaft.de oder nutzen Sie das Mail-Formular auf unserer Kontakt-Seite.

Inhalt

Anne Dölemeyer/Anne Mehrer: Einleitung: Ordnung.Macht.Extremismus

Teil I: Kritiken

Holger Oppenhäuser: Das Extremismus-Konzept und die Produktion von politischer Normalität
Tobias Prüwer: Zwischen Skylla und Charybdis: Motive von Maß und Mitte. Über die merkwürdige Plausibilität eines Welt-Bildes – eine genealogische Skizze.
Matthias Falter: Critical Thinking Beyond Hufeisen. »Extremismus« und seine politische Funktionalität
Frank Schubert: Die Extremismus-Polizei. Eine Kritik des antiextremistischen Denkens mit Jacques Rancière
Robert Feustel: Entropie des Politischen. Zur strategischen Funktion des Extremismusbegriffs

Teil II: Praktiken

Susanne Feustel: Tendenziell tendenziös. Die staatliche Erfassung politisch motivierter Kriminalität und die Produktion der »Gefahr von links«
Mathias Rodatz/Jana Scheuring: ›Integration als Extremismusprävention‹. Rassistische Effekte der ›wehrhaften Demokratie‹ bei der Konstruktion eines ›islamischen Extremismus‹
Daniel Schmidt, Rebecca Pates, Susanna Karawanskij: Verwaltung politischer Devianz. Das Problem des Wissens
Rebecca Pates: Die Hölle sind immer die anderen: Moralische Ordnungen in Trainings gegen »Rechtsextremisten«
Johannes Kiess: Rechtsextrem – extremistisch – demokratisch – wie denn nun? Der prekäre Begriff »Rechtsextremismus« in der Einstellungsforschung

Teil III: Alternativen

Elena Buck: Keine Gesellschaft ohne Grenzen, keine Politik ohne Gegner_innen. Auf dem Weg zu Kriterien demokratischer Grenzziehungen
Stefan Kausch/Gregor Wiedemann: Zwischen »Neonazismus« und »Ideologien der Ungleichwertigkeit«. Alternative Problematisierungen in einem kommunalen Handlungskonzept für Vielfalt und Demokratie
Jens Zimmermann: Völkische Globalisierungsfeindschaft in der Deutschen Stimme. Fallbeispiel einer Kritischen Diskursanalyse als Alternative zur formalistischen Extremismus-Hermeneutik
Jörn Hüttmann: Extreme Rechte – Tragweite einer Begriffsalternative
Zoran Terzić: Kulturextremismus. Zur Ästhetik und Politik radikaler Phänomene

Herausgeber

Das Forum für kritische Rechtsextremismusforschung (FKR) besteht seit 2005 und agiert als Schnittstelle für die wissenschaftliche und praktische Arbeit im Themenfeld Neonazismus/Rassismus. Die kritische Auseinandersetzung mit dem wissenschaftlichen und politischen Deutungsmuster „(Rechts-Extremismus“ ist dabei zentral. Zu den Angeboten zählen Seminare, Workshops und Publikationen. Die Mitglieder des FKR studieren, arbeiten und forschen an verschiedenen Instituten der Universitäten Leipzig und Frankfurt am Main und/oder in zivilgesellschaftlichen Verbänden. Weitere Informationen unter www.engagiertewissenschaft.de/fkr.

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Weiterdenken - Heinrich-Böll-Stiftung Sachsen, Kulturbüro Sachsen, Forum für kritische Rechtsextremismusforschung (Hrsg.): Ordnung und Unordnung (in) der Demokratie -->  http://www.weiterdenken.de/downloads/Unordnung_Download.pdf

Die Tagung im Januar 2011 mit dem Titel «Ordnung und Unordnung (in) der Demokratie» und die hier vorliegende erweiterte Dokumentation gaben uns die Gelegenheit, die 2010 aufgeworfenen Frage «Gibt es Extremismus?» zu vertiefen, zu erweitern und zu aktualisieren.
Die Extremismusformel soll die bestehende politische Ordnung stabilisieren und konservieren. Demnach ist die Auseinandersetzung mit der Extremismusformel auch immer eine, die das Verhältnis von Ordnung und Demokratie betrifft: Welche Ordnung schafft Demokratie, welche Ordnung braucht Demokratie? Wie viel «unordnende» bzw. Ordnung in Frage stellende Kritik verträgt die Freiheitlich Demokratische Grundordnung? Beim Versuch der Beantwortung dieser und ähnlicher Fragen trafen wir immer wieder auf die Bedeutung von Inklusions- und Exklusionsprozessen, die durch die ordnende Funktion der Demokratie reproduziert werden. Entgegen dem Demokratieverständnis der Verfechter_innen des Extremismusansatz, kann Demokratie auch als ein notwendig unfertiges Projekt verstanden werden, dessen Perspektive nicht allein in der Ordnung, sondern vielmehr im Änderbaren, Vorläufigen, in der Inklusion und immer größeren Ausdehnung, kurz: im Versprechen aufgeht. Aus diesem Grund wurden auf der Tagung «Ordnung und Unordnung (in) der Demokratie» die ordnenden und exklusiven Dimensionen, wie auch die öffnenden, wandelbaren und inklusiven Dimensionen der Demokratie zum zentralen Thema gemacht.

Inhalt

Stefan Schönfelder Ordnung und Unordnung(in) der Demokratie
Julia Schulze Wessel Die Ordnung und die Anderen. Über Migrantinnen und Migranten und die Grenzen der Demokratie
Silja Klepp Asyl an der Grenze: EU-Grenzschutz auf See und die Frontex-Mission Nautilus II
Michael Nattke Schwarze B(l)öcke - «Linksextremismus» als Konstrukt eines ordnungspolitischen Demokratieverständnisses
Frank Schubert Von der FDGO zum Gleichheitsdogma - Kategorien des «Linksextremismus»
Andrea Hübler «Linksextremismus» - eine wachsende Gefahr?
Stefan Kausch Ohne Ordnung? Demokratische Perspektiven als Gesellschaftsveränderung
Elena Buck Den Konflikt aushalten. Radikale Demokratie und vorübergehende Ordnungen
Anne Mehrer Politische Bildung als Bildung zurKritik. Impulse von Peter Mayo und Paolo Freire
Grit Hanneforth Sächsische Demokratie oder: Wer darf mitmachen?
Christian Avenarius Verpflichtungserklärung und Extremismusklausel: Wieviel Ordnung braucht die Demokratie?
Doris Liebscher Wieviel Demokratie verträgt die fdGO?

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Blog:  http://linksextremismus.wordpress.com

@ Dogmenbefreite Linke

P. Connor / Sciencecrisis 30.08.2011 - 17:49
Da der Text auch an anderen Stellen publiziert wird, haben wir bewusst das Wort Klassenkampf gemieden und meinten mit Marxismus die Erkenntnis, dass die Grundlage der bisherigen Gesellschaften Klassenauseinandersetzungen zwischen Ausgebeuteten und Ausbeutern war und ist. Dass wir keine dogmatische Position beziehen, dürfte daran erkennbar sein, dass wir auch den Vorurteilen gegen Trotzkismus und Anarchismus des VS zu Wort bringen. Es tut uns trotzdem leid, falls das so rüberkam.

Inhaltliche Ergänzung

Anonymusiana 30.08.2011 - 20:45
Ich poste mal ein Interessantes Essay zu den aufgeworfenen Fragen...

Haut rein!

Offener Brief an Staatsminister Herrmann

(muss ausgefüllt werden) 31.08.2011 - 15:39
offener brief

herrn staatsminister joachim herrmann, mdl
bayerisches staatsministerium des innern
odeonsplatz 3
80539 münchen

regensburg, den 26.08.2011

informationsportal „bayern gegen linksextremismus“ - antrag zur aufnahme des sds
regensburg

sehr geehrter herr staatsminister joachim herrmann,

äußerst beeindruckt von der von ihnen mitinitiierten online-aufklärungsplattform über
linksextremismus in bayern haben wir, der sds regensburg, in unserem plenum einstimmig
beschlossen, die aufnahme als linksextremistische organisation in ihr lagebild
(bayernkarte auf www.bayern-gegen-linksextremismus.bayern.de ) zu beantragen. laut
den darstellungen im webauftritt sind wir der festen überzeugung, der von ihnen
aufgestellten definition einer linksextremistischen vereinigung im vollsten umfang zu
entsprechen. insbesondere folgende zwei punkte machen die aufnahme des sds
regensburg in die extremismuskarte unumgänglich:

1. auf ihrer internetseite heißt es: "schwerpunkte der agitation der vvn-bda sind
(neo)faschimus, antisemitismus, rassismus und sozialabbau." auch der sds
regensburg agitiert und agiert seit längerer zeit offen gegen faschismus, rassismus,
antisemitismus und sozialabbau und erfüllt somit dieses kriterium. es gibt keinen
grund warum wir gegenüber der vvn-bda benachteiligt werden sollten.

2. weiterhin ist der internetseite zu entnehmen: "linksextremistischen ideologien ist
das ziel gemeinsam, die herrschende, als imperialistisch oder kapitalistisch
diffamierte staatsordnung zu uberwinden." auch wir wollen die bestehende
staatsordnung überwinden und diffamieren sie regelmäßig als kapitalistisch,
wissend, dass wir damit nicht allein stehen: es gibt in bayern zahlreiche
renommierte linksextremistische ökonominnen und ökonomen, wie beispielsweise
unseren genossen hans-werner sinn, der deutschlandweit hoch angesehene,
linksextremistische präsident des ifo-instituts für wirtschaftsforschung in münchen.
er schreibt etwa im vorwort seines buches „kasinokapitalismus“:


„die finanzkrise ist keine krise des kapitalismus, sondern eine krise des
angelsächsischen finanzsystems, das zum kasino-kapitalismus mutierte (…).“
die ideologische nähe des genossen sinn zur dkp, der antifa oder eben auch uns
geht aus dem wortschatz des genannten zitats eindeutig hervor.

aufgrund der von ihnen angeführten definitionen wissen wir natürlich, dass es vermutlich
eine unüberschaubar große anzahl von potentiellen linksextremisten und linksextremistinnen
im freistaat gibt. daher ist es für uns absolut nachvollziehbar, dass es ihnen
vermutlich nicht möglich war, in so kurzer vorlaufzeit alle organisationen in die karte
aufzunehmen. wir haben dafür natürlich vollstes verständnis, bitten sie jedoch, uns nun
schnellstmöglich auf der karte als linksextremistische organisation zu würdigen. um einem
solchen faux-pas in zukunft vorzubeugen, bieten wir ihnen und ihrem verfassungsschutz
unsere unterstützung an. wir arbeiten gerne für sie weiterhin kostenlos am ausbau der
website, um der verschwendung weiterer steuergelder für dieses projekt entgegenzuwirken.

folgende leistungen können wir ihnen zur verbesserung ihrer momentan sehr
skizzenhaften internetpräsenz anbieten:

1. die kurzbeschreibungen der ideologien (marxismus, anarchismus etc.) sind höchst
mangelhaft und von überraschend geringer qualität. wir haben das ihren
institutionen fehlende know-how, da beim sds-regensburg viele der von ihnen
genannten ideologien vertreten sind. ferner haben wir uns im november in einer
veranstaltungsreihe tiefergehend (!) mit linksextremistischen ansichten beschäftigt.

2. da wir uns nicht nur frei in der szene bewegen können, sondern sogar zu eben
jener gehören, sind wir bestens geeignet, die verschiedenen musikgeschmäcker
und kleidungsstile, die wir pflegen, so zu beschreiben, dass selbst die feinen
unterschiede zu jedem x-beliebigen anderen stil kenntlich werden. dies scheint uns
angesichts der verfehlten darstellungen und beschreibungen auf der seite (unter
anderem ihrem aufklärungscomic) nötig zu sein, damit unbescholtene bürgerinnen
und bürger wirkungsvoll linksextremisten und linksextremistinnen auf den ersten
blick identifizieren können.

3. ferner können wir im sds regensburg auch auf viele didaktisch qualifizierte
zurückgreifen. die hilflosen tipps, wie junge menschen bereits in der schule gegen
linksextremismus "geimpft" werden könnten, könnten wir nach aktuellem stand der
wissenschaft überarbeiten, sodass schüler und schülerinnen tatsächlich keinen
drang mehr verspüren, die gesellschaftlichen strukturen diffamieren oder gar
verändern zu wollen.

auf anfrage sind wir in der lage, bei einer grundlegenden überarbeitung ihrer internetpräsenz zu helfen.

extremst hochachtungsvoll und mit sozialistisch-anarchistisch-kommunistischen grüßen,
ihr sds regensburg

p.s.: um ihnen die einordnung dieses briefes als linksextremistisches propagandamaterial
zu erleichtern, haben wir uns für konsequente kleinschreibung aller wörter (ja, sogar der
substantive!) entschieden.

www.sds-regensburg.de