Bericht zur Antifa-Kundgebung in Gedenken an Bernd Grigol

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Zum 80. Jahrestag der bedingungslosen Kapitulation Nazisdeutschlands haben wir dazu aufgerufen, gemeinsam an Bernd Grigol zu erinnern. Bernd Grigol wurde am 08. Mai 1996, also vor 29 Jahren, von drei Neonazis in Leipzig-Wahren ermordet.

Die Umstände seines Todes wurden im Gerichtsverfahren, welches gegen die vier Täter geführt wurde, entpolitisiert, obwohl der politische Hintergrund der Täter offenkundig war: Vor ihrer Tat beleidigten die Nazis Bernd Grigol als „schwule Sau“. In der Folge misshandelten und folterten sie ihn, und stachen schließlich 36 Mal mit einem Messer auf ihn ein. Nach dem Gewaltexzess – mit dem die Täter offen prahlten – warfen sie Bernd Grigol in einen Autokofferraum, um den reglosen Körper anschließend in einen nahegelegenen See in Ammelshain zu schmeißen.

Am 08. Mai 2025 kamen wir für ein kleines Gedenken an Bernd Grigol zusammen. Seine Ermordung betrachten wir auch als Ausdruck der faschistischen Kontinuität im Nachkriegsdeutschland. Der Gewaltexzess der Täter ist eine Konsequenz faschistischen Denkens, das trotz der Demokratisierung Deutschlands bis heute fortwirkt. Ist der 08. Mai noch heute Anlass zum Feiern über den militärischen Sieg gegen das deutsche Naziregime, zeigt der Mord an Bernd Grigol in aller Deutlichkeit, dass dieser Sieg nicht das Ende des Faschismus bedeutete. Mit einigen Mitstreiter:innen trafen wir uns an der für Bernd Grigol von Antifas angebrachten Gedenktafel, um Blumen und Kerzen niederzulegen und mit einem kurzen Redebeitrag auf die Ermordung von Bernd Grigol aufmerksam zu machen. Im Folgendem dokumentieren wir diesen:

 

 

Redebeitrag anlässlich der Kundgebung in Gedenken an Bernd Grigol

Bernd Grigol wurde am 08. Mai 1996, also vor 29 Jahren, von drei Neonazis in Leipzig-Wahren ermordet. Der Umstand seines Todes wurde im Gerichtsverfahren, welches gegen die vier Täter geführt worden ist, entpolitisiert, obwohl über die Tat bekannt war, dass die Nazis Bernd Grigol misshandelten und folterten; Sie stachen dabei 36 Mal mit einem Messer auf ihr Opfer ein, welches sie vorab mit den Worten: „Hau ab, du schwule Ratte!“ beleidigten. Nachdem ihr Gewaltexzess endete, mit dem die Täter später offen prahlten, warfen sie Bernd Grigol in den Autokofferraum eines vierten Täters, um den reglosen Körper anschließend in einem nahegelegenden See in Ammelshain zu schmeißen. 

Vorschnell werden Taten wie diese nur allzu bequem vergangenen Zeiten zugeschrieben. War der deutsche Faschismus ein vermeintlicher Zivilisationsbruch in zwölf Jahren der Unterbrechung deutscher Geschichte, so wird auch der Mord an Bernd Grigol nur allzu schnell vergangenen Zeiten zugeschrieben. Damals, in den sogenannten “Baseballschlägerjahren”, geschahen solche Dinge. Doch diese Zeit soll überwunden sein. Ebenso ein Ausrutscher in der Geschichte. Der verwirrten, sogenannten “Nachwendezeit”. Heute ist es anders. Heute ist Leipzig weltoffen und wenn es passt auch linke Hochburg, Gegenbeispiel für die überwundenen Geschichte. 

Mitnichten. Geschichte wiederholt sich zwar nicht, aber sie hört auch nicht einfach auf. Sowohl die Form als auch der hinter der Tat stehende ideologische Inhalt sind nicht von gestern. Es ist keine Zeit zwischen dem Tod von Bernd Grigol und dem Heute auszumachen, in der neonazistische Gewalt und Morde nicht stattgefunden hätten. Ebenso das Motiv von Michael Langbein, Rainer Schmidt und David Däbritz ist keines vergangener Tage. Aggressiv zur Schau gestellte Feindschaft gegen alles, was nicht dem heteronormativen, völkischen Weltbild der Faschisten entspricht ist alltäglich. Die Gegenaktionen und Angriffe auf die CSD’s im letzten Jahr haben dies nur allzu deutlich gezeigt. Ebenso treten dort keine vermeintlich “Ewiggestrigen” auf, sondern organisierte Jugendliche stehen in den ersten Reihen der Faschisten und tragen die Mobilisierung. Und auch der Mord an Christopher W. in Aue am 17. April 2018 wurde aus den gleichen homosexuellenfeindlichen Motiven begangen, wie bei Bernd Grigol im Jahr 1996. Die Täter waren ebenso drei bekannten Neonazis und so wie Langbein, Schmidt und Däbritz zwischen 21 und 27 Jahre alt.

Diese Gesellschaft bringt weiterhin die Täter hervor, die auf so ähnliche Weise und aus den selben Motiven so brutal töten. Noch 2013 war Wahren bekannt für seine rassitsiche Mobilisierung gegen Geflüchtete. Die sogenannte “Bürgerinitiative” beschrieb Wahren damals als  (Zitat) “historisch gewachsenes Wohngebiet mit homogener sozio-kultureller Bevölkerungsstruktur”. Was mit denen passiert, die nicht zu dieser als homogen imaginierten Bestie mit dem Namen Volk gehören, wird am Tod von Berd Grigol und anderen deutlich.
Da wundert es auch nicht, dass in der Nacht, als Grigol ermordet wurde niemand auf die Hilferufe reagierte. Anwohner*innen sagten damals: (Zitat) “An den Lärm nächtlicher Auseinandersetzungen und die verzweifelten Hilferufe haben sie sich gewöhnt. Sie schlafen lieber weiter.”

Wir gewöhnen uns nicht. Wir gedenken Bernd Grigol. Und aus dem Wissen um seinen Tod geben wir nicht nach. Es ist nicht besser geworden.

 


 

 

alea • antifaschistisch & autonom

Mai 2025, Leipzig
alea-le.org

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