Verbotene erneut vorläufig verboten

Ralf Streck 19.01.2006 12:22 Themen: Repression Weltweit
Der spanische Nationale Gerichtshof hat die Aktivitäten der baskischen Partei Batasuna (Einheit) erneut "vorläufig" verboten, um deren Parteitag am Samstag in Bilbao zu verhindern. Mit dem Vorgehen gesteht der Ermittlungsrichter Fernando Grande-Marlaska letztlich ein, dass das Parteiverbot im März 2003 ein Schlag ins Wasser war, auch wenn man die Partei aus dem Parlament geworfen hat. Das vorläufige Verbot ist aber absurd, denn das Sondergericht hatte die Aktivitäten der Partei schon im Sommer 2002 "vorläufig" ausgesetzt und die Büros stürmen lassen. Der Batasuna-Chef muss zunächst nicht in den Knast, weil das Urteil gestern kassiert wurde. Er hatte keinen fairen Prozess.
Nach der Verabschiedung eines neuen Parteiengesetzes war Batasuna von einer Sonderkammer am Obersten Gerichtshof im März 2003 definitiv verboten worden. Sie hatte Anschläge der ETA nicht ausdrücklich verurteilt, wie es dieses neue Gesetz von ihr fordert. Eine organische Verbindung zu der bewaffneten Organisation konnte nie festgestellt werden, auch wenn das gerne behauptet wird. Mit dem Gesetz wurde das demokratische Rechtssystem selbst in Mitleidenschaft gezogen, weil ein Gesetz rückwirkend auch auf HB und EH angewandt wird. Zudem wurde eine Partei verboten, weil sie etwas unterlässt und nicht weil sie etwas verbotenes tut. Beide Punkte dürften in Strassburg vor dem Gerichthof für Menschenrechte keinen Bestand haben.

Grande-Marlaska ist der Nachfolger des Ermittlungsrichters Baltasar Garzón. Der hatte sich nach dem Wahlverlust der rechtsradikalen Volkspartei (PP) mit dem Ex-Ministerpräsident José María Aznar zur "Lehrtätigkeit" in die USA abgesetzt. Grande-Marlaska führt den Kreuzzug der PP aus der Justiz gegen die baskische Linke fort, welche die in ihrer Regierungszeit mit ihren Anhängern durchsetzt hat. Wie sieht das aus? Im Verfassungsgerichts wurde der ultrakonservativen Jiménez de Parga als Präsident platziert und damit haben die PP-Richter eine Mehrheit von 6 zu 5. So konnte der auch Parteiengesetz im Schnelldurchgang über alle juristischen Hürden hieven. Das ging in sechs Monaten nicht nur rasend schnell, zu den Besonderheiten gehörte auch, dass dessen eigene Stimme über den Ausgang eines Misstrauensantrags gegen den Präsidenten entschied und der damit abgelehnt wird. Er hatte zuvor öffentlich das Verbot von Batasuna befürwortet und sich damit als unabhängiger Richter diskreditiert.

Extra wurde die Sonderkammer am Obersten Gerichtshof zu dem Verbot geschaffen. Dort hatte die PP dann sogar den Bock zum Gärtner gemacht. Rafael Hernando ist nicht nur Präsident dieser Sonderkammer, er ist gleichzeitig der Vorsitzende des Kontrollorgans, dem Generalrat für Justizgewalt (CGPJ). Hernando kontrolliert so sich selbst. Mit 11 Stimmen haben die von der PP abgesandten Richter dort die absolute Mehrheit und über sie kann die PP die Justiz auf Linie halten. Deutlich konnte das gesehen werden, als drei Richter am Nationalen Gerichtshof abserviert wurden, weil sie Garzón immer wieder in die Parade gefahren sind. (Vergleiche Tondar) Derzeit äußert sich der CGPJ zu Themen, wie dem Autonomiestatut in Katalonien, obwohl niemand anfragt und er auch nicht zuständig ist. Auch dagegen läuft die PP Sturm.

Die PP mobilisiert auch die Anhänger gegen jede Änderung des Status Quo im spanischen Staat und stemmt sich auch gegen eine friedliche Beilegung des Konflikts. Da die PSOE das Parteiengesetz nicht annulliert, wie es nun wieder allseits gefordert wird, kann ihr die PP über ihre Stellung in der Justiz immer wieder die Parade fahren.

Batasuna hatte nach dem Wahlverlust der PP den Sozialisten einen Vorschlag für eine friedliche Lösung gemacht. Die Partei hatte dazu im November 2004 mehr als 15.000 Menschen in Donostia-San Sebastian legal versammelt. (Teildoku des Vorschlags) So schoss Grande-Marlaska schon mal einen Torpedo ab und ließ zwischenzeitlich den Batasuna-Sprecher Arnaldo Otegi verhaften.

Die Sozialisten (PSOE) hatten sich zaghaft auf den Vorschlag eingelassen. Der Regierungschef José Luis Rodríguez Zapatero der sich vom Parlament die Erlaubnis für Verhandlungen mit der ETA geholt hatte, wollte deshalb den Parteitag zulassen. Das war das zweite deutliche Zeichen, denn zum Beispiel an der wichtigen Frage der Gefangenen hat sich nichts bewegt. Die PSOE erhofft sich, dass auf dem Parteitag nicht nur eine neue Führung gewählt wird, sondern davon auch ein neuer Impuls für einen Friedensprozess ausgeht. Seit Monaten diskutieren die Mitglieder unter dem Motto "Bide eginez" (Den Weg bereiten) auf Hunderten Parteitreffen über das Programm für die nächsten vier Jahre.

Deshalb hatte Zapatero erklärt, man dürfe das Parteiengesetz nicht "zu streng" auslegen, das die PP mit Hilfe der PSOE zum Batasuna-Verbot geschaffen hatte. Er stützte so den Generalstaatsanwalt Candido Conde-Pumpido, der weiter Batasuna-Mitgliedern das Versammlungsrecht zubilligt. Sogar die von der PP dominierten Sonderkammer am Obersten Gerichtshof hatte sich nicht getraut, eine Anzeige der faschistoiden Pseudogewerkschaft "Manos Limpias" (Saubere Hände) anzunehmen, um den Parteitag zu verhindern. Nur die ist nach dem Parteiengesetz zuständig.

An der Änderung der Argumentation kann man das politische Ziel von Zapatero und dessen Ministerium für Staatsanwaltschaft erkennen. Denn noch im letzten Jahr wurde Aukera Guztiak verboten, weil sie angeblich Kontakte zu Batasuna hatte. Sogar das Verbot der baskischen Kommunisten EHAK wurde erwogen. Zuvor hatte Zapateros PSOE auch die Massenverbote von baskischen Wählerlisten unterstützt, wenn dort nur eine Person kandidierte, die in den letzten 25 Jahren für Batasuna, HB oder EH kandidiert hatte. Zu erinnern bleibt, dass es die Sozialisten waren, die zu den Europaratswahlen 2004 eine Liste verboten haben, nur weil sie sich an dieselben Wähler wie Batasuna wandte.

Doch jetzt hat Zapatero ein anderes Ziel und lotet die Möglichkeit eines Friedensprozesses aus. Deshalb schaltete sich Grande-Marlaska mit dem Nationale Gerichtshof über einen Kunstgriff und seiner Sonderrechte ein. Grande-Marlaska verbot deshalb erneut "vorläufig" alle Aktivitäten der Partei, die "faktisch außerhalb des Gesetzes weiter existiert". Er ordnete an, alle Büros und Webseiten zu schließen, die Batasuna benutze. Im Dienst der PP heizt er die Stimmung an und nutzt alle Möglichkeiten um den Prozess zu torpedieren und setzt sich so über die Sonderkammer am Obersten Gerichtshof hinweg. Einen Befangenheitsantrag gegen sich wischte er am Dienstag sofort selbst vom Tisch. Über eine Anzeige gegen ihn wegen Amtsanmaßung wurde noch nicht entschieden.

Alle baskischen Parteien haben den Vorgang scharf verurteilt. Mit der Vereinten Linken (IU) fordern sie von Zapatero, das Parteiengesetz endlich zu schleifen. Allerdings greift das viel zu kurz. Doof ist Grande-Marlaska nicht. Deshalb begründet seine neue Entscheidung gar nicht über das Parteiengesetz, er erwähnt es nicht einmal, sondern bezieht sich auf die vorläufige Aussetzung der Aktivitäten durch seinen Vorgänger Garzón 2002. Will die PSOE wirklich eine Normalisierung, dann muss sie derlei Gesetze aber auch alle Sondergerichte und Sonderkammern schleifen und alle politischen Verfahren annullieren, die es eingeleitet hat und an ihnen laufen.

Der Nationale Gerichtshof hat ohnehin keine demokratische Legitimität. Das Sondergericht wurde 1976 nach dem Tod Francos, noch vor der Einführung der Demokratie und den ersten Wahlen geschaffen. Es ersetzt das frühere Sondergericht mit dem Namen "Gericht für Öffentliche Ordnung" (TOP). Der Gerichtshof ist Ausdruck der politisierten Justiz und sollte eigentlich nur eine begrenzte Zeit bestehen. Seine Befugnisse werden allerdings immer weiter ausgeweitet. Der Gerichtshof agiert höchst fragwürdig und auf Basis von Foltergeständnissen, deshalb geht es nicht gegen Folterer vor und versucht Verfahren gegen die zu behindern.

Der Batasuna-Sprecher Arnaldo Otegi bezeichnete das Verbot als "sehr schlimm" und einen "Sieg der PP". Die PSOE sei entweder unfähig oder nicht bereit sich gegen die rechtsradikale PP durchzusetzen. Batasuna sucht nun in Gesprächen mit den baskischen Parteien einen Ausweg und hält "momentan" an der Mobilisierung ins Kongresszentrum fest. Auf eine Konfrontation wird sich die Partei aber kaum einlassen. Das würde ihre Bemühungen schwächen, alle Parteien zu einem Dialog zu versammeln und der Politik der PP zuarbeiten. Der Parteitag wird möglicherweise dann im französischen Baskenland abgehalten. Dort arbeitet sie weiter legal, obwohl die PP sie auf die EU-Liste von Terrororganisationen setzen ließ. Keinesfalls wird sich die Partei in die Illegalität drängen lassen.

Gescheitert ist der Versuch vorerst, Otegi einzuknasten. Der Oberste Gerichthof hat gestern ein Urteil kassiert, wonach Otegi angeblich den "Terrorismus verherrlicht" habe, als er an der Beerdigung einer ETA-Militanten teilgenommen hat. 15 Monate sollte er dafür in den Knast.

Er hatte keinen fairen Prozess, weshalb der wiederholt werden muss, entschied der Oberste Gerichtshof auf Widerspruch Otegis. Wenn das Urteil gestern bestätigt worden wäre, hätte Otegi in den Knast gemusst, weil die Strafe mit einem Urteil zusammengezogen worden wäre, das es schon gibt und damit zwei Jahre überschritten worden wären. Er hatte den König im Rahmen der Schließung der Tageszeitung Egunkaria als "Chef der Folterer" bezeichnet, als sogar die verhafteten Journalisten gefoltert wurden. Der König kann so bezeichnet werden, weil es der Oberbefehlshaber der Streitkräfte ist. Dazu gehört die Guardia Civil, die wegen Folter jährlich die Menschenrechtsberichte ziert.

An diesen Popelverfahren wird schon klar, dass es die Verbindung zur ETA nicht gibt, denn angeblich ist Batasuna ja Teil der ETA und deren Führung als Teil der ETA-Führung. Könnte man das beweisen, würde man sie als Mitglieder für mehr als 10 Jahre wegsperren und sich nicht mit Königsbeleidigungen und derlei Zeug aufhalten.

© Ralf Streck, Donostia-San Sebastian den 19.01.2006
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Ergänzungen

samstag

llibertat 19.01.2006 - 18:10
Der Kongress am Samstag wird trotzdem stattfinden.
Vorraussichtlich im frz. Baskenland.
Batasuna aurrera! Gora Euskal herria!

Gib doch keine merkwürdigen Parolen aus

Ralf 19.01.2006 - 19:03
Es ist unwahrscheinlich, dass am Samstag ein Kongress stattfindet. Vielmehr wird es in Bilbao einen Protest am Samstag geben, hat Batasuna angekündigt. Beides gleichzeitig geht nicht.

kaixo

llibertat 20.01.2006 - 17:59
Es ist noch überhaupt kein Protest von batasuna angekündigt worden.
Das einzige was bisher angekündigt worden ist, ist eine aktion ausserhalb des BEC's von einer anonymen Personengruppe.
Ich gebe hier überhaupt keine merkwürdigen parolen raus, ich versuche nur deine artikel hier zu ergänzen da ich vll. der ezker abertzale ein wenig mehr verbunden bin als du.
agur!

Definitiv kein Kongress

Ralf 20.01.2006 - 19:01
Also, es gibt definitiv keinen Batasuna-Kongress in Bilbao. Allerdings eine Protest von vielen Leuten, die am Kongresszentrum demonstrieren werden. Der Kongress wird nachgeholt.

Bericht zum Protest gegen Kongressverbot

Leser 22.01.2006 - 20:05