Immobiliencrash in Europa angekommen

Ralf Streck 16.08.2007 11:50 Themen: Weltweit
Der Immobilienmarkt bricht zusammen. Die Warnungen vor dem anstehenden Crash des Immobilienmarkts gab es auch in Europa in den vergangenen Jahren viele.  http://www.heise.de/tp/r4/artikel/17/17795/1.html. Inzwischen ist auch europäischen Finanzinstituten klar geworden, dass sich die platzende Immobilienblase in den USA  http://de.indymedia.org/2007/03/171295.shtml deutlich in Europa auswirken wird. Nachdem in den USA mit dem bankrotten US-Hypotheken-Finanzierer "American Home Mortgage Investment" erneut ein Opfer zu verzeichnen ist, zog die französische Großbank "BNP Paribas" die Notbremse. Die Europäische Zentralbank (EZB) zog mit einer ungeahnten Spritze von fast 95 Milliarden Euro frischem Geld nach, um die Finanzmärkte zu beruhigen und eine Panik zu vermeiden.
Nun ist offensichtlich, dass die Immobilienkrise aus den USA auch nach Europa geschwappt ist und noch dazu auch die Kernstaaten trifft. Schon am 7. August hat die BNP Paribas sich dazu entschlossen, "vorübergehend" keine Rücknahme von Anteilen von Investmentfonds mehr vorzunehmen. Wegen mangelnder Zahlungsfähigkeit im amerikanischen Markt könne deren Fondswert nicht mehr berechnet werden, teilte die Bank gestern öffentlich mit ( http://www.bnpparibas.com/fr/actualites/communiques-presse.asp?Code=LPOI-75W9M2&Key=BNP%20Paribas%20Investment%20Partners%20suspend%20temporairement%20le%20calcul%20de%20la%20valeur%20liquidative%20des%20fonds%20Parvest%20Dynamic%20ABS,%20BNP%20Paribas%20ABS%20EURIBOR%20et%20BNP%20Paribas%20ABS%20EONIA).
Es handelt sich zunächst um drei Fonds mit einem geschätzten Wert von etwa 1,6 Milliarden Euro: Parvest Dynamic ABS, BNP Paribas ABS Euribor und BNP Paribas ABS Eonic. Bei den Asset-Backed-Securities Fonds (ABS/  http://de.wikipedia.org/wiki/Forderungsbesichertes_Wertpapier) handelt es sich um Fonds, die in Wertpapiere investieren, die wiederum durch Vermögenswerte abgesichert sind. Die Mitteilung der Bank ist einigermaßen dramatisch, denn es wird erklärt, in bestimmten Marktsegmenten auf dem US-Markt seien keine Transaktionen mehr möglich, weshalb praktisch die Aktiva dieser Fonds abgeschrieben werden müssten.

Nun ist längst bekannt, dass es sich nicht um den einzigen Fall handelt. Erster und bislang schwerster Betroffener ist die IKB, die etwa 8 Milliarden abschreiben muss.
Auch die Düsseldorfer WestLB ist mit weit über 1 Milliarde im Spiel und auch die Deutsche Bank-Tochter DWS, die Postbank und die Privatbank Sal. Oppenheim ( http://www.oppenheim.de/de/index.htm) sind betroffen. Sal. Oppenheim hat einen ABS- Fonds mit einem Volumen von 750 Millionen Euro geschlossen. Interessant an deren Aussagen der Privatbank war, dass sie nicht im amerikanischen Subprime-Markt investiert habe. Dieser Markt mit schlecht abgesicherten Immobilienkrediten wurde bisher als Krisensektor gewertet ( http://www.heise.de/tp/r4/artikel/24/24355/1.html). Offensichtlich ist damit, dass große Teile des US-Finanzsektors von der platzenden Immobilienblase erfasst werden.

Dass der US-Hypotheken-Finanzierer "American Home Mortgage Investment" ( https://www.americanhm.com/index.aspx) inzwischen Zahlungsunfähigkeit angemeldet hat, passt ins Bild. Denn die Firma gehört nicht zu den riskanten Kreditgebern. Aber auch sie wurde nun von Druckwelle der platzenden Immobilienblase zu Boden gerissen. Zunächst hatte die Firma am Freitag 90 Prozent ihrer fast 7500 Angestellten entlassen. Doch der Befreiungsschlag kam zu spät. Anfang der Woche musste die Firma aus Melville bei einem Gericht in Delaware Gläubigerschutz nach Kapitel 11 des US-Insolvenzrechts beantragen, was ihr eine grundsätzliche Sanierung erlaubt, während die Schulden nicht bedient werden müssen. American Home sieht sich als Opfer "außergewöhnlicher Verwerfungen", weil ihre Sicherheiten für frühere Hypothekar-Kredite durch den Preisverfall am US-Immobilienmarkt massiv entwertet wurden.

Die Firma ist ein Beispiel dafür, wie schnell der Absturz kommen kann, wenn man sich in großer Höhe am Abgrund bewegt. Sie gehörte zu den am schnellsten wachsenden US-Firmen für Hypothekenkredite und stand auf den Top 10 der Immobilienfinanzierer des Landes. Noch im erst Quartal dieses Jahres verzeichnete die Firma einen Zuwachs von 27,2 Prozent bei der Vergabe von Krediten im Vergleich zum Vorjahrjahreszeitraum.

Die Immobilienkrise wirkt sich, logischerweise, auch auf andere Zweige der Ökonomie aus und Spekulationsblasen gab es und gibt es nicht allein im Immobiliensektor ( http://www.heise.de/tp/r4/artikel/25/25206/1.html). Direkt betroffen vom Immobiliencrash ist auch schon die große Baufirma Toll Brothers Inc.( http://www.tollbrothers.com). Erwartet wird ein Umsatzeinbruch von 21%. Nach ersten Angaben hat die Baufirma bis zum 31. Juli nur noch 876,8 Millionen Euro eingenommen, im Vergleichszeitraum des Vorjahres waren es noch 1.108 Millionen ( http://www.nytimes.com/2007/08/09/business/09home.html). Seit Monaten gehe es mit dem Immobiliensektor bergab. "Und mit den Zweifeln, die sich um die Hypotheken ranken, können sich die Verkäufe von Häusern weiter verschlechtern, bis sich die Kreditmärkte wieder erholen". Diese noch recht positive Prognose gab Robert Toll, Präsident von Horsham ab. Entlassungen werden auch hier die Folge sein, die sich wieder negativ auf die Nachfrage auswirken werden und die Krise weiter antreiben werden.

Die Verwicklungen in den US-Markt sind aber nur ein Teil des Problems und machen nur schneller deutlich, dass die Immobilienkrise längst Europa erreicht hat. Die dauernden Anhebungen der Kreditzinsen durch die EZB haben längst für eine allgemein abnehmende Kauftätigkeit bei Immobilien geführt. Viele Wohnungen sind praktisch längst nicht mehr zu verkaufen ( http://www.heise.de/tp/r4/artikel/24/24865/1.html). Solche oder ähnliche Entwicklungen gibt es in Spanien, Frankreich, Irland, Schweden, Holland und Portugal.

Das schreibt auch "Global Property Guide" auf ihren Webseiten ( http://www.globalpropertyguide.com). Die Firma ist auf Informationen über den weltweiten Immobilienmarkt spezialisiert und warnt vor "stagnierenden" Preisen. Allerdings darf den Analysten eine gewisse Betriebsblindheit bescheinigt werden. Ihre Zahlen sind noch immer zu positiv. Für Spanien gibt sie noch immer einen Preisanstieg von 7,2 Prozent an. Das entspricht bestenfalls noch den Wunschvorstellungen der Klienten von Global Property Guide aber nicht auf tatsächlich realisierte Verkäufe. Denn faktisch sind die Preise für verkaufte Wohnungen in vielen Regionen schon zum Teil deutlich gefallen und die Zeiten, für den Verkauf einer Wohnung werden immer länger.

Interessant ist deshalb an deren Aussagen eher, dass ein genereller Trend festgestellt wird. Dabei sei egal, wie die Verteilung zwischen Miet- oder Eigentumswohnungen im jeweiligen Land ist, selbst der jeweilige Lebensstandard spiele keine Rolle. In der Eurozone hätten sich die Preissteigerungen stark abgeschwächt: Spanien, Frankreich, Irland und Schweden (jeweils etwa 5 Prozent weniger), Griechenland sogar knapp 8 Prozent und in Portugal lägen die Preissteigerungen nun schon unter der Inflationsrate, während sie in Holland stagnierten.

Die Kaufkraft im jeweiligen Land wirkt sich dann nur darauf aus, wie stark die Krise auf die jeweilige nationale Ökonomie durchschlagen wird. So werden die Effekte in Frankreich zum Beispiel deutliche schwächer ausfallen als beim Nachbar in Spanien. In Frankreich dürfen sich die Familien per Gesetz nur bis zu einem Drittel ihres Einkommens mit einem Immobilienkredit verschulden. Zudem werden meist über den gesamten Zeitraum feste, für die Familien gut zu kalkulierende Zinssätze vergeben. Ganz anders in Spanien, wo die Banken das Zinsrisiko voll auf die Kreditnehmer abwälzen dürfen und deshalb Rekordgewinne schreiben ( http://de.indymedia.org/2005/07/123623.shtml). Von dieser ständig kritisierten Politik haben auch die Sozialisten (PSOE) nach ihrem Wahlsieg 2004 keinen Abschied genommen ( http://de.indymedia.org/2006/01/136409.shtml).

Dass auch die Europäischen Zentralbank (EZB/ http://www.ecb.int) inzwischen die Lage in der Eurozone als bedenklich einschätzt, hat sich nun mehrfach gezeigt. Sie hat zu den größten Rettungsaktion der Finanzmärkte seit den Anschlägen vom 11. September 2001 angesetzt. Nachdem viele Banken sich wegen dem unklaren Ausmaß der Krise mit Geld eindeckten, um liquide zu bleiben, sah sich die EZB zum Handeln gezwungen. Gemeinsam mit den Notenbanken der USA und Japan pumpten sie über 230 Milliarden Euro in den Markt, um Panik zu verhindern. Insgesamt wird befürchtet, dass noch viel mehr Banken von der US-Hypothekenkrise betroffen sind. Vermutet wird nach ersten Berechnungen, dass der Schaden weltweit mindestens 450 Milliarden Dollar beträtgt. Die Hand will dafür niemand ins Feuer legen, denn es könnte auch leicht das Vielfache werden. Die Befreiungsschläge der Notenbanken, nachdem sie jahrelang dem Treiben auf dem Immobiliensektor tatenlos zugeschaut haben, dürften keine Wirkung mehr erzielen, denn strukturell haben sie den Karren an die Wand gefahren. Jetzt setzen sie auf Psychologie und versuchen mit Beschwichtigungsformeln die Lage in den Griff zu kriegen. Mich würde wundern, wenn sie diese Krise damit meistern würden.

© Ralf Streck, Donostia den 16.08.2007

Bildnachweis:  http://www.immobilien-usa.net/data/kundendaten/43/873_videofletcher.jpg
Creative Commons-Lizenzvertrag Dieser Inhalt ist unter einer
Creative Commons-Lizenz lizenziert.
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen

Sehr Interessant, siehe auch

Paul 16.08.2007 - 13:53
Die Auswirkungen können sehr heftig sein, deshalb muss sich die Linke damit ausgiebig beschäftigen. Siehe auch:  http://de.indymedia.org/2007/08/190860.shtml

Pure Psychologie

linker Banker 16.08.2007 - 19:46
Wieder einmal zeigt sich, daß via Börsen und Märkten jeder Mensch abhängig ist von der psychologischen Verfassung der Schlipsträger sowie einer gewissen "passt-schon"-Mentalität dieser Verantwortlichen: Die sog. "Krise" wurde ausgelöst durch steigende Kreditzinsen. Die "Subprime"-Banken verliehen Hypotheken an Menschen, deren Einkommen gerade dazu ausreichte, neben allem anderen die Tilgung und den Zins ihrer Schulden zu bedienen. Dies fand in einer Phase niedriger Zinsen statt. Nun weiß zwar jeder "Insider", daß Zinsen variabel sind, also - gerade in Zeiten von niedrigen Zinsen - eher mal nach oben gehen werden, aber dies war den Verantwortlichen wohl egal, im Interesse, ein möglichst großes Volumen an Geschäftsabschlüssen zu erreichen. Jedem mit der Materie halbwegs Vertrauten hätte klar sein müssen, daß dies eine Welle von (Privat-)Insolvenzen nach sich ziehen wird, die Banken also nicht alles von dem, was sie ausleihen, wiedersehen werden. Bei niedrigen Zinsen sind auch die Riskioprämien (das Geld, das die Banken für etwaige Ausfälle miteinkalkulieren), die in den Zinsen enthalten sind, eher gering, es kann also kaum "Polster" aufgebaut werden. Überraschen kann mensch diese "Krise" also nicht wirklich.
Bedenklich aber ist, daß diese Verwerfungen langsam aber sicher um sich greifen: Obwohl die Zentralbanken Geld in das Finanz-System pumpten, obwohl die fundamentalen Zahlen (Gewinne, Auftragseingänge, Zahlungsmittelbestände, ... ) der Unternehmen "stimmen", breitet sich an den Börsen langsam aber sicher Panikstimmung aus, Finanzierungen werden schwieriger, das "Vertrauen in die Märkte" schwindet...
Somit hat das System des Kapitalismus aus sich selbst heraus wieder mal ne Krise produziert. Und das, obwohl "die Märkte" allenortens vor Liquidität (=bares Geld, welches Anlage sucht) überschwappen.

Und weiter gehts

Ralf 17.08.2007 - 16:42
Nach der Börsenpanik hat die FED nun die Zinsen gesenkt und gesteht damit ein, dass die Lage extrem ernst ist. Neues dazu zunächst hier:  http://www.heise.de/tp/r4/artikel/25/25985/1.html

UPDATE

RALF 20.08.2007 - 11:00
Börsen in Panikstimmung

Tagelang sollten Beschwichtigungsformeln Normalität vorgaukeln, doch neue negative Daten vom US-Immobilienmarkt sorgen nun für Panik an den Börsen

Ist die "schlimmste Bankenkrise seit 1931" durch das Eingreifen von Aufsicht und Kreditwirtschaft gerade noch verhindert worden, wie Jochen Sanio, Präsident des Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin/  http://www.bafin.de) behauptet? Zwar ist Sanio in den Urlaub nach Kanada abgedampft, doch nach Tagen der Beschwichtigungsformeln ist an den Aktienmärkten am Donnerstag Panik ausgebrochen, als erneut negative Daten von der platzenden US-Immobilienblase eintrudelten ( http://www.heise.de/tp/r4/artikel/24/24865/1.html). Die Kurse stürzten ab. Der Trend ist nicht gebrochen, heute brach der Nikkei-Index in Tokio sogar um 5,42 Prozent ein. Nun reagierte die US-Notenbank und senkte die Zinsen, um die Lage zu beruhigen. Brüssel ermittelt derweil gegen Rating-Agenturen, weil die nicht vor den Gefahren gewarnt hätten.

Es reichte, dass neue Zahlen aus den USA ein wenig schlimmer als erwartet ausfielen, um die Finanzmärkte zu Panikreaktionen zu bringen. Dabei darf man sich fragen, welche Zahlen die Finanzjongleure eigentlich erwartet hatten. Wegen der platzenden Immobilienblase in den USA hat sich die Zahl der neuen Projekte im Juli erneut um 6,1 Prozent verringert. Das betraf zu 7,3 Prozent Einfamilienhäuser und zu 1,6 Prozent Mehrfamilienhäuser. Im Jahresvergleich macht die Verringerung schon 21 Prozent (42 Prozent vom Höchststand im Januar 2006) aus und diese Zahlen zeigen, welche Auswirkungen auf die gesamte US-Wirtschaft zukommen.

Es gäbe noch immer viel zu viele Häuser und Wohnungen auf dem Markt, weshalb die Preise weiter fallen werden, sagen nun die Analysten. ( http://online.wsj.com/article/SB118726636226299582.html?mod=googlenews_wsj) Diese Anpassungen bei den Preisen, die höhere Arbeitslosigkeit im Bausektor… wird dazu führen, dass immer mehr Wohnungen auf den Markt geschwemmt werden, weil die Kredite nicht mehr bedient werden können ( http://www.heise.de/tp/r4/artikel/24/24355/1.html). Dazu kommen die abflauende Neigung zum Konsum und die restriktivere Kreditvergabe, die neue Krisen auf den Finanzmärkten provozieren werden. Immer mehr Banken werden faule Kredite ( http://www.heise.de/tp/r4/artikel/25/25616/1.html) abschreiben müssen.

So verwundert es nicht, wenn der US-Immobilienfinanzierer Fannie Mae ( http://www.fanniemae.com) mit einer weiteren Verschärfung der US-Hypothekenkrise rechnet. Der Verfall der Immobilienpreise habe zu einem Anstieg der Kreditausfälle geführt, teilte die Firma mit, die sich zum Teil in Staatshand befindet. In diesem Jahr könne der bisherige historische Höchststand erreicht werden und die Kreditausfälle könnten sich im kommenden Jahr sogar noch weiter erhöhen. Bei vielen Schuldnern sei für 2007 und 2008 eine Anhebung der Darlehensraten vorgesehen, so dass im kommenden Jahr mit "deutlichen Kreditverlusten" zu rechnen sei, sagte deren Chief Risk Officer Enrico Dallavecchia.

Und weiter große Immobilienfirmen geraten in die Zahlungsunfähigkeit. Gerade hat der große US-Hypothekenvermittler First Magnus Corporation ( http://www.firstmagnus.com) seine Geschäfte eingestellt. Es werden keine neuen Kredite mehr vergeben, erklärte das Unternehmen seinen Kunden. Nach Berichten werde auch diese Firma ein Insolvenzverfahren einleiten. Die Gesellschaft hat die Mehrzahl ihrer 5000 Mitarbeiter schon entlassen.


Statt dem Ende der Krise, wie einige uns einreden wollen, sehen wir bisher erst die Spitze des Eisbergs und längst ist klar, dass die Krise den Bereich der schlecht abgesicherten Kredite auf dem Subprime Markt verlassen hat ( http://www.heise.de/tp/r4/artikel/25/25931/1.html). Derzeit ist nur eines klar: Wir wissen nicht, was noch kommt, denn es liegen noch keine klaren Informationen darüber vor, wie stark auch europäischen Banken in den Kreditmarkt der USA verwickelt sind. Sollten sie noch höhere Werte abschreiben müssen, als bisher angenommen, fallen ihre Verluste deutlich höher aus und schon dadurch entstünde eine bedrohliche Situation. Hausgemachte Probleme sind hier noch völlig ausgeklammert. Die Beschwörungsformeln, die Konjunktur sei stabil, weshalb die Krise nicht durchschlagen werde, erhalten ohnehin schon Dämpfer. So spricht man bei Goldman Sachs ( http://www2.goldmansachs.com) nun schon davon, dass die Ökonomie "etwas schwächer" als erwartet ist. Das Zauberwort einer Rezession ( http://www.mlive.com/newsflash/business/index.ssf?/base/business-76/118733830033170.xml&storylist=mibusiness) taucht nun immer öfter als Schreckgespenst in Berichten auf ( http://www.heise.de/tp/r4/artikel/25/25033/1.html).

Tatsächlich sind die Reaktionen der Finanzmärkte nur Reflexe der Unsicherheiten. Die Tatsache, dass die Börse in Tokio am Freitag auf eine rasante Talfahrt ging und sogar 5,42 Prozent verlor, hat damit zu tun, dass es die Immobilienblase in Japan war, die 1991 die Ökonomie in die Knie zwang. Deshalb fiel der Kurssturz in Tokio sogar noch stärker aus als nach den Anschlägen auf das World Trade Center und das Pentagon am 9. September 2001. Viele Banken konnten damals nur mit staatlicher Hilfe vor dem Zusammenbruch bewahrt werden. In Japan ist man als gebranntes Kind und deshalb besonders sensibel. Ähnlich war es in London, wo die Kurse um 4,1 Prozent stürzten, dort verliert die Blase schon seit mehr als einem Jahr langsam an Druck.

Besonders traf es auch die Börse in Madrid, wo die Kurse mit 3,7 Prozente stärker stürzten als nach den Anschlägen im März 2004 in der spanischen Hauptstadt ( http://www.heise.de/tp/r4/artikel/16/16941/1.html) was vor allem mit hausgemachten Problemen zu tun hat. Denn bisher ist nur eine Bank bekannt, die von der US-Krise betroffen ist und das nur mit schlappen 270 Millionen Euro. Doch das heißt nichts, weitere und bekanntere Namen mit höheren Abschreibungssummen werden auftauchen, denn die Verschleierung in Spanien hat Methode. Als Namen tauchen immer wieder die Santander Bank ( http://www.gruposantander.es) und BBVA ( http://www.bbva.com) auf.

Auch wenn die alles in trockenen Tüchern hätten, wie sie bisher ständig behaupten ( http://www.elperiodico.com/default.asp?idpublicacio_PK=46&idioma=CAS&idtipusrecurs_PK=7&idnoticia_PK=433464), wissen doch alle, dass sich in Spanien ebenfalls eine Immobilienblase gefährlich aufgeblasen hat ( http://www.heise.de/tp/r4/artikel/17/17795/1.html) in die sie stark involviert sind. Das Platzen dieser Blase ist auch durch großen Mengen an Schwarzgeld ( http://www.heise.de/tp/r4/artikel/25/25171/1.html), das hier in Immobilien zum Waschen geflossen ist, nicht mehr aufzuhalten.

Der Rekordbetrug an Sparern ( http://www.heise.de/tp/r4/artikel/22/22654/1.html) im vergangenen Jahr hat zudem gezeigt, wie schlecht das Finanzsystem kontrolliert und abgesichert ist. Spanien hat zudem nichts unternommen, um präventiv der vorhersehbaren Krise entgegen zu steuern. Die Banken wurden zu immer absurderen Kreditformen animiert, um das Platzen der Blase bis nach den Parlamentswahlen im kommenden Frühjahr zu hinüber zu retten ( http://www.heise.de/tp/r4/artikel/21/21764/1.html).

Entsprechend geringer fielen die Verluste an den Börsen in Paris und Mailand (3,3 %) und Frankfurt mit 2,4 % aus, wo die Gefahren von eigenen platzenden Immobilienblasen jeweils geringer sind. An den heftigen Reaktionen der Börsen konnten auch die massiven Interventionen der US-Notenbank nichts ändern, die am Donnerstag erneut 17 Milliarden US-Dollar auf dem Markt schoss. Insgesamt hat die FED inzwischen 88 Milliarden Dollar in den Markt gepumpt. Überraschend hat die Notenbank nun heute den Diskontsatz um einen halben Prozentpunkt auf 5,75 Prozent ( http://de.wikipedia.org/wiki/Diskontsatz) herabgesetzt, um kurzfristig Liquidität zu schaffen. Zwar lässt sie den zentralen Zinssatz für Tagesgeld unverändert bei 5,25 Prozent, gesteht nun gegen bisherige Äußerungen den Ernst der Lage ein. Die Lage an den Finanzmärkten habe sich verschlechtert und die Risiken für das Wirtschaftswachstum hätten sich deutlich erhöht, begründete sie den Schritt. Bisher hatte die FED erklärt, die Zinsen nicht senken zu wollen, um die Krise abzuschwächen. Das geschehe erst geschehen, wenn es zu einer wirklichen Gefahr für das Wachstum käme. Das ist nun der Fall.

Inzwischen geraten die internationalen Rating-Agenturen in den Blick der Ermittler in Brüssel. Die sollen eigentlich die Kreditwürdigkeit von Unternehmen und Staaten bewerten. EU-Binnenmarktkommissar Charlie McCreevy lässt prüfen, ob sie zu spät vor den Risiken im US-Hypothekengeschäft gewarnt haben, teilte eine Sprecherin von McCreevy mit. Bis April 2008 solle geprüft werden, ob die Agenturen angemessen schnell auf die Krise am US-Hypothekenmarkt reagiert hätten. Gesetzliche Maßnahmen seinen nicht mehr ausgeschlossen, hieß es aus Brüssel die bislang dem absurden Treiben auf den Immobilienmärkten zugeschaut hat.

© Ralf Streck, den 18.08.2007

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige die folgenden 4 Kommentare an

Geld vernichtet? — Ralf