Erinnerung an die Ereignisse vom 23.April 2018
Stadt Witzenhausen solidarisiert sich mit den Ereignissen vom 23. April 2018
Ähmmm doch nicht
Die Stadt Witzenhausen zeigte einmal mehr ihr politisches Verständnis in Zeiten wo staatliche Repressionen en vouge sind.
Sie hängte zu Gedenken des Jahrtages zu den Ereignissen des 23. April 2018 einen Banner mit der Aufschrift: 23. April 2018 / Illegale Abschiebung / Polizeigewalt / Kein Vergessen ! ab. Dies geschah so schnel, dass leider eine öffentliche Erinnerung an die Ereignisse unmöglich war.
Danke für nix.
Zum Glück konnte eine aufmerksame Bürger*in noch rechtzeitig ein Foto davon machen, bevor der Normalzustand wiederhergestellt werden konnte.
Danke dafür ;-)
Desweitern erreicht euch jetzt eine Pressemitteilung von solidarischen Freund*innen die keinen Bock auf diesen Normalzustand haben.
Triggerwarnung: In den Texten wird u.a. über Gewalt, vor allem von Polist*innen und anderen Menschenverachteten Behörden geschrieben.
Pressemitteilung 2020
23. April 2018
Illegale Abschiebung, Polizeigewalt, verletzte Bürger*innen. Was ist passiert in der Nacht zum 23 April in Witzenhausen? Ein Rückblick:
In der Nacht des 23. April 2018 in Witzenhausen gab es den Versuch einer Abschiebung eines geflüchteten Syrers. Zu diesem Zeitpunkt wohnte er in einer Wohngemeinschaft. Die Wohnung wurde kurz nach 1 Uhr von Polizist*innen durchsucht.
Die Polizist*innen wurden durch rechtskräftige Dokumente davon in Kenntnis gesetzt, dass die Abschiebung grundlegend rechtswidrig ist. Diese Informationen wurden übergangen und der Betroffene wurde in Handschellen gelegt und abgeführt. Auf den Weg zum Flughafen konnte seine Rechtsanwältin rechtzeitig Einspruch gegen die illegale Abschiebung einlegen, wodurch diese verhindert wurde.
Während der Abschiebung kamen solidarische Freund*innen zur Wohnung des Betroffen und versuchten, ihn zu unterstützen. Dabei wurden sie massiv von Polizist*innen angegriffen und verletzt. Es kamen Schlagstöcke, Pfefferspray und Polizeihunde gegen die friedlichen Unterstützer*innen zum Einsatz. Über 25 Personen wurden bei dem Polizeieinsatz verletzt.
Polizeigewalt ist häufig unverhältnismäßig, wie der Zwischenbericht der Uni Ruhr zum Thema "Körperverletzung im Amt durch Polizeibeamt*innen" zeigt. Dort wird u.a. aufgezeigt, dass oft unangemessen schwere Gewalt von Polizist*innen im Einsatz ausgeht. Danach haben Betroffene meist keinen Erfolg damit, Rechtsmittel dagegen einzulegen, sondern bekommen von Seiten der Polizei eine Gegenanzeige. Es gibt keine unabhängigen Instanzen, an die sich Betroffene Personen wenden können, und welche Polizeigewalt strafrechtlich verfolgen.
Abschiebungen gehen auch mit erheblicher Polizeigewalt einher. Diese sind für die Betroffenen und Unterstützer*innen stark (re-)traumatisierend. Eine besondere Problematik bei illegalen Abschiebungen besteht zudem darin, dass betroffene Personen nach der der Abschiebung keine Rechtsmittel mehr dagegen einlegen können, da die Rechtswidrigkeit auf Verwaltungsebene erst Monate bis Jahre später bestätigt wird und die Personen sich bereits in anderen Ländern befinden.
Mit einem Urteil hat das Verwaltungsgericht Kassel die Durchführung der Abschiebung vom 23.04.2018 als rechtswidrig erklärt. Seit der Nacht ermittelt die Polizei gegen 18 Personen wegen schwerem Landfriedensbruch, die als Unterstützer*innen anwesend waren. Dieser Tatvorwurf ist völlig haltlos und zeigt die verzweifelten Versuche der Polizei, ihr rechtswidriges Verhalten zu rechtfertigen.
Die Geschehnisse des 23. dürfen nicht in Vergessenheit geraten. Im Werra-Meißner-Kreis fanden seitdem weitere zahlreiche, z.T. illegale Abschiebungen statt. Weiterhin muss sich kritisch mit den Thematiken "Polizeigewalt" und "Abschiebung" auseinandergesetzt werden.die
Und hier noch fürs Archiv die PM von 2018
PRESSEMITTEILUNG
Witzenhausen, den 27.04.2018
Die rechtswidrige versuchte Abschiebung von B. und die Polizeigewalt der Nacht des 23.04.2018 in
Witzenhausen sollen vier Tage nach dem Vorfall in einen größeren gesellschaftlichen und politischen Kontext bewertet werden. Das gesellschaftliche Klima hat sich in den letzten Jahren, auch bei uns,spürbar nach rechts verschoben. So waren und sind die Betroffenen des 23.04.2018 Beschimpfungen und Drohungen ausgesetzt. Ein Anwohner forderte nachts etwa die Vergasung der Demonstrant_innen. Der AK Asyl, der sich am Montag mit den Betroffenen Anwohner_innen und Passant_innen in einer PM solidarisierte, erhielt infolgedessen Morddrohungen. Kommentare unter Artikeln im Internet sprechen oftmals eine rassistische, menschenverachtende Sprache. Wir, die Betroffeneninitiative Witzenhausen, sind bestürzt und fassungslos aufgrund der Ereignisse dieser Woche. Einige von uns sind noch immer verletzt, manche traumatisiert. Uns ist es an dieser Stellewichtig, unsere Sicht darzustellen und fordern eine differenziertere Berichterstattung und Diskussion.Wir bedanken uns aber auch bei allen Mitbürger_innen für die große Solidarität. Sei es durch Gespräche mit Anwohner_innen, Solidaritätskundgebungen, Hilfs- und Kochangebote für die Betroffenen durch Freund_innen und uns vorher fremde Personen, vorbeigebrachte Kuchen sowie das generelle Interesse an der Situation der Betroffenen und am Schicksal von B. „Die große Solidarität und die Unterstützung in Witzenhausen und teilweise aus der ganzen Welt, geben uns in den letzten Tagen viel Kraft und Hoffnung“, so Betroffener M. Wir, die Betroffenen der Polizeigewalt, werden weiterhin in der Stadt für einen offenen und direkten Dialog eintreten. Medial hat der Vorfall überregional bereits große Wellen geschlagen. Viele Medien berichten über die Ereignisse vom Montag und stützen ihre Artikel dabei fast ausschließlich auf Darstellungen ausden beiden Pressemitteilungen der Polizei, die etliche Falschaussagen beinhalten, wie bildblog.de am 25.04.2018 ausführlich analysierte. Uns erschreckt das einseitige Bild, das ein Großteil der Zeitungen zeichnet, obwohl bereits nach wenigen Stunden eine Pressemitteilung des Rechtsanwalts Sven Adam, sowie diverse Ereignisschilderungen Betroffener der Presse zugänglich waren, die ein Bild von friedlichem Protest zeichnen. Zivilgesellschaftliches Engagement, das Recht auf spontane Versammlungsfreiheit und Humanismus werden so öffentlich diffamiert und Hass in der Gesellschaft befördert. Ebenso klagen wir die Entmenschlichung von B. in einigen Artikeln an. Wir sind entsetzt, dass über einen Menschen, dem solches Unrecht geschehen ist, in rassistischem Tonfall und mit entwürdigender Wortwahl berichtet wird. Parallel zu den Ereignissen in Witzenhausen wurde zudem sein Arbeitsplatz durchsucht und er somit vor Kolleg_innen kriminalisiert. Zum Hintergrund: In der Nacht auf Montag versuchte die Polizei in Witzenhausen B. rechtswidrig abzuschieben. Von Beginn an ging die Polizei sehr aggressiv vor. So wurde einer unbeteiligten Passantin, die interessiert nach dem Grund des Geschehens fragte, Pfefferspray ins Gesicht gesprüht. Nach und nach versammelten sich spontan ca. 60 Anwohner_innen, Freund_innen und Passant_innen am Ort des Geschehens. Das offizielle Dokument, welches eine Abschiebung B.s nach Bulgarien unmöglich und rechtswidrig macht, wurde den Beamt_innen vorgelesen und ausgehändigt. Um die Abschiebung friedlich zu verhindern, stellten sich einige Menschen um das Polizeiauto, in dem B. gefesselt saß. Die Polizei reagierte darauf mit vollkommen unverhältnismäßiger Gewalt und brachte Personen durch Schubsen zu Boden, die sich dabei verletzten. Später wurden ohne Vorankündigung und Androhung von Gewalt aus nächster Nähe Pfefferspray, Schlagstöcke und ein Polizeidiensthund gegen die friedlich um das Polizeiauto stehenden Menschen eingesetzt. Auch auf bereits am Boden liegende Personen wurde weiter eingeschlagen. Entgegen der Darstellung der Polizei und einiger Medienberichte wurden von Seiten der Demonstrant_innen weder Steine geworfen noch Reizgas eingesetzt. Gegen die Polizeigewalt wurden bereits zwei Klagen beim Verwaltungsgericht Kassel eingereicht, um die Rechtswidrigkeit des polizeilichen Handelns festzustellen. Mindestens eine Person hat laut Rechtsanwalt Sven Adam zudem Strafanzeige gegen unbekannte Beamt_innen wegen Körperverletzung im Amt gestellt. Weitere Strafanzeigen werden sicherlich folgen, so der Rechtsanwalt. Die massive Polizeigewalt forderte mindestens 25 Verletzte. Um 02:06 wurde deswegen die Schnelleinsatzgruppe (SEG) des DRK Ortsverbands Witzenhausen zu einem „Massenanfall an Verletzten“ (MANV25) gerufen. Neben den ehrenamtlichen Einsatzkräften waren auch mehrere Rettungswagen und insgesamt vier Notärzte aus den angrenzenden Kreisen und Bundesländern, sowie Führungskräfte des Landkreises am Einsatzort. In der zweiten Pressemitteilung der Polizei hieß es noch, Polizist_innen seien verletzt worden. In einem Bericht des Stern widerlegt ein Polizeisprecher inzwischen diese Darstellung. Kein_e Beamt_innen wurde verletzt. Die Polizei behandelte B. währenddessen wie einen Schwerverbrecher: B. musste die ganze ZeitHandschellen tragen, obwohl von ihm keine Gegenwehr ausging. Nach dem Transport nach Eschwege wurde er dort in eine Zelle gesperrt und erhielt auch auf Nachfrage kein Essen. Ein_e Übersetzer_in und Kontakt zu seiner Anwältin wurden ebenfalls durch die Beamt_innen verweigert. Mein Vertrauen in den Rechtsstaat ist seit dieser Nacht nicht mehr vorhanden“, so Betroffene L. Über 30 Unterstützer_innen B.s, die nach der unverhältnismäßigen Polizeigewalt noch dazu in der Lage waren, fuhren ebenfalls zur Polizeiwache nach Eschwege. Dort erhielten sie wiederholt Falschaussagen von den Polizist_innen. Diese behaupteten u.a. das B. sich nicht mehr in Eschwege befände. Als das Auto mit B. das Gelände Richtung Flughafen Frankfurt verlassen wollte, legten und setzten sich die Demonstrierenden friedlich auf die Ausfahrten der Polizeistation. Sie wurden unterAnwendung von Schmerzgriffen und Faustschlägen geräumt, damit das Auto passieren konnte. Das Polizeiauto mit B. erreichte den Frankfurter Flughafen jedoch nicht. In letzter Minute konnte B.s Anwältin Claire Deery mit neuerlichem richterlichen Hinweis des Verwaltungsgerichts Kassel um 8.30 Uhr die Abschiebung stoppen. Nachdem endlich auch der Polizei klar wurde, dass der gesamte Einsatz rechtswidrig war, fehlte zum Schluss dennoch die menschliche Größe B. wenigstens zurück nach Hause zu bringen. Stattdessen wurde er von der Polizei in Eschwege abgesetzt und musste seine Rückreise nach Witzenhausen mit dem Zug antreten. Nach einer langen Nacht der Ungerechtigkeit war auch dieses letzte Stück Menschlichkeit zu viel verlangt. Wer die falschen Haken gesetzt hat, die zu diesem rechtswidrigem Verhalten der Behörden, Traumatisierung und Verletzungen führte, ist bisher unklar. Für Gabi Faulhaber, Mitglied des Hessischen Landtages, ist der Vorfall kein Zufall. B. hat bereits seit Januar 2017 eine besondere Bleiberechtszusicherung. Die Ausländerämter und das Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) sind mit ihrer Arbeit oft überfordert. Die Einarbeitung von neuen Mitarbeiter_innen reiche nicht aus, da die Gesetzgebung kompliziert sei. Es herrsche großer Zeitdruck. Aus diesen systematischen Gründen passieren solche Fehler, so Faulhaber gegenüber den Betroffenen. Mit diesen Vorwürfen und Zuständen konnte Gabi Faulhaber die hessische Landesregierung in der letzten aktuellen Stunde im Landtag nicht konfrontieren, da aus Zeitgründen kein Raum für das Diskussionsthema eingeräumt werden konnte. Für Medien koordiniert der selbstorganisierte AK Presse ab sofort alle Anfragen. Wir bitten um die Weiterleitung dieser Informationen an Kolleg_innen und von direkten Anfragen an B. abzusehen.
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