Petra Elser drei Jahre zu unrecht in Haft

Ralf Streck 02.07.2003 20:10 Themen: Repression
Mit einem Freispruch endete heute die Odyssee der Frankfurterin Petra Elser durch französische und spanische Gefängnisse. Der Nationale Gerichtshof in Madrid hat entschieden, sie nicht wegen Mitgliedschaft in der ETA zu verurteilen, weil das eine verbotene Doppelbestrafung wäre. Allerdings musste Elser allein in Madrid 19 Monate auf den Prozess warten. Zuvor hatte sie in Frankreich 17 Monate in Auslieferungshaft gesessen. Trotzdem ist sie zur Stunde noch nicht frei, denn jetzt muss erst geprüft werden, ob noch andere Verfahren anliegen, dazu war wohl die letzten Jahre noch keine Zeit. Bericht und Interview mit Anwältin vom Republikanischen Anwaltsverein, die den Prozess offiziell beobachtet hat.
Die Staatsanwaltschaft hatte gefordert, die Anträge der Verteidigung auf Freispruch oder auf Einstellung des Verfahrens abzuweisen. Ihr schien es nicht ausreichend, das Elser für den Vorwurf in Frankreich schon verurteilt worden war und 30 Monate in Strafhaft saß. Sie forderte deshalb erneute eine Strafe von acht Jahren. Dabei hat Elser ohnehin stets widersprochen Mitglied der baskischen Separatistenorganisation gewesen zu sein. Der Vorwurf gründet sich allein darauf, dass ihr Lebensgefährte und heutiger Ehemann, Mitglied der ETA war, mit dem sie 1996 in Südfrankreich 1996 verhaftet wurde.
Es war ohnehin ein Verfahren der vielen Merkwürdigkeiten. Denn ihre Auslieferung aus Frankreich wurde nur mit einem vorgeschobenen Vorwurf erreicht. In einem zweiten Auslieferungsgesuch hatte sie spanische Staatsanwaltschaft ihr dann 19fachen Mordversuch vorgeworfen. Sie soll an einem Anschlag der ETA in Madrid auf einen Bus mit Militärangehörigen beteiligt gewesen sein. Doch diese willkürlich zusammengebastelte zweite Anklage wurde von Staatsanwaltschaft kurz nach der Auslieferung wieder eingestellt. Trotzdem kramte der Staatsanwalt diesen Vorwurf erneut hervor, um das Gericht von einem Freispruch abzubringen.
Beide haben sich ohnehin in dem Verfahren nicht mit Ruhm bekleckert. Denn obwohl es sich um ein "beschleunigtes Verfahren" handelte, musste der Anwalt von Elser eine Verfassungsbeschwerde wegen überlanger Untersuchungshaft einlegen. Auch sechs Monate danach ist darauf noch keine Antwort erfolgt. Die Staatsanwaltschaft hat den Anträgen der Verteidigung auf Haftverschonung stets mit dem Hinweis auf den "unmittelbar" bevorstehenden Prozess widersprochen, was vom Gericht gebilligt wurde.
Silke Studzinsky die für den Republikanischen Anwaltsverein den Prozess beobachtet hat, sieht in dem Vorgang eine "Entrechtung". Das "beschleunigte Verfahren" sei faktisch nicht umgesetzt worden, womit der Verteidigung die Möglichkeit genommen worden sei, schon im Vorfeld auf das Verbot der Doppelbestrafung hinzuweisen. Erstaunlich ist für Studzinsky auch, dass Elser noch nicht freigelassen wurde. Einstweilen wurde sie in eine Zelle des Gerichts gebracht. Erst muss geklärt werden, ob noch weitere Vorwürfe gegen sie vorliegen. Offenbar war dazu in den letzten drei Jahren keine Zeit. Zur Beobachtung des Prozesses waren auch Vertreter der Hessischen Strafverteidigervereinigung und der Deutschen Botschaft erschienen, die zu dem positiven Ergebnis beigetragen haben dürften. Hoffen kann nun auch die Berlinerin Gaby Kanze, die unter gleichem Vorwurf in Spanien sitzt und mit ebenso obskuren Vorwürfen von der Schweiz ausgeliefert wurde.

© Ralf Streck, Madrid den 02.07.2003

Interview mit der Berliner Rechtsanwältin Silke Studzinsky die für den Republikanischen Anwaltsverein (RAV) den Prozess gegen die Frankfurterin Petra Elser vor dem Nationalen Gerichtshof in Madrid beobachtet hat.

Warum interessiert sich der RAV für den Prozess?

Wir sind informiert worden, dass die deutsche Staatsangehörige wegen Mitgliedschaft in einer bewaffneten Bande angeklagt ist, wofür sie bereits in Frankreich verurteilt wurde und ihre Strafe abgesessen hat. Wenn gemäß der Anklage verurteilt worden wäre, hätte das dem Schengener Durchführungsabkommen widersprochen. Natürlich wären auch die andere internationale Verträge verletzt worden, die Spanien ratifiziert hat.

Welches Ergebnis gab es und wie bewerten sie es?

Sie wurde frei gesprochen. Allerdings ist über die 19monatige Untersuchungshaft und über die 17monatige Auslieferungshaft in Frankreich indirekt eine Bestrafung erfolgt.

Kann sie Haftentschädigung für diese drei Jahre geltend machen?

Ja, aber das muss sie vor einem anderen Gericht machen, aber die verlorene Lebenszeit gibt ihr niemand zurück. Ein Freispruch nach einer so langen Zeit in Haft hat deshalb einen bitteren Beigeschmack.

Welchen Eindruck haben sie in Madrid bei dem Prozess gewonnen?

Besonders scheint mir, wie mit dem sogenannten "verkürzten Verfahren" umgegangen wurde. So etwas gibt es in Deutschland nicht. Man hat dabei nicht die Möglichkeit im Vorverfahren Argumente wie das mit der Doppelbestrafung vorzubringen. So hat das Gericht dieses Argument jetzt zum ersten Mal gehört. Gesagt wird, die Argumente können im baldigen Hauptverfahren vorgetragen werden. Wenn das Verfahren aber faktisch nicht beschleunigt wird, ist die Angeklagte rechtlos gestellt. Das Gesetz sagt nichts über den zeitlichen Rahmen eines solchen Verfahrens aus. Hier wurde der Prozesstermin erst durch eine Verfassungsbeschwerde erreicht.
Es fallen auch die extremen Sicherheitsbedingungen ins Auge. Die Angeklagten sitzen in einem Glaskäfig, die Besucher sitzen hinter Sicherheitsglas und es gibt keine Fenster im Saal. Außerdem sind alle Vorrichtungen vorhanden, um Zeugen jeder Zeit anonym vernehmen zu können, die mit der Polizei oder dem Geheimdienst zusammen arbeiten. Verteidiger können nur über Mikrophone und über Trennscheibe mit ihren Klienten reden, wobei es das in Deutschland seit den 70er Jahren auch immer wieder gibt. Trotz des Freispruchs ist Petra Elser noch in Haft, weil das Gericht und die Staatsanwaltschaft nicht geprüft hatten, ob noch weitere Verfahren anstehen. Bei dem Mitangeklagten, der ebenfalls frei gesprochen wurde, war das klar, weshalb er vorerst nicht frei kommen wird.

Glauben sie, die internationale Beobachtung hat zu dem positiven Ergebnis beigetragen?

Es ist schwer zu sagen. Aber ich habe den Eindruck, das Gericht hat mit einer gewissen Vorsicht, mit Respekt auf die Anwesenheit ausländischer Beobachter reagiert. Das Gericht wusste ja, das wir extra für die Beobachtung angereist sind. Das hat sicher einen gewissen Einfluss gehabt.

Ralf Streck, Madrid den 02.07.2003
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