[TÜ] #LeaveNoOneBehind: Symbolische Grenzzäune, Redebeitrag und Reaktionen der Polizei

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Zum #LeaveNoOneBehind - Aktionstag gab es in Tübingen mehrere Aktionen. Auch wir haben mit symbolischen Grenzzäunen und einem Redebeitrag ein bischen dazu beigetragen. Jetzt ermittelt vermutlich der Staatsschutz. Außerdem versucht die Polizei die Aktionen bundesweit in verschiedensten Zeitungen zu delegitimieren.

 

Anlässlich des gestrigen Aktionstags #LeaveNoOneBehind, haben wir einen Redebeitrag mit Fokus auf die Situation flüchtender Menschen an den Außengrenzen Europas geschrieben, welcher auch als Video zur Verfügung steht:

stream.aboututopia.org/corona.html

Außerdem haben wir morgens eine kleine Aktion am Sternplatz durchgeführt. Wir haben symbolische Grenzzäune errichtet, an denen wir zerrissene Kleidung und Transparente mit Forderungen wie "Evacuate all camps" und "Open all borders" angebracht haben. Damit wollten wir auf die katastrophalen Zustände an Europas Außengrenzen und darüber hinaus auch generell auf die Situation aller Flüchtenden weltweit hinweisen.

Über den Tag hinweg erweckte diese Protestaktion viel Aufmerksamkeit bei Passant*innen.

Kurz nach Einbruch der Dunkelheit kamen zwei Polizist*innen in zivil, die die Installation kritisch beäugten. Kurz darauf erschienen weitere acht Beamt*innen zur Verstärkung, rissen unter dem Protest und Rufen von Anwohner*innen die Zäune ein und verfrachteten sie in ihre Autos. Dem Polizeibericht war zu entnehmen, dass die Kriminalpolizei wegen des "Verdachts der politisch motivierten Sachbeschädigung und des gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr“ ermittelt. Diese Aussage entzieht sich jedoch jeder rechtlichen Grundlage. Denn durch die symbolisch installierten Grenzzäune wurden zum einen keine Sachen beschädigt. Die Installation wurde lediglich mit Schnüren an Bäumen und Straßenlaternen befestigt, die dadurch keinen Schaden davon trugen. Zum anderen wurde die Installation so angebracht, dass weiterhin ein reibungsloser Ablauf des am Sternplatz üblicherweise vorhandenen Fußgänger*innen- und Fahrradverkehrs gewährleistet werden konnte. Zu keinem Zeitpunkt wurde durch die Installation beabsichtigt oder in Kauf genommen, dass Menschen zu Schaden kommen oder die Sicherheit des Straßenverkehrs beeinträchtigt wird. Auch aus eben diesen Gründen wurde die Installation mit Absperrband versehen. (Siehe Twitter-Video @about_utopia 05.04.2020, 21:34 https://twitter.com/about_utopia/status/1246884051706839042)

Auch wenn uns das Verhalten der Polizei nicht wundert, so offenbart es doch wieder einmal die politische Motivation der Polizei und ist aufs Schärfste zu kritisieren. Auch in anderen Städten ging die Polizei, teilweise unter dem Deckmantel des Infektionsschutzes, mit gewohnter Härte gegen legitimen Protest vor, obwohl die Aktivist*innen die Abstandsregeln zu jedem Zeitpunkt beachteten. Es scheint als hätte die Polizei endlich einen Grund gefunden, um das Recht auf Versammlungsfreiheit eigenmächtig außer Kraft zu setzen. Darüber hinaus wird durch die Kriminalisierung ergänzender Protestformen, wie beispielsweise dieser kreativen Installation, jegliche Möglichkeit des Widerspruchs und der gesellschaftlichen Kritik beseitigt.

Zur Berichterstattung der Polizei haben wir eine Pressemitteilung verfasst, die ihr hier findet: https://aboututopia.org/2020/04/07/pm-leavenoonebehind-polizeiliches-vor...

Infos zu weiteren Aktionen in Tübingen findet ihr unter anderem hier:

https://www.blochuni.org/referate/antifa/leave-no-one-behind/

https://de.indymedia.org/node/75756

https://de.indymedia.org/node/75792

 

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Ergänzungen

Wegen Verdachts der politisch motivierten Sachbeschädigung und des gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr ermittelt die Kriminalpolizeidirektion Esslingen gegen unbekannte Täter, die am Sonntagabend in Tübingen zugange waren.

Gegen 20 Uhr stellten Mitarbeiter des kommunalen Ordnungsdienstes auf dem Marktplatz umfangreiche Farbschmierereien fest. Unbekannte hatten offensichtlich mit ihren mit blauer Farbe beschmierten Schuhen, unzählige Abdrücke auf dem historischen Granitpflaster hinterlassen. Die Spuren führten auch über die Buntsandsteintreppe des Rathauses, deren Stufen sich mit der Farbe vollsaugten. Die Höhe des mutmaßlich nicht unerheblichen Sachschadens kann noch nicht beziffert werden. Auf mehreren am Rathaus angebrachten Plakaten und Transparenten fanden sich politische Parolen, die unter anderem die Grenzöffnung für Flüchtlinge forderten. Rund um den Sternplatz stellten die Einsatzkräfte weitere Transparente mit gleichen Parolen fest. Darüber hinaus hatten Unbekannte an zwei Seiten des Sternplatzes an den Durchfahrtsmöglichkeiten für Radfahrer mit Kleidungsstücken bestückte Barrieren aus Maschendrahtzaun und Stacheldraht errichtet. Die Barrieren wurden von der Polizei entfernt. Vom Grundstück eines Gebäudes in der Ludwigstraße aus, an dem ebenfalls entsprechende Transparente angebracht waren und wo sich mehrere Personen aufhielten, wurde dies teils mittels eines Megaphons missbilligend kommentiert. Weitere Farbschmierereien wurden am Montagmorgen im Bereich der Karlstraße/Mühlstraße auf dem Asphalt festgestellt. Die Kriminalpolizei bittet unter Tel. XXX um Zeugenhinweise. (ak)