Die neue Georg-Elser-Straße

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In Bielefeld wurde die Graf-von-Stauffenberg-Str. mitsamt ihrer Bus- und Stadtbahn-Haltestelle von uns in die Georg-Elser-Straße umbenannt.
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Georg Elser war von vorneherein ein Gegner des Nationalsozialismus. Er beobachtete, wie sich die Bedingungen der Arbeiter*innen verschlechterten und die Nazis ihre Freiheit zunehmend einschränkten. Ab 1938 kam die Befürchtung eines Krieges hinzu. So entschloss sich Elser im Herbst 1938, Hitler und einige weitere führende Personen des Naziregimes bei der Feier zum Jahrestag des gescheiterten Putschversuchs vom 9. November 1923 im Münchener Bürgerbräukeller zu töten

Georg Elser begann in einem Steinbruch zu arbeiten und stahl dort Sprengstoff, um eine Bombe zu bauen. Er distanzierte sich auch von Freunden und Familie, um diese vor dem Verdacht der Mittäterschaft zu schützen. Im August 1939 zog er nach München, um dort Nacht für Nacht eine Säule im Bürgerbräukeller auszuhöhlen, in der er seine, mit einem Zeitzünder versehene Bombe, verstecken konnte.

Wegen einigen kurzfristigen Veränderungen im Zeitplan, hielt Hitler seine Rede im Bürgerbräukeller früher als erwartet und war schon wieder aus dem Raum, bevor der Zeitzünder die Bombe auslöste und entkam so dem Attentat. Noch bevor die Bombe explodierte, wurde Georg Elser beim Versuch in die Schweiz zu gelangen verhaftet und gefolter. Später gestand er den Attentatsversuch. Ab 1941 wurde Elser erst im KZ Sachsenhausen und später im KZ Dachau gefangen gehalten, wo er am 9. April 1945 ermordet wurde.

Graf von Stauffenberg, der mit einer Gruppe Gleichgesinnter ebenfalls einen erfolglosen Anschlag auf Hitler verübte, nimmt einen großen Teil im Gedenken an den Widerstand gegen den Nationalsozialismus ein. Georg Elser hingegen wurde vor den 90er Jahren nahezu gar nicht gedacht. Von Stauffenberg ist namensgebend für Straßen, Plätze und öffentliche Orte, so auch in Bielefeld. Dies reiht sich nahtlos in die deutsche Gedenkkultur und Aufarbeitung ein. Denn: Stauffenberg und die anderen Beteiligten vom 20. Juli 1944, waren keine grundsätzlichen Gegner des Nationalsozialismus.Sie teilten viele Ansichten, wie die Vorstellung von der Ungleichwertigkeit der Menschen, der Idee Lebensraum im Osten zu benötigen, sowie den Wunsch nach einem autoritären Staat.Für sie war unbedingte Loyalität zu ihrem Staat unabdinglich und damit auch zum nationalsozialistischen Deutschland und seiner Verbrechen. So war weniger eine ideologische Verurteilung der Nazis ausschlaggebend für den Widerstand gegen Hitler, als vielmehr die bevorstehende Niederlage im zweiten Weltkrieg. Es war also nicht der Versuch die Menschen vor den Nazis zu schützen, sondern der nationalistische Versuch den Staat zu schützen.

So wird heute immer noch denen gedacht, die versuchten das dritte Reich über den zweiten Weltkrieg hinaus zu bewahren und jene vergessen, die grundsätzlich gegen Krieg und Faschismus kämpften.

Auch heute zeigen die konservativen Kräfte in Deutschland, dass sie dem Faschismus näher stehen, als einer Gesellschaft in der alle Menschen gleichwertig sind. Sie paktieren mit Faschist*innen im Ausland und stimmen mit faschistischen Parteien im Inland, damit sie die vermeintlich falschen Menschen - also all jene, die nicht in ihr rassistisches Weltbild passen - an den Grenzen erfrieren oder im Mittelmeer ertrinken lassen können.

Erich Kästner sagte einst: „Die Ereignisse von 1933 bis 1945 hätten spätestens 1928 bekämpft werden müssen. Später war es zu spät. Man darf nicht warten, bis der Freiheitskampf Landesverrat genannt wird. Man darf nicht warten, bis aus dem Schneeball eine Lawine geworden ist.“ und er hatte wohl recht damit. Wir können nicht sagen, wann eine Gesellschaft einen solchen Punkt erreicht hat, aber wir können nicht warten bis er soweit ist. Deswegen wollen wir heute, am Todestag von Georg Elser, seinen Taten gedenken, indem wir die Graf-von-Stauffenberg-Straße umbenennen. In Zeiten, in denen noch Schlimmeres verhindert werden kann, wollen wir klar machen, dass auch die Taten Georg Elsers Schlimmeres hätten verhindern können.

Wir haben das Ganze auch filmisch festgehalten: http://2pyimbpxocupne6nbekma4dygkobl36sblei6ttknbm4kfh3r7jlpzyd.onion/#N...

English:

Georg Elser was an enemy of National Socialism from the outset. He observed how workers' conditions deteriorated and how the Nazis increasingly restricted their freedom. From 1938 onwards, there was also the fear of war. In the autumn of 1938, Elser decided to kill Hitler and several other leading figures of the Nazi regime at the celebration of the anniversary of the failed putsch attempt of November 9, 1923 in Munich's Bürgerbräukeller.

Georg Elser began working in a quarry, where he stole explosives to build a bomb. He also distanced himself from friends and family in order to protect them from suspicion of complicity. In August 1939, he moved to Munich to hollow out a pillar in the Bürgerbräukeller night after night, in which he could hide his bomb, which was fitted with a time fuse.

Due to some last-minute changes in the schedule, Hitler gave his speech in the Bürgerbräukeller earlier than expected and was already out of the room before the time fuse triggered the bomb, thus escaping the assassination attempt. Even before the bomb exploded, Georg Elser was arrested and tortured while trying to enter Switzerland. He later confessed to the assassination attempt. From 1941, Elser was first held in Sachsenhausen concentration camp and later in Dachau concentration camp, where he was murdered on April 9, 1945.

Graf von Stauffenberg, who also carried out an unsuccessful attempt on Hitler's life with a group of like-minded people, occupies a large part of the remembrance of the resistance against National Socialism. Georg Elser, on the other hand, was hardly commemorated at all before the 1990s. Von Stauffenberg has been given the name of streets, squares and public places, including in Bielefeld. This fits seamlessly into the German culture of remembrance and reappraisal. After all, Stauffenberg and the others involved in July 20, 1944, were not fundamental opponents of National Socialism. They shared many views, such as the idea of the inequality of people, the idea of needing living space in the East and the desire for an authoritarian state. For them, unconditional loyalty to their state was essential and therefore also to National Socialist Germany and its crimes. It was not so much an ideological condemnation of the Nazis that was decisive for the resistance against Hitler, but rather the imminent defeat in the Second World War. It was therefore not an attempt to protect the people from the Nazis, but a nationalist attempt to protect the state.

In this way, those who tried to preserve the Third Reich beyond the Second World War are still remembered today and those who fought against war and fascism in principle are forgotten.

Nowadays, conservative forces in Germany continue to show that they are closer to fascism than to a society in which all people are equal. They make pacts with fascists abroad and vote with fascist parties at home so that they can let the supposedly wrong people - i.e. all those who do not fit into their racist world view - freeze to death at the borders or drown in the Mediterranean.

Erich Kästner once said: "The events of 1933 to 1945 should have been combated in 1928 at the very latest. After that, it was too late. We must not wait until the fight for freedom is called treason. We must not wait until the snowball has turned into an avalanche." And he was quite right. We cannot say when a society has reached that point, but we cannot wait until it does. That is why today, on the anniversary of Georg Elser's death, we want to commemorate his deeds by renaming Graf-von-Stauffenberg-Straße. In times when worse things can still be prevented, we want to make it clear that Georg Elser's actions could also have prevented worse things.

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