Baskischer Plan auf der Zielgeraden

Ralf Streck 04.01.2005 12:39 Themen: Weltweit
Es war schon spät am Donnerstag, als im baskischen Parlament die scheinbare Überraschung perfekt war. Zum Ende seiner Rede erklärte Arnaldo Otegi, Sprecher der Fraktion „Sozialista Abertzaleak“ (SA/Patriotische Sozialisten), man werde dem „Plan Ibarretxe“ drei Stimmen geben, damit er die nötige Mehrheit erhält. Die fehlten der Koalition aus moderaten Nationalisten und der Vereinten Linken (IU), um den Plan zur „Neuordnung der Beziehungen mit Spanien“ zu beschließen. Das Madrid kein Interesse an einer friedlichen Lösung hat, zeigt nicht nur die Ablehnung des Plans und die Einleitung neuer Verfahren, sondern auch die Zunahme von Folter.
Viele wurden davon überrascht, weil die Parlamentarier der 2003 verbotenen Partei Batasuna (Einheit) bisher den Plan ablehnten. Der strebe erneut nur eine Autonomie für die drei Provinzen der „Autonomen Baskischen Gemeinschaft“ (CAV) an, womit der seit Jahrzehnten schwelende bewaffnete Konflikt nicht gelöst werde. Doch der Spagat war notwendig und auch überhaupt nicht so überraschend, wie allseits getan wird. Schließlich hatte SA die Debatte überhaupt erst ermöglicht.  http://de.indymedia.org//2004/12/102222.shtml

Wie könnte die linke Unabhängigkeitsbewegung einen Plan ablehnen, der in seiner Präambel das Recht auf Selbstbestimmung aller Basken, in der CAV, der Provinz Navarra und in den drei Provinzen des französischen Staats fordert? Man hätte sich noch dazu in eine Reihe mit den spanischen Parteien stellen müssen, die 25 Jahre sogar die Umsetzung der beschränkten Autonomie verhinderten.  http://www.jungewelt.de/2004/10-25/009.php Das geplante Referendum über „den freien Anschluss an Spanien“, lässt die Basken zudem nun selbst bestimmen, wenn auch nur in den drei Provinzen der CAV.

Schon im vergangenen Jahr hatte ich immer wieder auf die Möglichkeit einer solchen Entscheidung hingewiesen. Vergleiche zum Beispiel im Vorwärts Nr. 40/2003  http://www.pda.ch/vorwaerts/2003/vw-03-40.pdf
"Für die geschwächte linke Unabhängigkeitsbewegung, die auf ein freies, vereintes und sozialistisches Baskenland setzt,bietet der Plan trotzdem eine Chance. Sie kann durch ein partielles Bündnis, wie beim Friedensplan 1998 unter Einschluss der spanischen Vereinten Linken (IU), politisch
Spielraum zurück gewinnen. Nach den Verboten befindet sie sich in einer Phase der politischen und organisatorischen Neuorientierung. Wenn es ihr gelingt, die BaskInnen zu einem Nein gegen den Anschluss an Spanien zu mobilisieren, hätte sie ein demokratisch legitimiertes Votum für die Unabhängigkeit." Das ist natürlich nur ein mögliches Szenario.

Es war also ein geteiltes Votum ohne gespalten zu sein. „Wir geben drei Stimmen für die Befragung der Bevölkerung ab und drei gegen eine Reform des Autonomiestatuts“. Es geht Batasuna genau darum zu verhindern, dass die PNV mit den Sozialisten nur wieder ein neues Autonomiestatut ausarbeitet. Die vor 25 Jahren gemachten Fehler dürften nicht wiederholt werden, warnte Otegi. Das Ende der Autonomie und die Zeit für die Debatte über die Zukunft der Basken sei gekommen, für die man stets gekämpft habe.

Jetzt sind die moderaten Nationalisten am Zug. Ibarretxe muss sein Versprechen einhalten, das er in der Ansprache zum Jahresende wiederholte. Das Referendum werde mit oder ohne Plazet Madrids ausgeführt: „Wir lassen uns unsere Zukunft weder durch Gewalt noch durch Intoleranz nehmen“. Josu Jon Imaz, Chef der Baskisch-Nationalistischen Partei (PNV), forderte die regierenden Sozialisten (PSOE) in Madrid auf, auch in „inneren Fragen“ die Weitsicht wie beim Abzug spanischer Truppen aus dem Irak zu zeigen.

Die PSOE will zwar die Behandlung des Plans im spanischen Parlament zulassen, ihn aber dort abwürgen. Der spanische Regierungschef José Luis Rodríguez Zapatero will mit Ibarretxe nicht verhandeln. Die konservative Volkspartei (PP) macht derweil Druck auf Zapatero. Sie spricht vom „Plan der ETA zur Unabhängigkeit“, der mit der Untergrundorganisation vereinbart worden sei und fordert den Gang vor das Verfassungsgericht. Beide Parteien hatten sich in ihrem sogenannten „Antiterrorpakt“ beschlossen, den „verfassungswidrigen Plan“ zu bekämpfen, genaues wurde nicht bestimmt, weil nicht mit der Annahme gerechnet wurde. Erstaunlich ist das Verhalten der spanischen Linken. Auch die IU werde das Projekt im Parlament ablehnen, welches die baskische IU-Sektion trägt, kündigte der IU-Chef Gaspar Llamazares derweil an.

Abwegig ist, der Plan sei mit „illegalen“ Stimmen von Batasuna angenommen worden. Das zeigt schon, dass das Verfahren gegen den baskischen Parlamentspräsidenten wegen „Ungehorsam“ letzte Woche eingestellt wurde. Der hatte sich geweigert, die Fraktion SA nach dem Verbot von Batasuna aufzulösen. Verfassungsrechtler hatten stets betont, der Oberste Gerichtshof in Madrid könne dem baskischen Parlament keinen Verstoß gegen eigene Statuten befehlen. Parlamentarier verträten Wähler und keine Partei.  http://de.indymedia.org//2003/12/68983.shtml Ohnehin hätten sich weder die PP und die PSOE beschwert, wenn der Plan mit den SA-Stimmen, wie andere Vorhaben, gemeinsam versenkt worden wäre.

Als direkte Reaktion wurden nun Verfahren gegen Otegi und zwei weitere Parlamentarier von SA eingeleitet. Es geht um die Versammlung von Batasuna am 14. November in Donostia-San Sebastián, wo Batasuna einen Friedensvorschlag gemacht hat.  http://germany.indymedia.org/2004/11/99236.shtml. Die Versammlung, so stellt das sozialistische Ministerium für Staatsanwaltschaft in Madrid nun mit fast zwei monatiger Verspätung fest, sei illegal gewesen. Das es einen direkten Zusammenhang zu der Zustimmung gibt, drängt sich natürlich auf. Warum hat man die Versammlung einer "illegalen Partei" nicht verhindert und bisher nichts unternommen. Eine Bereitschaft zum Frieden scheint es bei den Sozialisten in Madrid nicht zu geben. Das zeigt nicht nur die Ablehnung des Plans, die Verhaftung des ETA-Verhandlers  http://de.indymedia.org//2004/10/96231.shtml und die neue Repression, sondern auch die Einleitung neuer Verfahren und die Durchführung des Mammutverfahrens 18/98  http://de.indymedia.org//2003/04/50119.shtml das demnächst beginnen wird. http://germany.indymedia.org/2005/01/103182.shtml Dazu kommt die Zunahme von Folter die derzeit neue Urstände feiert.  http://de.indymedia.org//2004/11/99864.shtml oder  http://de.indymedia.org//2004/11/97398.shtml oder  http://de.indymedia.org//2004/10/96076.shtml.
Noch zuvor könnte eiligst der Prozess gegen die angeblichen Führer der Jugendorganisation Haika durchgezogen werden. Die sitzen nun nämlich schon sage und schreibe vier Jahre ohne Prozess in U-Haft und man müßte sie deshalb demnächst frei lassen. Das Verfahren wurde aus dem Komplex 18/98 abgetrennt, gehört aber inhaltlich dazu. Damit würde gleichzeitig eine Präjudiz für das Hauptverfahren geschaffen. Sollten sich in Deutschland mal Leute überlegen, ob sie den Prozess nicht beobachten wollen. Schließlich werden die Spanier immer sehr nervös, wenn ein Verfahren eine internationale Öffentlichkeit hat. Siehe den Fall Petra Elser  http://de.indymedia.org//2003/07/56509.shtml, Paolo Elkoro  http://de.indymedia.org//2004/10/96230.shtml und nicht zuletzt das Urteil gegen Gaby Kanze.  http://de.indymedia.org//2004/11/100411.shtml

© Ralf Streck, Donostia-San Sebastián den 04.12.2004
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Ergänzungen

Wie vermutet

Ralf 05.01.2005 - 10:40
Die Staatsanwaltschaft hat jetzt, so berichtet Efe, ihre Anklageschrift gegen 42 Jugendliche der Organisationen Jarrai/Haika/Segi vorgelegt und fordert insgesamt fast 700 Jahre Strafe. Der Prozess muss in aller Eile durchgezogen werden, weil man sonsst die Jugendlichen frei lassen müsste, weil sie zum Teil vier Jahre in U-Haft sitzen und damit das Limit im März erreicht wäre. Gleichzeitig will man damit schon eine Präjudiz für den Rest des Prozesses schaffen. Die Jugendlichen seien Teilweise Mitglieder der ETA und die Organisationen deren Teil. Batasuna soll zudem mit ihrem Vermögen für die Schäden der Straßenkämpfe verantwortlich gemacht werden.