Zu staatlichen Tötungen im Ausland durch Soldaten der Bundeswehr – im Licht der verfassungsmäßigen Ordnung

Ein grundsätzlicher Standpunkt zur Frage wann Bundeswehrsoldaten nach geltendem deutschen (Verfassungs-) Recht im Ausland Menschen töten dürfen.

 

 

Problem:

Die rechtliche und demokratische Beurteilung von Einsätzen der Bundeswehr im Ausland erschöpft sich bisweilen (wenn überhaupt) überwiegend in einer völkerrechtlichen Betrachtung. So wird oft schlicht gesagt dieser oder jener Einsatz sei völkerrechtswidrig gewesen, oder nicht (oder wegen Öl, oder Imperialismus etc. geführt). Hierbei kommen jedoch zwei tatsächlich greifbare Aspekte in der Regel viel zu kurz, nämlich erstens: die verfassungsmäßige Ordnung, also das Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes; insbesondere aber zweitens: das Grundrecht auf Leben, die Menschenrechte und Würde der Opfer (Kombattanten & Zivilisten). Denn stellt sich erst unter Berücksichtigung dieser Aspekte, die eigentlich wesentliche Frage nach der Rechtmäßigkeit der Tötung (im Krieg), im Ausland, durch den deutschen Soldaten, also ihrer demokratischen und rechtsstaatlichen Legitimation. In einem Rechtsstaat hat bekanntlich das Recht die Macht, und in der Diktatur hat die Macht das Recht. Beginnen wir also auf dieser Grundlage mit der Bestimmung eines Standpunktes.

 

Fragestellung:

 

Woher“ nehmen also Bundeswehrsoldaten der Parlamentsarmee, in einem demokratischen Rechtsstaat, nach der verfassungsmäßigen Ordnung, das Recht im Ausland Menschen zu töten?

 

Zwei ersichtliche Möglichkeiten:

Aus dem bloßen Willen der Inhaber tatsächlicher Macht (eines politischen Regimes) oder aus Recht und Gesetz?

 

Diese zwei Möglichkeiten sind hierbei eben keineswegs aus der Luft gegriffen oder polarisierend zu verstehen, sondern ergeben sich unter anderem auch noch aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung des Staat des Grundgesetzes selbst und wurden nur deshalb hier zum Beginn der Untersuchung zu Grunde gelegt. Denn stellte der Bundesgerichtshof bei der Ermittlung von Unrecht einst fest:

 

„... Anders als im nationalsozialistischen Führerstaat gab es in der DDR keine Doktrin, nach der der bloße Wille der Inhaber tatsächlicher Macht Recht zu schaffen vermochte. Gesetze waren verbindlich (vgl. Art. 49 Abs. 1 der Verfassung) …“(BGH 5 StR 370/92 - Urteil vom 3. November 1992 (LG Berlin), Rn. 56 - BGHSt 39, 1 - Mauerschützen I.)

 

Folgte also das Recht zum Töten von Menschen im Ausland nicht aus verbindlichen Rechten und Gesetzen, also der verfassungsmäßigen Ordnung, sondern aus dem bloßen Willen der Inhaber tatsächlicher Macht eines politischen Regimes, so wüsste der Leser dies am Ende dieser Überprüfung, unter eben der Berücksichtigung dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung, richtig einzuordnen (Stichworte: Wesen, Selbstverständnis etc.. geschenkt).

Auf der anderen Seite steht eben jedoch die Möglichkeit, das Recht zum Töten von Menschen im Ausland folgt aus verbindlichem Recht und Gesetz, also aus der verfassungsmäßigen Ordnung. Auf dieser Seite befindet sich Kant in der Waagschale:

 

„Das Recht muß nie der Politik, wohl aber die Politik jederzeit dem Recht angepaßt werden.“(Immanuel Kant: Werke in zwölf Bänden. Band 8, Frankfurt am Main 1977. Erstdruck in: Berlinische Blätter, 1. Jg., 1797, S. 301-314. - Über ein vermeintes Recht aus Menschenliebe zu lügen -.)

 

Insoweit sich nun also vorab Nationalsozialismus und Kant bei den zwei Antwortmöglichkeiten gegenüberstehen und sich Albert Einstein als er Nazideutschland verließ, wünschte bzw. hoffte:

 

„...daß in Deutschland bald gesunde Verhältnisse eintreten werden und daß dort in Zukunft die großen Männer wie Kant und Goethe nicht nur von Zeit zu Zeit gefeiert werden, sondern daß sich auch die von ihnen gelehrten Grundsätze im öffentlichen Leben und im allgemeinen Bewußtsein durchsetzen.“ (Albert Einstein, Mein Weltbild, Hrsg. von Carl Seelig, Ullstein Bücher Nr. 65, Frankfurt am Main 1965, (Erstdruck Amsterdam 1934), 81.)

 

...insoweit führt die Untersuchung, die Beantwortung der Frage, und die Herleitung des Standpunktes, eben entlang von Recht und Gesetz (und ein bisschen Kant und Goethe).

 


 I. Grundsätzliches


 

Die Frage(n) und somit auch die Herleitung des Standpunktes beantworten wir also - in einem demokratischen Rechtsstaat - mit der Verfassung, also dem Grundgesetz, „als dem höchsten in der Bundesrepublik geltenden Recht“ (BVerfGE 39, 1 <36>, Rn. 130). Fraglich ist ob Soldaten an dieses gebunden sind.

 

1. Strikte Bindung der Bundeswehrsoldaten an Recht und Gesetz und die Grundrechte:

 

Soldaten als "Amtsträger in Uniform" sind zunächst an die Grundrechte (Art. 1 Abs. 3 GG) und an Recht und Gesetz (Art. 20 Abs. 3 GG) gebunden. Dies ist höchstrichterlich abgesichert:

 

„Für die Frage, in welchem Umfang Grundrechte auch für Soldaten gelten, ist ferner die Änderung des Art. 1 Abs. 3 GG von zentraler Bedeutung, die dieser durch das Gesetz vom 19. März 1956erhalten hat. Während Absatz 3 des Art. 1 GG in der Fassung vom 23. Mai 1949 ursprünglich normierte, dass die Grundrechte die „Verwaltung“ (neben Gesetzgebung und Rechtsprechung) als unmittelbar geltendes Recht binden, wurde durch die Grundgesetzänderung das Wort „Verwaltung“ durch „vollziehende Gewalt“ ersetzt. Damit sollte klargestellt werden, dass die Streitkräfte der Bundeswehr als Teil der „vollziehenden Gewalt“ in die von Art. 1 Abs. 3 GG normierte strikte Grundrechtsbindung einbezogen werden. Dies war Ausdruck des Bemühens des Verfassungsgesetzgebers, jede Sonderstellung der Streitkräfte im demokratischen und sozialen Rechtsstaat des Grundgesetzes (Art. 20 Abs. 1 GG) hinsichtlich der Bindung an die Grundrechte (Art. 1 Abs. 3 GG) sowie an Gesetz und Recht (Art. 20 Abs. 3 GG) zu verhindern“ (BVerwG, Urteil vom 21.06.2005 - 2 WD 12.04, http://www.bverwg.de/210605U2WD12.04.0.)

 

Diese „strikte Grundrechtsbindung“ gilt für Soldaten der Bundeswehr auch wenn sie im Ausland tätig werden. Auch dies ergibt sich schon aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung selbst:

 

  1. „Die Grundrechte binden in ihrem sachlichen Geltungsumfang die deutsche öffentliche Gewalt auch, soweit Wirkungen ihrer Betätigung außerhalb des Hoheitsbereichs der Bundesrepublik Deutschland eintreten. Dies hat das Bundesverfassungsgericht zum Beispiel für den Abschluß von Verträgen ausgesprochen, die im Ausland zu vollziehen sind (vgl. BVerfGE 6, 290 < 295 >).“ (BVerfGE 57, 9 <23>, Rn. 43.)
  2. „DIE NACHFOLGENDEN GRUNDRECHTE BINDEN GESETZGEBUNG, VOLLZIEHENDE GEWALT UND RECHTSPRECHUNG ALS UNMITTELBAR GELTENDES RECHT.“ (Art. 1 Abs. 3 GG)
  3. „DIE GESETZGEBUNG IST AN DIE VERFASSUNGSMÄSSIGE ORDNUNG, DIE VOLLZIEHENDE GEWALT UND DIE RECHTSPRECHUNG SIND AN GESETZ UND RECHT GEBUNDEN.“ (Art. 20 Abs. 3 GG)

 

Aus dieser „strikten Grundrechtsbindung“ des Soldaten, auch im Ausland, ergibt sich somit die verfassungsrechtliche Frage nach der Zulässigkeit eines staatlichen Eingriffs in eben speziell das Grundrecht auf Leben aus Art. 2 Abs. 2 GG, also nach dem staatlichen Recht Menschen im Ausland töten zu können. Was also ist, in diesem Licht, der grundsätzliche und allgemeine Sinn und Zweck von Grundrechten, als für den Soldaten „unmittelbar geltendes Recht“?

 

2. Grundsätzlicher Sinn und Zweck von Grundrechten:

 

Ohne„ … Zweifel sind die Grundrechte in erster Linie dazu bestimmt, die Freiheitssphäre des einzelnen vor Eingriffen der öffentlichen Gewalt zu sichern; … Diesen Sinn haben auch die Grundrechte des Grundgesetzes, das mit der Voranstellung des Grundrechtsabschnitts den Vorrang des Menschen und seiner Würde gegenüber der Macht des Staates betonen wollte.“ (BVerfGE 7,198 ff., Rn. 24.) Die Grundrechte, als für den Soldaten „unmittelbar geltendes Recht“, an welche er „strikt“ gebunden ist, haben also „in erster Linie“ den Sinn und Zweck, im speziellen das Recht auf Leben des Einzelnen, vor einer Tötung durch den Soldaten zu schützen. Die Frage ist nunmehr, was der historische Grund dafür ist, dass der Mensch durch Art. 2 Abs. 2 GG vor Tötungen der vollziehenden Gewalt von Verfassungs wegen geschützt ist?

 

3. Historischer Hintergrund der Grundrechte und des Rechts auf Leben:

 

Insbesondere die „… ausdrückliche Aufnahme des an sich selbstverständlichen Rechts auf Leben in das Grundgesetz - anders als etwa in der Weimarer Verfassung - erklärt sich hauptsächlich als Reaktion auf die "Vernichtung lebensunwerten Lebens", auf "Endlösung" und "Liquidierung", die vom nationalsozialistischen Regime als staatliche Maßnahmen durchgeführt wurden. Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG enthält ebenso wie die Abschaffung der Todesstrafe durch Art. 102 GG "ein Bekenntnis zum grundsätzlichen Wert des Menschenlebens und zu einer Staatsauffassung, die sich in betonten Gegensatz zu den Anschauungen eines politischen Regimes stellt, dem das einzelne Leben wenig bedeutete und das deshalb mit dem angemaßten Recht über Leben und Tod des Bürgers schrankenlosen Mißbrauch trieb" (BVerfGE 18, 112 < 117 >).“ (BVerfGE 39, 1 <37>, Rn. 132.)

Der grundrechtliche Schutz des Menschenlebens aus Art. 2 Abs. 2 GG soll also den Menschen vor schrankenlosen Tötungen der vollziehenden Gewalt schützen und spiegelbildlich verhindern, dass sich der Staat bzw. ein politisches Regime das Recht über Leben und Tod des/der Menschen zu entscheiden anmaßt. Fraglich wäre nunmehr welche Schranke, also Begrenzungsmöglichkeiten, der Verfassungsgeber sich beim Recht auf Leben gedacht bzw. vorgestellt hat.

 

4. Wille des Verfassungsgesetzgebers: 

 

Gerade bei der bereits erwähnten Abschaffung der Todesstrafe konnte schon im Parlamentarischen Rat ein Verfassungsgesetzgebungswille verzeichnet werden, der nahe legt, dass staatliche Tötungen nach der verfassungsmäßigen Ordnung grundsätzlich verboten seien sollten:

 

„Es scheint mir unerläßlich zu sein, daß in diesem neuen Grundgesetz, in welchem davon gesprochen wird, daß das Leben gesichert werden soll, auch die Todesstrafe abgeschafft wird. Wir haben eine Zeit der schwersten Barbarei und der tiefsten Erniedrigung des Menschentums hinter uns. Es scheint mir deshalb unerläßlich zu sein, hier einen Beweis dafür zu erbringen, daß das deutsche Volk sein Leben wirklich erneuern will und ein Recht, das Recht auf das Leben, so hoch schätzt, daß der Staat nicht das Recht haben soll, das Leben - das er nicht gegeben hat - zu nehmen. Das ist eine grundsätzliche Frage … Man kann dem Staat nicht alle Rechte über den Menschen übertragen und sie dadurch heiligen. Es wird nicht besser, wenn der Staat einem Menschen das Leben nimmt, als wenn es der Einzelne nimmt. Es ist, was es war: eine Barbarei.“ (BVerfGE 18, 112 < 119 >, Rn. 23)

 

Zusammenfassend sind die Soldaten der Bundeswehr also „strikt“ an die Grundrechte gemäß Art. 1 Abs. 3 GG „in ihrem sachlichen Geltungsumfang … auch, soweit Wirkungen ihrer Betätigung außerhalb des Hoheitsbereichs der Bundesrepublik Deutschland eintreten“ als für sie „unmittelbar geltendes Recht“ gebunden und schützen diese Grundrechte, ihrem Sinn und Zweck nach, den Menschen vor staatlichen Tötungen, also konkret auch vor Eingriffen der Soldaten, als eben Teil der vollziehenden staatlichen Gewalt, weil sie Gegenstück, bzw. Antwort auf ein „politisches Regimes“ sind, in dem der Staat mit dem angemaßten Recht über Leben und Tod schrankenlos Missbrauch trieb und diesem „das einzelne Leben wenig bedeutete“.

 

Nach der heutigen verfassungsmäßigen Ordnung, im Licht höchstrichterlicher Rechtsprechung, ist das Leben des Einzelnen nunmehr von Rechts wegen grundsätzlich ein „Höchstwert“:

 

  1. „Das menschliche leben stellt, wie nicht näher begründet werden muß, innerhalb der grundgesetzlichen Ordnung einen Höchstwert dar; es ist die vitale Basis der Menschenwürde und die Voraussetzung aller anderen Grundrechte.“(BVerfGE 39, 1 <42>.)
  2. „Das menschliche Leben ist die vitale Basis der Menschenwürde als tragendem Konstitutionsprinzip und oberstem Verfassungswert (vgl. BVerfGE 39, 1 <42>; 72, 105 <115>; 109, 279 <311>)“ (1 BvR 357/05 vom 15.2.2006, Rn. 119)
  3. „Da das menschliche Leben einen Höchstwert darstellt...“(BVerfGE 46, 160 <164>, Rn. 14)
  4. „Das menschliche Leben stellt innerhalb der grundgesetzlichen Ordnung einen Höchstwert dar.“ (BVerfGE 49, 24 <53>, Rn. 107)
  5. „Daß das Leben jedes einzelnen Menschen zu den wichtigsten Rechtsgütern gehört, ist oben dargelegt worden.“ (BVerfGE 39, 1 <45>, Rn. 157)

 

Fraglich ist also einzig was die verfassungsrechtlich zulässigen „Schranken“ des Grundrechts auf Leben für staatliche Tötungen im Staat des Grundgesetzes sind. Wann und wie kann also das Grundrecht auf Leben des Menschen durch den Staat bzw. durch ein politisches Regime, durch die Tötung, - verfassungsrechtlich zulässig - eingeschränkt werden, ohne dass dieses Recht angemaßt wäre?

Dass ein „politisches Regime“ also im Umkehrschluss, von vornherein und grundsätzlich ein schrankenloses Recht zur Tötung von Menschen nach der verfassungsmäßigen Ordnung des Staates des Grundgesetzes haben könnte bzw. haben sollte, ergibt sich ideengeschichtlich also eben weder aus dem Sinn und Zweck der Grundrechte, noch dem Menschenleben als Höchstwert, noch aus dem Willen des Verfassungsgesetzgebers. Im Gegenteil deutet gerade der Wille des Verfassungsgebers darauf hin, dass der Staat grundsätzlich überhaupt nicht das Recht haben sollte über Leben und Tod des/der Menschen zu entscheiden, also grundsätzlich nicht töten darf („Barbarei“).

 


II. Das Grundrecht auf Leben gemäß Art. 2 Abs. 2 GG und die Grenze der Schrankenlosigkeit bei staatlichen Tötungen - „Vom Rechte, das mit uns geboren ist“


 

1. Konkret das Grundrecht auf Leben aus Artikel 2 Absatz 2 des Grundgesetzes lautet nun also wie folgt:

 

JEDER HAT DAS RECHT AUF LEBEN UND KÖRPERLICHE UNVERSEHRTHEIT. DIE FREIHEIT DER PERSON IST UNVERLETZLICH. IN DIESE RECHTE DARF NUR AUF GRUND EINES GESETZES EINGEGRIFFEN WERDEN.“ (Art. 2 Abs. 2 GG)

 

Wesentlich scheint zunächst, nach dem Wortlaut der Verfassung, dass > jeder < Mensch das (Grund-) Recht auf Leben hat und in dieses (Grund-) Recht > nur auf Grund eines Gesetzes < durch den Staat und seine Amtsträger eingegriffen darf. Letzteres ist die sogenannte „Grundrechtsschranke“ - also die verfassungsrechtliche Grenze der Schrankenlosigkeit beim Töten von Menschen aus Sicht des Staates bzw. für ein jedes politisches Regime.

 

Das heißt also, der Soldat „darf“ bei einer dargelegten, grundsätzlichen, unmittelbaren, „strikten Grundrechtsbindung“, „nur auf Grund eines Gesetzes“ Menschen töten, also ein Gesetz das ihn zur Tötung von Menschen ermächtigt. Weil - nach höchstrichterlicher Rechtsprechung - zu den „grundlegenden Prinzipien“ der verfassungsmäßigen Ordnung eben: „die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, vor allem vor dem Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung.“ (BVerfGE 2, 1 < 13 >, Rn. 38) gehört, was eben gerade in Art. 1 Abs. 3 GG iVm Art. 2 Abs. 2 GG seine verfassungsrechtliche Bestätigung findet.

 

2. Folgt man nun der höchstrichterlichen Rechtsprechung zum Recht auf Leben gemäß Art. 2 Abs. 2 GG, insbesondere im Licht der verfassungsrechtlichen „Grundrechtsschranke“ in Satz 3, so findet man auch den Wortlaut der Verfassung diesbezüglich konkretisiert und bestätigt:

 

  1. „Obwohl es innerhalb der grundgesetzlichen Ordnung einen Höchstwert darstellt (vgl. BVerfGE 39, 1 <42>; 46, 160 <164>; 49, 24 <53> ), steht allerdings auch dieses Recht nach Art. 2 Abs. 2 Satz 3 GG unter Gesetzesvorbehalt. Auch in das Grundrecht auf Leben kann deshalb auf der Grundlage eines förmlichen Parlamentsgesetzes (vgl. BVerfGE 22, 180 <219> ) eingegriffen werden.“ (1 BvR 357/05 vom 15.2.2006, Rn. 85.)

  2. „Nach Art. 2 Abs. 2 Satz 3 GG sind solche Eingriffe nur auf Grund eines förmlichen Gesetzes zulässig.“ (BVerfGE 22, 180 <219>, Rn. 140.)

  3. „Nach Art 2 Abs 2 Satz 3 GG sind Eingriffe in die durch die Art 2 Abs 2 Satz 1 GG verbürgten Rechte nur auf Grund eines Gesetzes verfassungsrechtlich zulässig.“ (BVerfGE 52, 131 <175>, Rn. 119.)

 

Obwohl“ also das Menschenleben „innerhalb der grundgesetzlichen Ordnung einen Höchstwert darstellt“ sind nach höchstrichterlicher Rechtsprechung staatliche Tötungen nur auf Grund eines „förmlichen Parlamentsgesetzesdennoch zulässig. Das „obwohl“ (u. „Barbarei“) behalten wir an dieser Stelle zunächst auch im Hinterkopf.

Bevor man also (eigentlich schon) zur Frage kommen kann, welches „förmliche Parlamentsgesetz“ es eben der Parlamentsarmee („Die Bundeswehr ist ein „Parlamentsheer (BVerfGE 90, 286 <382>) “ BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 30. Juni 2009 - 2 BvE 2/08 - Rn. (254), http://www.bverfg.de/e/es20090630_2bve000208.html) erlaubt, bzw. diese ermächtigt, im Ausland Menschen zu töten, müssen die verfassungsrechtlichen Anforderungen an ein solches „Parlamentsgesetz“ zur staatlichen Tötung, im Licht eines demokratischen Rechtsstaates, geprüft werden. Denn das:

 

„… Gesetz schafft ... einerseits Rechtssicherheit, andererseits demokratische Legitimation für die Ausübung der Staatsgewalt - eben deshalb ist es zentrales Element der parlamentarischen Demokratie des Grundgesetzes wie des Rechtsstaatsprinzips.“(Degenhart, Staatsrecht I, Staatsorganisationsrecht, C. F. Müller Verlag, 28. Auflage 2012, S. 64 Rn. 134/135)

 

Neben dem Wortlaut der Verfassung (1), und der höchstrichterlichen Rechtsprechung (2), folgt die Notwendigkeit eines „Parlamentsgesetzes“ zur staatlichen Tötung folglich auch noch aus dem Rechtsstaats- (3), und dem Demokratieprinzip (5), selbst.

 

3. Aus dem Rechtsstaatsprinzip (3) ergibt sich das Prinzip des Vorrangs der Verfassung (des Gesetzes) (a), und das Prinzip des Vorbehalts des Gesetzes (b).

 

Vorbehalt des Gesetzes bedeutet: Notwendigkeit einer gesetzlichen Grundlage für das Handeln der Verwaltung.Vorrang des Gesetzes bedeutet zunächst nichts anderes als Bindung der Verwaltung an das geltende Recht: Die Verwaltung darf bei ihrem Handeln nicht gegen Rechtsnormen verstoßen“(Degenhart, Staatsrecht I, Staatsorganisationsrecht, 23. Aflg. § 4 III, 1, S. 103, 105.).

 

Insoweit also jeder staatliche Eingriff in das Grundrecht auf Leben (also jede Tötung die ihre /) der seine Grundlage nicht in einem „Parlamentsgesetz“ findet, den Vorrang Verfassung aus Art. 1 Abs. 3 iVm Art. 2 Abs. 2 S. 3 GG unzulässig unterläuft und somit gegen das Prinzips des Vorrangs der Verfassung verstößt und folglich auch Grundrechtsverletzung ist (Vgl. Klein, NJW, 1989, 1637) und damit bereits das Rechtsstaatsprinzip verletzt, so verlangt zudem, das Rechtsstaatsprinzip mit dem Vorbehalt des Gesetzes, aus sich selbst heraus, ebenso noch eine gesetzliche Grundlage für die Tötung, wie ein Blick in die höchstrichterliche Rechtsprechung nahe legt:

 

  1. „Der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und das Prinzip der Gewaltenteilung, das die Exekutive – jedenfalls im Bereich der Eingriffsverwaltung - auf die Ausführung der Gesetze beschränkt, gebietet, daß der Gesetzgeber im Bereich der Grundrechtsausübung die der staatlichen Eingriffsmöglichkeit offenliegende Rechtssphäre selbst abgrenzt und dies nicht dem Ermessen der Verwaltungsbehörde überläßt. Das Gesetz muß die Tätigkeit der Verwaltung inhaltlich normieren (BVerfGE 6, 32 [42]; 8, 71 [76], 274 [325]; 9, 83 [87]; 13, 153 [160]).“(BVerfGE 20, 150 < 157, 158 >, Rn. 23.)

  2. „Der Grundsatz des Vorbehalts des (allgemeinen) Gesetzes wird im Grundgesetz nicht expressis verbis erwähnt. Seine Geltung ergibt sich jedoch aus Art. 20 Abs. 3 GG. Die Bindung der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung an Gesetz und Recht, der Vorrang des Gesetzes also, würden ihren Sinn verlieren, wenn nicht schon die Verfassung selbst verlangen würde, daß staatliches Handeln in bestimmten grundlegenden Bereichen nur Rechtens ist, wenn es durch das förmliche Gesetz legitimiert wird. Die Grundrechte mit ihren speziellen Gesetzesvorbehalten und mit den in ihnen enthaltenen objektiven Wertentscheidungen geben dabei konkretisierende, weiterführende Anhaltspunkte. … Im Rahmen einer demokratisch-parlamentarischen Staatsverfassung, wie sie das Grundgesetz ist, liegt es näher anzunehmen, daß die Entscheidung aller grundsätzlichen Fragen, die den Bürger unmittelbar betreffen, durch Gesetz erfolgen muß, und zwar losgelöst von dem in der Praxis fließenden Abgrenzungsmerkmal des "Eingriffs". Staatliches Handeln, durch das dem Einzelnen Leistungen und Chancen gewährt und angeboten werden, ist für eine Existenz in Freiheit oft nicht weniger bedeutungsvoll als das Unterbleiben eines "Eingriffs". Hier wie dort kommt dem vom Parlament beschlossenen Gesetz gegenüber dem bloßen Verwaltungshandeln die unmittelbarere demokratische Legitimation zu, und das parlamentarische Verfahren gewährleistet ein höheres Maß an Öffentlichkeit der Auseinandersetzung und Entscheidungssuche und damit auch größere Möglichkeiten eines Ausgleichs widerstreitender Interessen.“(BVerfGE 40, 237 < 248, 249 >, Rn. 45.)

  3. „Heute ist es ständige Rechtsprechung, daß der Gesetzgeber verpflichtet ist, - losgelöst vom Merkmal des "Eingriffs" - in grundlegenden normativen Bereichen, zumal im Bereich der Grundrechtsausübung, soweit diese staatlicher Regelung zugänglich ist, alle wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen (BVerfGE 34, 165 [192 f.]; 40, 237 [249]; 41, 251 [260]; 45, 400 [417 f.]; 47, 46 [78 ff.]; 48, 210 [221]).“(BVerfGE 49, 89 < 126 >, Rn. 76.)

 

Der Vorbehalt des Gesetzes verlangt also gerade bei staatlichen Eingriffen in Freiheitsgrundrechte - wie das Recht auf Leben aus Art. 2 Abs. 2 GG als Höchstwert – prinzipiell eine gesetzliche Grundlage, denn ist die vollziehende Gewalt gemäß Art. 1 Abs. 3 GG, dessen Teil die Streitkräfte sind, zudem auch nach dem Gewaltenteilungsprinzip (4) eben einzig auf die Ausführung von Gesetzen bei Grundrechtseingriffen beschränkt, so wie es in Art. 2 Abs. 2 S. 3 GG expressis verbis konkretisiert ist.

 

4. Eine Tötung ohne Grundlage in einem Parlamentsgesetz verletzt also auch das Rechtsstaatsprinzip mit den Prinzip des Vorrangs der Verfassung und dem Prinzip des Vorbehalts des Gesetzes, aber auch das Gewaltenteilungsprinzip als weiteres grundlegendes Prinzip der verfassungsmäßigen Ordnung selbst. Gerade in dieser Verletzung des Gewaltenteilungsprinzips, also dem Handeln der Exekutive ohne gesetzliche Ermächtigung der Legislative, bzw. ohne Vorbehalt in einem Parlamentsgesetz, wäre zugleich auch der Schnittpunkt zur Verletzung des Demokratieprinzips zu finden. Denn:

 

  1. „Wenn das Grundgesetz die Einschränkung von grundrechtlichen Freiheiten und den Ausgleich zwischen kollidierenden Grundrechten dem Parlament vorbehält, so will es damit sichern, daß Entscheidungen von solcher Tragweite aus einem Verfahren hervorgehen, das der Öffentlichkeit Gelegenheit bietet, ihre Auffassungen auszubilden und zu vertreten, und die Volksvertretung anhält, Notwendigkeit und Ausmaß von Grundrechtseingriffen in öffentlicher Debatte zu klären. Diese Funktion kann der Gesetzesvorbehalt aber nur erfüllen, wenn die Ermächtigung zum Freiheitseingriff im Gesetz nicht bloß unausgesprochen vorausgesetzt, sondern ausdrücklich offengelegt wird. In der Unterstützung dieses Zwecks findet auch das Gebot des Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG seinen eigentlichen Sinn.“(BVerfGE 85, 386 (403f).);

  2. Für diesen Fall wird bestimmt, daß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen muß. In der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung ist aus dieser Regelung in ihrem Zusammenhang hergeleitet worden, das Zitiergebot diene zur Sicherung derjenigen Grundrechte, die aufgrund eines speziellen, vom Grundgesetz vorgesehenen Gesetzesvorbehalts über die im Grundrecht selbst angelegten Grenzen hinauseingeschränkt werden könnten (vgl. BVerfGE 24, 367 [396] -- zu Art. 14 GG; 28, 36 [46] -- zu Art. 5 GG). Indem das Gebot den Gesetzgeber zwingt, solche Eingriffe im Gesetzeswortlaut auszuweisen, will es sicherstellen, daß nur wirklich gewollte Eingriffe erfolgen; auch soll sich der Gesetzgeber über die Auswirkungen seiner Regelungen für die betroffenen Grundrechte Rechenschaft geben (zu dieser Warn- und Besinnungsfunktion insbesondere Menger in Bonner Kommentar, Zweitbearbeitung 1979, Rdnr. 139 ff. zu Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG).“(BVerfGE 64, 72 (79));

  3. „Während die ideellen Wurzeln des Vorbehaltes des Gesetzes bis zu den demokratischen Konzeptionen von Rousseau und Kant zurückreichen, liegen der engeren Lehre vom Gesetzesvorbehalt für Grundrechtseingriffe profane Interessen des aufstrebenden Bürgertums zugrunde, nämlich ein Schutz vor willkürlichen Übergriffen der feudalen Exekutive in > Freiheit und Eigentum <. (…) Damit ist zugleich ein weiteres Moment demokratischer Rechtsstaatlichkeit benannt, nämlich die grundsätzliche Öffentlichkeit und Transparenz staatlichen Handelns.“(Kutscha, in: Handbuch zum Recht der inneren Sicherheit, Roggan (Hrsg.), Aden, 2006, S. 63.)

 

5. Nach dem Demokratieprinzip und auch im Licht der Wesentlichkeitstheorie (a) und dem Zitiergebot (b) sieht die verfassungsmäßige Ordnung – insbesondere im Licht höchstrichterlicher Rechtsprechung – vor, dass einzig der demokratisch gewählten Volksvertretung, als demokratisch legitimierte Legislative, die gesetzlichen Regelungen zum rechtmäßigen Eingriff der Exekutive in die Grundrechte vorbehalten sind und diese Regelungen und ihre Notwendigkeit gerade aus einer öffentlichen Diskussion hervorgehen müssen, eben unter dem Ausgleich widerstreitender Interessen und nur (einzig) der gewollte und nach dem Zitiergebot im Gesetz ausdrücklich offengelegte Grundrechtseingriff demnach als demokratisch gewollt und verfassungsrechtlich zulässig gelten kann. Dies ergibt sich expressis verbis aus Art. 19 Abs. 1 GG:

 

„SOWEIT NACH DIESEM GRUNDGESETZ EIN GRUNDRECHT DURCH GESETZ ODER AUF GRUND EINES GESETZES EINGESCHRÄNKT WERDEN KANN, MUSS DAS GESETZ ALLGEMEIN UND NICHT NUR FÜR DEN EINZELFALL GELTEN. AUSSERDEM MUSS DAS GESETZ DAS GRUNDRECHT UNTER ANGABE DES ARTIKELS NENNEN.“ ( Art. 19 Abs. 1 GG)

 

Insoweit weiß der deutsche Bundeswehrsoldat, als Teil der vollziehenden Gewalt gemäß Art. 1 Abs. 3 GG, dass er im demokratischen Rechtsstaat des Grundgesetzes, nach der verfassungsmäßigen Ordnung (Rechtsstaatsprinzip, Demokratieprinzip, Gewaltenteilungsprinzip) „nur auf Grund eines“ „förmlichen Parlamentsgesetzes“ in das Grundrecht auf Leben von Menschen gemäß Art. 2 Abs. 2 S. 3 GG eingreifen darf, welches „die Ermächtigung zum Freiheitseingriff im Gesetz nicht bloß unausgesprochen“ voraussetzt, „sondern ausdrücklich“ offenlegt, weil gerade das Verfassungsgebot aus Art. 19 Abs. 1 S. 2 GG „den Gesetzgeber zwingt, solche Eingriffe im Gesetzeswortlaut auszuweisen“ und er somit sicherstellen kann, daß er nur wirklich demokratische gewollte und somit auch verfassungsrechtlich legitimierte Eingriffe bzw. Tötungen vornimmt. Ein Parlamentsgesetz welches das Zitiergebot aus Art. 19 Abs. 1 S. 2 GG also nicht beachtet, kann ihn folglich gerade nicht zur Tötung eines Menschen ermächtigen, denn wäre die Tötung auf Grund eines solchen Gesetzes selbst eine Grundrechtsverletzung, wie die höchstrichterliche Rechtsprechung ebenso nahe legt:

 

  1. „Eine Verletzung des Grundrechts könnte schließlich auch dann vorliegen, wenn das den Eingriff zulassende Gesetz selbst nichtig wäre. Als Grund für die Nichtigkeit könnte in Betracht kommen, daß ein Gesetz, welches ein Grundrecht einschränkt, nach Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG dieses Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen muß.“ (BVerfGE 5, 13, Rn. 9.)

  2. „Das Zitiergebot findet Anwendung auf Grundrechte, die aufgrund ausdrücklicher Ermächtigung vom Gesetzgeber eingeschränkt werden dürfen (vgl. BVerfGE 64, 72 <79 f.>)… . Die Verletzung des Zitiergebots bewirkt die Verfassungswidrigkeit des Gesetzes (vgl. BVerfGE 5, 13 <15 f.>).“ (1 BvR 668/04, Rn. 86.)

  3. „Aus der Feststellung der Nichtigkeit des Gesetzes ergibt sich, daß es wegen Widerspruchs mit dem Grundgesetz von Anfang an rechtsunwirksam war.“ (BVerfGE 1, 14 <37>, Rn. 92.)

 

Dass es also nach der verfassungsmäßigen Ordnung, Recht und Gesetz schon grundsätzlich kein schrankenloses Recht des Staates zum Töten von Menschen geben kann, findet somit seine Bestätigung auch im Grundrecht auf Leben selbst, welches dem Staat beim Töten ausdrücklich und wortwörtlich eine verfassungsrechtliche Grenze zieht. Demnach kann eben nur ein Parlamentsgesetz gemäß Art. 2 Abs. 2 S. 3 GG welches das Zitiergebot gemäß Art. 19 Abs. 1 S. 2 GG beachtet, eine rechtmäßige Grundlage zum Eingriff in das Grundrecht auf Leben, eben nach der verfassungsmäßigen Ordnung des demokratischen Rechtsstaates für den Soldaten der Bundeswehr sein (Vgl. die Punkte II. 1 – 5) und ihn einzig rechtlich und demokratisch zur Tötung eines Menschen legitimieren.

Diese folgt wie dargelegt, neben dem Wortlaut der Verfassung und der höchstrichterlichen Rechtsprechung, auch aus dem Demokratieprinzip, dem Gewaltenteilungsprinzip und dem Rechtsstaatsprinzip, sowie aus den grundsätzlichen Wertentscheidungen die dem voraus gegangen sind (Vgl. I.). Ein Parlamentsgesetz welches das Zitiergebot wahrt, ist also die “neue“ Schranke beim staatlichen Recht zum Töten von Menschen und wäre jede Tötung die durch diese verfassungsrechtliche Schranke nicht gedeckt ist, freilich eben ein, bzw. das angemaßte Recht zum Töten als solches (sodann aus dem bloßen Willen der Inhaber tatsächlicher Macht..), da freilich ein Verfassungsverstoß, aus jedem Blickwinkel der Auslegung bis hier her, denn wären Grundrechte, Recht und Gesetz, allem voran die Verfassung, gerade eben nicht strikt und unmittelbar verbindlich, sondern würden von der vollziehenden Gewalt unzulässig unterlaufen, die Verfassung, Recht und Gesetz mithin nicht verbindlich.

 

Zwischenergebnis:

 

Bundeswehrsoldaten der Parlamentsarmee, können in einem demokratischen Rechtsstaat nach der verfassungsmäßigen Ordnung, das Recht im Ausland Menschen zu töten, nur aus einem Parlamentsgesetz ableiten, welches das Zitiergebot beachtet!

 


III. „unverletzliche und unveräußerliche Menschenrechte“ gemäß Art. 1 Abs. 2 GG - als Schranke der staatlichen Schranke?

 

Richtigerweise haben wir bis hierher aber eine systematische Auslegung nur sehr verkürzt angedeutet, indem wir feststellten dass „die Grundrechte des Grundgesetzes, … mit der Voranstellung des Grundrechtsabschnitts den Vorrang des Menschen und seiner Würde gegenüber der Macht des Staates betonen wollte.“ (BVerfGE 7,198 ff., Rn. 24.) und somit folglich zwei Verfassungsnormen bereits fast übersprungen, die bei einer systematischen Auslegung eben nach der Systematik der Verfassung, voran zu stellen wären.

Wenn sich also „das deutsche Volk“ bereits in Art. 1 Abs. 2 GG, also noch vor Grundrechtsbindung der vollziehenden Gewalt (Art. 1 Abs. 3 GG) und noch vor dem Grundrecht auf Leben (Art. 2 Abs. 2 GG) ausdrücklich bereits zu „unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten“ „bekennt“ und eben diese in der Verfassung vor alles stellt, ist fraglich was eigentlich noch ein, insbesondere - unveräußerliches - Menschenrecht sein sollte, wenn es nicht das Recht zu Leben selbst ist, denn ist dieses – Recht zu Leben - ja erst – nach höchstrichterlicher Rechtsprechung - die zwingende Voraussetzung für alle weiteren Menschenrechte und Grundrechte.

 

„DAS DEUTSCHE VOLK BEKENNT SICH DARUM ZU UNVERLETZLICHEN UND UNVERÄUSSERLICHEN MENSCHENRECHTEN ALS GRUNDLAGE JEDER MENSCHLICHEN GEMEINSCHAFT, DES FRIEDENS UND DER GERECHTIGKEIT IN DER WELT.“ (Art. 1 Abs. 2 GG)

 

Wäre also das Recht auf Leben kein Menschenrecht, sondern in diesem Sinne veräußerlich, dann wären es ja alle anderen Menschenrechte folglich auch, denn ließen diese sich mit einer Tötung ja – so dann menschenrechtskonform - grundsätzlich unterlaufen, folglich würde das Bekenntnis zu unveräußerlichen Menschenrecht faktisch komplett leerlaufen, was nicht logisch erscheint.

Fraglich wäre also ganz zuvorderst ob sich durch international formulierte Menschenrechte die Grundrechte, also der Grundrechtsschutz des Menschen, im konkreten beim Recht auf Leben, gegenüber der deutschen vollziehenden Gewalt gar nach unten unterlaufen lässt, also die unter II. dargelegte Grundrechtsschranke für den Staat kassieren können, oder ob sie lediglich das Recht auf Leben bestärken oder gar erweitern (unveräußerlich machen) bzw. im Sinne des Soldaten den rechtmäßigen Eingriff noch weitreichender ermöglichen oder beschränken oder gar unmöglich machen. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung kann ein „kassieren“ des Grundrechts auf Leben bzw. der Schranke und somit eine Erweiterung der staatlichen Eingriffsmöglichkeiten über die unveräußerlichen Menschenrechte zunächst einmal ausgeschlossen werden, denn:

 

  1. „Das Grundgesetz will die Öffnung der innerstaatlichen Rechtsordnung für das Völkerrecht und die internationale Zusammenarbeit in den Formen einer kontrollierten Bindung; es ordnet nicht die Unterwerfung der deutschen Rechtsordnung unter die Völkerrechtsordnung und den unbedingten Geltungsvorrang von Völkerrecht vor dem Verfassungsrecht an, sondern will den Respekt vor friedens- und freiheitswahrenden internationalen Organisationen und dem Völkerrecht erhöhen, ohne die letzte Verantwortung für die Achtung der Würde des Menschen und die Beachtung der Grundrechte durch die deutsche öffentliche Gewalt aus der Hand zu geben (vgl. Beschluss des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Oktober 2004 -- 2 BvR 1481/04 --, im Umdruck S. 17).“(BVerfGE 112, 1 <25>, Rn. 91.)

  2. „„So bekennt es sich in Art. 1 Abs. 2 GG zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt. Diese unveräußerlichen Rechte liegen ihm voraus und sind selbst der Disposition des Verfassungsgebers entzogen (vgl. BVerfGE 111, 307 <329>; 112, 1 <27>; 128, 326 <369>).“(BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 15. Dezember 2015 - 2 BvL 1/12 - Rn. (34), http://www.bverfg.de/e/ls20151215_2bvl000112.html.)

  3. „Die verfassungsgebende Gewalt der Deutschen, die sich das Grundgesetz gab, wollte jeder künftigen politischen Entwicklung eine unübersteigbare Grenze setzen. Eine Änderung des Grundgesetzes, durch welche die in Art. 1 und Art. 20 GG niedergelegten Grundsätze berührt werden, ist unzulässig (Art. 79 Abs. 3 GG). Mit der sogenannten Ewigkeitsgarantie wird die Verfügung über die Identität der freiheitlichen Verfassungsordnung selbst dem verfassungsändernden Gesetzgeber aus der Hand genommen. Das Grundgesetz setzt damit die souveräne Staatlichkeit Deutschlands nicht nur voraus, sondern garantiert sie auch.“ (BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 30. Juni 2009 - 2 BvE 2/08 - Rn. (216), http://www.bverfg.de/e/es20090630_2bve000208.html )

 

Fraglich wäre also welche „niedergelegten Grundsätze“ die in Art. 1 Abs. 2 GG enthaltenen „unveräußerlichen Menschenrechte“ als für den Staat wiederum „unübersteigbare Grenze“ enthalten? Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung, insoweit auch ein Urteil (Bekenntnis) im Namen des Volkes, gehört zu diesen unveräußerlichen Rechten des Menschen:

 

„Zu den unveräusserlichen Rechten eines Menschen gehört, dass er nicht ohne Gerichtsverfahren seines Lebens beraubt werden darf.“ (Bundesgerichtshof Urt. v. 12.07.1951, Az.: III ZR 168/50 - BGHZ 3, 94 - 110 )

 

„Obwohl“ also „Barbarei“ „darf“ der Mensch „nicht ohne Gerichtsverfahren seines Lebens beraubt werden“ als grundsätzliche „unübersteigbare Grenze“ - nach höchstrichterlicher Rechtsprechung - bei seinem unveräußerlichen Recht auf Leben gegenüber dem Staat und der vollziehenden Gewalt, welches dem Menschen insoweit nicht einmal durch eine demokratische Verfassungsänderung genommen werden könnte.

Folglich würde die Tötung eines Menschen durch den Soldaten der Bundeswehr ohne ein Gerichtsverfahren, selbst wenn sie eine Grundlage in einem Parlamentsgesetz hätte, welches das Zitiergebot wahrt, menschenrechtswidrig gemäß Art. 1 Abs. 2 GG (Menschenrechtsverletzung) sein und gegen den unabänderlichen Vorrang der Verfassung verstoßen und der Soldat somit eine für ihn de jure „unübersteigbare Grenze“ mit der Tötung überschreiten, denn ist insoweit auch die Todesstrafe nach der verfassungsmäßigen Ordnung offenkundig gegenwärtig für abgeschafft erklärt (Art. 102 GG).

Es ergibt sich somit bei einer grammatikalischen, historischen, systematischen, logischen und teleologischen Auslegung des Grundrechts auf Leben im Licht der unveräußerlichen, ewigen, weil unabänderlichen, Menschenrechte und freilich der höchstrichterlichen Rechtsprechung, de jure gar kein Raum mehr für staatliche Tötungen, also - das schrankenlose Recht zu Leben des Menschen - gegenüber der staatlichen, vollziehenden Gewalt, - w e i l - das Leben „Höchstwert“ ist und die staatliche Tötung eine „Barbarei“.

Insoweit macht einzig Satz 3 von Artikel 2 Absatz 2 des Grundgesetzes keinen (/noch nie) Sinn (mehr), dem insoweit aber auch gelegentlich, ohnehin nur redaktioneller Fehler, im Bezug auf das Recht auf Leben, zu sein, nach gesagt wird. Fraglich wäre also, ob unabhängig von dem was die höchstrichterlicher Rechtsprechung des Staat des Grundgesetzes bereits als „unveräußerliches Menschenrecht“ beim Recht auf Leben im Namen des Volkes anerkannt hat, die Menschenrechte als solche auch eine gesetzliche Grundlage zum Eingriff in das Recht auf Leben fordern würden oder eben das Recht zu Tötungen von Menschen in das belieben von politischen Regimen stellen, weil zB das Recht auf Leben kein Menschenrecht ist.

 

  1. „Auch wenn die Bindungswirkung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte im allgemeinen wie auch im Hinblick auf die einzelnen Menschenrechte nicht voll geklärt ist, so kommt doch der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte jedenfalls insofern ein hohes Maß an rechtlicher Bedeutung zu, als sie den Willen der Völkerrechtsgemeinschaft, Menschenrechte zu verwirklichen, und den ungefähren Inhalt dieser Menschenrechte zum Ausdruck bringt. In diesem Sinne hat auch das Bundesverfassungsgericht auf die Allgemeine Erklärung Bezug genommen (BVerfGE 31, 58, 68). Angesichts der Exaktheit, mit der die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte das fundamentale Recht auf Leben und das Recht auf freie Ausreise definiert hat, kann die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, nicht anders als der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte, als eine Konkretisierung dessen aufgefaßt werden, was als die allen Völkern gemeinsame, auf Wert und Würde des Menschen bezogene Rechtsüberzeugung verstanden wird (BGHSt 39, 1, 15 f).“ (BGH 5 StR 167/94, Rn. 25.)

  2. „Der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte, … hat seine Grundlage in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (Resolution der Generalversammlung der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1948; deutsche Übersetzung u.a. bei Sartorius II Nr. 19). Nach Art. 3 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte hat jeder Mensch das Recht auf Leben; ... Nach Art. 29 Nr. 2 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte ist der Mensch "in Ausübung seiner Rechte und Freiheiten nur den Beschränkungen unterworfen, die das Gesetz ausschließlich zu dem Zweck vorsieht, um die Anerkennung und Achtung der Rechte und Freiheiten anderer zu gewährleisten und den gerechten Anforderungen der Moral, der öffentlichen Ordnung und der allgemeinen Wohlfahrt in einer demokratischen Gesellschaft zu genügen".“ (BGH 5 StR 167/94, Rn. 20.)

  3. „In der "Allgemeinen Bemerkung" des Menschenrechtsausschusses der Vereinten Nationen zum Recht auf Leben aus dem Jahre 1982 (General Comment 6/16 - A/37/40, S. 93 ff -, abgedruckt bei Nowak, UNO-Pakt über bürgerliche und politische Rechte (1989), S. 879 sowie bei Graefrath, Menschenrechte und internationale Kooperation (1988), S. 263) heißt es, der Schutz des Lebens vor willkürlicher Tötung sei von überragender Bedeutung; das Gesetz müsse die Umstände, unter denen staatliche Organe jemanden seines Lebens berauben dürfen, "strikt kontrollieren und begrenzen" (aaO Abschnitt 3).“(BGH 5 StR 370/92, Rn. 49.)“

  4. Gesetz über die Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 7. August 1952 (BGBI. II S. 685, 953) [Link: 1, 2 verschiedene Wortlaute] am 3. September 1953 für die Bundesrepublik in Kraft getreten (Bekanntmachung vom 15.Dezember 1953 [BGBI. 1954 II S. 14]):

    1. Artikel 2 Abs. 1 – Recht auf Leben - : „1. Das Recht jedes Menschen auf Leben wird gesetzlich geschützt. ...“

  5. Gesetz zu dem Internationalen Pakt vom 19. Dezember 1966 über bürgerliche und politische Rechte (BGBI 1973 II S. 1533) [Link: 1, 2]:

    1. Artikel 6 Abs. 1 - „(1) Jeder Mensch hat ein angeborenes Recht auf Leben. Dieses Recht ist gesetzlich zu schützen. Niemand darf willkürlich seines Lebens beraubt werden.“

  6. „Jede Tötung eines Menschen ist rechtswidrig und stellt die Verletzung einer Amtspflicht dar, wenn sie nicht durch eine Rechtsnorm gerechtfertigt ist.“ (BGHZ 3, 94, 110, Rn. 39.)

 

Folglich ist das Recht auf Leben ein Menschenrecht. Freilich wäre also der gesetzliche Schutz des Menschenrechts auf Leben, welcher sich auch aus den international formulierten Menschenrechten ergibt, Nonsens, wenn der Staat bzw. ein politisches Regime Menschen ohne gesetzliche Grundlage töten dürfte. Folglich bestätigen die Menschenrechte aus Art. 1 Abs. 2 GG formal die Möglichkeit des Art. 2 Abs. 2 S. 3 das Recht auf Leben auf Grund eines Gesetzes einschränken zu können, wenn gleich durch höchstrichterliche Rechtsprechung ein Eingriff grundsätzlich insbesondere im Licht von Art. 102 GG in das Recht auf Leben nach deutschem Recht seit 1951 materiell für die vollziehende Gewalt ausgeschlossen zu seien scheint.

Unter eben diesem Vorbehalt, stellt sich abermals die Frage ob denn Soldaten der Parlamentsarmee zumindest noch formal für die Tötungen von Menschen im Ausland ein Parlamentsgesetz als Grundlage haben, welches das Zitiergebot wahrt und sie zum Eingriff in das Grundrecht auf Leben, und das Menschenrecht auf Leben, ermächtigt. Denn ergibt eben selbst die restriktivste Auslegung des Art. 1 Abs. 2 GG, dass für einen staatlichen Eingriff in das Menschenrecht auf Leben eben auch „das Gesetz“ „die Umstände, unter denen staatliche Organe jemanden seines Lebens berauben dürfen, "strikt kontrollieren und begrenzen"“ müsse, womit eben zumindest der Verweis auf Art. 2 Abs. 2 S. 3 GG erfolgt.

Zuvor allerdings und grundsätzlich vor allem in der Verfassung, steht jedoch noch die Würde des Menschen in Art. 1 Abs. 1 S. 1 GG. Kann es also grundsätzlich zur Würde des Menschen gehören von Deutschen getötet zu werden, mit oder ohne Parlamentsgesetz, mit oder ohne Gerichtsverfahren (vor Hitler, durch Hitler, nach Hitler)? Und wer entscheidet das, Deutsche oder die ausländischen Opfer?

Fraglich wäre also noch wann ein Parlamentsgesetz zur Tötung von Menschen im Ausland gegen die Würde des Menschen verstoßen könnte.

 


IV. Die Würde des Menschen ist unantastbar gemäß Art. 1 Abs. 1 S. 1 GG - als Schranken-Schranke des Rechts auf Leben


 

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ...

 

  1. „... ist es unter der Geltung des Art. 1 Abs. 1 GG schlechterdings unvorstellbar, auf der Grundlage einer gesetzlichen Ermächtigung unschuldige Menschen, die sich wie die Besatzung und die Passagiere eines entführten Luftfahrzeugs in einer für sie hoffnungslosen Lage befinden, gegebenenfalls sogar unter Inkaufnahme solcher Unwägbarkeiten vorsätzlich zu töten. (…) Für die verfassungsrechtliche Beurteilung ist allein entscheidend, dass der Gesetzgeber nicht durch Schaffung einer gesetzlichen Eingriffsbefugnis zu Maßnahmen der in § 14 Abs. 3 LuftSiG geregelten Art gegenüber unbeteiligten, unschuldigen Menschenermächtigen, solche Maßnahmen nicht auf diese Weise als rechtmäßig qualifizieren und damit erlauben darf.“ (BVerfG, 1 BvR 357/05 vom 15.2.2006, http://www.bverfg.de/entscheidungen/rs20060215_1bvr035705.html)
  2. DIE WÜRDE DES MENSCHEN IST UNANTASTBAR. SIE ZU ACHTEN UND ZU SCHÜTZEN IST VERPFLICHTUNG ALLER STAATLICHEN GEWALT.“ (Art. 1 Abs. 1 GG)

 

Wenn es also unter Geltung des Art. 1 Abs. 1 GG für das Bundesverfassungsgericht bereits unvorstellbar ist, dass die vollziehende Gewalt auf der Grundlage einer gesetzlichen Ermächtigung unschuldige und unbeteiligte Menschen tötet, wie sollte dann denn die Tötung von unbeteiligten und unschuldigen Menschen ohne Grundlage in einem förmlichen Parlamentsgesetz unter Geltung des Art. 1 Abs. 1 vorstellbar sein?

„Dem Staat ist es im Hinblick auf dieses Verhältnis von Lebensrecht und Menschenwürde“ also „untersagt, durch eigene Maßnahmen unter Verstoß gegen das Verbot der Missachtung der menschlichen Würde in das Grundrecht auf Leben einzugreifen.“ (BVerfG, 1 BvR 357/05 vom 15.2.2006, Absatz-Nr. (120), http://www.bverfg.de/entscheidungen/rs20060215_1bvr035705.html)

Selbst wenn also der Gesetzgeber eine gesetzliche Grundlage in Form eines Parlamentsgesetzes als Eingriffsbefugnis zur Tötung im Ausland geregelt hat, welche das Zitiergebot wahrt, so darf dieses aber zumindest nicht zur Tötung unschuldiger, unbeteiligter Menschen, von denen keine Gefahr für Leib oder Leben anderer zu befürchten ist und kein Angriff ausgeht, ermächtigen.

 

Insbesondere jedoch ZP I - welches das Zitiergebot gemäß Art. 19 Abs. 1 S. 2 GG nicht wahrt - …

 

  1. „… kennzeichnet Menschen geradewegs kategoriengleich mit Objekten. Wenn also die Objektformel (d.h. "die Verpflichtung zur Achtung und zum Schutz der Menschenwürde" schließt "generell aus, den Menschen zum bloßen Objekt des Staates zu machen" BVerfGE 115, 118 (153)) überhaupt anwendbar sein soll, dann doch wohl eindeutig auf den derart geregelten Waffeneinsatz mit Kollateralwirkung gegenüber Zivilpersonen, zumal hier die Vernichtung unbeteiligter Menschen gegen einen im Einsatzzeitpunkt lediglich prognostizierten, indessen keineswegs gesicherten Erfolg abgewogen werden soll. Die völkerrechtliche Zulassung des Waffeneinsatzes mit kollateraler Tötung unbeteiligter Zivilpersonen, sofern diese im Sinne der Normen Art 51, 52 Abs. 2 S. 2 und Art. 57 ZPI verhältnismäßig ist, macht den Menschen zum bloßen Objekt des Staates, da sein Leben als schlichte, quantifizierbare Rechengröße in eine Erfolgsabwägung eingestellt wird“ (Ipsen, in: NZWehrr, 2008, S. 160)
  2. „Etwa Menschen des Konfliktgegners schlicht außerhalb des Schutzbereichs des Art. 1 Abs. 1 GG zu stellen - seien es Zivilpersonen oder Kombattanten -, ist verfassungsrechtlich nicht zu begründen. Wenn nämlich das Verbot der Behandlung des Menschen als bloßes Objekt in der seitens des BVerfG vertretenen Stringenz auch im internationalen bewaffneten Konflikt gelten soll, dann lässt sich - ebenso streng genommen - sogar die aus Art. 52 Abs. 2 ZP I folgende Gleichstellung von Objekten und Kombattanten als »militärisches Ziel« (im authentischen Text: »military objective«) mit der Objektformel schlechterdings nicht vereinbaren. Wie vorstehend nachgewiesen, zwingt gerade das kodifizierte Verhältnismäßigkeitsprinzip dazu, den Vorteil der Ausschaltung eines militärischen Ziels (u.v. eines bloßen Objekts) gegen den Wert von Menschenleben abzuwägen. Was anderes, wenn nicht dies sollte noch die Behandlung des Menschen als Objekt sein!Die Beachtungsgrenze, die der bewaffnete Konflikt für Art. 1 Abs. 1 GG unausweichlich setzt, folgt, wie dargelegt, aus der grundlegenden Entscheidung der Verfassung für die Friedenswahrung äußerstenfalls durch Streitkräfteeinsatz und den im Übrigen völkerrechtsmäßigen Einsatz ihrer Waffen. Mit der Entscheidung für diese ultima ratio der Wiederherstellung des Friedens hat sich die Verfassung zugleich für eine immanente Schranke des Art. 1 Abs. 1 S. 2 GG entschieden.“ (Ipsen, in: NZWehrr 2008, Menschenwürde und Waffeneinsatz mit Kollateralwirkung auf Zivilpersonen, S. 156)“

 

Somit scheint selbst ein Parlamentsgesetz welches die Tötung unschuldiger und unbeteiligter Menschen (sog. Zivilisten oder auch sog. „Frauen und Kinder“) in einem bewaffneten Konflikt erlaubt, jedenfalls unter Geltung des Art. 1 Abs. 1 GG unvorstellbar und sind es folglich, eben solche Tötungen ohne Parlamentsgesetz erst recht.

Welches Parlamentsgesetz erlaubt also schlussendlich dem deutschen Soldaten die Tötung von Menschen im Ausland, so dass diese im Sinne des Art. 19 Abs. 1 S. 2 GG wirklich demokratisch gewollt ist und im Sinne des Art. 2 Abs. 2 S. 3 GG verfassungsrechtlich zulässig ist?

 


V. Die Frage also nach dem Parlamentsgesetz welches das Zitiergebot wahrt und den Soldaten zur Tötung eines Menschen im Ausland ermächtigt

 

Werfen wir bei der Suche nach einem Parlamentsgesetz zunächst einen Blick in die rechtswissenschaftliche Literatur. Dort finden sich die folgenden Meinungen:

 

1. „vom Grundgesetz nicht vorgesehen“!

„Jede Entscheidung für einen Krieg ist eine Entscheidung für die Tötung von Menschen. Eine gesetzliche Ermächtigung für diese Tötung gibt es nicht und ist vom Grundgesetz nicht vorgesehen.“(Podlech, in: Alternativ Kommentar zum Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Band 1, 1984, Art. 2 Abs. 2 Rdnr. 26.)

2. Erlaubnis für Tötungshandlungen kennt das Völkerrecht nicht!

„Zudem gibt es keinen Rechtssatz „der ausdrücklich das Töten im Krieg für rechtmäßig erklären würde (Wolff, NZWehrr 1996 S. 15: „Einen ausdrücklichen Erlaubnistatbestand für Tötungshandlungen in bewaffneten Konflikten kennt das Völkerrecht nicht,...“)“(Eser, in: FS-Schöch, Rechtmäßige Tötung im Krieg: zur Fragwürdigkeit eines Tabus, S. 468.; Vgl. auch: http://www.faz.net/-gqz-6w8lp)

3. UZwGBw gilt nur – in – der Bundesrepublik!

„Die §§ 15, 16 des Gesetzes über die Anwendung unmittelbaren Zwangs und die Ausübung besonderer Befugnisse durch Soldaten der Bundeswehr und verbündeter Streitkräfte sowie ziviler Wachpersonen (UZwGBw) greifen nicht ein. Denn das UZwGBw gilt nur – in – der Bundesrepublik (vgl. insbesondere § 2 Abs. 1 UzwGBw)“(NZWehrr, 2009 Heft 4, S. 171, Staatsanwaltschaft Zweibrücken, Beschl. Vom 23.1.2009, - 4129 Js 12550/08 - ).

 

Folglich müssen wir im Bundesgesetzblatt weitersuchen:

 

4. Das Gesetz zur Ergänzung des Grundgesetzes vom 19. März 1956 (BGBl I, 1956, 111) nennt das Grundrecht auf Leben entgegen Art. 19 Abs. 1 S. 2 GG nicht.

5. Das Gesetz über den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zu den vier Genfer Rotkreuz-Abkommen vom 12. August 1949 (BGBl. 1954 II S. 781f) nennt das Grundrecht auf Leben nicht. (http://www.bgbl.de/banzxaver/bgbl/start.xav?startbk=Bundesanzeiger_BGBl&jumpTo=bgbl254s0781.pdf)

6. Das Gesetz zu den Zusatzprotokollen I und II zu den Genfer Rotkreuz-Abkommen von 1949 vom 11. Dezember 1990 (BGBl. II 1990 S. 1551, 1637) nennt das Grundrecht auf Leben nicht. (Enthält einzig eine Ermächtigung für den Bundesminister des Inneren in Art. 2) (http://www.bgbl.de/banzxaver/bgbl/start.xav?startbk=Bundesanzeiger_BGBl&jumpTo=bgbl290s1550.pdf)

7. Auch die Bekanntmachung über das Inkrafttreten der Zusatzprotokolle I und II zu den Genfer Rotkreuz-Abkommen von 1949 vom 30. Juli 1991 (BGBl. II 1991 S. 968) nennt das Grundrecht auf Leben nicht. (http://www.bgbl.de/banzxaver/bgbl/start.xav?startbk=Bundesanzeiger_BGBl&jumpTo=bgbl291s0968.pdf)

8. Strafrechtliche Notwehrvorschriften? 

„Schon wegen der unterschiedlichen Reglungszwecke vermögen insbesondere §§ 32, 34 keine öffentlich-rechtlichen Eingriffsbefugnisse zu begründen. Deren Begrenzungen könnten ansonsten leicht unterlaufen werden (...)“(Duttge, HKS, Vor zu §§ 32-35, Rdnr. 10.).

„Die strafrechtliche Notwehrvorschrift bildet jedenfalls keine Ermächtigungsgrundlage (Vgl. z.B. Kunig, in: v. Münch/Kunig I, Art. 2 Rdn. 85.)“(Murswiek, in: Sachs (3. Alfg.), Art. 2 Rdn. 182 zum polizeilichen Todesschuss unter Verweis auf die Wesentlichkeitstheorie.)

 


VI. Schlussfolgerung - Standpunkt - Meinung 

 
  1. Nach der verfassungsmäßigen Ordnung sind alle staatlichen Tötungen im Ausland durch Soldaten der Parlamentsarmee menschenrechtswidrig und verfassungswidrig, denn haben sie gerade kein „förmliches Parlamentsgesetz“ gemäß Art. 2 Abs. 2 S. 3 GG als Grundlage, welches das Zitiergebot gemäß Art. 19 Abs. 1 S. 2 GG wahrt.

  2. Jede einzelne staatliche Tötung im Ausland beseitigt somit die verfassungsmäßige Ordnung, denn verletzt sie das Rechtsstaatsprinzip, das Demokratieprinzip, das Gewaltenteilungsprinzip, die unveräußerlichen Menschenrechte, die Grundrechte der Opfer, die Würde des Menschen und somit den Vorrang und die Schranken der Verfassung aus Art. 1 GG, Art. 2 Abs. 2 GG, Art. 19 Abs. 1 GG und Art. 20 Abs. 1-3 GG für die rechtmäßige Ausübung staatlicher Gewalt, insbesondere bei staatlichen Tötungen.

    1. Auf Grund von Art. 19 Abs. 1 S. 2 GG weiß jeder Soldat der Parlamentsarmee, dass diese Tötungen demokratisch nicht nur nicht geregelt worden sind, sondern somit auch, dass sie eben Mangels eben eines solchen Parlamentsgesetzes (im Rückschluss), gerade demokratisch nicht gewollt seien können.

    2. Daraus folgt aber auch, dass das Recht zum Töten von Menschen im Ausland gerade keine gesetzliche und rechtliche Grundlage hat, sondern einzig dem bloßen Willen der vollziehenden Gewalt selbst entspringen kann. Hierbei hat freilich das Grundrecht auf Leben des Menschen keinerlei Macht mehr („sinnentleert“), denn hat die Macht de facto das schrankenlose Recht zu töten, wen sie will.

    3. Ein Soldat der im Ausland vorsätzlich einen Menschen tötet, weiß darüber hinaus, dass die vorsätzliche (verfassungs-) rechtswidrige Tötung eines Menschen eben gerade auch eine Straftat nach dem Strafgesetzbuch ist und das deutsche Strafrecht auch im Ausland für ihn zur Anwendung kommt. Dabei ist freilich auch die Beihilfe, mit billigender in Kaufnahme des Todes eines Menschen, zu einer solchen Tötung, vom Strafrecht erfasst, selbst wenn der Tötungserfolg an sich unerwünscht ist bzw. war (von zB 500 Zivilisten in Jugoslawien, 100 000 Zivilisten beim Irak-Krieg 2003, oder unzählbar vieler Menschen beim Angriff auf Nordvietnam oder bei Tötungen durch Drohnen etc. pp.). Dass all diese Tötungen ohne Gerichtsverfahren vollzogen worden und deshalb menschenrechtswidrig waren, ergibt sich aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung (1951) ebenso wie dass menschenrechtswidrige Befehle nicht schutzwürdig sind (BGHSt 39, 1).

  3. Im Licht der Widerspruchsfreiheit der Gesamtrechtsordnung bestehen somit auch erhebliche Zweifel bzgl. der strafrechtlichen Rechtfertigung von (Beihilfen {durch Unterlassen} zu) Tötungshandlungen deutscher (oder anderer) Soldaten im Ausland, denn kann strafrechtlich nicht erlaubt werden was verfassungsrechtlich verboten ist und demokratisch nicht gewollt ist bzw. war. Hier mangelt es leider an einer höchstrichterlichen Auseinandersetzung mit dem dargelegten Standpunkt, jedoch werden diese Tötungshandlungen nicht einmal angeklagt. Hierbei gerät auch die Strafrechtspflege der Bundesrepublik in einen offenkundigen Widerspruch zu ihren rechtsstaatlichen Prämissen (Vgl. https://linksunten.indymedia.org/de/node/150181).

 


VII. Einwendungen

 

Einwendungen zu diesem Standpunkt finden sich in aller erster Linie darin, dass aus verschiedenen „wehrverfassungsrechtlichen“ Grundgesetzartikeln, völkerrechtlichen Verträgen wie zB UN-Charta oder NATO-Verträgen, oder ganz allgemein aus dem Völkerrecht, verfassungsrechtliche Aufgaben der Bundeswehr her- bzw. abgeleitet werden, die wenn sie die Bundeswehr (zulässig) ausführt, das Recht zum Töten im Ausland (unausgesprochen) mit sich bringen und Tötungen in diesem Rahmen deshalb erlaubt sind. Dem ist zunächst ganz grundsätzlich Kant entgegen zu halten:

 

„Das Recht der Menschen muß heilig gehalten werden, der herrschenden Gewalt mag es auch noch so große Aufopferung kosten. Man kann hier nicht halbieren und das Mittelding eines pragmatischbedingten Rechts (zwischen Recht und Nutzen) aussinnen, sondern alle Politik muß ihre Knie vor dem ersteren beugen, kann aber dafür hoffen, obzwar langsam, zu der Stufe zu gelangen, wo sie beharrlich glänzen wird.“(Immanuel Kant, Zum ewigen Frieden, Anhang I.)

 

Etwas schlichter betrachtet wedelt bei dieser Art Einwendung jedoch offensichtlich der Schwanz mit dem Hund. Denn nicht nur durch die Voranstellung der unmittelbar geltenden Grundrechte, eben vor die Macht des Staates Aufgaben zu erfüllen und dem Menschenleben als Höchstwert gegenüber dem Wert staatlicher, politischer Aufgaben (im Übrigen ohnehin bloß in einer Ordnung für den Menschen) zeigt eine offensichtliche Verdrehung der „Wertigkeiten“ bei dieser Einwendung, sondern folgt diese insbesondere aus der juristischen Lehre selbst, denn fragt eben diese, eben im Gegenteil, immer zuerst: „Ist der Eingriff in das Grundrecht (auf Leben) verfassungsrechtlich gerechtfertigt (Schranke)“ und sodann: „ist der Eingriff verhältnismäßig“ also ganz grob die Frage nach der Zweck Mittel Relation (Schranken-Schranke). Das heißt, nach aller juristischen Logik der universitären Lehre, ist doch offensichtlich die vom Staat erfüllte Aufgabe erst nach einem verfassungsrechtlich zulässigen Grundrechtseingriff zu „problematisieren“ (war der Einsatz völkerrechtlich zulässig oder nicht, zum Beispiel). Ansonsten heiligt doch der bloße politische Zweck (oder die staatliche Macht Aufgaben zu erfüllen) jedes Mittel (die Tötung von Menschen) und ist es nicht gerade der Sinn und Zweck der Grundrechte dies zu verhindern!? Was denn sonst?

 

Eine weitere Einwendung ist letztlich nur noch die Lehre vom Recht des Kombattanten, also das sog. Kombattantenprivileg. Dem ist grundsätzlich und schlussendlich Goethe entgegen zu halten:

 

„Ich weiß, wie es um diese Lehre steht.// Es erben sich Gesetz und Rechte // Wie eine ew'ge Krankheit fort; // Sie schleppen von Geschlecht sich zum Geschlechte // und rücken sacht von Ort zu Ort. // Vernunft wird Unsinn, Wohltat Plage; // Weh dir, dass du ein Enkel bist! // Vom Rechte, das mit uns geboren ist, // Von dem ist leider! nie die Frage.“ (Goethe, Faust I, Vers 1972 ff. / Mephistopheles)

webadresse: 
Lizenz des Artikels und aller eingebetteten Medien: 
Creative Commons by-nc-sa: Weitergabe unter gleichen Bedingungen - nicht kommerziell