Dritter bundesweiter Aktionstag am 10. März 2016: Erwerbslose protestieren gegen geplante Einschnitte

In rund 30 Städten haben Erwerbslosengruppen am Donnerstag, den 10. März Protestaktionen durchführen. Die Proteste richteten sich gegen das 9. Änderungsgesetz des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (Hartz IV), in demcviele und gravierende Verschlechterungen versteckt sind. Aufgerufen zum bundesweiten Aktionstag hat das Bündnis „AufRecht bestehen“, ein Zusammenschluss mehrerer Erwerbslosenverbände*. Am 18. März wird der Bundesrat erstmals über das Gesetzpaket beraten

 

 

 

In Erfurt, Frankfurt am Main und Kaiserslautern und andernorts wurden mit Veranstaltungen über die drohenden Verschlechterungen informiert. In Düsseldorf, Freiburg, Hamburg, Nürnberg und Saarbrücken sind Kundgebungen und Mahnwachen durchgeführt worden, in Wuppertal verbunden mit einer öffentlichen Sozialberatung.

 

Laut Bundesregierung soll mit dem Änderungsgesetz „Hartz IV“ vereinfacht und die Jobcenter entbürokratisiert werden. Für Helga Röller von „AufRecht bestehen Rhein-Main“ ist dies ein „riesiger Etikettenschwindel“. Neben kleineren Verbesserungen würden „mit dem Gesetz auch Rechte abgebaut, Leistungen gekürzt und neue Strafen eingeführt“, kritisiert Röller.

 

Das Bündnis „AufRecht bestehen“ nennt drei konkrete Beispiele aus dem Gesetzentwurf, die für Leistungsberechtigte erhebliche Nachteile bringen: So soll in § 34 zusätzlich zu den bestehenden Sanktionen eine neue Strafe eingeführt werden. Leistungsberechtigte, bei denen unterstellt wird, sie würden nicht genug unternehmen, um ihren Leistungsanspruch zu beenden oder zu verringern, sollen die erhaltenen Hartz-IV-Leistungen vollständig ans Jobcenter zurückzahlen müssen. Da diese Rückzahlungspflicht sofort beginnt, sollen die Jobcenter rund 120 € monatlich vom Regelsatz als „Tilgung“ einbehalten können. „Mit dieser willkürlichen, von subjektiven Entscheidungen abhängigen Strafe, wird der Rechtsanspruch auf existenzsichernde Leistungen unterlaufen, da diese ständig unter dem Vorbehalt der Rückforderung stehen“, erläutert Frank Jäger vom Erwerbslosenverein Tacheles e.V. in Wuppertal. Diese neue Strafe kann beispielsweise auch ältere Hartz-IV-Beziehende treffen, die sich dagegen wehren, mit 63 Jahren in eine Rente mit Abschlägen zu wechseln.

 

„Erwerbstätige, die aufstockend Hartz IV beziehen, gehören ebenfalls zu den großen Verlieren der Gesetzesänderung“, kritisiert Martin Künkler von der Koordinierungsstelle gewerkschaftlicher Arbeitslosengruppen. Ein Absetzbetrag für Werbungskosten soll ersatzlos gestrichen und der Erwerbstätigenfreibetrag nicht mehr berücksichtigt werden, wenn die Jobcenter einen vorläufigen Bescheid erlassen. „Das führt zu einer Kürzung von bis zu 230 Euro monatlich“, rechnet Künkler vor.

 

Bei den Heizkosten soll zukünftig eine Einzelfallprüfung nicht mehr verpflichtend sein. Stattdessen dürfen die Kommunen eine starre Obergrenze für die Warmmiete festlegen. Hohe Heizkosten, die besonderen Umständen wie einer schlechten Wärmedämmung geschuldet sind, würden dann unter Umständen nicht mehr erstattet.

 

Das Bündnis „AufRecht bestehen“ appelliert an die Fraktionen im Bundestag und die Länder im Bundesrat, die geplanten Verschlechterungen im Gesetzgebungsverfahren zu verhindern. Statt der geplanten Einschnitte müssten vielmehr die Sanktionen, so wie vom Arbeitsministerium zunächst angekündigt, in einem ersten Schritt deutlich entschärft werden.

 

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