Neue Verbotsdebatte nach ETA-Anschlag

Ralf Streck 01.09.2007 17:41 Themen: Soziale Kämpfe Weltweit
Spanien sucht Strukturen der baskischen Untergrundorganisation in Portugal, nachdem die baskische Untergrundorganisation ETA gegen Spanien in die Offensive geht. Es war nicht schwer zu erraten, dass die ETA ihre im Juni aufgekündigte Waffenruhe nach der Machtübergabe der Sozialisten an die Ultrarechten in der Provinz Navarra auch definitiv abbrechen wird. Damit war nach dem Verbotsrekord, der auch das Teilverbot einer antifaschistischen Traditionspartei einschloss, klar, dass die Sozialisten an einer friedlichen Lösung kein Interesse haben. Dabei hatten sie ein definitives Entwaffnungsangebot der ETA auf dem Tisch. Erwartet wird nun eine Anschlagswelle.
Die ETA hatte ihre Waffenruhe zwar schon im Juni offiziell beendet, ließ aber bis Freitag letzter Woche mit einem wirklichen Anschlag auf sich warten. Am frühen Morgen zündete sie eine Autobombe mit etwa 100 Kilogramm Sprengstoff an der Kaserne der Guardia Civil im baskischen Durango. Die Bombe richtete großen Sachschaden an und verletzte zwei Beamten der paramilitärischen Einheit leicht.

Geplant hatte sie offenbar am Wochenende einen großen Anschlag im spanischen Süden, der durch Zufall vereitelt wurde. Einem Bauer in der Provinz Castellón war der Kleinbus in einem Olivenhain aufgefallen. Weil er Diebe vermutete, alarmierte er die Guardia Civil. Die stellte nichts Verdächtiges fest und zog wieder ab. Das Kommando sprengte daraufhin den mit 150 Kilogramm beladenen Campingbus und setzte sich ab. Den Wagen hatten zuvor fünf Personen im Namen der ETA im Südwesten Frankreichs, nahe dem Baskenland, geraubt. Die baskischen Besitzer wurden bis Montag gefangen gehalten. So war die ETA auch bei dem schweren Anschlag auf den Madrider Flughafen zum Jahreswechsel vorgegangen, mit dem sie ihre Waffenruhe unterbrach. Inzwischen wurde die "höchste Alarmstufe" ausgelöst, denn es wird mit einer Anschlagsserie gerechnet.

Spanien bittet nun Portugal um Hilfe. Indizien sprechen dafür, dass die ETA dort über Strukturen verfügt. Im Juli wurde ein Auto mit Sprengstoff an der portugiesischen Grenze entdeckt und das Fluchtfahrzeug aus Durango war in Portugal angemietet worden. Am Wochenanfang flog eine spanische Delegation nach Lissabon, um eine gemeinsame Ermittlungskommission einzurichten, wie es sie schon mit Frankreich gibt.

Sofort ist die Debatte, angeschoben von der postfaschistischen Volkspartei (PP) und deren zahlreiche Verfechter in Spanien, um das Verbot von der Traditionspartei Eusko Abertzale Ekintza (Baskisch Patriotische Aktion/EAE ANV) aufgeflammt. Schon bei den Wahlen im Mai wurden mehr als die Hälfte der Listen der fast 80 Jahre alten Partei verboten, weil hinter ihnen die 2003 in Spanien verbotene Partei Batasuna (Einheit) stehen soll. Damit machte die sozialistische Regierung deutlich, dass sie an einer friedlichen Konfliktlösung kaum Interesse hat. Das Ministerium für Staatsanwaltschaft hat Ermittlungen aufgenommen, um ein formales Verbot einzuleiten. Das wird den Konflikt weiter anheizen, kritisieren alle baskischen Parteien.

Batasuna, die als Vermittler zwischen der ETA und der Regierung fungierte und den Friedensprozess angeschoben hatte, machte öffentlich, dass der Regierung ein definitives Entwaffnungsangebot der ETA vorlag. Die wollte dafür vor allem ein politisches Abkommen, das auch die Provinz Navarra einschließt. Seit 30 Jahren wartet Navarra auf das Referendum über einen Anschluss an die drei Autonomen Baskischen Provinzen. Dafür müsste nicht einmal die spanische Verfassung geändert werden, denn die sieht diese Möglichkeit vor. Für die Basken ist "Nafarroa" der Kern des Landes mit der Hauptstadt Iruña (Pamplona).

Spanien verstärkt auch den Druck auf Frankreich, damit dort gegen Batasuna vorgegangen wird, die das Land als Teil der ETA ansieht, was aber nie bewiesen werden konnte. Batasuna ist in Frankreich legal und tritt zu den Wahlen an. Die Verhaftung eines Batasuna-Führers in Frankreich entwickelte sich zum Rohrkrepierer. Zwar wurde zunächst behauptet, Giuliano Cavaterra habe die Verteilung ETA-Zeitschrift "Zutabe" (Pfeiler) organisiert. Doch der musste sofort ohne Anklage wieder frei gelassen werden. Peinlich war für die Spanier, dass sie außer Anschuldigungen eines französischen Journalisten nichts vorlegen konnte. Besonders pikant daran ist, dass der die Guardia Civil beschuldigt, diese Aussagen nach dessen Verhaftung unter Folter erpresst zu haben.

© Ralf Streck, Donostia den 31.08.2007
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ETA will noch mehr Tote ...

Hans Werner Meyer 01.09.2007 - 18:15
Es ist doch ganz schön peinlich, wenn Mensch einer Partei hilft, die als Ziele Nationalismus und Sozialismus vermengt. Hatten wir das nicht schon einmal irgendwo? Die rechtliche Aktion ist natuerlich auch peinlich .... ganz abgesehen von noch mehr Toten Menschen ...
"El consejero vasco de Interior, Javier Balza, ha vuelto a dejar claro que su discurso es uno de los más contundentes e inequívocos sobre la actuación y pretensiones de ETA y su entorno de los que salen del Gobierno que encabeza Juan José Ibarretxe. Tras el atentado del pasado viernes contra la casa cuartel de la Guardia Civil en Durango (Vizcaya) y la acción fallida de la banda en Castellón, Balza aprovechó ayer las páginas de Deia y los diarios del grupo Noticias para difundir su opinión sobre el estado actual de la banda y el conjunto de la izquierda abertzale."  http://www.elpais.com/articulo/espana/Balza/ETA/hay/gente/importante/sabe/debe/dejar/violencia/elpepuesp/20070830elpepinac_8/Tes

Also bitte Meyer

Ralf 01.09.2007 - 20:07
Da kann man nur Moishe Postone zitieren, oder ist das auch ein Vermischer von Nationalismus und Sozialismus (oder sind die dir Vermischer des Nationalismus mit Faschismus der PP doch lieber?) Der schreibt: "Man muss den Begriff Selbstbestimmung differenzieren - er kann sehr verschiedenes bedeuten. Traditionell hat die deutsch Politik "Selbstbestimmung" immer ethnisch verstanden. In Bezug auf die Region zwischen Deutschland und Rußland (könnte auch der Elsass sein, Anm. von mir) ist die Politik der ethninschen "Selbstbestimmung" ein Vehikel gewesen, deutsch Herrschaft zu definieren.

Auf eine Nachfrage der Interviewer, abgedruckt in "Deutschland, die Linke und der Holocaust" sagt er dann, und das passt sehr gut auf das Baskenland:
"Mir scheint das Selbstbestimmungsrecht eines Volkes, wenn es politisch definiert ist, in eine andere Richtung zu weisen, als ein "ethnisches Selbstbestimmungsrecht des Volkes". (...) Der Begriff von "Volk" in Deutschland ist eigentlich ein vorpolitischer Begriff, während "people" ein politischer Begriff ist".

So und genau so ist aber der Begriff im Baskenland definiert. Wer hier seine Arbeitskraft verkaufen muss ist Baske. Vielleicht sollten mal einige Antideutsche ihre nationalistische Brille abnehmen, durch das sie alles anzugucken pflegen und gar nicht mehr merken, welchen Unfug sie dabei reden.

Denn nur weil der deutschen Nationalismus immer reaktionär war, sind es nicht alle. "Man kann nicht einfach "deutsch" sein und vorgeben, nicht zu wissen, daß der moderne deutsche Nationalismus - im Gegensatz zur Situation in vieler anderer Länder - immer reaktionär gewesen ist." So verteidigt Postone sogar den Nationalismus der Palästinenser: "Ihr Nationalismus ist total verständlich, nicht nur moralisch, sondern auch materiell. Welche andere Haltung wäre denn möglich für Menschen, die vertrieben wurden" (...) "Die permanent das Ziel brutaler israelischer Angriffe waren und von arabischen Staaten, in deren Konflikten untereinander als Spielball benutzt wurden? Natürlich wollen sie ihr Land zurück. Das ganze."

Zum Teil kann das auch auf die Basken übertragen werden.

Gleichwohl warnt er die Linke auch, die unfähig ist, ihre Politik auf einer "Analyse und Einschätzung der Situation zu machen und zu einer kritischen Unterstützung" solcher Bewegungen zu kommen, "die ein andauernder politischer Lernprozess bedeuten würde. Statt dessen gibt es die oft unkritische Identifizierung mit solchen Bewegungen. " Die, wenn man sie nicht mit offenen Augen sieht, kann man später enttäuscht oder desillusioniert sein, Beispiele gibt es dafür ja genug "ohne irgendwas gelernt zu haben. Statt dessen wird das nächste Identifikationsobjekt ausgesucht". Damit wird das aufgegeben, was Linke eigentlich ausmacht: "unsere kritischen Reflektionen von unseren eigenen Erfahrungen und ihre Vermittlung zu der Gesellschaft in der wir leben". Das hat die deutsche Linke, aus dem Konflikt mit ihrer eigenen Vergangenheit und dem NS sowieso weitgehen aufgegeben.
Um nochmal mit dem Professor für europäische Geisteswissenschaften (der selbst in Frankfurt in den 70ern und 80ern studiert hat, bevor er in die USA zurückging) zu sprechen: "Die Linke hat zu oft das Muster vorherrschender deutscher Einstellungen, das zurückzuweisen sie angetreten war, reproduziert". Das gilt auch für die Beurteilung anderer Bewegungen, die, ohne sie zu kennen, heute oft (aus einer bescheidenen Analyse des deutschen Nationalismus) über dieses Totschlagargument verdammt werden.