Torpedieren Verhaftungen eine Dialoglösung?

Ralf Streck 14.10.2004 13:25
Vor zehn Tagen wurden diverse Mitglieder der ETA im oder nahe des französischen Baskenlandes verhaftet. Dabei war auch das Führungsmitglied Mikel Albizu, 1999 Verhandlungspartner der ETA bei einem Treffen mit der spanischen Regierung. Wir sprachen mit Joseba Alvarez, Auslandssprecher der Führung der baskischen Partei Batasuna, die der baskischen Untergrundorganisation ETA politisch nahe steht, über die Auswirkungen.
Ist es Zufall, dass die Verhaftung von Mikel Albizu gerade jetzt vorgenommen wurde?

Wir glauben, es ist kein Zufall. Es ist nicht das erste Mal, dass so etwas passiert. Die Verhafteten wurden längere Zeit überwacht und so ist der Zeitpunkt nicht zufällig. Der spanische Staat befindet sich in einer Krise über seine Zusammensetzung, weil das Modell mit den Autonomieregionen nicht mehr funktioniert. Die Verhaftungen finden also in einer konkreten politischen Situation statt. Hier im Baskenland drängen wir als linke Unabhängigkeitsbewegung stark auf eine Veränderung, um den gewalttätigen Konflikt zu überwinden. Es gibt es eine starke Debatte über Wege zu dessen Überwindung. Wir suchen Abkommen mit anderen Akteuren der Gesellschaft. Genau dann passiert so etwas. Ähnlich war das auch schon 1996, als die gesamte Führung von Herri Batasuna verhaftet und später die Zeitung Egin verboten wurde. Damals versammelte die Partei alle wichtigen Akteure im Forum für den irischen Weg.

Können sie genauer erklären, um welche Diskussionen es geht, um eine demokratischen Lösung des Konflikts zu finden?

Seit Jahren arbeiten wir an einer solchen Lösung und das zeitigt Früchte. Nun liegen genauere Vorstellungen auf dem Tisch. Die wurden seit dem Ende der Waffenruhe der ETA 1998/99 und dem Scheitern des Friedensplans von Lizarra entwickelt, der in dem schon benannten Forum entwickelt worden war. Wir hatten einen 2002 einen neuen Friedensvorschlag gemacht, die Solidaritätspartei (EA) hat ihre Vorstellungen entwickelt, die Vereinte Linke (IU) tritt für die Anerkennung des Selbstbestimmungsrechts und den freiwilligen Anschluss in ein föderales Spanien ein. Zuletzt hat auch die Baskisch-Nationalistische Partei (PNV) ihren Plan des baskischen Regierungschefs Ibarretxe vorgelegt, der eine Abstimmung über den freien Anschluss an Spanien vorsieht. Dazu kommen Vorstellungen der Gewerkschaften und anderen politischen Akteuren. Im „Forum für eine nationale Debatte“ soll bis im März ein Konsens für den nationalen Aufbau, einen sozialen Wandel und eine politische Lösung des Konflikts erarbeitet werden.

Es scheint, die Bestrebungen wollte die ETA nicht durch heftige Anschläge belasten? Beschlagnahmt wurden bei den Razzien letzte Woche über eine Tonne Sprengstoff und zum Teil hochmoderne Waffen, wie Boden-Luft Raketen. Eingesetzt wurden aber nur winzige Bomben, die kaum Schaden anrichteten.

Die ETA hat in diversen Schreiben ihre Bereitschaft gezeigt, eine politische Lösung für den Konflikt zu finden. Das hat sie vor und nach dem Regierungswechsel im März in Madrid getan. Es stimmt, es gab eine Bombenkampagne im Sommer. Aber alle Analysten unterstreichen, dass es ein gemäßigtes Vorgehen war und seit mehr als einem Jahr gibt es keine tödlichen Anschläge.

Was bedeutet die Verhaftung einer Person, die bisher als Verhandlungspartner fungierte?

Es wurde immer gesagt, die neue Sozialistische Regierung werde die Politik der Vorgänger korrigieren und auf internationaler Ebene, mit dem Rückzug der Truppen aus dem Irak, ist das auch geschehen. Von Spanien als Helfer der USA Bushs zur Eingliederung in die Achse Paris - Berlin gab es auch einen klaren Wechsel. Wir dachten, das würde sich auch hier auswirken. Bisher ist das Gegenteil der Fall. An der Situation der politischen Gefangenen hat sich und soll sich auch nichts ändern. Bei den Europarlamentswahlen wurde wieder eine Partei der linken Unabhängigkeitsbewegung illegalisiert. Die Entlassung des Guardia Civil Generals kürzlich, verurteil wegen Folter und Mord der Todesschwadrone, ist auch ein Signal. Darin reihen sich die Verhaftungen ein. Die Sozialisten gehen den repressiven Weg der Vorgänger weiter.

Politische Beobachter sagen, mit den Verhaftungen wurde einem Dialog erst einmal die Grundlage entzogen, weil die ETA jetzt erst wieder Stärke beweisen müsse?

Das wird die Organisation entscheiden. Es ist klar, dass solche Aktionen den Weg nicht gerade ebnen und der Prozess für einen realen Wandel damit konterkariert werden soll. Es sind der spanische und französische und französische Staat die sich an einer Diskussion um die Lösung nicht beteiligen und auch für dieses Vorgehen verantwortlich sind. Von der baskischen Linken gibt es die Bereitschaft, eine Lösung für den Konflikt zu finden, in den alle Einbezogen werden.

© Ralf Streck, Donostia-San Sebastian den 14.10.2004
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Ergänzungen

alles was zur eta zu sagen ist

marcos 14.10.2004 - 17:09
hat die ezln gesagt :)

Ob die Jungler

Ralf 15.10.2004 - 19:16
Also ob die Jungle World da so das richtige Medium ist. Die verfälschen ja schon Artikel von Autoren, was die wohl mit dem armen Marcos gemacht haben. Ich wills gar nicht wissen.

 http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/co/13914/1.html oder  http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/co/13770/1.html