[LE] Re:organisiert die Antifaschistische Aktion [Auswertung]

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Unserem Aufruf „Re:organisiert die Antifaschistische Aktion“ folgten am 25. Mai 2025 ca. 80 Genoss:innen. Bei anfänglichem Regen trafen wir uns um 16:00 Uhr am Felsenkeller in Leipzig und begannen unsere Kundgebung mit einem historischen Beitrag zur Entstehung der Antifaschistischen Aktion. Denn anlässlich der Saalschlacht von Potsdam am 25. Mai 1932 kam es zur Ausrufung der Antifaschistischen Aktion. Auslöser war ein faschistischer Angriff auf sozialdemokratische und kommunistische Abgeordnete des Preußischen Landtags.

Im Anschluss verlas das Ladenschlussbündnis einen Redebeitrag über das Programm des Felsenkellers und die dort laufenden Grauzone-Konzerte unter dem Titel „Saalschlacht Reloaded“. Im Anschluss folgte ein Beitrag der translib, der sich sich mit dem Wandel des Faschismus und Formen antifaschistischer Organisierung auseinandersetzte.

 

Bevor wir mit unserem letzten Redebeitrag „Was bedeutet Antifa heute?“ die Kundgebung beendeten, hat die feministische Singegruppe, begleitet durch ein Akkordeon, das Moorsoldatenlied gesungen. Der zweistimmige Chor unterstrich dabei, das Hin- und Hergeworfensein zwischen Resignation und der Bereitschaft weiterzumachen, welches einige Beiträge inhaltlich thematisierten.

 

Hiermit veröffentlichen wir die Redebeiträge zum Nachlesen.

 

alea • antifaschistisch & autonom

Leipzig, Mai 2025

alea-le.org

 

 


 

 

 

Re:organisiert die Antifaschistische Aktion

 

 


 

 

Zur Geschichte der Antifaschistischen Aktion (alea)

Der Erste Weltkrieg war das Ende für die deutsche Monarchie. Nachdem klar war, dass der Krieg verloren war, empfahl die Oberste Heeresleitung am 29. September 1918 dem Kaiser, die Alliierten um einen Waffenstillstand zu ersuchen und die Regierung gemäß einer Forderung von US-Präsident Wilson auf eine parlamentarische Basis zu stellen. Der Kaiser ernannte Max von Baden zum Reichskanzler und am Folgetag bot die neue Regierung den Alliierten den Waffenstillstand an. Am 28. Oktober folgten dann Verfassungsreformen. Bereits in der darauffolgenden Nacht begann mit einer Meuterei von Matrosen in Wilhelmshaven die Novemberrevolution. Sie weitete sich innerhalb weniger Tage auf das ganze Reich aus und überall wurden Arbeiter- und Soldatenräte gebildet. Am 9. November verkündete Max von Baden die Abdankung des Kaisers und übertrug die Reichskanzlerschaft auf Friedrich Ebert von der SPD.

Bereits seit 1914 gab es Differenzen in der Haltung zum Krieg, die 1917 zur Abspaltung der USPD von der SPD führten. Aber jetzt verschärfte sich der Kampf innerhalb der Linken. Ebert und die gemäßigten Teile der SPD sahen in den Verfassungsreformen ihre wesentlichen Ziele bereits erreicht. Ihnen war die bolschewistische Revolution ein abschreckendes Beispiel. Sie lehnten die Diktatur des Proletariats ab und fürchteten, Deutschland könne wie Russland in einem Bürgerkrieg versinken. Sie versuchten daher, die Revolution zu bremsen und die parlamentarische Demokratie zu sichern. Demgegenüber strebten die revolutionären Teile die Räteherrschaft an. Ab 16. Dezember trat in Berlin der „Erste Allgemeine Kongress der Arbeiter- und Soldatenräte" zusammen und beschloss Wahlen zu einer verfassungsgebenden Nationalversammlung. Diese fanden am 19. Januar 1919 statt und die SPD ging als Siegerin hervor. Im Februar trat die Nationalversammlung in Weimar zusammen, wählte Ebert zum Reichspräsidenten und es wurde eine SPD-geführte Regierung gebildet. Die neue Verfassung wurde schließlich im August mit den Stimmen der Regierungsparteien verabschiedet.

Erstmals war es zum Einsatz von Reichswehr und Freikorps gegen revolutionäre Soldaten während der Weihnachtskämpfe 1918 gekommen. In der Folge gründete der linke Flügel der USPD zusammen mit anderen linkssozialistischen Gruppen am 1. Januar 1919 die KPD. Ein paar Tage später wurde der Polizeipräsident von Berlin entlassen. Er hatte sich während der Weihnachtskämpfe geweigert, gegen Revolutionär:innen vorzugehen. Es kam zu Massenprotesten, die von Reichswehr und Freikorps niedergeschlagen wurden. Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg wurden von Freikorps verhaftet und ermordet. In der Zeit von 1919 bis 1921 folgten weitere Einsätze von Reichswehr und Freikorps gegen Räte, darunter die Niederschlagung der Bremer Räterepublik, der Münchner Räterepublik, des Ruhraufstandes und des Mitteldeutschen Aufstandes.

Am 2. März 1919 wurde auf Betreiben Lenins die Kommunistische Internationale – kurz KomIntern – gegründet. Diese verfolgte zunächst die Idee der Weltrevolution und förderte daher die Rätebewegung, die im Widerspruch zur SPD-Führung stand. Dies änderte sich nach dem Scheitern des Mitteldeutschen Aufstandes im März 1921 und die KomIntern sah zunächst von weiteren Aufständen ab. Man beschloss die Einheitsfrontpolitik. Dabei ging es um die Zusammenarbeit der KPD mit Arbeiter:innen anderer Parteien. Die Kooperation mit diesen Organisationen selbst lehnte man dagegen ab.

Im Januar 1923 kam es dann zur Ruhrbesetzung durch französische und belgische Truppen, was zu einer politischen und wirtschaftlichen Krise führte. Die KomIntern sah die Möglichkeit zum Aufstand wieder gekommen und plante diesen für den Herbst in den KPD-Hochburgen Sachsen und Thüringen. Die Reichsregierung erfuhr jedoch von den Plänen und ließ die Reichswehr in beiden Freistaaten einmarschieren. Nur in Hamburg kam es ab 23. Oktober zu einem Aufstand, der aber schnell niedergeschlagen wurde. Nach der Niederlage setzte man in der KomIntern auf eine verstärkte Einheitsfrontpolitik. In der Sozialdemokratie sah man nun „nichts anderes als eine Fraktion des deutschen Faschismus unter sozialistischer Maske“. Mit dieser als Sozialfaschismusthese bezeichneten Haltung und der Einheitsfrontpolitik wurde die SPD politisch zum Hauptgegner der KPD. Allerdings ist diese Gegnerschaft nicht nur die Folge politischer Überlegungen. Sie beruhte auch auf den konkreten Erfahrungen vieler Kommunist:innen während der Revolutionskämpfe in den Jahren 1918 bis 1921, gegen die die SPD Reichswehr, Freikorps und Polizei mit Gewalt vorgehen ließ.

Mit Beginn der Weltwirtschaftskrise 1929 begann der Aufstieg der NSDAP. Obwohl die Partei die KPD bei Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen hinter sich ließ, blieb die SPD für die KPD der Hauptfeind. Die Landtagswahl im seit der Revolution fast durchgehend von der SPD regierten Preußen gewann 1932 die NSDAP. Bei der Sitzung des Landtages am 25. Mai brachte die NSDAP am Ende der Sitzung noch einen Antrag zur Geschäftsordnung ein. Es ging dabei aber darum, das Parlament als Bühne zu nutzen, um die preußische Justiz zu diskreditieren. Denn gegen SA-Männer, die zwei Monate zuvor während Straßenschlachten drei Kommunisten erschossen hatten, wurden von der Staatsanwaltschaft hohe Haftstrafen gefordert. Als dann der KPD-Abgeordnete Pieck das Wort ergriff, rief er der Fraktion der NSDAP zu: 

"Erst mit dem Auftreten Ihrer Partei im politischen Leben ist der Massenmord gegen revolutionäre Arbeiter eingeführt worden. In Ihren Reihen sitzen eine ungeheure Zahl von Mördern."

Daraufhin brach eine Schlägerei zwischen NSDAP- und KPD-Fraktion aus, die die zahlenmäßig überlegenen Nazis für sich entscheiden konnten. Noch am selben Tag trat das ZK der KPD zusammen und titelte am nächsten Tag in der Parteizeitung Rote Fahne: 

"Feiger Überfall der Nazis im Landtag auf Kommunisten. Antifaschistische Aktion! Aufruf des Zentralkomitees der KPD an die deutsche Arbeiterklasse!"

Die Ausrufung der Antifaschistischen Aktion passte zu den Erfahrungen an der Basis, wo Nazis seit Jahren extrem gewalttätig gegen KPD und SPD gleichermaßen vorgingen. Das führte jedoch zu keiner taktischen Neuausrichtung, man hielt weiter an der Einheitsfrontpolitik fest.

Mit der Machtübergabe am 30. Januar 1933 begannen die Nationalsozialisten mit der Unterdrückung linker Strukturen. Bis zur Mitte des Jahres waren KPD, freie Gewerkschaften und SPD zerschlagen. Erst 1935 gab die KomIntern ihre auf Einheitsfront und Sozialfaschismusthese beruhende Politik auf. Umgeschwenkt wurde auf eine Volksfrontpolitik, die die Kooperationen mit sozialdemokratischen und antifaschistischen bürgerlichen Parteien erlaubte. Aber unter den Bedingungen der Illegalität konnte diese Politik in Deutschland keine nennenswerte Wirkung mehr entfalten.

Mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges setzte unmittelbar die Neuausrichtung der geopolitischen Verhältnisse ein. Der Kalte Krieg begann. Während seiner Zuspitzung zu Beginn der 1960er-Jahre kam es dann zur Vereinigung im rechtsradikalen Spektrum durch Gründung der NPD. Ab Anfang der 1970er-Jahre leitete die neue Ostpolitik Willy Brandts eine heftige Debatte über die Ost-West-Beziehungen ein. Die NPD nahm dies zum Anlass, die Aktion Widerstand, eine Sammlungsbewegung verschiedener rechtsradikaler Gruppen, ins Leben zu rufen. Da fast alle Versammlungen dieser Gruppe von Gewalt begleitet waren, kam es bald zu Konflikten innerhalb der radikalen Rechten, die in der Folge zu ihrer Aufsplitterung führten.

Antifaschismus, im Sinne von direkter Arbeit gegen neofaschistische Strukturen, war kein selbstständiges Thema in der Linken der Bundesrepublik. Dies änderte sich 1974. Der Kommunistische Bund gründete eine zentrale Antifa-Kommission. Ziel war es, breite Bündnisse und medienwirksame Aktionen zur Bekämpfung „von Nazibanden" zu initiieren. Zu diesem Zweck wurden umfangreiche Recherchetätigkeiten aufgenommen. Die Kommission richtete sich an alle, die mitmachen wollten. Auf den Publikationen des Kommunistischen Bundes wurde nun auch das Emblem der „Antifaschistischen Aktion" von 1932 wiederverwendet.

Der Anfang der überregionalen Antifa-Organisierung lässt sich auf den 21. Oktober 1981 datieren. An diesem Tag initiierte der Kommunistische Bund ein Treffen von Antifa-Gruppen in Hannover, das anschließend unregelmäßig alle paar Monate wiederholt wurde. Die Koordination nannte sich fortan kurz Norddeutsches. Von diesem Kreis ging auch die Neugestaltung des Antifa-Emblems aus.

Zum Gründungsmythos der Autonomen Antifa wurden die Aktionen gegen den Bundesparteitag der NPD am 1. und 2. Oktober 1983 in Fallingbostel. Die Bewegung wurde bekannt, neue Gruppen gründeten sich und es bildete sich ein NRW-Treffen, das mit dem Norddeutschen in Austausch stand. Eine weitere Gründungswelle von Gruppen entwickelte sich nach dem Tod von Günter Sare. Er wurde während Gegenaktionen zu einem NPD-Treffen am 28. September 1985 in Frankfurt am Main von einem Wasserwerfer überfahren. Dies führte in den folgenden Tagen zu bundesweiten militanten Aktionen und autonomer Antifaschismus wurde zum Thema in den Medien. In der Folge entstand auch das Süddeutsche. Zwischen allen drei Treffen gab es Austausch und damit bestand eine bundesweite antifaschistische Koordination.

Die Antifa-Arbeit fand halb im Untergrund statt. Demonstrationen dienten ausschließlich der Verhinderung von Nazi-Veranstaltungen und den Mobilisierungen folgten in der Regel nur einige Hundert Menschen. Gefragt waren Vollzeitaktivist:innen und der Hauptadressat blieb die autonome und antiimperialistische Bewegung. Bereits Ende 1986 ebbte die Welle wieder ab und Ende der 1980er Jahre zerfielen die zentralen Strukturen. In Göttingen verfolgte man derweil eine neue Strategie. Hier setzte man auf ein antifaschistisches Bündnis, in dem von Autonomen bis hin zu den Gewerkschaften verschiedene Gruppen und Parteien zusammenarbeiteten.

Als Ende 1989 der Ostblock zusammenbrach und die DDR aufgelöst wurde, kam es zu einem Aufschwung des Rechtsradikalismus. Gleichzeitig entstand eine neue Hausbesetzer:innen-Bewegung, die sich mit den extrem gewalttätig agierenden Neonazis konfrontiert sah. In dieser Situation entstanden viele neue Antifa-Gruppen und Antifaschismus wurde zum vorrangigen Thema in der Linken. Am 25. Juli 1992 wurde dann in Wuppertal die Antifaschistische Aktion/Bundesweite Organisation (AA/BO) gegründet. Im Gegensatz zur alten Koordination sollte es um eine auf Breitenwirkung ausgerichtete revolutionäre Politik gehen. Beitreten konnten nur aktive Gruppen, von denen ein hohes Maß an verbindlicher Beteiligung verlangt wurde. Die straffe Organisation und die antiimperialistische Ausrichtung der AA/BO stießen bei Antifas im Osten weitgehend auf Ablehnung. Sie hatten die DDR gerade hinter sich und für sie war Antinaziarbeit keine strategische Entscheidung, sondern unmittelbare Notwendigkeit. Nachdem mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion linke Gruppen nicht mehr im selben Umfang als ernsthafte Bedrohung betrachtet wurden und sich das Chaos der Nachwendezeit ab Mitte der 1990er-Jahre zu beruhigen begann, setzte auch ein Vorgehen des Staates gegen rechtsradikale Strukturen ein. Dies umfasste nicht nur Repression, sondern es begann auch ein staatlich finanzierter Antifaschismus. Dieses Vorgehen schränkte die Neonazis in ihren Betätigungsmöglichkeiten ein und in weiten Kreisen der Bevölkerung nahm die Betroffenheit ab. Gleichzeitig wurde die Hausbesetzer:innen-Bewegung befriedet. In der Folge lösten sich viele Antifa-Gruppen, im April 2001 auch die AA/BO, wieder auf. Die AA/BO konnte die Öffentlichkeit nie wirklich erreichen. Sie blieb im Wesentlichen von Interesse für die Szene und die Behörden.

In den 2000er-Jahren war mit dem Aufkommen der Antiglobalisierungsbewegung Antifa-Politk nicht mehr das hegemoniale Thema in der Linken. Antifa-Arbeit wandte sich in dieser Zeit in weiten Teilen Mobilisierungen und Aktionen gegen neonazistische 1.-Mai-Kundgebungen, Trauermärsche, Heldengedenken und ähnliche Veranstaltungen zu, die wesentlich von NPD, die Rechte, III. Weg oder Freien Kräften ausgingen. Dabei suchten die Antifas häufig das Bündnis mit bürgerlichen Kräften. Wo dies an Differenzen über die Wahl der Mittel scheiterte, organisierte man sich unabhängig. Ab Mitte der 2010er-Jahre verlagerte sich der Fokus dann noch einmal mit dem relativen Bedeutungsverlust der alten Parteistrukturen und der Freien Kräfte zugunsten von Bewegungen wie PEGIDA und der Partei Alternative für Deutschland.

 


 

Saalschlacht reloaded? (Ladenschlussbündnis
 
Wir stehen heute vor dem Felsenkeller, ein Gebäude mit Geschichte, wie viele sagen.
Ein Teil dieser Geschichte spielte sich auch in der Leipziger Arbeiter*innenbewegung ab. Ein Umstand mit dem der Ort heute nur zu gern nach außen tritt, denn auf der Seite des Felsenkellers steht unter anderem folgendes:
 
"Der große Festsaal diente darüber hinaus über viele Jahre der Leipziger Arbeiterbewegung als Versammlungslokal. Hier sprachen beispielsweise am 12. Februar 1905 Karl Liebknecht zur russischen Revolution, am 14. Mai 1920 Clara Zetkin zu den Aufgaben der KPD bei den bevorstehenden Landtagswahlen und der KPD-Vorsitzende Ernst Thälmann auf Wahlkundgebungen am 25. Oktober 1926 und am 19. Juni 1930 zu den sächsischen Landtagswahlen. Besondere Wirkung entfaltete Rosa Luxemburg – die bereits am 1. Dezember 1911 hier aufgetreten war – am 27. Mai 1913 mit ihrer berühmte Rede „Die weltpolitische Lage“, in der sie feststellte: „Solange das Kapital herrscht, werden Rüstungen und Krieg nicht aufhören.“ Bei der Befreiung Leipzigs vom Faschismus am 18. April 1945 durch US-Truppen wurde vor dem Felsenkeller ein amerikanischer Panzer zerstört." Zitat Ende
 
Die Phase zwischen 1933 und 1945 und dass während des Zweiten Weltkriegs Zwangsarbeiter*innen in dem Gebäude untergebracht waren, wird wie in jeder guten deutschen Familien-, Firmen- und Organisations-Geschichte ausgespart. Soweit so normal.
 
Hingegen hat Rosa eine eigene Bibliothek im Felsenkeller bekommen, was ja auch nichts schlechtes ist. Es zeigt jedoch, dass man vor allem als historisch linker Ort wahrgenommen werden möchte. Man bemüht sich um das Image eines alternativen Veranstaltungsortes im Leipziger Westen.
 
Wie weit jedoch dieses Möchtegern-Image und Wirklichkeit auseinander liegen, zeigt ein Blick auf den diesjährigen Veranstaltungskalender:
    
Januar 2025: Konzert mit der Neofolk-Band "Death in Rome", die sich als "unpolitisch" erklärt, aber auf deren Cover für den Song "Barbie Girl" der Nazi Klaus Barbie prangt. Der Bandname ist eine direkte Anspielung auf die einschlägig bekannte Band "Death in June". Während 2023 Konzerte von "Death in Rome" in Berlin und im Leipziger Bandhaus abgesagt wurden, findet es im Felsenkeller statt. Auch dieses Jahr beim WGT soll "Death in Rome" auftreten.
 
Im Februar 2025 gibt es ein Konzert mit dem "Elektro-Performance-Kollektiv" HGich.T aus Hamburg. Nach einer schweren sexuellen Gewalttat 2019 im Conne Island von einem Kollektivmitglied ist es das erste Konzert wieder in Leipzig. Für den Felsenkeller scheint der Übergriff, das Gerichtsverfahren und die mangelnden Auseinandersetzung des Kollektivs nicht von Belang
 
März 2025: Veranstaltung mit dem extrem rechten "Intellektuellen" und Hetzer Ulf Poschardt im Rahmen der Buchmesse zu seinem Buch "Shitbürgertum".
 
April 2025: Beim "Oi! The Blast"-Festival spielen Trabireiter, jene Nachfolgeband von „Brutale Haie“ aus Erfurt, eine der ersten ostdeutschen Fascho-Bands, die sich noch 1988 in der DDR gründete. Trotz deutlicher musikalischer Schwächen erlangte die Band auf Grund ihres DDR-Hintergrundes einen gewissen Kultstatus in der Bundesdeutschen Neonaziszene. Dass die Band „Brutale Haie“ bis zur Auflösung im Jahre 1998 personell deckungsgleich mit der Band „Trabireiter“ war, die sich 1994 in Erfurt gründete, spielt bis heute bei Veranstalter*innen, wie im Felsenkeller, keine Rolle. Bereits 2009 berichtete Chronik.le von einem Konzert:
    
"Bei einem privat organisierten Rockkonzert in Colditz trat neben der lokalen Metalband "Triekonos" die Oi-Band "Trabireiter" auf. Unter den rund 200 Besucher*innen war nach Augenzeug*innen ein "in dieser Dimension noch nicht erlebt[er]" Teil von neonazistisch eingestellten Personen. Neben der vor allem von Neonazis getragenen Modemarke "Thor Steinar" fanden sich T-Shirts des Nazi-Versands und Musik-Labels "Frontrecords" aus Wurzen, "Hatecore is more than Music", "Werewolf" oder "Hammerskin Nation today, tommorow, forever"."
 
Mai 2025: Konzert mit Goitzsche Front. Zu dieser Band gibt es ein eigenes Buch aus Leipzig mit dem Titel: "Tief in der Grauzone. Der Fall Goitzsche Front und das Identitätsangebot »Ossi«"
Darin steht:
"Für Goitzsche Front wird »Identitätsrock« als die passende Zuschreibung genutzt. Anhand diverser Kategorien wie »Heimatbezug«, Feindbilder, Identität als Ostdeutsche, Ungleichheitsideologie und Männerwelten wird herausgearbeitet, dass die Band keinesfalls »unpolitisch« ist, wie sie es so gern versucht zu propagieren."
 
November 2025: In eine ganz ähnlich Kerbe nur andere Musikrichtung schlägt der Musiker Schillah. Auch er verkauft sich als unpolitisch. Doch mit Songs wie "Es Eskaliert" oder Zeilen wie "Nichts wallah wallah" wendet er sich vor allem an ein jüngeres ostdeutsches und rechtes Publikum. Hierzu äußert er sich in seinen Texten immer wieder chauvinistisch, sexistisch und ableistisch. Nachdem Schillah nach antifaschistischer Kritik sein Konzert Ende April im Felsenkeller abgesagt hat und sich in der Opferrolle suhlt, soll das Konzert nun im November nachgeholt werden.
 
Wir ihr seht fällt der Felsenkeller in diesem Jahr mit einer Vielzahl an widerlichen Veranstaltungen auf, die auch bereits Anwohner*innen und Antifaschist*innen dazu veranlasst haben sich an den Laden zu wenden. In Zeiten in denen klassische Rechtsrockkonzerte seltener werden, sind es vor allem Grauzonen-Veranstaltungen, die für die extreme Rechte Gemeinschaft und Selbstvergewisserung bieten. Das ist auch nicht verwunderlich, werden in den Texten doch die selben rechten Sehnsüchte bedient, nur weniger explizit als im klassischen Rechtsrock.
 
Es stellt sich die Frage: ist der Felsenkeller ein rechtsoffener Laden oder geht es nur darum möglichst Geld zu verdienen, völlig egal wer auftritt und welches Publikum kommt? Das müssen die Betreiber*innen beantworten. Damit sie sich jedoch genötigt fühlen auf Kritik zu reagieren, braucht es Protest. Antifaschist*innen sollten daher die Augen offenen halten und intervenieren. Allerspätestens im Januar 2026, wenn der nächste rechte Neofolk-Abend stattfindet und wieder einmal faschistische Ästhetik und nationalistische Inhalte bedient werden. Angekündigt sind unter anderem Darkwood aus Dresden, mit denen wir uns bereits mehrfach auseinandergesetzt haben. Falls ihr aus der Nachbar*innenschaft oder darüberhinaus dagegen aktiv werden wollt, wendet euch gerne an das Ladenschlussbündnis. Rechte Raumnahme schreitet dort voran, wo sie nicht auf Widerstand trifft. Dies betrifft offensichtlich auch solche Orte wie den Felsenkeller.


 

 

Wandel des Faschismus und Form antifaschistischer Organisierung (translib)

Wir haben uns heute hier versammelt aus Anlass des Jahrestages eines Angriffs von Faschisten.
Faschistische Gewalt – Zerstörung und Mord – gab es vorher. Es gab sie nachher. Und es gibt sie heute. Jedem einzelnen Akt faschistischer Gewalt müsste gedacht werden. Jeder dieser Akte fordert es. Denn diese Taten mahnen uns, dass die Verhältnisse der Menschen immer noch keine menschlichen Verhältnisse sind. – Was diesen Angriff von anderen unterscheidet, ist die politische Reaktion, die er hervorrief. Vorher prägten Diffamierung, Spott und Kritik das Verhältnis von Kommunisten und Sozialdemokraten. Bis dahin, dass man im Gegenüber den politischen Feind ausmachte – und nicht in den zahlreicher werdenden faschistischen Horden und der immer stärker werdenden NSDAP. Doch nach dem Angriff deutscher Faschisten auf Parlamentarier der KPD und der SPD am 25. Mai 1932 gründete die KPD die Antifaschistische Aktion. Es war an der Zeit, sich gemeinsam gegen den deutschen Faschismus zu wehren und Widerstand gegen ihn zu leisten, anstatt sich weiter gegenseitig zu bekämpfen. Dieser Impuls einer gemeinsamen Antifaschistischen Aktion war nicht ausreichend, wie wir wissen. Trotzdem enthält er einen wahren Kern: Den Faschismus besiegen wir nicht getrennt, sondern nur gemeinsam.
 
Der Faschismus in seinen verschiedenen Formen ist das Produkt gesellschaftlicher Verhältnisse. Er wandelt sich ebenso wie die gesellschaftliche Formation, der er entspringt. Die gegenwärtigen faschistischen Tendenzen haben deshalb einen anderen Charakter als die von 1932. Ein besonderer Wandel der letzten Jahre besteht darin, dass die Autoritären auf den Straßen und im Parlament Freiheit als Schlagwort für sich entdeckt haben.
Teile des historischen Faschismus haben sich immer auch als Befreiungsbewegung verstanden. Die »Befreiung des deutschen Volkes« oder die »Befreiung von der jüdischen Weltherrschaft« waren etwa zentral für den Nationalsozialismus. Aber der moderne Begriff bürgerlicher Freiheit war Teil der Feindbestimmung. Die Französische Revolution wurde zum Sündenfall der Moderne erklärt. Der politische Liberalismus, dem die bürgerliche Freiheit als Leitgedanke diente, und die sozialistische Tradition, welche die politische Freiheit um die soziale Gleichheit ergänzte, konnten so auf derselben Grundlage als moderne Entartung geschmäht werden. Den ideologischen Traditionalismus und die Kritik moderner Rechtsstaatlichkeit hatten die deutschen Faschisten in den 1920er Jahren nicht zuletzt mit den Konservativen ebenso gemein wie die Heroisierung der Männlichkeit und die Glorifizierung des Krieges. Deutlich wird das auch in der geteilten Tugendlehre: Disziplin, Gehorsam und Loyalität.
Der historische Hintergrund dieser Gemeinsamkeit bilden nicht zuletzt das deutsche Kaiserreich und der erste Weltkrieg. Diese historische Erfahrung ist die Grundlage faschistischer Subjektivität, die sich wesentlich durch soldatische Disziplin, hierarchischen Untertanenstolz und autoritäre Härte auszeichnete.
Diese autoritäre Formierung steht allerdings in schrillem Kontrast dazu, dass Freiheit heute Kampfbegriff der Rechten ist. Nicht erst seit der Pandemie sind die Forderungen nach Freiheit bei Demonstrationen und Kundgebungen immer lauter zu hören. Sogar die bürgerliche Maxime der Aufklärung, sich des eigenen Verstandes zu bedienen, taugt als Referenz. Diese faschistoiden Haufen verstehen sich eher als Rebellen, die sich gegen den Staat auflehnen, denn als gefügige Untertanen, die bruchlos in ihm aufgehen.
Zweifellos macht das gegenwärtig nur einen Teil der faschistischen Kräfte aus. Den altbekannten völkischen Faschismus mit seinen disziplinierten Braunhemden gibt es ebenso noch wie jugendliche Neonazi-Banden, die Asylunterkünfte und Jugendzentren terrorisieren.

Auch hier wird eine »Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen« im Faschismus offenbar. Denn dass der Faschismus heute die Freiheit des Einzelnen fordert und sich als die einzige politische Kraft für deren Verteidigung geriert, ist ebenso zynisch wie es widersprüchlich scheint. Freie Autoritäre – das scheint schlicht irrational. Ohne Zweifel ist es das letztlich auch, doch der Faschismus hat auch historisch immer wieder Widersprüche ausgehalten: er war ebenso konservativ traditionsbewahrend wie futuristisch zukunftsorientiert und ebenso naturverbunden wie technikaffin. All diesen Widersprüchen lag letztlich immer etwas zugrunde, das es erlaubte, sie als ideologische Versatzstücke zu integrieren. So auch bei dem von Freiheit und Autorität.
Denn welche Freiheit beschwört man denn? Eine Freiheit, die bedeutet, ungestört tun und lassen zu können, was man will, weil man es selbst am besten weiß. Eine Freiheit, die sich in Eigentum manifestiert, das es vor staatlichen Eingriffen zu schützen gilt. Eine Freiheit, die sich lauthals Geltung verschafft und sich dabei keinerlei Vorschriften darüber machen lässt, was gesagt wird und wie es gesagt wird.
Dass Freiheit faschistisch werden konnte, scheint zwar ein Widerspruch. Es ist aber lediglich ein Ausdruck der gegenwärtigen gesellschaftlichen Formation. Denn die Freiheit der Autoritären und Faschisten entspringt der bürgerlichen Freiheit. Es ist die ökonomische Freiheit des liberalen Bürgers, der die absolute Verfügungsgewalt über sein Eigentum hat. Es ist die Freiheit des unabhängigen Gesellschaftsatoms, das mit anderen nur insofern zu tun hat, als sie etwas haben oder es etwas von ihnen will. Es ist die unsoziale Freiheit, die den eigenen Vorteil auf Kosten aller anderen will. Es ist die Freiheit der Willkür, die vom Staat solange nichts wissen will, wie er gegen sie ist.
Doch insgeheim wäre sie nur allzu bereit sich mit dem Staat gleichzumachen, wenn er nur dasselbe wollte. Denn diese Form libertärer Freiheitsliebe wartet nur darauf, sich der richtigen Autorität unterzuordnen. Dann schlägt die Lust an der Rebellion um in die an der kollektiven Unterordnung unter die Autorität, in die man doch nur die eigene Herrschlust projiziert. Denn die Lust an der libertären Rebellion speist sich aus der Imagination absoluter Verfügung, die sie im totalitären Staat verwirklicht findet. Sie ist die Vorfreude des Stammtisches darauf, dass doch endlich einmal alles so gemacht wird, wie man es schon immer gesagt hat. Die wahnhafte Allmachtsphantasie, die sich faschistische Bahn schlägt, entspringt der absoluten Verfügungsgewalt des liberalen Eigentümers.
Dass diese faschistische Freiheit Ausdruck der liberalen Bürgerlichkeit der Ökonomie ist, erklärt, weshalb es sie heute so attraktiv macht. Denn unsere historische Erfahrung ist nicht soldatische Härte, preußische Disziplin oder kollektive Unterordnung. Es ist eher die einer gesellschaftlichen Atomisierung, des Staatsrückbaus und der Eigenverantwortung. Nach Jahrzehnten der Zertrümmerung sozialer Strukturen kann es nicht verwundern, dass der Faschismus heute zunächst als individuelle Rebellion auftritt. Ungehindert wird er diese Maske allerdings schnell fallenlassen und sich offen zu erkennen geben.
 
Auch wenn der Faschismus heute ein anderer ist als 1932, es bleibt die Notwendigkeit, gemeinsam gegen ihn Widerstand zu leisten. Der Zweck der Antifaschistischen Aktion war vor allem das: Die Organisation eines praktischen Antifaschismus. Um der faschistischen Gewalt etwas entgegenzusetzen, sollten überall Selbstschutzeinheiten gebildet werden. Doch auch wenn Antifaschismus gegen die faschistische Gewalt gerichtet ist, besteht er nicht in roher Gegengewalt. Zweifellos bedarf es der Verteidigung vor faschistischer Gewalt. Doch das allein reicht nicht aus. Denn es ist das Ganze dieser Gesellschaft, welche das faschistische Potenzial in sich birgt. Deshalb bedarf es für das theoretische Begreifen wie die praktische Kritik des Faschismus eine Perspektive auf die gesellschaftliche Totalität.
Einzelne Akte gegen faschistische Gewalt sind deshalb bestenfalls Symptombekämpfung. Schlimmstenfalls verwechseln sie das Individuelle mit dem Gesellschaftlichen und glauben der Kampf gegen den Faschismus sei auf den Kampf gegen Faschisten reduzierbar. Er ist es nicht. Wenn Faschismus ein gesellschaftliches Phänomen ist, braucht es gesellschaftliche Veränderung. Wenn er ein Phänomen ist, dass den gesellschaftlichen Grundprinzipien entspringt, braucht es eine grundsätzliche Veränderung. Denn nur dann kann der Kampf gegen den Faschismus erfolgreich sein. Konsequenter Antifaschismus ist ohne Perspektive auf eine grundsätzliche Veränderung dieser Gesellschaft nicht möglich.

Eine solche Veränderung kann nur eine gesellschaftliche Kraft leisten. Der Antifaschismus muss also eine solche gesellschaftliche Kraft werden. Denn momentan ist er es nicht. Antifaschistisch für eine gesellschaftliche Veränderung einzustehen, bedeutet dann Menschen zu überzeugen, selbst gegen den Faschismus einzutreten. »Her zu uns!« ist keine Floskel. Es ist kein agitatorisches Ornament der Antifaschistischen Aktion. Es ist vielmehr wesentlich für den Antifaschismus.
Aber die bloße Menge macht keine gesellschaftliche Kraft aus. Dafür ist Organisierung notwendig. Ohne eine Form der Organisation können sich die individuellen Kräfte weder bündeln noch koordinieren.
Doch es wäre irreführend Organisation lediglich als ein Bündeln bereits vorhandener Kräfte zu verstehen. Denn die Organisation bildet diese Kräfte überhaupt erst. Ganz konkret, indem es Aufklärungs- und Bildungsarbeit benötigt, um Menschen zu überzeugen. Eine Arbeit, die genauso organisiert werden muss wie der aktive Selbstschutz.
Doch es ist nicht nur der Schutz vor Faschisten, sondern der vor dem Faschismus. Denn die gesellschaftlichen Dynamiken, denen der Faschismus entspringt, müssen nicht nur theoretisch aufgeklärt werden, um daraufhin antifaschistische Erinnerungs- und Bildungsarbeit zu leisten. Der praktischen Wirkung der ihm zugrundeliegenden gesellschaftlichen Dynamiken muss auch individuell immer wieder Einhalt geboten werden. Denn die gesellschaftlichen Gründe faschistischer Tendenzen zu erkennen, feit uns nicht vor ihrer Wirkung. Auch wir sind Teil dieser gesellschaftlichen Formation. Die gesellschaftliche Atomisierung macht auch vor denen nicht halt, die sie kritisieren. Auch sie sind der bürgerlichen Kälte nicht nur ausgesetzt. Sie sind auch Teil von ihr. Vereinzeln wir uns, drohen wir diesen Dynamiken schutzlos zu erliegen. Denn nicht nur, dass die nötige Selbstbildung und Selbstaufklärung nur gemeinsam möglich sind. Das Gemeinsame erlaubt uns auch, gegen die Vereinzelung Beziehungen aufzubauen, sodass wir der bürgerlichen Kälte mit solidarischer Wärme widerstehen.

Sich zu organisieren, ist demnach weder ein Selbstzweck noch bedeutet es eine individuelle Unterordnung. Sicher, es bedarf einer gewissen Koordination, um gesellschaftlich wirksam zu werden. Das beinhaltet, individuelle Handlungen an einem gemeinsamen Ziel auszurichten.
Es kann aber nicht bedeuten, sich dem Kollektiv reibungslos einzufügen. Diese soldatengleiche Unterordnung stellt doch vielmehr einen Teil des Autoritären dar, den es am Faschismus zu bekämpfen gilt. Wie soll das gelingen, wenn man ihn strukturell widerspiegelt?
Dass die Organisierung das politische Mittel ist, um gegen das Schlechte zu kämpfen, sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie auch der Ort ist, an dem für das Bessere gerungen wird. Denn die »Zerschmetterung des Nazismus« und der »Aufbau einer neuen Welt« sind dasselbe. Sich eingedenk dessen zu organisieren, heißt, im Wissen um die Unmöglichkeit des Richtigen im Falschen für das Bessere einzustehen. Das muss auch bedeuten, gemeinsam den Widerspruch auszuhalten, dass selbst der Widerstand gegen das Falsche sich nicht von ihm frei machen kann. Im Gegenteil, er kann sich sogar an das Falsche angleichen. Denn: »Der Haß gegen die Niedrigkeit verzerrt die Züge«. Sich antifaschistisch zu organisieren, schließt also auch den kollektiven Versuch ein, diesen Verhärtungstendenzen etwas entgegenzusetzen, um sich nicht dem anzugleichen, wogegen man kämpft. Eine Organisation, die selbst autoritäre Züge hat, wird daran scheitern.
 
Heute scheint die Lage offen zu Tage zu liegen: »Die Kräfte sind gering« und »das Ziel liegt in großer Ferne«. Doch es ist an uns zu zeigen: So muss es nicht bleiben! Denn trotz allem besteht die Möglichkeit, diesen »finsteren Zeiten« zu entrinnen. Lasst uns für diese Möglichkeit gemeinsam einstehen!


 

Moorsoldatenlied
 
Rudolf „Rudi“ Oskar Goguel war Mitglied der KPD und wurde als Widerstandskämpfer gegen den NS in das KZ Börgermoor interniert. Dort komponierte er im Krankenrevier während seiner Haftzeit mit Wolfgang Langhoff und Johann Esser das Moorsoldatenlied.
 
In dem KZ Börgermoor bei Papenburg im Emsland wurden ab 1933 vor allem politische Gefangene inhaftiert. Es waren Antifaschist:innen, Sozialdemokrat:innen, Anarchist:innen und Kommunist:innen, die mit einfachen Werkzeugen wie einem Spaten Zwangsarbeit wie Torfstechen im Moor verrichten mussten. Das Lied beschreibt den Arbeitsalltag im Konzentrationslager.
 
Rudi Goguel erinnerte sich später:
 

„Die sechzehn Sänger, vorwiegend Mitglieder des Solinger Arbeitergesangsvereins, marschierten in ihren grünen Polizeiuniformen (unsere damalige Häftlingskleidung) mit geschulterten Spaten in die Arena, ich selbst an der Spitze in blauem Trainingsanzug mit einem abgebrochenen Spatenstiel als Taktstock.“ Wir sangen, und bereits bei der zweiten Strophe begannen die fast 1000 Gefangenen, den Refrain mitzusummen. […]
 
Von Strophe zu Strophe steigerte sich der Refrain, und bei der letzten Strophe sangen auch die SS-Leute, die mit ihren Kommandanten erschienen waren, einträchtig mit uns mit, offenbar, weil sie sich selbst als ‚Moorsoldaten‘ angesprochen fühlten. […]
 
Bei den Worten ‚… dann ziehn die Moorsoldaten nicht mehr mit den Spaten ins Moor‘ stießen die sechzehn Sänger die Spaten in den Sand und marschierten aus der Arena, die Spaten zurücklassend, die nun, in der Moorerde steckend, als Grabkreuze wirkten.“
 
Zwei Tage nach der ersten Aufführung wurde das Lied von der Lagerleitung verboten. Trotzdem war es das Wachpersonal des Lagers, das wiederholt verlangte, dass das Lied von den Häftlingen auf ihren Märschen zum Arbeitsplatz gesungen wurde. Heute existieren von dem Moorsoldatenlied weltweit mindestens 500 Versionen in mehreren Sprachen. Durch entlassene oder in andere Lager verlegte Gefangene wurde das Lied über Börgermoor hinaus bekannt. Im September 1933 haben etwa 20 Frauen ihre im Lager Börgermoor inhaftierten Ehemänner/Partner besucht. Hanns Kralik hat dabei den Text des Moorsoldatenliedes in einer Bastschnalle versteckt an seine Frau Lya Kralik übergeben. So wurde das Lied erstmals bekannt. 1935 lernte es der Komponist Hanns Eisler in London kennen. Er überarbeitete die Melodie für den Sänger Ernst Busch. Dieser schloss sich während des Spanischen Bürgerkrieges (1936–1939) den Brigadas Internacionales an, den Internationalen Brigaden, die die Spanische Republik gegen den Putschisten Franco verteidigten. Dadurch wurde das Lied verstärkt international bekannt.

 
Schaffte es die Antifaschistische Aktion nicht, zu einem gemeinsamen Widerstand gegen den Nationalsozialismus zu gedeihen, so erzeugte die Inhaftierung und das Zusammentreiben der politischen Gegen:innen des Nationalsozialismus eine Realität, in der der Feind bestimmte, wer zusammen in den Reihen der Häftlinge, der Verfolgten und Ermordeten stehen sollte. Die Nationalsozialisten trieben ihre Gegner in eine Ecke. Das Moorsoldatenlied erinnert uns auch daran, dass es dem Faschismus egal ist, wie sich die von ihm ernannten Feinde selber verorten.
 
Wir danken der feministischen Singegruppe dafür, dass sie heute das Lied für uns singen werden.

 


                                  
Was bedeutet Antifa heute? (alea)

Liebe Genoss:innen,

wir möchten die Kundgebung heute nutzen, um ein Thema zu besprechen, was sicherlich viele umtreibt in Anbetracht der gesellschaftlichen Entwicklungen: in Anbetracht der Tatsache, dass die alten  Machtgefüge in der Welt sich verändern, in Anbetracht der Tatsache, dass die westlichen Demokratien instabil sind wie wohl seit Ende des Zweiten Weltkrieges nicht mehr, und für uns als Antifaschist:innen insbesondere in Anbetracht der Tatsache, dass faschistische Kräfte überall erstarkt sind, und auch in Deutschland mit der AfD eine faschistische Partei nach aktuellen Umfragen zweitstärkste Kraft knapp hinter der CDU ist. Die Frage, die sich in Anbetracht all dessen stellt, ist: Was bedeutet Antifa heute? Welche Aufgaben stellen sich im Kampf gegen den Faschismus? Was können wir tun, um uns dem Faschismus entgegenzustellen?

Zuerst einmal: Schon immer teilt sich die antifaschistische Arbeit in zwei große Bereiche auf: der Kampf gegen die Faschisten immer da, wo das staatliche Gewaltmonopol sie nicht in Schach halten kann, und zum anderen da, wo sie politisch an Boden gewinnen. 

Am ersten Kampf hat sich nichts geändert. Da, wo sie auftreten und ihre Angriffe durchführen, bleibt es dabei: Wir stellen uns ihnen entgegen, wenn wir können. Und machen wir uns hier keine Illusionen: Die Zeiten, in denen wir dies mit Vielen getan haben, sind vorbei, und so viele sind wir in diesem Kampf sowieso nie gewesen. Wir stehen hier heute auf verlorenem Posten; es haben sich viele faschistische und gewalttätige Strukturen herausgebildet, und ihr gesellschaftlicher Rückhalt ist stark wie nie, und zugleich sind unsere Strukturen nicht stärker geworden. Sie sind schwächer geworden. Allein durch radikalen Gestus oder durch Repräsentieren eines reinen Bildes, allein dadurch, dass wir appellieren, dass sich jene, die sich zurückgezogen haben, wieder zeigen, oder dadurch, dass wir versuchen, stärker zu mobilisieren, wird es nicht gehen. Sondern: Damit wir nicht die Letzten, sondern vielmehr die Ersten sind, müssen wir es sein, die das machen, was niemand mehr machen will. Und zwar bevor die anderen zurückkommen und bevor die Neuen dazukommen. Wenn wir das nicht tun, dann heißt es: Entweder warten auf die Avantgarde, oder sich selbst als Avantgarde verstehen, als Führungstrupp, der sich selbst nie die Hände schmutzig machen muss, aber gern dabei ist, wenn es darum geht, andere dazu zu bringen, und selbst auf dem Feldherrenhügel irgendwelche Strategiediskussionen zu führen. Und noch etwas ist dazu zu sagen: Wir befinden uns nicht in einer Offensive und wir können auch keine Offensive einfach erzeugen, weil wir es wollen. Eine Offensivsituation ist das Ergebnis anhaltender und nachhaltiger Aktivität, und wer die Offensive haben will, der muss sich dem anschließen, was wir derzeit erleben: einer Defensive, mit allem kläglichen Gefühl, das damit zusammenhängt. Der praktische Antifaschismus der letzten 25 Jahre lebte für viele gerade davon, dass er eine positive, offensive und aktive Identität stiften konnte. Das kann er jetzt nicht mehr; es ist zentral, sich von diesem alten und schon immer bigotten Bild zu lösen und der Ernsthaftigkeit der Lage ins Auge zu schauen. Für viele war Antifa eher cool und hipp, man wollte dabei sein, anstatt die Sache ernsthaft selbst zu betreiben. All diese Leute sind dabei, sich zurückzuziehen und sich zu verstecken. Aber es ist kein Weg, die daraus resultierende Einsamkeit aufheben zu wollen, indem man das alte Bild, das nicht mehr passt, erneut darüberlegt.

Am zweiten Kampf, also dem politischen Kampf gegen den Faschismus, hat sich etwas geändert. Denn es ist so: Waren früher im Grunde alle staatlichen Akteure sowie weite Teile der Gesellschaft der Meinung, es gäbe gar keine politische Bedrohung durch den Faschismus mehr, und war es eine unserer Aufgaben als Antifaschist:innen das Wissen um die Gefahr und die Bedrohung wachzuhalten, so ist es nun so, dass der Staat und seine Institutionen selbst gegen den politischen Faschismus kämpfen und auch kämpfen müssen, denn sie erkennen selbst die Gefahr. Und das gilt auch für die Gesellschaft, die sich an großen Mobilisierungen gegen den Faschismus beteiligt. Niemandem mehr muss vermittelt werden, dass dieser Kampf wichtig ist. Mahnen und Aufmerksam machen ist vorbei. Es kann im politischen Kampf gegen den Faschismus nicht darum gehen, mit den Akteuren der Gesellschaft und des Staates in Konkurrenz zu treten, darum, wer hier die Nase vorn hat. Und es kann auch nicht darum gehen, sich ihnen ähnlich zu machen, um ein Bündnis zu schließen. Sobald wir mehr zu sagen haben, als dass wir die AfD scheiße finden, werden wir als diejenigen erkannt, die wir sind, und als diese werden wir, insbesondere wenn wir versuchen, uns zu tarnen, abgesondert bleiben.
Vielmehr müssen wir uns demgegenüber in unseren Inhalten selbst abgrenzen, und zwar nicht, um damit das Gefühl zu stimulieren, wir seien etwas Besonderes, sondern weil unser Verständnis vom Faschismus und seinen Ursachen tiefer geht, als es bei denen der Fall ist, die gerade so verzweifelt und hilflos ihren Kampf dagegen aufgenommen haben. Doch ist dieses „weil“ auch ein „nur wenn“, denn wir haben auf der politischen Bühne nur dann einen Grund, uns von den anderen abzusondern, wenn unsere Inhalte tatsächlich mehr Erklärungskraft besitzen als die des Rests der Gesellschaft. Wenn sie das nicht tun, dann sind wir nicht different, sondern bloß auf peinliche Weise identitär aufgeladen. Unsere Abgrenzung ist dann Ausdruck eines narzisstischen Wunsches, als so besonders wahrgenommen zu werden, wie wir uns selber fühlen, ohne dass es aber einen besonderen Grund dafür gäbe.
In diesem Punkt macht es gar keinen Sinn, sich falsch zu schonen: Weite Teile der linksradikalen antifaschistischen Bewegung besitzen einen solchen kritischen Inhalt nicht. Das Radikale ist nur ein oberflächlich Radikales. Es ist vielmehr damit assoziiert, wie man sich kleidet, wie man spricht und was man isst, als damit, was man denkt. Wenn sich hieran nichts ändert, dann gibt es gar keinen linksradikalen politischen Antifaschismus.
Viel wird sich gewundert und geärgert darüber, dass die neokommunistischen Gruppen so viel Zulauf haben, mit ihrem angestaubten und autoritären Marxismus-Leninismus. Aber was soll denn alles Lamenti? Was haben wir dem entgegenzusetzen? Wo sind unsere politischen Positionen, die sich wirklich abheben von dem, was Grüne, Linkspartei und selbst Teile von SPD und CDU auch von sich geben? Was man den Rotgruppen bei all ihrer Lächerlichkeit zugutehalten muss, ist doch gerade das, dass sie sich um eine radikale Abgrenzung zumindest bemühen. Dass sie dabei erfolglos bleiben und im Grunde das falsche Bestehende stärker vermitteln, als dass sie dagegen vorgehen können, liegt an den unreflektierten Problemen der leninschen Dialektik, dem Fortwesen stillgestellter Widersprüche und dem Ausschalten eines kritischen Denkens, weniger aber daran, dass sie autoritär sind, worauf Antiautoritäre gerne ausweichen. Das, was aktuell unter anarchistischem Label auf die Bühne tritt, ist demgegenüber so kümmerlich, dass es die Erwähnung schon fast nicht wert ist. Die inhaltlichen Mängel und Leerstellen sind oft noch eklatanter als es bei den neokommunistischen Gruppen der Fall ist. Sie sind oft nicht vielmehr als eine romantische bürgerliche Schwärmerei, und dies wird umso heftiger verdrängt, wie es wahr ist.
Um es kurz zu machen: Alle glauben, dass sie das Wissen und die politischen Kenntnisse schon besitzen, um den Faschismus politisch zu stellen. Und dies ist der zentrale Irrtum, der die politische Bedeutungslosigkeit des linksradikalen Antifaschismus ausmacht. Immer nur das, was ohnehin schon alle wissen und trotzdem alle immer wieder hören wollen, immer wieder zu sagen, ist kein wesentlicher politischer Inhalt, es ist vielmehr das, wogegen sich aufgelehnt werden muss.

Wir haben mobilisiert unter dem Motto „Re:organisiert die Antifaschistische Aktion“. Und dies ist ganz im Wortsinne gemeint. Es geht darum, dass wir wieder mehr Verbindungen untereinander aufbauen. Aber keine leeren Verbindungen, die um die Frage kreisen: „Wer kennt wen, wer ist wichtig, wer wird von wem ernstgenommen und angesprochen?“, also kurz: keine identitätsorientierten Verbindungen, sondern bedeutsame Verbindungen. Diese entstehen aber nur, wenn auch Bedeutsames getan wird, wenn also diese Verbindungen nicht um sich selbst kreisen, sondern darum, praktische und inhaltliche Fortschritte zu machen. Worin diese Fortschritte heute bestehen, haben wir versucht deutlich zu machen.
Die Re:organisation bezieht sich aber nicht nur auf das Verhältnis von uns zueinander, sondern auch auf unser internes Selbstverhältnis. Wir müssen uns selbst anders aufstellen, um uns mit dem, was ist, und dem, was kommt, konfrontieren zu können. Wir müssen begreifen, dass die Inhalte, wie sie derzeit die linksradikalen Strukturen dominieren, zu Ketten geworden sind, die uns an das Bestehende halten, anstatt uns davon loszubringen. Wenn dies so bleibt, werden wir mit unserer antifaschistischen Theorie und Praxis niemals von der Stelle kommen, und dann wird der Faschismus irgendwann siegen.

In diesem Sinne:
Her zu uns! Re:organisiert die Antifaschistische Aktion!
Tod dem Faschismus!


 

 

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