Bericht zu allen Prozesstagen gegen Danny beim Amtsgericht Neumünster

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Vorab: dieser Bericht erscheint sehr spät. Aufgrund der aktuellen Corona Situation in den Knästen und der damit einhergehenden Fülle an Berichten von Gefangenen, ist Dannys Prozess zwar nicht bei uns untergegangenen, zugegebenermaßen hat sich unsere Veröffentlichung allerdings aufgrund anderer Berichte stark verzögert.

Danny wurde wegen Körperverletzung und tätlichen Angriff der Prozess gemacht.

Der erste Prozesstag am 24.02.20 war vor allem durch das Nichterscheinen der geladenen Zeug*innen (insg. acht) geprägt. Sehr zum Ärger der Richterin Stelling, denn mit den Aussagen der einzig angereisten Bullen konnte sie nicht viel anfangen. Sie hatten massive Erinnerungslücken, eine angebliche Körperverletzung auf einen anderen Menschen am Hauptbahnhof in Kiel oder tätlichen Angriff konnten sie auch nicht glaubhaft vortragen. Der erste Bulle, Nikolas Rades, war beim vermeintlichen Geschehen gar nicht dabei, er fuhr eigentlich in Kiel Streife und wurde dabei wohl "aufmerksam auf die Situation". Welche Situation er konkret meint, konnte er nicht wiedergeben. Seine Aussagen beruhten nur darauf, dass eine andere zivile Zeugin wohl gesehen hätte, dass Danny einen anderen Menschen am Bahnhof in Kiel geschlagen haben soll. Er selbst hätte das aber nicht wahrgenommen. Auch an die Verletzungen des angeblich Geschädigten kann er sich nicht mehr erinnern. Auf Nachfrage von Dannys Anwalt, um welche Zeugin es sich denn handeln würde, mit der er gesprochen hätte, weiß er auch keine Antwort.  Insgesamt also eine ziemlich undurchsichtige und widersprüchliche Darstellung. Die zweite Bullin, M. Hark, war wie der erste beim tätlichen Angriff nicht dabei. Sie war am Hauptbahnhof als "Sonderstreife", deren einzige Aufgabe es ist, "Leute zu kontrollieren". Danny habe sie auch kontrolliert, bei der vermeintlichen Körperverletzung will sie dabei gewesen sein. Wie diese genau abgelaufen sein soll, weiß sie aber auch nicht mehr, weil sie wohl nicht im richtigen Winkel stand. Obwohl beim tätlichen Angriff nicht dabei gewesen, will sie aber wissen, dass er in der Zelle, in welche Danny nach "dem Vorfall am Bahnhof" verschleppt worden ist, passiert sei. Dort war sie zu dem Zeitpunkt zwar nicht, eigentlich war sie nichtmal bei der Verschleppung dabei, aber ihr Kollege sei wohl verletzt gewesen irgendwann danach. Auch ihre Aussagen nutzen der Richterin offensichtlich nicht viel zum verurteilen. Der dritte und letzte Bullenzeuge für diesen Tag, Lennart Canisius, bezeichnet sich zwar selbst als Bundespolizist am Kieler Hauptbahnhof, war am besagten Tag allerdings privat unterwegs, "bei Rewe einkaufen". Er will, als er Rewe verließ, die "verbale Auseinandersetzung wahrgenommen" haben. Demnach soll Danny den "Geschädigten" (welcher übrigens auch als Zeuge geladen wurde, aber nicht erschien) mit beiden Händen am Hals gepackt und geschlagen haben, weswegen Lennart wohl Verstärkung rief. Das dafür benötigte Equipment hatte er natürlich gleich zur Hand, auch wenn er nicht im Dienst war. Seine Darstellung schildert er mehr als euphorisch, gleichzeitig wird nicht ganz klar, wie die angebliche Körperverletzung genau abgelaufen sein soll. Auf Nachfragen von Dannys Anwalt reagiert Lennart wie ein kleiner bockiger Junge, dem sein Lutscher weggenommen wurde. Die Richterin ist bei dem Spektakel begeisterte Zuschauerin, bis ihr wieder einfällt, dass sie ja eigentlich Danny verurteilen möchte, offensichtlich aber noch belastbare Aussagen fehlen. Keiner der Bullen konnte an dem Tag genau schildern, wie es zur Körperverletzung oder gar tätlichen Angriff gekommen sei.

Das einzige, was vor allem der erste und zweite Cop gut wiederspiegeln konnten, war ihr Rassismus und Klassismus. Danny sei ihnen wohl immer wieder am Bahnhof aufgefallen, nicht zuletzt wegen "seines südländischen Aussehens", welches so auch in den Akten vermerkt ist.  Ebenfalls sei der Kieler Bahnhof ein "gefährlicher Ort", weil sich die "Trinker- und Obdachlosenszene dort aufhält". Deswegen wären die geladenen Bullen wohl auch dort gewesen - um Leute zu kontrollieren, schikanieren und letzten Endes für irgendwas, in dem Fall Körperverletzung und tätlicher Angriff, anzuzeigen. Danny scheint den Bullen dabei ein gutes Ziel gewesen zu sein. Er war ihnen wohl schon bekannt, und bzw. denn er ist halt nicht weiß. Auf den offenen zur Schau gestellten Klassismus und Rassismus der Bullen ist die Richterin natürlich keinsterweise eingegangen. Eher zeigte sie Verständnis dafür, dass man "Südlandische" natürlich vermehrt kontrollieren muss, vor allem wenn sie sich dann noch an Orten der Obdach- und Wohnungslosen Szene herumtreiben würden.

Der Prozess wurde immer wieder unterbrochen, um auf den*die nächste Zeug*in zu warten. In dieser Zeit, in der Danny immer wieder in einer kleine Zelle im Gerichtsgebäude geführt wurde (mit der hämischen Bemerkung der Richterin, "er käme ja heute so richtig rum"), führten Richterin und Staatsanwältin joviale Pläuschchen über alles mögliche, zum Beispiel über die Verhandlungsführung anderer Richter*innen. Letzten Endes wurde ein zweiter Termin angesetzt. Ganz offensichtlich wollte die Richterin Danny verurteilen und dafür belastbare Aussagen gegen Danny zusammenkratzen. So stellte sie in Aussicht, dass sie die anderen Zeug*innen dann wohl aus Kiel für einen zweiten Prozesstag vorfahren lassen muss, wenn diese nicht freiwillig erscheinen würden...

Am 06. März, dem zweiten Prozesstag, ist tatsächlich wieder keiner der zivilen Zeug*innen freiwillig erschienen. Angehört wurde der Bulle, der angegriffen worden seien soll und eine Person, die eigens dafür aus Kiel angekarrt wurde. Die Aussage des Bullen war unglaublich schwammig. Er kam des Öfteren ins Stottern und konnte die ausschlaggebene Szene, in der Danny ihm eine Kopfnuss verpasst haben soll, nicht wirklich glaubhaft schildern. Auch als er vom Anwalt aufgefordert wurde, die Szene noch einmal an einem stehenden Stuhl nachzustellen, war seine Darstellung nicht besonders überzeugend. Es zeigte sich lediglich, dass die Intelligenz des Stuhles seine überwiegt.

Sein Auftreten war, wen wunderts, insgesamt ungeheuer mackrig. Er erschien in Uniform, obwohl er an dem Tag keinen Dienst hatte. Selbst die Richterin bemerkte das, sprach ihn darauf an, was ihm dann offensichtlich sehr peinlich war. Auch auf Fragen nach seiner Dienststelle antwortete er mit ziemlicher Arroganz: "Ich arbeite auf keinem Revier! Ich bin in der Leitstelle eingeteilt...." 

Als zweiter und für diesen Tag letzter Zeuge an diesem Tag, kam die Person, welche aus Kiel von Bullen am Tag selbst festgenommen und dann zum Gericht vorgeführt wurde. Er wurde morgens aus seinem Bett gerissen, "durfte" sich noch schnell anziehen und dann ging es auch schon Richtung Neumünster. Die Schweine, welche ihn festgenommen hatten, verwehrten es ihm, vorher nochmal mit seinem Hund rauszugehen. Dieser musste dann allein in der Wohnung warten. Dementsprechend gestaltete sich die Laune dieses Zeugen bei dem Prozess. Sein Wut über die Situation machte er beim Gericht immer wieder deutlich.  "Was soll der Scheiß hier überhaupt? Ist doch lächerlich und für so einen Scheiß quält ihr mich morgens aus dem Bett und lasst nicht mal meinen Hund pissen gehen? Ich weiß garnicht was das alles hier überhaupt soll?! Früher hat es auch nicht nach jeder kleinen Prügelei im Sandkasten eine Gerichtsverhandlung gegeben!"

Zudem beklagte er sich über das Vorgehen der Bullen ihm gegenüber, denn diese ganze Schikane sei Körperverletzung an seiner Person. Das Gericht, welches verantwortlich war für seine Verschleppung nach Kiel, um aus ihm eine belastbare Aussage gegen Danny wegen Körperverletzung herauszuquetschen, sah sich außerdem nicht dafür zuständig, ihm wenigestens Geld für seine Rückfahrt zu geben. Auch die Aussage des Zeugen, er habe kein Geld dabei und müsse nun ohne Ticket fahren, war ihnen egal.

Nach den beiden Zeugenaussagen war klar, dass es keine belastenden Beweismittel gegen Danny gibt. Gleichzeitig war offensichtlich, dass Staatsanwaltschaft und Richterin Danny unbedingt verurteilen wollen. So pochte die Staatsanwaltschaft darauf, mindestens noch einen weiteren Zeugen zu hören. Also zückten alle ihre Terminkalender und schwups, gab es auch noch einen dritten Verhandlungstag, den 20.03.2020.

Hierwurde Danny, wenig überraschend, verurteilt. Allerdings "nur" wegen tätlichem Angriff. Trotz dem verzweifelten Versuch der Richterin, irgendwie an Zeug*innen zu kommen, deren Aussagen belastend genug gewesen wären für eine Körperverletzung, musste sie ihn dahingehend freisprechen. Danny wurde zu 7 Monaten verurteilt, von denen er schon einen Großteil in der U-Haft abgesessen hatte. Am 31.03.20 wurde er entlassen.

Anmerkung zum zweiten Prozesstag: Kurz vor Ende des Prozesses ist es zu einer kleinen Ausschreitung zwischen anwesenden Besucher*innen, den Justizwachteln und einem Bullenschwein gekommen. Die Personalien aller Besucher*innen wurden aufgenommen. Warum genau wussten die Wachteln selbst nicht. Es solle eine Strafanzeige wegen Sachbeschädigung gestellt werden, oder vielleicht handle es sich doch um eine Ordnungswidrigkeit... Da sie sich anscheinend selber nicht ganz sicher darüber waren, was da nun genau passiert sei und wie das zu verfolgen ist, verzichten wir an dieser Stelle auf eine genauere Schilderung der Geschehnisse. Nur so viel: Auf irgend eine Art und Weise bewegte sich die Bank, auf dem der Bulle saß, immer wieder und stand gegen Ende des Prozesses so quer, dass die anwesenden Zuschauer*innen den Saal nicht einfach so verlassen konnten. Die sich bewegende Bank nahm der Bulle innerhalb des Prozesses immer wieder zum Anlass, die Verhandlung zu stören und war am Ende so erschrocken, das er fast von selbiger gefallen ist.

Deutlich wurde an allen Prozesstagen mal wieder, dass der Staat nur seine eigene Gewalt legitimiert und Rassismus und Klassismus Teil des (rechtlichen) Systems sind. Während Danny immer wieder in Handschellen im Gerichtsgebäude vorgeführt wurde, gab es offensichtlich keinen Grund, ihn zu verurteilen bzw gar zu diesem Zeitpunkt schon sechs Monate in U-Haft zu stecken, außer wegen seines "südländischen Aussehens" und der Zuschreibung zur "Trinker- und Obdachlosenszene" in Kiel.

Hinzuzufügen ist jedoch auch, dass sich Danny mit den Ausschreitungen nicht wohl fühlte. Aufrgund dessen wollte Danny nicht, dass zu einem dritten Prozesstag öffentlich aufgerufen wird. Eine weitere Aufarbeitung wird mit Danny gemeinsam stattfinden.

 

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