Pakt aus Postfaschisten und Sozialisten?

Ralf Streck 10.04.2008 11:49 Themen: Weltweit
Die Sozialdemokraten stehen vor mageren Jahren und haben keine Reformprojekte parat, um die Probleme im spanischen Staat anzugehen. Der Sozialdemokrat José Luis Rodríguez Zapatero ist bei der Wahl zum spanischen Ministerpräsidenten deshalb im ersten Wahlgang gescheitert. Er hatte vor einem Monat die Wahlen ( http://de.indymedia.org/2008/03/210152.shtml) gewonnen, aber die absolute Mehrheit verfehlt. Dabei steht er vor einer wirtschafltichen Misere ( http://de.indymedia.org/2008/04/212827.shtml), riesigen ökologischen Problemen ( http://de.indymedia.org/2007/09/193585.shtml) und die angestrebten Pakte mit den Postfaschisten ( http://de.indymedia.org/2006/10/159903.shtml) werden die Konflikte mit den Basken, Katalanen ... ( http://de.indymedia.org/2007/10/196265.shtml) und die Repression ( http://de.indymedia.org/2008/02/208365.shtml) weiter verschärfen.
Angesichts der Vorhaben von Zapatero war es kein Wunder, dass er über die eigenen 169 Parlamentarier hinaus keine Unterstützung erhalten hat. 158 Parlamentarier votierten mit Nein und 23 enthielten sich. In der zweiten Runde am Freitag wird ihm eine einfache Mehrheit zur Wahl reichen. Das ist das Ergebnis davon, dass Zapatero auch in der zweiten Amtsperiode keine stabile Koalition eingeht und sein Programm kleinere Parteien nicht überzeugte.

Angeboten hätte sich als stabiler Partner die konservativen katalanischen Nationalisten der Convergència i Unió (CiU). Die CiU hatte ihre zehn Sitze verteidigt und mit ihr hätte er eine stabile Mehrheit von mehr als 176 Stimmen erreichen können. Die kleinen Gesten reichten nicht einmal der CiU, um sie zum Ja zu bewegen. Sie dient gerne aus machtpolitischen Erwägungen zum Mehrheitsbeschaffer, wie im Fall des Autonomiestatuts, dass mit ihrer Hilfe verstümmelt wurde ( http://de.indymedia.org/2006/02/139806.shtml).

Zapatero will die Finanzen offen legen, damit die Katalanen endlich erfahren, wie stark sie den Staat finanzieren. Das eigene Finanzierungssystem wurde aus dem neuen Autonomiestatut gekippt. Zudem versprach er, deren Wasserkrise angesichts der extremen Dürre in Katalonien zu lösen (siehe unten). Dass Zapatero erneut wechselnde Mehrheiten anstrebt, ist eine der wenigen Konstanten. Auffällig ist sein Rechtschwenk, mit dem er vor allem auf die ultrakonservative Volkspartei (PP) zugeht, die bei den Wahlen deutlich hinzugewonnen hatte. Der zeigte sich schon am Recycling von José Bono aus der Parteirechten. Der musste 2006 den Sessel als Verteidigungsminister räumen, weil er mit seiner Kritik an Zapatero der PP zuspielte. Nun wurde zum Parlamentspräsident gekürt, ebenfalls erst im zweiten Wahlgang.

Zapatero will die Dauerkonfrontation mit der starken PP vermeiden, die mit Hilfe der Kirche ( http://de.indymedia.org/2007/11/198288.shtml) ihm vier Jahre mit parlamentarischem Dauerkrawall und mit Massendemonstrationen ( http://de.indymedia.org/2007/03/171031.shtml) das Regieren schwer machte. Doch das verhindert, dass baskische und katalanische Nationalisten, sowie Linksparteien ihn unterstützen. Die einen fordern mehr Autonomierechte und die anderen mehr soziale Rechte und das ist mit der PP unmöglich. Einen Staatspakt bietet Zapatero ihr in vier zentralen Fragen an: Antiterrorpolitik, Justiz, Finanzierung der Regionen und Außenpolitik.

Es sah in der Erwiderung des Oppositionsführers Mariano Rajoy aber nicht aus, dass er darauf eingehen würde. Er rieb in seiner Rede den Sozialisten weiter ihre "Fehler" unter die Nase. Zwar bot auch er Pakte an, wie vor vier Jahren, aber er will den Inhalt bestimmen. Doch der PP-Chef ist angeschlagen, weil er den erhofften Sieg zum zweiten Mal verfehlte. Es bildet sich eine interne Opposition, die eine Erneuerung der Linie fordert.

Dem Antiterrorpakt, den Zapatero nach seinen gescheiterten Verhandlungen mit der baskischen Untergrundorganisation ETA ( http://de.indymedia.org/2007/06/183463.shtml) anbietet, kann sich Rajoy nicht verschließen. Statt gestärkt eine Dialoglösung des baskischen Konflikts zu suchen, wärmt Zapatero nun die Politik auf, die seit Jahrzehnten scheitert. Er erzählt gebetsmühlenhaft, die ETA sei geschwächt und ihr bliebe nur die bedingslose Aufgabe des Kampfes. Eine Formel, die man seit der Franco-Diktatur zu hören bekommt.

So bietet die PSOE der PP an, die Erlaubnis des Parlaments zum Dialog mit der ETA zu streichen. So versucht er sie einzubinden, um ihre Justizblockade aufzuweichen. Stellen in höchsten Gerichten werden seit langem nicht neu besetzt, weil die PP ihre Vormachtstellung ( http://de.indymedia.org/2006/01/136795.shtml) nicht einbüßen wollte, die sie in acht Regierungsjahren aufgebaut hatte.

Von Reformen, um die großen Probleme zu lösen, die Spanien seit Jahrzehnten lähmen, ist nicht mehr Rede. Kein Wort zur Verfassungsreform und der Umgestaltung des Senats (Unterhaus) zu einer Kammer nach dem Vorbild des Bundesrats. Damit sollten die Autonomen Regionen realen Einfluss auf die Gesetzgebung erhalten. Das Versprechen wurde nicht eingelöst und davon ist nicht einmal mehr die Rede.

Zapatero will sich vor allem dem Absturz der Wirtschaft ( http://de.indymedia.org/2008/02/208044.shtml) widmen, den er bis zu den Wahlen verschleierte. "Alle, Regierung, Opposition, Autonome Regionen, Gewerkschaften, Arbeitgeber müssen auf der Höhe der Zeit handeln", sagte er. Mit einem milliardenschweren Konjunkturpaket will er nun die heimische Wirtschaft ankurbeln, der "zwei magere Jahre" bevorstünden.

Vorgesehen sind Steuererleichterungen für Arbeitnehmer, Rentner und Unternehmen ( http://de.indymedia.org/2008/02/208044.shtml). Doch damit kann kaum der strukturellen Krise begegnet werden, die mit der platzenden Immobilienblase ( http://de.indymedia.org/2008/01/204214.shtml) Züge wie in der USA annimmt. Das bisherige Wachstum basierte vor allem auf einem spekulativen Bauboom, weil die Blase platzt ( http://de.indymedia.org/2007/08/190975.shtml), werden die Wachstumsprognosen ständig nach unten korrigiert, die Arbeitslosigkeit steigt, der Konsum bricht ein und die Inflation erreicht Rekordstände. Zapatero fällt auf die Füße, dass er vier Jahre lang nicht umgesteuert hat.

Kampf ums Wasser

Die Dürre hat das Land nun vier Jahren fest im Griff. Vor allem die Regionen entlang des Mittelmeeres sind betroffen und ganz besonders Katalonien und Valencia, wo die schwerste Dürre seit 1912 herrsche ( http://www.heise.de/tp/r4/artikel/27/27350/1.html). Katalonien siedelt sich nun unter den Regionen an, die schon seit Jahren unter extremer Wassernot leiden. Das sind vor allem die Flussläufe des Júcar und Segura in Zentralspanien, deren Pegelstände derzeit zum Teil sogar noch unter denen in Katalonien liegen.

Doch seit Oktober fielen in Katalonien nur 40 Prozent der sonst durchschnittlichen Niederschlagsmenge. Die Pegelstände der Stauseen, welche die katalanische Metropole Barcelona versorgen, sind unter die Marke von 20 % gefallen. Die Stadt sucht dringend nach Möglichkeiten, um die vier Millionen Bewohner mit Wasser zu versorgen. Seit Wochen wird die Bevölkerung aufgefordert, Wasser zu sparen. Damit habe der Verbrauch im März um knapp acht Prozent gesenkt werden können, sagte die stellvertretende Bürgermeisterin Imma Mayol. Doch nun gibt es auch erste Strafmaßnahmen. Verboten ist es zum Beispiel, Gärten, Wiesen, Grünzonen und Sportanlagen zu gießen. Autowaschen ist auch tabu. Die Geldstrafen für die Nichtbeachtung reichen bis zu 3.000 Euros in Fällen, die als besonders schwer angesehen werden. Das gilt vor allem für das Befüllen der zahllosen Swimmingpools. Die Strafe wird fällig, wenn Gärten bewässert werden, die größer als 3000 Quadratmeter sind. Das Autowaschen mit Trinkwasser kostet dagegen bisher noch milde 30 Euro Strafe.

In Katalonien, aber auch über die Grenzen hinaus, hat der Kampf ums Wasser eingesetzt. So wollen die Provinzen Tarragona und Lleida nur geringe Mengen oder gar kein Wasser an die das durstige Barcelona abführen. Den sehr landwirtschaftlich geprägten Regionen würde das Wasser für die Bewässerungen fehlen. Die Ernte der Oliven und Mandeln sei wegen der Dürre schon zur Hälfte verloren und die Ernte der Gerste vollständig.

Der Streit um die Umleitung aus Lleida, aus dem Oberlauf des Fluss Segre in den Llobregat, ist schon ein nationales Politikum. Der Segre entspringt zwar in Katalonien, fließt dann aber durch Aragon, bevor sein Wasser über den großen Ebro wieder nach Katalonien zurückfließt. Darum kann die Autonomieregierung nicht über dessen Wasser entscheiden, sondern die Zentralregierung in Madrid ist zuständig. Und die Sozialisten (PSOE) stemmen sich gegen die temporäre Umleitung, weil das große Begehrlichkeiten wecken würde. Deshalb streitet sie in der eigenen Partei, welche auch die katalanische Regionalgliederung anführt. Wasserwirtschaftlich würde die Umleitung derzeit keine Probleme machen, weil der Ebro Hochwasser führt. Er ist auf den Zufluss des Segre nun nicht angewiesen, weil es in den letzten beiden Wochen im Nordwesten des Landes stark geregnet hat.

Die Regierung von José Luis Rodriguez Zapatero will mit der Umleitung kein Fass ohne Boden aufmachen, das wasserwirtschaftlich kaum in den Griff zu bekommen wäre. Die ebenfalls trockenen Regionen Valencia und Murcia, beide von der konservativen Volkspartei (PP) regiert, fordern seit langem Wasser aus dem Ebro, um ihre verschwenderischen Gewächshäuser, Ferienanlagen, Golfplätze zu versorgen. Doch Zapatero hatte den Wasserplan der PP nach der Machtübernahme 2004 gestoppt. Der hatte zu heftigen Protesten geführt und ohnehin führt der Ebro wegen immer geringerer Niederschlagsmengen längst nicht mehr das Wasser, um die Versorgung des spanischen Südens zu gewährleisten, wie es die PP weiter fordert.

Da die Sozialisten auf Meerwasserentsalzung setzen, schlägt die Zentralregierung vor, mit Schiffen und Zügen Trinkwasser aus Überschüssen der Entsalzungsanlage in Almería nach Barcelona zu bringen. Insgesamt stünden zehn Schiffe für den Transport bereit, die auch Wasser aus Tarragona und aus dem französischen Marseille heranschaffen sollen. Die Kosten hierfür sollen sich auf 44 Millionen Euro im Monat belaufen. 2009 soll dann eine Entsalzungsanlage Barcelona zu 20 Prozent mit Wasser versorgen. Mit allen Mitteln soll eine Einschränkung des Wassers vermieden werden, die aber für viele Regionen im spanischen Staat ganz lehrreich wäre. Trotz der sich jährlich zuspitzenden Lage, gibt es kaum Problembewusstsein um das kostbare Nass. Spanien ist noch immer das Land in Europa, das den höchsten Wasserverbrauch und die niedrigsten Wasserpreise aufweist. Dabei gehört es zu den Ländern mit den geringsten Niederschlägen in Europa.

Doch macht Madrid nun die "extreme Dürre" und die damit einhergehende geringere Erzeugung von Hydroenergie dafür verantwortlich, dass der CO2-Ausstoß 3 % zugenommen hat. Zur Erzeugung von elektrischer Energie sei verstärkt auf Kohle zurückgegriffen worden. In der Industrie sei der Ausstoß dagegen um 0,3 % gesenkt worden, wird allerdings positiv hervorgehoben ( http://www.finanzas.com/id.9237004/noticias/noticia.htm).

Nach dem Rekord 2005, wonach Spanien fast 53 % über der Kioto-Marke lag ( http://www.heise.de/tp/r4/artikel/22/22502/1.html), soll der Ausstoß 2006 leicht gefallen sein. Das sagte die Umweltministerin Cristina Narbona pünktlich zum Klimagipfel in Nairobi. Doch das durfte schon damals bezweifelt werden, schließlich beherrschte die Dürre seit vier Jahren das Land und wurde schon 2005 als Grund für den Anstieg angeführt ( http://www.heise.de/tp/r4/artikel/22/22502/1.html).

Vielmehr zeigt der neue deutliche Anstieg eher, dass sich strukturell nichts geändert hat. Die enormen Steigerungen der eingespeisten Leistung aus Wind- und Solarstrom werden vom steigenden Verbrauch aufgefressen. Bei der Windkraft ist Spanien weltweit auf den zweiten Platz vorgerückt ( http://www.heise.de/tp/r4/artikel/27/27115/1.html) und auch beim Solarstrom wurde erheblich mehr Leistung installiert ( http://www.heise.de/tp/r4/artikel/26/26543/1.html).

Rechnet der Sekretär der Behörde zur Vorbeugung von Kontamination und Klimaschutz Arturo Gonzalo Aizpiri in seine Bilanz ein, dass ein Atommeiler vom Netz ging, weil das Wasser des Ebro nicht mehr zur Kühlung reichte oder ein Waldbrand zur Räumung und Abschaltung eines AKWs führte. Leidet er unter einer Teilamnesie und vergisst plötzlich, dass Atomkraftwerke wegen Pannen lange abgeschaltet waren? Erstaunlich ist auch, dass er stets die starke Zunahme des Verkehrs und des Transports als Hauptproblem ( http://servicios.elcorreodigital.com/ekoplaneta/datos/expertos/2006/octubre/gonzalo_aizpiri.htm) für Klimaschutz nannte. Doch der hat weiter ungebremst zugelegt, ohne dass dies noch eine Erwähnung fände.

Es ist billig, nun auch die Dürre dafür verantwortlich zu machen, dass man sich immer weiter von den Kioto-Verpflichtungen entfernt und weiter die Spitze beim Verstoß gegen das Abkommen einnimmt. Doch ist es schwer für die Regierung zuzugeben, trotz großer Versprechungen wenig unternommen zu haben, dabei leidet gerade Spanien enorm unter den Klimaveränderungen und der Verwüstung ( http://www.heise.de/tp/r4/artikel/26/26957/1.html).

© Ralf Streck, den 10.04.2008
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Ergänzungen