ETA beendet Waffenruhe definitiv

Ralf Streck 05.06.2007 17:19 Themen: Weltweit
Die baskische Untergrundorganisation ETA hat ihre Waffenruhe vom März 2006 definitiv beendet. In einem Schreiben kündigte die bewaffnete Organisation einen Kampf "an allen Fronten" an, weil die "Mindestvoraussetzungen für einen Verhandlungsprozess nicht gegeben sind". Sie warf den Sozialisten (PSOE) in Spanien vor, auf die Friedendbemühungen mit "Festnahmen, Folter und Verfolgung" reagiert zu haben, die Angriffe auf die Basken "haben zugenommen und sind stärker geworden". Als Beispiel nannte sie auch die "antidemokratischen" Wahlen Ende Mai, bei denen die Sozialisten einen neuen Verbotsrekord aufgestellt haben und sogar die meisten Listen einer antifaschistischen Traditionspartei verboten haben. Angesichts der miesen Wahlergebnisse der PSOE, war keine Änderung der Baskenpolitik zu erwarten. Im Dezember hatte die ETA die Waffenruhe tödlich als Warnung unterbrochen.
Die baskische Untergrundorganisation ETA hat nach 14 Monaten ihre Waffenruhe definitiv beendet. In einem Kommunique an zwei baskische Zeitungen kündigte die bewaffnete Organisation an, den Kampf "an allen Fronten" wieder aufzunehmen. Den Friedensprozess ist zunächst beendet, weil "die "Mindestvoraussetzungen für einen Verhandlungsprozess nicht gegeben sind".

Sie warf den spanischen Sozialisten (PSOE) unter Ministerpräsidenten José Luis Rodríguez Zapatero vor, auf den Friedenswillen der linken Unabhängigkeitsbewegung mit "Festnahmen, Folter und Verfolgung" reagiert zu haben. "Die Angriffe auf das Baskenland nahmen zu und wurden stärker". Als Beispiel nennt sie auch die "antidemokratischen" Regional- und Kommunalwahlen Ende Mai.

In den letzten Monaten seien die "Masken gefallen". Die "neue Vorgehensweise", die Zapatero nach dem Wahlsieg 2004 ankündigte, habe sich in einen "Faschismus verwandelt, der Parteien und Menschen rechtlos macht". Als "Verräter" bezeichnet die ETA auch die große Baskisch-Nationalistische Partei (PNV), die stets den Aufbau eines friedlichen und demokratischen Baskenlandes untergrabe.

Kurz reagierte Zapatero heute. Der Beschluss der ETA widerspreche dem Willen der Basken und Spanier. "Die ETA irrt sich erneut und die Antwort der Regierung wird wie immer ausfallen, verankert in der Verteidigung der demokratischen Werte, der Effizienz der Sicherheitskräfte und der internationalen Kooperation". Er behauptete: "Ich habe alles getan, um den Frieden zu erreichen" und dafür werde er weiter einsetzen.

Das erstaunt, denn es gab kaum Entspannungsgesten in den letzten Jahren. Die PSOE entgegnete Angriffen der rechten Volkspartei (PP) ausgerechnet damit, sie hätte noch weniger Konzessionen gemacht, als die PP in der Waffenruhe 1998/99. Weder wurde die unter der PP verbotenen Partei Batasuna (Einheit) wurde ein Weg zur Rückkehr ins politische Leben geebnet, noch Gefangene ins Baskenland verlegt, wie es in Friedensgesprächen vereinbart worden war.

Sogar die neue Partei Abertzale Sozialisten Batasuna (ASB), von Batasuna gegründet, wurde von den Wahlen ausgeschlossen, obwohl sie in ihren Statuten die Gewalt verurteilt, wie es neue Parteiengesetz fordert. Verboten wurden sogar mehr als die Hälfte der Listen einer 80 Jahre alten antifaschistischen Partei, weil hinter ihnen Batasuna stehe. Sogar der Generalstaatsanwalt sprach selbstkritisch von "Guantanamo-Wahlen". Mit dem Verbot von Listen der legalen Partei usko Abertzale Ekintza (Baskisch-Patriotische Aktion/EAE-ANV) wurde "wohl überzogen", meinte Candido Conde Pumpido.

EAE-ANV erhielt sogar mehr Stimmen als Batasuna zuvor und erreichte in vielen Gemeinden die absolute Mehrheit, während die PNV schwere Verluste erlitt. In der Provinz Gipuzkoa wäre sie, ohne die Annullierung von fast 22 % der Stimmen, stärkste Partei. Dass die PSOE vor den Parlamentswahlen nächstes Jahr ihre Baskenpolitik ändert, ist wegen ihrer Ergebnisse in Spanien nicht zu erwarten. Die Angriffe der PP auf den Friedensprozess brachten ihr Erfolge und sie gewann die Wahlen. Da diese Wahlen stets das Ergebnis der Parlamentswahlen vorwegnehmen, fürchtet die PSOE nun den Machtverlust. Da die ETA mit einem Anschlag auf den Madrider Flughafen im Dezember ihre Waffenruhe schon einmal unterbrach, wurde das Ende der Waffenruhe vor diesem Panorama erwartet.

© Ralf Streck den 05.06.2007
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Ergänzungen

Gottchen

Ralf 06.06.2007 - 10:32
Einige Leute können einfach nicht davon lassen, Meinung immer mit Nachricht zu verwechseln. Quasi fordern sie immer, dass man sich in epischer Breite bekennt und je nach dem in welche Richtung distanziert.

Eine Warnung war der Anschlag in Madrid, wenn man ihn nüchtern analysiert. Wenn es auch eine tödliche Warnung war. Tatsächlich entschuldigt kein Angriff auf die Basken den Tod der beiden Ecuadorianer. Aktionen von denen, die für Befreiung eintreten, sollten sich stets deutlich von den (tödlichen, repressiven) des Staates abgrenzen, wenn diese Linie verwischt wird, wird problematisch. Es wundert mich nur schon, wie hier Leute einfach ebenfalls auch nur eine Seite sehen und nicht auch den Kontext sehen analysieren wollen, aus dem raus sich derlei entwickelt. Ein bißchen Klicken (ich mach mir schon die Mühe und lege die Links) hätte zudem gereicht, um zu sehen wie ich zu dem hirnrissigen Anschlag stehe, mit dem der Friedensprozess faktisch auf Eis gelegt wurde.

Die ganze Waffenruhe war von Seiten der ETA ein Debakel. Es zeigt sich aber damit eine Kluft zwischen dem politischen und militärischen Teil der Bewegung und zeigt letztlich wie hirnrissig es ebenfalls ist, alle (Batasuna, Segi.....) einfach in einen Topf mit der ETA zu werfen und auch entsprechend zu verbieten und kriminalisieren, wodurch die ihren militärischen Kampf legitimiert sieht.

Ich dachte allerdings, die ETA hätte klarer, dass sie angesichts der pol. Machtverhältnisse einen langandauernden Prozess mit den Sozialisten zur Lösung anlegen muss. Klar war für mich stets, dass die PSOE nur wenig Zugeständnisse machen wird (vielleicht kann) bis sie nicht die nächsten Wahlen im Frühjahr an der Macht überlebt. Danach kanns anders aussehen. Schließlich muss sie auch erstmal im Staat- und Justizsapparat aufräumen, wo überall die Leute der PP sitzen und ständig Torpedos abgefeuert haben.

Ich fand es deshalb wenig klug, dass es von Teilen der linken Unabhängigkeitsbewegung so schnell die Zuspitzung gesucht wurde, weil die PSOE keine Schritte unternommen hat. Was auch nicht zu entschuldigen ist, denn man muss schon was tun, wenn man einen Friedensprozess will. Eine Wut ist zwar verständlich, wenn man Prügel einsteckt, Gefangene nicht verlegt werden, Leute nicht aus dem Knast kommen, die ihre Strafe abgesessen haben, die Folter andauert etc. Doch das war alles weitgehend kalkulierbar. Das ganze wurde mit dem Hungerstreik von Juana de Chaos und dem Anschlag in Madrid, der damit mitprovoziert wurde, dann auf die Spitze getrieben. Der Anschlag war deshalb nicht nur idiotisch, weil es Tote gab.

Mit dem Anschlag und den beiden Toten, die die ETA nicht gewollt hat (sie hats halt wieder mal in die Hand der Polizei gelegt), wurde der Friedensprozess erst einmal praktisch auf Eis gelegt. Peinlich war, dass man der PP 16 Monate Waffenruhe gönnte und der PSOE gerade 9. Sollte uns das neue Begriffe "permanente Waffenruhe" sagen? Komisches Verständnis von permanent. Die ETA hätte aus diesem großen Fehler lernen können.

Statt dessen lässt sie sich mit der Aufkündigung der Waffenruhe wieder vollständig auf die Logik des Machtkampfs ein und es hat sich nach dem Anschlag gezeigt, wohin das führt und das Ergebnis ist mittelfristig ebenfalls vorhersehbar. Die PSOE verbot, wegen dem starken Druck der PP, ASB und ging sogar gegen ANV vor, um zu zeigen, dass sie sogar die besseren "ETA"-Bekämpfer sind. So sind die spanischen Sozialisten halt, sie haben nur wenig Rückrat und die Kräfte in der Partei, die auf ne Friedenslösung aus sind, werden durch eine "Unterbrechung" der Waffenruhe, nicht mal angekündigt, und dem Ende nun weiter geschwächt.

Das entschuldigt natürlich das armeelige Vorgehen der PSOE im Friedensprozess nicht, aber man muss einfach auch sehen, wie die Machtverhältnisse im spanischen Staat sind. Trotz aller Repression und Verboten haben die Sozis die Wahlen verloren und mit dem Ende der Waffenruhe wird nun der PP definitiv der Weg zur Macht bereitet und damit auch ne Möglichkeit, einen Dialogprozess wieder aufnehmen zu können. Will die ETA das? Will sie, dass in Navarra die UPN nicht abgesägt wird? Es scheint so! Als einzige Strategie könnte man sowas sehen, umso schlimmer die Repression, umso besser, denn das wird die Leute mobilisieren. Nur stimmt das schon lange nicht mehr.

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