[HWI] спасибо, thanks, merci! 75. Jahrestag der Befreiung Wismars vom deutschen Faschismus am 02.05.1945

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Gedenken und Feiern zum 75. Jahrestag der Befreiung vom deutschen Faschismus in Wismar und Nordwestmecklenburg

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спасибо, thanks, merci! 75. Jahrestag der Befreiung Wismars vom deutschen Faschismus am 02.05.1945

 

Heute, am 02. Mai 2020 jährt sich die Befreiung Wismars und Nordwestmecklenburgs vom deutschen Faschismus zum 75. Mal. Anlässlich dieses historischen Moments wollten wir, die Initiative 02. Mai Wismar, gemeinsam mit euch an die Befreiung Wismars vom deutschen Faschismus erinnern. Wir wollten den Menschen gedenken, die im nationalsozialistischen Wismar zu Menschen zweiter Klasse degradiert wurden, die Denunziation und Verfolgung ausgesetzt waren, die deportiert wurden, die unter unmenschlichen Umständen Zwangsarbeit leisten mussten und denen, die während dieses großdeutschen Wahns ihr Leben ließen. Genauso wollten wir den widerständigen Menschen aus Wismar und aller Welt gedenken und danken, welche durch Wort und Tat Sand im Getriebe des deutschen Rassenwahns und seiner Kriegsmaschinerie waren. Jenen Menschen, die das Ende der nationalsozialistischen Terrorherrschaft blutig erkämpften. In verschiedenen Redebeiträgen wollten wir Aspekte des nationalsozialistischen Terrors in Mecklenburg beleuchten, die ansonsten oft verschwiegen werden. Wir wollten klarstellen, dass wir den deutschen Täter*innen, die sich nun als Opfer des Krieges inszenieren, keine Träne nachweinen!

 

Aufgrund der aktuellen Situation kann dieses Gedenken nun nicht so stattfinden, wie wir es geplant hatten. Frühzeitig haben wir beschlossen, die Kundgebung auf dem Marktplatz und auch die anschließende Befreiungsparty im TIKOzigalpa, auf der wir mit euch auf die Niederlage Nazideutschlands anstoßen wollten, abzusagen. Diesen 75. Jahrestag entsprechend unseren Vorstellungen angemessen zu begehen, scheint zurzeit nicht möglich und natürlich steht die Gesundheit aller gerade an höchster Stelle.

 

Doch natürlich heißt das nicht, dass wir das Leiden der über 4000 Zwangsarbeiter*innen in der Stadt, der deportierten Jüdinnen und Juden, oder der alliierten Befreier*innen, die sich von West und Ost durch Europa kämpfen mussten, um sich in Wismar-Dargetzow endlich in die Arme zu fallen, vergessen! Der heutige Tag ist für uns ein Tag der Erinnerung an den Moment der Freude, der Freiheit für so viele Verschleppte und Geknechtete in Nordwestmecklenburg brachte. Der heutige Tag ist für uns ein Tag der Erinnerung an das Leiden derer, die diese Befreiung nicht mehr miterleben konnten und die noch in den letzten Kriegstagen in Wismar ermordet wurden. Der heutige Tag ist für uns ein Tag, an dem wir unsere Wut und unseren Hass gegen diese deutschen Zustände und gegen die deutschen Täter*innen, die dieses Leid über Europa brachten, zum Ausdruck bringen.

 

Wir werden deshalb in Kleingruppen Blumen an der Gedenktafel an der Ostseite des Rathauses, die an die Befreiung durch britische und kanadische Truppen erinnert, ablegen und kurz innehalten. Im privaten Kreis werden wir sicher auch das Glas heben, um den 02. Mai zu feiern und wir fordern euch auf, es uns gleichzutun! Weitere Orte, für Blumenniederlegungen könnten die Grabstätte der ermordeten Zwangsarbeiter*innen auf dem Westfriedhof, oder die Grabanlage der Märzgefallenen, die schon vor 100 Jahren gegen den Faschismus kämpften, auf dem Ostfriedhof sein.

 

Im folgenden dokumentieren wir unseren Redebeitrag, der sich mit der NS-Zwangsarbeit in Wismar befasst:

 

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Liebe Antifaschistinnen und Antifaschisten, Bürgerinnen und Bürger.

 

Wir feiern heute die Befreiung Wismars und Nordwestmecklenburgs vom deutschen Faschismus. Wenn wir dabei von einer Befreiung sprechen, wissen wir sehr wohl, dass hier nur wenige Wismarer*innen befreit wurden. Für die meisten Menschen war es eine Besetzung, denn Wismar war bereits in den 20ern eine Hochburg der Nazis.

 

Bereits zu den Landtagswahlen 1924 wurde die antisemitische Deutschvölkische Freiheitspartei (DVFP) stärkste Kraft in Wismar. Dass Hitler dann 1925 Wismar als Ort für seine erste Wahlkampfrede in Mecklenburg wählte war kein Zufall. Hier fand die Partei breite Unterstützung, nicht nur durch die Gutsbesitzer, die bereits beim rechtsextremen Kapp-Putsch 1920 eine große Rolle spielten. Auch unter der Bevölkerung fand beispielsweise der ‚Völkische Beobachter‘, das Parteiorgan der NSDAP, eine besonders hohe Verbreitung. In den Tagen nach Hitlers Rede kam es zu zahlreichen Neueintritten in die NSDAP, sodass der Kreis Wismar 1926 die meisten Ortsgruppen in Mecklenburg-Schwerin verzeichnete. Bei den Landtagswahlen im Juni 1932 wurde die NSDAP dann stärkste Kraft und regierte mit dem Gutsbesitzer Walter Granzow als Ministerpräsidenten.

 

Nach der Absetzung des letzten demokratischen Bürgermeisters Heinrich Brechling im März 1933 waren dann auch die 22 jüdischen Bürger*innen Wismars dem schonungslosen Terror der deutschen ‚Volksgemeinschaft‘ ausgesetzt. Bereits 1935 wurde auf dem Marktplatz ein Pranger aufgestellt und mit Bildern von jüdischen Bürger*innen und Antifaschist*innen versehen. Im November 1938 wurden in Wismar alle jüdischen Geschäfte verwüstet und mehrere Juden verhaftet. Anschließend formierte sich eine antisemitische Demonstration, an der etwa die Hälfte der Stadtbevölkerung teilnahm. Der im Zuge dieser Demonstration auf dem Markt aufgestellte Galgen mit antisemitisch-stilisierter Strohpuppe ließ keine Zweifel mehr, wohin der Weg gehen sollte.

 

Diese deutschen Täter*innen wurden am 02. Mai nicht befreit, für sie war es ein Tag der Niederlage. Befreit wurden die Menschen, die außerhalb der ‚Volksgemeinschaft‘ standen und die Arbeits- und Vernichtungslager überlebten: Juden und Jüdinnen, Homosexuelle, Sozialdemokrat*innen, Kommunist*innen, Bibelforscher*innen, Zeug*innen Jehovas, körperlich und geistig Kranke, Christ*innen sowie Sinti*ze und Rom*nja. Befreit wurden auch die Menschen, die während des Krieges nach Wismar verschleppt wurden, um hier Zwangsarbeit zu leisten.

 

Das Kapitel der Zwangsarbeit wird in Wismar immer noch totgeschwiegen, sodass das Ausmaß dieses Verbrechens oft unbekannt ist. Wir möchten an dieser Stelle an das Schicksal der Menschen aus der Sowjetunion, Polen, den Niederlanden, Frankreich und Italien erinnern, die nach Wismar verschleppt wurden.

 

Mitte September 1939 trafen die ersten polnischen Kriegsgefangenen im Kreis Wismar ein und wurden meist in zentralen Lagern untergebracht, aus denen man sie morgens zu ihren Arbeitsstellen abholte. Im Oktober begannen Wehrmacht und Polizei dann mit ersten Massenverschleppungen von Zivilist*innen, ab April 1940 galt Arbeitszwang für alle Pol*innen zwischen 14 und 24 Jahren. In den polnischen Dörfern und Städten wurden Menschenjagden und Massendeportationen durch die Deutschen zur Normalität. Für die polnischen Zwangsarbeiter*innen galten im Gegensatz zu denen aus Westeuropa die sogenannten ‚Polenerlasse‘, eine rassenideologische Polizeiverordnung, die ihre Rechte auf ein Minimum einschränkte. Pol*innen mussten fortan z.B. einen großen gelben Aufnäher mit einem ‚P‘ tragen und wurden bei kleinsten Vergehen mit Einweisung in ein KZ oder Arbeitserziehungslager bestraft.

 

Die Arbeitsbedingungen waren grausam. Nach ihrer Deportation bekamen die Menschen keine neue Kleidung und kämpften so mit ihrem längst verschlissenen Hemd im Winter ums Überleben. Erst als die Deutschen um den Verlust der Arbeitskraft fürchteten, wurden Altkleider für die ‚Ostarbeiter‘ genannten Pol*innen gesammelt. In der Stadt Wismar waren die Pol*innen oft direkt in den kleinen Firmen und Betrieben untergebracht, meist wurden Schuppen und Garagen genutzt, die mit Gittern und Schlössern umgerüstet wurden. Bei einer Unterbringung in zentralen Lagern, die oft von der Stadtverwaltung selbst eingerichtet und weitervermietet wurden, mussten die Zwangsarbeiter*innen morgens in Kolonne zu ihrem Arbeitsort marschieren. Bei Luftangriffen waren sie den Bomben schutzlos ausgeliefert, denn die Bunker waren den Deutschen vorbehalten. So starben beim ersten Luftangriff  auf Wismar 1940 drei französische Zwangsarbeiter, die in ihrer Baracke eingesperrt waren.

 

Die ab Juni 1941 im Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion gefangenen Rotarmist*innen wurden aufgrund der Rassenideologie der Nazis vorerst in Lagern hinter der Front dem Hungertod ausgesetzt. Erst als im Deutschen Reich der Arbeitskräftemangel zu groß wurde, ging man dazu über, die Soldat*innen zur Zwangsarbeit zu deportieren. In Mecklenburg existierte dazu das Stammlager II E in Schwerin, durch das bis 1942 6000 Sowjetbürger*innen kamen. Nur 5% von ihnen waren arbeitsfähig und anfangs starben durch Hunger und Erschießungen täglich 80-100 Rotarmist*innen. Das Massengrab mit 500 Leichen, welches 1960 in Schwerin-Zippendorf exhumiert wurde, zeugt von den schrecklichen Verhältnissen dort.

 

1942 wurden die Verschleppungen auf die Zivilbevölkerung, besonders der Ukraine und Belarus ausgeweitet. Bei den extrem gewalttätigen Massendeportationen, die mit Erschießungen einher gingen, wurden auch Kinder nach Wismar gebracht. Diese Kinder, wie auch die hier geborenen, starben in der Regel bald an der schlechten Behandlung durch die Deutschen. Die Sterbebücher der Friedhöfe sind oft das einzige Zeugnis dieses Verbrechens.  In Wismar-Dargetzow wurden nun durch eine Sternberger Firma, die sich bereits 1933 auf den Bau von Holzbaracken spezialisierte, mehrere große Barackenlager errichtet. Parallel entstanden über die Stadt verteilt weitere kleine Barackenlager. Das Grauen in diesen Lagern war geprägt von stetigem Hunger, eisiger Kälte und Übergriffen der Wachmannschaften.

 

Für die Wismarer Bevölkerung war das Leid offen ersichtlich. Jeden Tag zogen die Marschkolonnen mit den ausgemergelten Körpern durch die Stadt zu ihren Betrieben. Vielfach genutzt wurde auch die Möglichkeit, sich die sogenannten “Ostarbeiter“ für die Gartenarbeit zu mieten. Beschwerden gab es nur, wenn die Rassenideologie zu unökonomisch erschien. So beklagten einige Bürger*innen den „wirtschaftlichen Unsinn“ des massenhaften Hungertodes der Sowjetischen Gefangenen in Zeiten des Arbeitskräftemangels.

 

Entgegen der Geschichtsschreibung der DDR, profitierten nicht nur die Großindustriellen von der Ausbeutung, sondern die meisten Bürger*innen wirkten aktiv in diesem System mit. Prügelstrafen der Arbeitgeber*innen waren Normalität und eine Einweisung in ein Arbeitserziehungslager bei kleinsten Vergehen eine gern genutzte Möglichkeit, denn nach der Hölle dieser Lager waren die Gefangenen meistens so gebrochen, dass sie vollkommen widerstandslos arbeiteten.

 

Nach Kriegsende wurden keine der lokalen Akteur*innen für ihr Wirken in der Zwangsarbeit bestraft. Dem damaligen Landrat, Gerhard Wandschneider, der den Druck auf die Zwangsarbeiter*innen besonders aktiv verschärfte, wurde sogar noch ein Gedenkstein für sein Handeln zur deutschen Wiedervereinigung errichtet.

 

Das Interesse an der Aufarbeitung ist in der Stadt weiterhin gering. Die genauen Opferzahlen bleiben unklar. Den Zeitzeugenberichten über zahlreiche Erschießungen in den letzten Kriegstagen der Stadt wird nicht weiter nachgegangen und nur ein unscheinbarer Gedenkstein in der hinterletzten Ecke des Friedhofs erinnert an 43 Kinder, Frauen und Männer aus der Sowjetunion, die hier ermordet wurden. Die offizielle Website der Stadt spricht geschichtsrevisionistisch von „unendlichem Leid“, welches der Krieg über die „Wismarer Bevölkerung“ brachte und deutet mit dem Hinweis, dass 1943 50 polnische Dachdecker nach Wismar kamen, nur völlig verharmlosend auf das Verbrechen an den 4000 Zwangsarbeiter*innen die an über 200 Einsatzorten in der Stadt arbeiten mussten.

 

 „So dominiert auch in Wismar das Narrativ der unschuldigen Bevölkerung, die unter dem Bombenkrieg litt und um ihr „Städtisches Selbstbewusstsein“ fürchtete, vor dem der rassistischen Gesellschaft, die Galgen auf dem Marktplatz aufstellte, als minderwertig betrachtete Menschen für sich schuften ließ und Juden und Jüdinnen deportierte“, konstatierte 2019 folgerichtig eine wissenschaftliche Arbeit.

 

Offiziell getrauert wird nur um die Opfer der alliierten Bombenangriffe, also um die Täter*innen aus der ‚Volksgemeinschaft‘ und um die schöne Architektur. Da wirkt es nur scheinheilig, wenn bei der jährlichen Gedenkfeier zur Bombardierung des gotischen Viertels stets betont wird, dass man ja „allen Opfern des Krieges“ gedenke.

 

Wir, die „Initiative 02. Mai Wismar“, fordern eine umfassende Aufarbeitung des NS-Terrors in Wismar und eine Stadt, die sich kritisch mit ihrer Vergangenheit auseinandersetzt. Wir wollen keine Gedenkfeiern für „alle Opfer des Krieges“, wir fordern ein aktives Gedenken für die Menschen, die den Wismarer Faschist*innen zum Opfer fielen.

 

 

 

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